Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (2. Senat für Familiensachen) - 8 UF 105/14
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den am 29.04.2014 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Weißenfels (Az. 5 F 476/13) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 13.332,00 €.
In Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung zum Verfahrenswert wird der Wert für das Verfahren im ersten Rechtszug ebenfalls auf 13.332,00 € festgesetzt.
Gründe
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Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen die angefochtene Entscheidung, mit der er sich lediglich gegen die vom Familiengericht ausgesprochene Abänderung der Jugendamtsurkunden vom 24.09.2007 wendet, ist unbegründet.
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Zu Recht hat das Amtsgericht den Antragsgegner mit dem angefochtenen Beschluss verpflichtet, an die Antragsteller für die Zeit ab Januar 2013 in Abänderung der Jugendamtsurkunden der Kreisverwaltung A. vom 24.09.2007 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von jeweils 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich hälftigen staatlichen Kindergeldes für ein erstes und zweites Kind nebst Zinsen in der titulierten Höhe zu zahlen (§§ 1601, 1602, 1603 Abs. 2, 1610, 1612, 1612a, 1612b Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, 1613 Abs. 1; 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB).
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Der Antragsgegner arbeitet seit 1991 als Metallbauer und Schlosser bei der S. GmbH in E. . Dort hat er bereits im Dezember 2012 einen Bruttostundenlohn von 14,31 € erzielt. Legt man nur diesen Betrag zugrunde und stellt in Rechnung, dass der Antragsgegner vor dem Hintergrund seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit gehalten ist, nicht nur 40 Stunden pro Woche zu arbeiten, sondern nach Maßgabe der nach dem Arbeitszeitgesetz zulässigen Höchstarbeitszeit sogar 48 Wochenarbeitsstunden zu absolvieren, ist die Annahme fiktiver Einkünfte von zumindest 2.976,48 € brutto monatlich gerechtfertigt. Der Antragsgegner, den insoweit die Vortragslast trifft, legt nicht hinreichend untersetzt dar, dass er zu einer entsprechenden Ausweitung seiner gegenwärtigen Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, denn aus seinem Vorbringen ergibt sich nicht mit hinreichender Substanz, dass er krankheitsbedingt (aufgrund von Depressionen und psychosomatischen Beschwerden des Herz-/Kreislaufsystems) an einer Heraufsetzung seiner Wochenarbeitszeit auf das gesetzlich zulässige Maß gehindert ist, und in welcher Weise das behauptete Krankheitsbild seine Leistungsfähigkeit überhaupt herabsetzt. Hierzu hätte es gehört, vorzutragen, welche Tätigkeiten - namentlich solche, die in seinem langjährig ausgeübten Beruf gefordert werden - er im Einzelnen nicht über das gegenwärtige zeitliche Maß hinaus will ausüben können.
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Daher ist die Annahme fiktiver und zur Leistungsfähigkeit des Antragsgegners für Kindesunterhalt führender weiterer Erwerbseinkünfte gerechtfertigt.
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Rechnet man das erzielbare Bruttoeinkommen von wenigstens 2.976,48 € unter Zugrundelegung von Steuerklasse 1, einer Kirchensteuerverpflichtung und eines 1,0-Kinderfreibetrags, den er auch gegenwärtig in Anspruch nimmt, in ein Nettogehalt um, ergibt sich ein Wert von 1.874,61 €. Abzüglich der Pauschale von 5 % für berufsbedingten Aufwand ergeben sich 1.780,88 €. Selbst bei Zugrundelegung des aktuellen notwendigen (und noch nicht einmal um eine Haushaltsersparnis reduzierten) Selbstbehalts von 1.000,00 € beträgt die Verteilungsmasse 780,88 €. Aus dem ihm nach Abzug des Selbstbehalts verbleibenden (teils fiktiven) Einkommen kann folglich der Antragsgegner die monatlichen Zahlbeträge von derzeit 334,00 € bzw. 272,00 € für die Zeit ab Januar 2013 leisten.
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Für die Finanzierung der vom Antragsgegner geltend gemachten Umgangskosten von monatlich 200,00 € bleiben aus der Verteilungsmasse noch 174,00 €, und es ist ihm zumutbar, die verbleibende geringfügige Differenz von 26,00 € aus seinem Selbstbehalt zu finanzieren (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 2091; Palandt/Götz, BGB, 73. Aufl., § 1684 Rn 38), zumal ihm noch der hälftige Kindergeldanteil zugute kommt.
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Um weitere Verbindlichkeiten (freiwillige Beiträge zu privaten Versicherungen) ist das Einkommen des Antragsgegners nicht zu reduzieren, da andernfalls der Mindestunterhalt für die Antragsteller nicht sichergestellt wäre (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 73. Aufl., § 1603 Rn 8: „Die Interessenabwägung führt in der Regel dazu, dass der unterhaltspflichtige Elternteil wenigstens den Mindestunterhalt (§ 1612a) zahlen muss; eine Unterschreitung kommt nur im Ausnahmefall in Betracht.“).
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Bei dieser Beurteilung der Sach- und Rechtslage bleibt der Senat auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 28.08.2014.
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Der Senat entscheidet im Übrigen über das Rechtsmittel des Antragsgegners ohne erneute mündliche Verhandlung, denn neue Erkenntnisse sind nicht zu erwarten (§§ 68 Abs. 3 S. 2, 117 Abs. 3 FamFG). Das Familiengericht hat durch die sorgfältige Art seiner Verfahrensführung die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen bereits umfassend aufgeklärt und hierdurch die Tatsachengrundlage geschaffen, die seine Entscheidung stützt und außerdem dem Senat eine Entscheidung ohne eine weitere mündliche Verhandlung ermöglicht.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 243 S. 1 und 2 Nr. 1 FamFG; 40 Abs. 1 S. 1, 51 Abs. 1 FamGKG.
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Im Rahmen der Wertfestsetzung berücksichtigt der Senat einen Gesamtzeitraum von Januar 2013 (von diesem Monat an werden Unterhaltsrückstände von den Antragstellern begehrt) bis Oktober 2014, nachdem der Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragsteller im Oktober 2013 beim Familiengericht eingegangen ist (§ 51 Abs. 2 S. 2 FamGKG) und der Antrag in der Hauptsache mit Schriftsatz vom 19.12.2013 sogar noch vor der Verfahrenskostenhilfebewilligung durch das Amtsgericht mit Beschluss vom 23.01.2014 eingereicht wurde (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 17.09.2013 - 6 WF 191/13 - zitiert nach „juris“). Eine Differenzbildung zwischen den von den Antragstellern begehrten monatlichen Zahlbeträgen, die aus jeweils 100 % des Mindestunterhalts folgen, und den durch die zur Abänderung gestellten Jugendamtsurkunden titulierten Unterhaltsbeträgen von 112,54 € bzw. 92,14 € unterbleibt im Rahmen der Wertermittlung, da die Antragsteller die Errichtung dynamisierter Titel erstreben, denen gegenüber die Alttitel ein „Aliud“ darstellen. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren errechnet sich mithin wie folgt:
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22 Monate (Januar 2013 bis Oktober 2014) x (334,00 € + 272,00 €) = 13.332,00 €.
- 13
Die erstinstanzliche Wertfestsetzung ändert der Senat aus den vorstehend genannten Gründen von Amts wegen gemäß § 55 Abs. 3 FamGKG ebenfalls auf 13.332,00 € ab. Dabei bleibt die von den Antragstellern im ersten Rechtszug verlangte Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten (490,28 €) außer Ansatz, weil durchgehend die Hauptforderung (Unterhaltsabänderung) verfahrensgegenständlich war (vgl. BGH NJW-RR 2008, 374).
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Referenzen
- FamFG § 68 Gang des Beschwerdeverfahrens 1x
- FamGKG § 40 Rechtsmittelverfahren 1x
- BGB § 1601 Unterhaltsverpflichtete 1x
- 6 WF 191/13 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 1612b Deckung des Barbedarfs durch Kindergeld 1x
- BGB § 1603 Leistungsfähigkeit 1x
- BGB § 1610 Maß des Unterhalts 1x
- FamFG § 2 Örtliche Zuständigkeit 1x
- FamGKG § 51 Unterhaltssachen und sonstige den Unterhalt betreffende Familiensachen 2x
- FamGKG § 55 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren 1x
- FamFG § 117 Rechtsmittel in Ehe- und Familienstreitsachen 1x
- BGB § 1613 Unterhalt für die Vergangenheit 1x
- BGB § 1612a Mindestunterhalt minderjähriger Kinder; Verordnungsermächtigung 1x
- FamFG § 243 Kostenentscheidung 1x
- 5 F 476/13 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- BGB § 291 Prozesszinsen 1x
- BGB § 1612 Art der Unterhaltsgewährung 1x
- BGB § 1602 Bedürftigkeit 1x