Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (9. Zivilsenat) - 9 U 51/12 (Hs), 9 U 51/12

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 23. Februar 2012 verkündete Urteil des Landgerichts Stendal abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger

Euro 572,64 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.08.2011 zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger ¼, die Beklagten als Gesamtschuldner ¾.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen den Beklagten als Gesamtschuldner zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf Euro 572,64 festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um Abmahnkosten aufgrund einer Abmahnung nach BuchPrG.

2

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers sind von einer Vielzahl deutscher Verlage beauftragt, in der Funktion als Preisbindungstreuhänder die Buchpreisbindung zu überwachen.

3

Die Beklagte zu 3., deren Gesellschafter die Beklagten zu 1. und 2. sind, verkaufte u. a. preisgebundene Bücher. Dabei wurde mit einem Eröffnungsrabatt von 22 % „Auf Alles (außer Elektronik)“ geworben. Auch preisgebundene Bücher wurden mit diesem Nachlass verkauft.

4

Unter dem 18.04.2011 forderten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beklagte zu zu 3. zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, die diese auch unterzeichnete. Die unter dem 11.05.2011 übersandte Kostenrechnung traten die Beklagten entgegen und zahlten hierauf insgesamt Euro 203,00.

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Wegen des restlichen Betrages streiten die Parteien.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass er aufgrund des Treuhandauftrages berechtigt sei, die Preisbindungsverstöße zu verfolgen. Hierbei verfolge er keine Rechtsverstöße des eigenen Interessenkreises; vielmehr handele er zwar im eigenen Namen, nicht aber im eigenen Interesse. Mithin seien die Grundsätze der sogenannten „Selbstbeauftragung“ im Hinblick auf die erstattungsfähigen Kosten der Rechtsverfolgung nicht anwendbar. Es müssten die gleichen Grundsätze wie bei einer individuellen Mandatierung gelten, so dass ein Honoraranspruch nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz entstanden sei.

7

Nachdem der Kläger zunächst den Antrag angekündigt hatte, die Beklagten zu verurteilen, an ihn Euro 775,64 nebst Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen, hat er unter teilweiser Rücknahme der Klage beantragt, die Beklagten zu verurteilen,

8

an ihn Euro 572,64 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Die Beklagten haben beantragt,

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die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagten haben bestritten, dass der Kläger auch als Buchpreistreuhänder in Bezug auf das betroffene Buch tätig gewesen sei. Nicht dem Kläger, sondern deren Prozessbevollmächtigten komme die Stellung als Buchpreistreuhänder zu. Der Kläger könne lediglich Aufwendungsersatz im Umfang der ihm tatsächlich selbst entstandenen Aufwendungen verlangen.

12

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

13

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei Anspruchsberechtigter nach § 9 Abs. 2 Ziffer 3 Buchpreisbindungsgesetz. Der Treuhandauftrag sei umfassend, so dass es nicht darauf ankomme, ob der Treuhandauftrag auch in Bezug auf das streitgegenständliche Buch vorgelegen habe.

14

Der Kläger könne gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG Ersatz der erforderlichen Aufwendung verlangen.

15

Die Abmahnung sei berechtigt gewesen.

16

Die Höhe des Aufwendungsersatzes richte sich jedoch nach dessen Erforderlichkeit. Ein Rechtsanwalt, der sich selbst für die Abmahnung eines unschwer zu erkennenden Wettbewerbes mandatiere, könne keine Anwaltsgebühren beanspruchen. So müsse auch ein Wettbewerbsverband ohne anwaltlichen Rat in der Lage sein, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße zu erkennen und abzumahnen, da es gerade seine Aufgabe sei, die Interessen seiner Mitglieder wahrzunehmen.

17

Zwar sei gemäß § 9 Abs. 2 Ziffer 3 Buchpreisbindungsgesetz ausdrücklich ein Rechtsanwalt als Preisbindungstreuhänder vorgesehen. Die hierin eingeräumte Klagebefugnis besage jedoch nichts über die Höhe des Aufwendungsersatzanspruches. Vielmehr werde in § 9 Abs. 3 BuchPrG auch für das Verfahren allgemein auf die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb verwiesen. Da eine gesonderte Regelung über die Kosten der Abmahnung im Buchpreisbindungsgesetz nicht enthalten sei, seien die allgemeinen Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb anwendbar. Die Begründung, der Honoraranspruch ergebe sich bereits daraus, dass ein Rechtsanwalt als Preisbindungstreuhänder fungieren könne, sei nicht überzeugend. Dies stehe insbesondere nicht im Einklang mit dem Verweis in § 9 Abs. 3 BuchPreisG.

18

Eine Ersatzfähigkeit der Vergütung als Rechtsanwalt hätte der Gesetzgeber im Gesetz zum Ausdruck bringen müssen.

19

Gegen das ihm am 28.02.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 07.03.2012 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit weiterem, am 02.04.2012 eingegangenen Schriftsatz begründet.

20

Er wiederholt und vertieft seine erstinstanzliche Rechtsauffassung zur Frage der Vergütung als Preisbindungstreuhänder und beantragt,

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das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, an ihn Euro 572,64 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

22

Die Beklagten beantragen,

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die Klage abzuweisen.

24

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil.

II.

25

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen nach §§ 517, 519, 520 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

26

Das Rechtsmittel ist begründet. Es führt zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils.

27

Im Berufungsverfahren sind Entscheidungen des ersten Rechtszuges gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf überprüfbar, ob die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung i. S. v. § 546 ZPO beruht oder ob die der Verhandlung und Entscheidung des Berufungsrechtsstreites nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dabei ist grundsätzlich von den durch das Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen auszugehen. Das Berufungsgericht hat nur zu prüfen, ob konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

28

Derartige Zweifel hat der Kläger in der Berufungsbegründung nicht nach § 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO bezeichnet, denn mit seinem Rechtsmittel wendet er sich allein gegen die durch das Landgericht getroffene rechtliche Beurteilung.

29

Der Kläger hat gegen die Beklagten Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 3 Buchpreisbindungsgesetz i. V. m. §§ 12 Abs. 1 Satz 1 UWG, 105, 124 Abs. 1, 128 Satz 1 HGB.

30

Soweit das Landgericht den Kläger als anspruchsberechtigt ansieht, teilt der Senat die im angegriffenen Urteil vertretene Auffassung und verweist hinsichtlich der Begründung auf das landgerichtliche Urteil.

31

Dies gilt auch insoweit, als das Landgericht die Berechtigung der Abmahnung bejaht.

32

Der Senat vermag jedoch die Auffassung, der Kläger könne Anwaltsgebühren nicht beanspruchen, nicht zu teilen.

33

Der Senat folgt dem Landgericht dahingehend, dass der Kläger ohne anwaltlichen Rat in der Lage ist, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Verstöße zu erkennen und abzumahnen. Auf eine rechtliche Beratung durch seine Sozien war der Kläger ebenfalls mit Sicherheit nicht angewiesen.

34

Zutreffend ist auch der Ansatz des Landgerichts, dass das Buchpreisbindungsgesetz keinerlei Regelungen über die Frage der erforderlichen Kosten enthält, sondern auf das UWG verweist.

35

Um die Frage der Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren beantworten zu können, ist auf den Sinn des Buchpreisbindungsgesetzes abzustellen. Nach § 9 Abs. 3 Abs. 2 Nr. 3 BuchPrG kann der Anspruch auf Unterlassung geltend gemacht werden von einem Rechtsanwalt, der von Verlegern, Importeuren oder Unternehmen, die Verkäufe an Letztabnehmer tätigen, gemeinsam als Treuhänder damit beauftragt worden ist, ihre Preisbindung zu betreuen.

36

Zwar ist zutreffend der Ansatz, dass die hierin eingeräumte Klagebefugnis noch nichts über die Höhe des Aufwendungsersatzanspruches aussagt (OLG Frankfurt, Urteil vom 24.04.2007 – 11 U 41/06 und vom 08.12.2009 – 11 U 72/07 – jeweils zitiert nach Juris).

37

Unzweifelhaft dürfte jedoch sein, dass dann, wenn ein Rechtsanwalt, der von Gewerbetreibenden, die Bücher vertreiben (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 BuchPrG), mit der Verfolgung eines Unterlassungsanspruchs beauftragt wird, dessen Gebühren gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG vom Verletzer zu erstatten wären.

38

§ 9 Abs. 2 Ziffer 3 Buchpreisgesetz legt lediglich fest, dass der Rechtsanwalt im eigenen Namen tätig wird. Allerdings wird er stets im Auftrage des Gewerbetreibenden tätig. Wenn hier differenziert wird zwischen dem generellen Auftrag, Verstöße gegen die Buchpreisbindung zu verfolgen und dem Auftrag einem Einzelverstoß nachzugehen, ist dies nicht sachgerecht. Vielmehr ist in der grundsätzlichen Beauftragung als Buchpreistreuhänder eine antizipierte Beauftragung zur Verfolgung einzelner Verstöße zu sehen. Betrachtet man aber die generelle Beauftragung als eine solche antizipierte Beauftragung zur Verfolgung einzelner Verstöße, können Zweifel daran, dass der erforderliche Aufwand auch die Kosten eines Rechtsanwaltes umfasst, nicht mehr bestehen.

39

Damit unterliegt das landgerichtliche Urteil der Abänderung und die Beklagten sind antragsgemäß zu verurteilen.

40

Der Zinsanspruch ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges, §§ 286, 288 BGB. Geltend gemacht wurde hier jedoch erst eine Verzinsung ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit.

II.

41

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Kosten der ersten Instanz ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1,100 Abs. 4 ZPO, hinsichtlich der zweiten Instanz aus §§ 91, 100 Abs. 4 ZPO.

42

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

43

Da dieses Urteil im Widerspruch zu den oben zitierten Urteilen des Oberlandesgerichts Frankfurt steht, ist die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen.

44

Der Streitwert ergibt sich aus § 47 GKG.


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