Urteil vom Oberlandesgericht Rostock (5. Zivilsenat) - 5 U 113/08

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 10.10.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Neubrandenburg (4 O 153/06) - teilweise - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen geändert und neu gefasst:

1. Die Beklagten zu 1., 4. und 5. werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 10.340,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.807,66 € vom 10.06.2005 bis zum 30.06.2006, aus 2.264,67 € vom 01.07.2006 bis zum 30.01.2008, aus 6.813,21 € vom 20.12.2007 bis zum 20.02.2009 und aus 10.340,54 € seit dem 21.02.2009 zu zahlen.

2. Die Beklagten zu 1., 4. und 5. werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger weitere 7.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.06.2005 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1., 4. und 5. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger dessen zukünftige materielle und immaterielle Schäden aus dem Vorfall vom 15.09.2004 auf der Baustelle in Waren, Am Nesselberg, 32 WE Betreutes Wohnen zu 2/3 zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.

4. Die Beklagten zu 1., 4. und 5. werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 419,80 € zu zahlen.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:

Die Beklagten zu 1., 4. und 5. tragen gesamtschuldnerisch 75 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Streitverkündeten.

Der Kläger trägt sämtliche außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. und 3. und seine eigenen außergerichtlichen Kosten zu 25 %.

Die Streitverkündete hat ihre eigenen außergerichtlichen Kosten in Höhe von 25 % zu tragen.

Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 55 % und die Beklagten zu 1., 4. und 5. gesamtschuldnerisch zu 45 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 24.510,00 €.

Gründe

I.

1

Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz aufgrund eines Arbeitsunfalls vom 15.09.2004 auf der Baustelle Am Nesselberg in Waren. Zu den Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, mit dem die Klage abgewiesen wurde. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 7.500,00 €, Verdienstausfall in Höhe von 13.773,26 €, einen Feststellungsantrag sowie einen Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten weiterverfolgt.

2

Das Landgericht wies die Klage ab mit der Begründung, die Ansprüche des Klägers seien gemäß § 106 Absatz 3, 3. Alt. SGB VII ausgeschlossen, da es sich um eine gemeinsame Betriebsstätte im Sinne dieser Vorschrift handele. Zu den Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die Gründe des angefochtenen Urteils.

3

Der Kläger trägt zur Begründung seines Rechtsmittels vor, das Landgericht sei rechtsirrig davon ausgegangen, dass sich die Beklagten auf eine Haftungsprivilegierung wegen des Bestehens einer gemeinsamen Betriebsstätte berufen könnten. Die Voraussetzungen für einen Haftungsausschluss gemäß § 106 Absatz 3, 3. Alt. SGB VII lägen nicht vor. Zwar sei der Kläger zur Erbringung der Dachdeckerarbeiten auf die Benutzung des von der Beklagten zu 1.) errichteten Gerüstes angewiesen gewesen. Beiderseitige Aktivitäten, die miteinander verknüpft gewesen seien, lägen jedoch nicht vor. Die Arbeiten des Klägers hätten lediglich auf dem von der Gerüstbaufirma geschaffenen Arbeitsergebnis aufgebaut. Es fehle an einem wechselseitigen Bezug der betrieblichen Aktivitäten. In einem Parallelrechtsstreit vor dem Landgericht Neubrandenburg - 3 O 198/05 -, den die Berufsgenossenschaft für Bauwirtschaft gegen die Beklagten zu 1) - 3) und 5) geführt habe, sei aufgrund identischen Vortrages eine Verurteilung der Beklagten zu 1.) und 5.) erfolgt.

4

Der Kläger beantragt,

5

unter Abänderung des am 10.10.2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Neubrandenburg - 4 O 153/06 -

6

a) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 15.510,81 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

7

b) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen i. H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.06.2005 zu zahlen;

8

c) festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Vorfall vom 15.09.2004 auf der Baustelle in ..., ..., ..., zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind;

9

d) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 449,96 € zu zahlen.

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Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

11

Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Vertiefung und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Dem Kläger sei ein Mitverschulden gemäß § 254 Absatz 1 BGB anspruchsmindernd entgegenzuhalten, denn er habe auf dem Gerüst nicht klettern dürfen.

II.

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Die zulässige Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.

13

a) Klage gegen die Beklagte zu 1.)

14

Die gegen die Beklagte zu 1.) gerichtete Klage ist teilweise begründet. Sie schuldet dem Kläger gemäß §§ 31, 823 Absatz 1, 831 Abs. 1, 253 Abs. 2, 249 BGB Schmerzensgeld und Verdienstausfall sowie vorgerichtliche Anwaltskosten. Außerdem ist festzustellen, dass die Beklagte zu 1.) für künftige materielle und immaterielle Schäden zu 2/3 haftet. Die Ansprüche sind jedoch gemäß § 254 Abs. 1 BGB wegen eigenen Verschuldens und Verschuldens des Arbeitgebers des Klägers gemindert.

15

aa) Die Beklagte zu 1.) ist nicht gemäß § 106 Absatz 3, 3. Alt SGB VII haftungsprivilegiert. Dies folgt schon daraus, dass sie als juristische Person naturgemäß nicht auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätig war. Dies ist Voraussetzung für eine Haftungsprivilegierung (BGHZ 157, 9; OLG Jena OLG NL 2003, 169; OLG Brandenburg OLG NL 2003, 171).

16

Außerdem liegt keine gemeinsame Betriebsstätte vor. Dies setzt wechselseitig aufeinander bezogene betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen voraus. Ein lediglich einseitiger Bezug reicht nicht aus (BGHZ 157, 213). Das vorstehend zitierte Urteil des BGH vom 16.12.2003 befasst sich mit der Haftung einer Gerüstbaufirma gegenüber einem selbständigen Dachdeckermeister. Der Fall ist vergleichbar mit dem vorliegenden. Der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte erfasst über die Fälle der Arbeitsgemeinschaft hinaus betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt (BGH a.a.O.). Erforderlich ist ein bewußtes Miteinander im Arbeitsablauf, das sich zumindestens tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt. Die Tätigkeit der Mitwirkenden muß im faktischen Miteinander der Beteiligten aufeinander bezogen, miteinander verknüpft oder auf gegenseitiger Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet sein. So lagen die Dinge hier nicht. Die Mitarbeiter der Beklagten zu 1.) hatten das Gerüst bereits vollständig auf der Baustelle aufgestellt, als der Kläger dort tätig wurde. Die Beklagten tragen nicht vor, welche konkreten Arbeiten sie gleichzeitig im Zusammenwirken mit dem Kläger vorgenommen haben wollen. Das Gerüst war fertig aufgestellt, als der Kläger es benutzte. Es fehlt damit an den vom BGH geforderten Voraussetzungen des bewußten und gewollten Ineinandergreifens oder an einem faktischen Miteinander einander ergänzender Tätigkeiten. Dies erkennt auch das Landgericht Neubrandenburg in dem Parallelrechtsstreit Berufsgenossenschaft für Bauwirtschaft gegen Bautechnik ARGO GmbH u. a. in dem Urteil vom 24.08.2007 (3 O 398/05).

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bb) Die Beklagte zu 1.) haftet gemäß §§ 31, 823 Absatz 1, 831 Abs. 1 BGB auf Zahlung von Schadensersatz. Es steht fest, dass die Beklagte als Gerüstbaufirma fahrlässig gegen Unfallverhütungsvorschriften verstieß. Nach den Feststellungen der Bauberufsgenossenschaft Hamburg (Band I, Blatt 4 d. A.) liegt ein Verstoß gegen § 12 der UVV "Bauarbeiten" (BGV C 22) und Punkt 5.3.5 der DIN 4420 Teil 1 vor. Danach müssen Einrichtungen, die ein Abstürzen von Personen verhindern sollen, bei Arbeiten von mehr als einer Höhe von 2,00 m vorhanden sein. Genutzte Gerüstlagen sind mit einem Seitenschutz zu umwehren, wenn der Abstand zwischen der Belagfläche und dem Bauwerk mehr als dreißig Zentimeter beträgt. Dieser Abstand betrug hier fünfzig Zentimeter. Der streitgegenständliche Unfall ereignete sich im Bereich des fehlenden Seitenschutzes. Unmittelbar nach dem Unfall brachte die Beklagte zu 1.) zur Absicherung Konsolen an.

18

Die Erstellung eines Baugerüstes unter Verletzung der Unfallverhütungsvorschriften ist grob fahrlässig. Stürzt ein Arbeiter bei Benutzung eines solchen Gerüstes im Bereich einer mangelhaft gesicherten Stelle ab, kommt ihm der Beweis des ersten Anscheins für die Ursächlichkeit des Verstoßes gegen die Unfallverhütungsvorschriften zugute (OLG Karlsruhe Urteil vom 18.02.1987 - 7 U 97/85 = Versicherungsrecht 1988, 1071).

19

Zwar hatten zuvor bereits andere Unternehmer das Gerüst benutzt. Die Beklagte zu 1.) beruft sich ohne Erfolg darauf, dass diese Unternehmer Veränderungen an dem Gerüst vorgenommen hätten. Sie trägt nicht vor, welche Veränderungen dies im Einzelnen gewesen sein sollen.

20

Die Beklagte zu 1.) kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie das Gerüst an den Generalunternehmer, die Streitverkündete zu 1.), die Firma ... übergeben habe. Gemäß dem mit dieser Firma geschlossenen Vertrag oblag der Beklagten zu 1.) die Unterhaltung des Gerüstes während der gesamten Standzeit. Das bedeutet, dass die Beklagte zu 1.) durch ihre Mitarbeiter laufend kontrollieren mußte, ob die geltenden Unfallverhütungsvorschriften eingehalten wurden. Dies war an der Unfallstelle nicht der Fall.

21

Ob der Kläger an der Unfallstelle ausrutschte oder sonstwie abstürzte, kann hier dahinstehen. Unfallverhütungsvorschriften geben den Mindestinhalt der den Unternehmer treffenden Verkehrssicherungspflicht vor; der damit bezweckte Schutz gilt gleichermaßen für eigene Arbeitnehmer wie für betriebsfremde berechtigte Personen. Sie konkretisieren die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 Absatz 1 Satz 2 BGB). Im Falle ihrer Verletzung greift der Anscheinsbeweis zu Lasten des Pflichtigen: vermutet wird die Ursächlichkeit zwischen Verstoß und solchen Unfällen, die sich im Einwirkungsbereich der Gefahrenstelle ereignet haben (OLG Stuttgart, Urteil vom 12.03.1999 - 2 U 74/98 = OLGR Stuttgart 1999, 254 = Baurecht 2000, 748 = NJWRR 2000 752; OLG Karlsruhe VersR 1988, 1071). So liegt es hier. Der Unfall des Klägers ereignete sich im Bereich der Gefahrenstelle, so dass ein Anscheinsbeweis zu Lasten der Beklagten zu 1.) greift. Diesen hat die Beklagte zu 1.) nicht widerlegt, insbesondere nicht mit den allgemeinen Darlegungen dazu, dass andere Unternehmer Veränderungen an dem Gerüst vorgenommen hätten.

22

cc) Anspruchsmindernd ist jedoch ein eigenes Mitverschulden des Klägers und dessen Arbeitgebers zu berücksichtigen. Nach seinem Vortrag wollte er von dem Gerüst auf eine höher gelegene Balkonplatte klettern. Damit hat er schuldhaft den Unfall mitverursacht. Ein Herumklettern auf Gerüsten ist nicht zulässig, vielmehr sind die an dem Gerüst angebrachten Leitern zu benutzen.

23

Das Verschulden der Beklagten zu 1.) fällt hier erheblich schwerer ins Gewicht als das des Klägers, der das schwächste Glied in der Kette ist. Er hatte grundsätzlich die Arbeitsbedingungen so hinzunehmen, wie er sie vorfand und konnte sich nur schlecht weigern, wegen des unzureichenden Gerüstes dort zu arbeiten. Die Nichtbeachtung der Unfallverhütungsvorschriften durch die Beklagte zu 1.) wiegt dagegen weit schwerer, da sie grob fahrlässig handelte und dem Kläger nur einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.

24

Der Kläger muss sich zudem das Mitverschulden seines eigenen Arbeitgebers anspruchsmindernd zurechnen lassen. Auch der Dachdeckerbetrieb, bei dem der Kläger tätig war, hätte für die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften sorgen müssen. Ein durch einen Sturz vom Dach verletzter Arbeitnehmer eines auf der Baustelle tätigen Unternehmers muss sich im Rahmen von Schadensersatzansprüchen gegen den Gerüstbauer zur Vermeidung eines gestörten Gesamtschuldverhältnisses ein Mitverschulden seines Arbeitgebers anrechnen lassen (OLG Stuttgart aaO). Anderenfalls würde das dem Arbeitgeber des Klägers zugutekommende Haftungsprivileg des § 104 Absatz 1 SGB VII zu einem gestörten Gesamtschuldverhältnis zu Lasten der Beklagten führen. Bei einem Arbeitsunfall wird die Delikthaftung des Arbeitgebers durch die Bestimmungen der §§ 104 ff SGB VII abgelöst und durch die gesetzliche Unfallversicherung ersetzt. Von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen sind damit Schadensersatzansprüche des versicherten Arbeitnehmers gegen seinen Unternehmer ausgeschlossen. Dieser Ausschluss gilt für alle Schäden, die ihre tatsächliche Grundlage in einem Körperschaden haben, z. B. Verdienstausfall, aber auch für den Anspruch auf Schmerzensgeld (BGH NJW 1981, 760). Um die Haftungsquote des privilegierten Arbeitgebers sind deshalb zur Vermeidung eines gestörten Gesamtschuldverhältnisses die Beklagten von der Haftung freizustellen (BGH NJW 1996, 2023).

25

Dass den Arbeitgeber des Klägers grundsätzlich ein Mitverschulden an dem Unfall trifft, kann nicht in Zweifel gezogen werden. Auch ihm hätte ins Auge fallen müssen, dass die genutzte Gerüstlage mit einem Seitenschutz zu umwehren war, da der Abstand zwischen der Belagfläche und dem Bauwerk mehr als dreißig Zentimeter, nämlich circa fünfzig Zentimeter betrug. Diesen Mitverschuldensanteil schätzt der Senat allerdings nicht allzu hoch ein, da in erster Linie die Beklagte zu 1.) und deren Mitarbeiter dafür zu sorgen hatten, dass die Unfallverhütungsvorschriften eingehalten wurden. Darauf konnte sich der Dachdeckerbetrieb im allgemeinen zunächst verlassen.

26

In Anbetracht der Mitverschuldensanteile des Klägers selbst und dessen Arbeitsgebers hält der Senat eine Quote von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Beklagten für angemessen.

27

dd) Die Beklagte zu 1.) haftet daher nur in Höhe von 2/3 der vom Kläger erlittenen Schäden, das heißt auf Zahlung von Verdienstausfall in Höhe von 10.340,54 € nebst Zinsen seit Eintritt des Verzuges bzw. ab Rechtshängigkeit (§§ 288, 291 BGB, 261 Abs. 2 ZPO). Der von dem Kläger geltend gemachte Verdienstausfall ist der Höhe nach unbestritten.

28

ee) Angesichts des Mitverschuldens des Klägers hält der Senat ein Schmerzensgeld von 7.500,00 € für angemessen. Dies gilt unter Berücksichtigung seiner erheblichen Verletzungen, er erlitt eine Trümmerfraktur an der Ferse und an der Schienbeingelenkpfanne. Der Kläger hat an erheblichen Spätfolgen zu leiden. In seinem Beruf kann er wegen der schweren Verletzungen, die er bei dem Unfall erlitt, nicht mehr arbeiten. Das an sich angesichts der Verletzungsfolgen angemessene höhere Schmerzensgeld hat der Senat entsprechend dem Mitverschuldensanteil des Klägers und dessen Arbeitsgebers gemindert.

29

Der Zinsanspruch ergibt sich hier aus den §§ 286, 288 BGB. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten wurde mit Schreiben vom 17.05.2005 unter Fristsetzung zum 09.06.2005 zur Regulierung aufgefordert, die diese am 23.09.2005 ablehnte.

30

ff) Der Feststellungsantrag ist teilweise gerechtfertigt, nämlich insoweit, dass die Beklagte zu 1.) zu 2/3 für künftige materielle und immaterielle Schäden haftet. Unzweifelhaft drohen dem Kläger solche Schäden. Dies ergibt sich aus der Art der schweren Verletzungen, die eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hatten.

31

gg) Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten ist in der geltend gemachten Höhe gem. § 249 BGB berechtigt. Der Schädiger schuldet Ersatz der Rechtsverfolgungskosten des Geschädigten (Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., 38, 39 zu § 249). Dabei geht der Senat von einem Streitwert der außergerichtlichen Tätigkeit von bis 13.000,00 € aus. Die Beklagten schulden eine 0,65 Geschäftsgebühr nebst Post- und Telekom-Entgelt nebst Umsatzsteuer.

32

b) Haftung der Beklagten zu 2.) und 3.)

33

aa) Die Beklagten zu 2.) und 3.) sind die Geschäftsführer der Beklagten zu 1.). Sie haften nicht gemäß § 823 Absatz 1 BGB. Der Kläger trug nicht vor, dass die Beklagten zu 2.) und 3.) selbst auf der Baustelle Kontroll- oder Aufbautätigkeiten ausübten. Ein Organisationsverschulden trifft die Beklagten zu 2.) und 3.) nicht, da sie auf der Baustelle sachkundige Mitarbeiter, nämlich die Beklagten zu 4.) und 5.) einsetzten, die den ordnungsgemäßen Aufbau des Gerüstes kontrollieren sollten.

34

bb) Die Beklagten zu 2.) und 3.) haften auch nicht gemäß § 831 Absatz 1 BGB. Geschäftsherr i. S. d. § 831 Absatz 1 BGB war die GmbH, nicht die Geschäftsführer.

35

cc) Die Beklagten zu 2.) und 3.) sind auch nicht gemäß § 831 Absatz 2 BGB haftbar zu machen. Für Organe (verfassungsgemäße Vertreter) der GmbH gilt nicht § 831 Absatz 2 BGB, sondern § 31 BGB und § 43 GmbH-Gesetz. Es haftet die juristische Person; das Organ selbst haftet grundsätzlich nicht nach § 831 Absatz 2 BGB (Palandt/Sprau, BGB, 67. Auflage, Rn. 17 zu § 831; BGH NJW 1974, 1371). Der Geschäftsführer haftet nur gemäß § 823 BGB bei einer selbst begangenen unerlaubten Handlung. Bei Übertragung der Aufsicht auf andere Bedienstete auch in selbstständiger Position (z. B. Werkführer, Betriebsleiter) wendet die heute herrschende Lehre im Hinblick auf die Haftung des Geschäftsherrn wegen Organisationspflichtverletzung § 831 Absatz 2 BGB ebenfalls grundsätzlich nicht mehr an (Palandt a.a.O.). Dem schließt sich der Senat an.

36

c) Haftung der Beklagten zu 4.) und 5.)

37

Bei diesen Personen handelt es sich um Bedienstete der Beklagten zu 1.), nämlich den zuständigen Sicherheitskoordinator und den zuständigen Bauleiter. Diese haften gemäß § 823 Absatz 1 BGB im gleichen Umfang wie die Beklagte zu 1.) und zwar gem. § 840 BGB gesamtschuldnerisch neben dieser. Die Haftungsprivilegierung des § 106 Absatz 3, 3. Alt. SGB VII gilt hier ebenfalls nicht, da - wie oben bereits ausgeführt - keine gemeinsame Betriebsstätte vorlag. In Betracht kommt zwar, dass die Beklagten zu 4.) und 5.) auch während der Tätigkeit des Klägers auf dem Gerüst Kontroll- und Überwachungstätigkeiten ausübten. Auch hier fehlt es jedoch an der von der Rechtsprechung des BGH geforderten wechselseitig aufeinander bezogenen betrieblichen Aktivität. Die Arbeiten des Klägers bauten lediglich auf dem von der Gerüstbaufirma geschaffenen Arbeitsergebnis auf. Die eigentlichen Arbeitsabläufe dagegen vollzogen sich unabhängig voneinander. Jeder Beteiligte verrichtete die ihm obliegende Tätigkeit, ohne dass der andere in irgendeiner Weise in den Arbeitsablauf eingebunden, daran beteiligt oder auch nur davon berührt worden wäre.

38

Auch die Beklagten zu 4. und 5. haften dem Kläger jedoch nur in Höhe von 2/3 des Schadens. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen zu a) des Urteils.

III.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 4, 101 Abs ...1 ZPO.

40

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

41

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.

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