Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (3. Senat für Familiensachen) - 4 UF 153/14

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Quedlinburg vom 24. Juli 2014, Az.: 4 F 744/13 GÜ, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

3. Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 24.497,08 € festgesetzt.

4. Das Gesuch des Antragstellers, ihm Verfahrenskostenhilfe für das Rechtmittelverfahren zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

5. Der Antragsgegnerin wird zur Rechtsverteidigung gegen die Beschwerde des Antragstellers Verfahrenskostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Rechtsanwältin W. zu ihrer Vertretung bewilligt.

Gründe

I.

1

Die gemäß den §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 63 Abs. 1 und 3, 64 FamFG eingelegte und gemäß § 117 Abs. 1 FamFG in Verb. mit § 112 Nr. 2 FamFG begründete Beschwerde des Antragstellers (Bl. 155 - 157 d. A.), weiter ausgeführt mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2014 (Bl. 164, 165 d. A.), gegen den Beschluss des Amtsgerichts Quedlinburg vom 24. Juli 2014 (Bl. 121 - 125 d. A.) bleibt in der Sache ohne Erfolg.

2

Über das zulässige Rechtsmittel kann der Senat nach entsprechendem Hinweis gemäß § 117 Abs. 3 FamFG in Verb. mit § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da von einer erneuten Verhandlung in zweiter Instanz keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren.

3

Die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts, das den begehrten Zugewinnausgleich deshalb versagt hat, weil in das Anfangsvermögen des Antragstellers seine zum Zeitpunkt der Heirat vorhandenen Schulden mit einzustellen seien, begegnet keinen rechtlichen Bedenken und wird auch durch die Beschwerdebegründung nicht in Zweifel gezogen.

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Ohne Erfolg wendet der Antragsteller hiergegen ein, das Amtsgericht habe seine bei Eingehung der Ehe am 19. Mai 2000 in einer Größenordnung von 200.000,-- € bestehenden Schulden deshalb nicht in sein Anfangsvermögen einstellen dürfen, weil er anschließend ein Verbraucherinsolvenzverfahren durchgeführt und mit Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 8. Juli 2008 (Bl. 71 d. A.) eine Restschuldbefreiung erlangt habe.

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Einer solchen Rechtsauffassung steht der eindeutige Wortlaut des § 1374 Abs. 3 BGB entgegen, der entsprechend der in Artikel 229 § 20 Abs. 2 EGBGB enthaltenen Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts vom 6. Juli 2009 (BGBl. I, S. 1696) auf das vorliegende, erst nach dem Stichtag des 31. August 2009 anhängig gemachte Zugewinnausgleichsverfahren Anwendung zu finden hat. Danach sind, abweichend von der bis zum 31. August 2009 geltenden Rechtslage, bei Eintritt des Güterstands vorhandene Verbindlichkeiten ohne Beschränkung auf die Höhe des Aktivvermögens, selbst mit der Konsequenz eines daraus resultierenden negativen Anfangsvermögens, in Abzug zu bringen.

6

Eine Differenzierung danach, ob sich ein anschließender, für das Endvermögen maßgeblicher Vermögenszuwachs auf Grund einer Tilgung der anfänglichen Verbindlichkeiten oder als Konsequenz einer Restschuldbefreiung im Rahmen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens ergeben hat, sieht das Gesetz weder in § 1374 BGB noch an anderer Stelle vor. Ganz im Gegenteil wollte der Gesetzgeber Restschuldbefreiung und Schuldentilgung als Gründe für einen damit verbundenen Vermögenszuwachs gleich behandelt sehen. In der Bundesrats-Drucksache 635/08 vom 29. August 2008 heißt es hierzu auf Seite 33:

7

Es liegt aber in der Natur der Sache, dass die erfolgreiche Privatinsolvenz den früheren Schuldner wieder in die Lage versetzt, Verbindlichkeiten zu erfüllen. Der Anspruch auf Zugewinnausgleich ist eine solche Verbindlichkeit. Außerdem gibt es keinen Grund, die Schuldenfreiheit aufgrund einer erfolgreichen Privatinsolvenz anders zu behandeln als die Schuldenfreiheit aufgrund Schuldentilgung.

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Vor diesem Hintergrund dürfte es bereits die Grenzen einer zulässigen Auslegung überschreiten, den klaren Wertungen und Vorgaben des Gesetzgebers in § 1374 Abs. 3 BGB mit einer eigenen bewertenden Betrachtung entgegentreten zu wollen. Ungeachtet dessen sieht der Senat, jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation, keine Veranlassung, dem vom Antragsteller, unter Verweis auf einen Aufsatz von Kugel, in: FamRZ 2013, S. 1352 - 1354, gegenläufig vertretenen Normverständnis näherzutreten.

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Bereits in grundsätzlicher Hinsicht ist es mit dem Stichtagsprinzip des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft nur schwerlich vereinbar, wenn man für das Anfangsvermögen nicht die tatsächliche Höhe der Schulden als maßgeblich ansieht, sondern allein auf die Möglichkeit eines späteren, in die Ehezeit fallenden Verbraucherinsolvenzverfahrens und einer damit verbundenen Restschuldbefreiung abstellt. Verkannt wird dabei, dass nach der güterrechtlichen Konzeption der Zugewinngemeinschaft die Gründe, weshalb es zwischen den beiden Stichtagen zu einer Veränderung der Vermögensverhältnisse gekommen ist, grundsätzlich keine Bedeutung für einen Zugewinnausgleich erlangen sollen.

10

Entgegen der Ansicht des Antragstellers stellt das Gesetz ihn als insolventen Schuldner mit der Berücksichtigung seiner Schulden im Anfangsvermögen keineswegs vollkommen schutzlos, wenn man bedenkt, dass seine Ausgleichspflicht nach § 1378 Abs. 2 Satz 1 BGB nur auf das bei Beendigung des Güterstands bei ihm vorhandene aktive Vermögen beschränkt wird. Unbeschadet dessen steht es Ehegatten, falls sie dies wünschen, zudem frei, ehevertraglich im Rahmen des § 1408 Abs. 1 BGB, abweichend von der Regelung des § 1374 Abs. 3 BGB, eine anderweitige Ausgleichsvereinbarung zu treffen.

11

Auch sonst ist für den Senat kein Grund erkennbar, warum es dem Antragsteller in der vorliegenden Fallgestaltung einerseits gestattet sein sollte, den mit der Restschuldbefreiung verbundenen und in die Ehezeit fallenden Vermögensvorteil allein für sich zu verbuchen, um andererseits noch zusätzlich dergestalt an dem erwirtschafteten Zugewinn seiner Ehefrau, die womöglich wegen seiner Zahlungsunfähigkeit ohnehin die finanziellen Lasten des ehelichen Zusammenlebens bereits in übermäßiger Weise tragen musste, partizipieren zu können. Einen derartigen, letztlich doppelten Vermögensvorteil für den insolventen Ehegatten wollte der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 1374 Abs. 3 BGB gerade vermeiden.

II.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, der über § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG in der vorliegenden Familienstreitsache des § 112 Nr. 2 FamFG entsprechende Anwendung findet.

III.

13

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.

14

Entgegen der Ansicht des Antragstellers handelt es sich bei der Frage, wie Verbindlichkeiten bei einem anschließenden Verbraucherinsolvenzverfahren in das Anfangsvermögen einzustellen sind, um keine Gesetzeslücke, vielmehr hat der Gesetzgeber diesen Gesichtspunkt einer in die Ehezeit fallenden Verbraucherinsolvenz bei der Neuregelung des § 1374 BGB gerade ausdrücklich mit berücksichtigt. Angesichts der klaren und unmissverständlichen gesetzlichen Regelung in § 1374 Abs. 3 BGB besteht genauso wenig ein Erfordernis, geschweige denn eine Möglichkeit zur Fortbildung des Rechts, noch liegen abweichende Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte vor, die zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern könnten.

15

Da die Rechtsbeschwerde mangels Zulassung gemäß § 70 Abs. 1 FamFG nicht statthaft ist, bedarf es entgegen § 39 FamFG, der an sich nach § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG auch in Familienstreitsachen wie hier nach § 112 Nr. 2 FamFG stets Anwendung findet, im vorliegenden Fall keiner Rechtsbehelfsbelehrung für die nicht mehr anfechtbare Entscheidung des Senats.

IV.

16

Der Antragsgegnerin war, wie beantragt, gemäß den §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 115, 119 Abs. 1 Satz 2, 121 Abs. 1 ZPO, die nach den §§ 113 Abs. 1, 112 Nr. 2, 114 Abs. 1 FamFG Anwendung finden, Verfahrenskostenhilfe unter notwendiger Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten ohne Ratenzahlung zu bewilligen, wohingegen dies für den Antragsteller mangels hinreichender Erfolgsaussicht seines Rechtsmittels, deren es insoweit gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verb. mit den §§ 113 Abs. 1, 112 Nr. 2 FamFG bedurft hätte, ausschied.


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