Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (9. Zivilsenat) - 9 U 1/22

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 17. Dezember 2021, Az. 8 O 137/19, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 43.012,17 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. November 2019 zu zahlen.

Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt als aktueller Insolvenzverwalter über das Vermögen der X GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) von dem Beklagten als früherem, aus wichtigem Grund abberufenen Insolvenzverwalter der Insolvenzschuldnerin die Rückzahlung eines aus der Masse entnommenen Vorschusses auf die Insolvenzverwaltervergütung.

2

Mit Beschluss des Amtsgerichtes S (im Folgenden: Insolvenzgericht) vom ... Januar 2000 zum Az. … wurde über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Auf Antrag des Beklagten vom 6. April 2006 setzte das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 5. Mai 2006 für die Tätigkeit des Beklagten bis zum 6. April 2006 einen Vorschuss auf seine Vergütung in Höhe von 43.012,17 € fest und gestattete dem Beklagten die Entnahme aus der Insolvenzmasse. Dieser entnahm den Vorschuss auf die Vergütung aus der Masse.

3

Mit Beschluss vom 10. Februar 2010 entließ das Insolvenzgericht den Beklagten als Insolvenzverwalter vor dem Hintergrund eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Untreue und der Beihilfe zur Untreue zu Lasten verschiedener Insolvenzmassen aus wichtigem Grund und bestellte den Kläger zum neuen Insolvenzverwalter. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf den Entlassungsbeschluss (Anlage K 1) verwiesen. Unter dem 7. Februar 2013 stellte der Beklagte einen Antrag auf Festsetzung der Vergütung und Auslagen für seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter (im Folgenden: Festsetzungsantrag). Diesen Antrag wies das Insolvenzgericht nach zwischenzeitlicher rechtskräftiger Verurteilung des Beklagten durch das Landgericht Hildesheim (Urteil vom …. November 2015, Az. …) wegen Untreue in 33 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von neun Monaten mit Beschluss vom 27. März 2017 zurück. Zur Begründung führte es aus, dass der Vergütungsanspruch aufgrund zum Nachteil der Masse begangener strafbarer Handlungen verwirkt sei. Mit Beschluss vom 1. Juni 2017 wies das Landgericht Stendal die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 27. März 2017 zurück.

4

Mit Schreiben vom 12. November 2019 lehnte der Beklagte gegenüber dem Kläger eine Erstattung ab.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe durch sein Verhalten seinen Anspruch auf Vergütung verwirkt und deshalb den aus der Masse entnommenen Vorschuss gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB zurück zu gewähren. Auf eine Entreicherung könne sich der Beklagte nicht berufen. Zudem schulde der Beklagte den geltend gemachten Betrag als Schadensersatz.

6

Der Kläger hat beantragt,

7

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 43.012,17 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. November 2019 zu zahlen.

8

Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

10

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, den Vergütungsvorschuss mit Rechtsgrund erhalten zu haben, weil der Beschluss des Insolvenzgerichts vom 5. Mai 2006, mit dem der Entnahme zugestimmt wurde, nicht aufgehoben worden sei. Er hat geltend gemacht, den erhaltenen Vorschuss auf die Vergütung insbesondere zur Begleichung allgemeiner Bürokosten bereits vollständig verbraucht zu haben. Er sei entreichert. Jedenfalls sei ein etwaiger Rückzahlungsanspruch verjährt. Der Kläger habe bereits seit seiner Bestellung, spätestens aber seit 2015 Kenntnis von allen anspruchsbegründenden Umständen gehabt.

11

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten sowie des weiteren Parteivortrages in erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung einschließlich dort enthaltener Verweisungen und Bezugnahmen verwiesen.

12

Die Klage ist am 23. Januar 2020 an den Beklagten zugestellt worden.

13

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar habe der Beklagte seinen Anspruch auf Vergütung durch sein rechtskräftig gerichtlich aufgearbeitetes Verhalten verwirkt. Die Entnahme des Vorschusses im Jahr 2006 sei somit von vornherein ohne Rechtsgrund erfolgt, sodass ab dem Zeitpunkt der Entnahme ein Anspruch auf Rückzahlung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB bestanden habe. Dieser sei jedoch verjährt und somit nicht mehr durchsetzbar. Gleiches gelte für etwaige Ansprüche aus § 60 InsO oder § 280 bzw. § 823 BGB. Spätestens im Jahr 2015 hätten sich dem Kläger alle anspruchsbegründenden Tatsachen derart aufdrängen müssen, dass jedenfalls von „grob fahrlässiger Unkenntnis“ im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. BGB auszugehen sei.

14

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

15

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der dieser sein erstinstanzliches Klageziel weiterverfolgt.

16

Er macht geltend, die Annahme des Landgerichts, dass der Erstattungsanspruch bereits im Zeitpunkt der Vorschussentnahme entstanden sei, sei unzutreffend. Insoweit verkenne die angefochtene Entscheidung die Bedeutung der insolvenzgerichtlichen Entscheidung über den Festsetzungsantrag im System der Insolvenzverwaltervergütung. Erst mit der Entscheidung des Insolvenzgerichts werde dem Verwalter der Vergütungsanspruch „aberkannt“. Erst mit Rechtskraft dieser Entscheidung entstehe der Erstattungsanspruch. Darüber hinaus übersehe das Landgericht, dass ein prozessualer Anspruch gemäß § 717 Abs. 2 ZPO analog bestehe.

17

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Klägervortrages in zweiter Instanz wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 22. Februar 2022 (Bl. 196 – 198R d.A.) verwiesen.

18

Der Kläger beantragt:

19

Unter Abänderung des am 17. Dezember 2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Flensburg, Az. 8 O 137/19, wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 43.012,17 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. November 2019 zu zahlen.

20

Der Beklagte beantragt,

21

die Berufung des Klägers auf seine Kosten zurückzuweisen.

22

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er macht geltend, dass der Vorschussanspruch das Schicksal des ex tunc verwirkten Anspruchs auf Insolvenzverwaltervergütung teile. Wenn der Vergütungsanspruch von Anfang an nicht bestanden habe, könne der Rückzahlungsanspruch nicht erst mit der Entscheidung des Insolvenzgerichts über die endgültige Vergütungsfestsetzung entstehen. Der Anspruch auf Rückzahlung des entnommenen Vorschusses sei daher verjährt. Dessen ungeachtet habe der Kläger seit Übernahme des Insolvenzverwalteramtes im Jahr 2010 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen gehabt. Im Übrigen sei er, der Beklagte, zwischenzeitlich entreichert.

23

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Beklagtenvortrages in zweiter Instanz wird auf die Berufungserwiderung vom 24. März 2022 (Bl. 213 – 214R d.A.) verwiesen. Der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 15. Juni 2022 (Bl. 224 – 226 d.A.) hat dem Senat vorgelegen. Dieser bot keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

II.

24

Die zulässige, so insbesondere fristgerecht eingelegte und fristgerecht begründete Berufung des Klägers hat mit Ausnahme eines geringen Teils der Zinsforderung in der Sache Erfolg. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Herausgabe des aus der Insolvenzmasse entnommenen Vorschusses auf die Insolvenzverwaltervergütung, da mit dem Beschluss des Insolvenzgerichts vom 27. März 2017 der Rechtsgrund für die vorschussweise Entnahme entfallen ist (dazu unten 1.). Der Beklagte kann sich nicht auf eine Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen (dazu unten 2.). Der Anspruch des Klägers ist nicht verjährt (dazu unten 3.).

25

1. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Herausgabe des aus der Insolvenzmasse entnommenen Vorschusses auf die Insolvenzverwaltervergütung, da mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 27. März 2017, dem zu Folge der Vergütungsanspruch aufgrund zum Nachteil der Masse begangener strafbarer Handlungen verwirkt ist, der Rechtsgrund für die vorschussweise Entnahme entfallen ist.

26

a.) Nach § 63 InsO hat der Insolvenzverwalter einen Anspruch auf Vergütung und auf Erstattung seiner Auslagen. Als Tätigkeitsvergütung entsteht der Anspruch mit der tatsächlichen Arbeitsleistung im Insolvenzverfahren bzw. hinsichtlich der Auslagen mit deren Anfall und nicht erst mit der Festsetzung gemäß § 64 Abs. 1 InsO i.V.m. § 8 Abs. 1 InsVV. Er wird fällig mit der Erledigung der vergütungspflichtigen Tätigkeit (MüKoInsO-Stephan, 4. Aufl. 2019, § 63 Rn. 23 f.).

27

Dieser – durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte – Anspruch ist auf eine unverzügliche Erfüllung gerichtet. Denn der durch seine Tätigkeit für eine typischerweise vermögensarme Insolvenzmasse vorleistende Verwalter geht in besonderem Maße das Risiko ein, hinsichtlich seiner Vergütung leer auszugehen. Gerade die rechtzeitige Erlangung von Vorschüssen soll sein Ausfallrisiko ausschalten oder wenigstens verringern. Auch wenn der Anspruch des Insolvenzverwalters auf die endgültige Vergütung erst mit der Beendigung des gesamten Insolvenzverfahrens fällig wird, entsteht zu seinen Gunsten dennoch alsbald ein Anspruch auf pflichtgemäße Entscheidung über die Gewährung eines angemessenen Vergütungsvorschusses. Nach § 9 Satz 2 InsVV soll die Zustimmung zur Entnahme unter anderem erteilt werden, wenn das Insolvenzverfahren länger als sechs Monate dauert. Jedenfalls unter dieser Voraussetzung ist die Ermessensausübung durch das Insolvenzgericht dahin gebunden, dass die Entnahme eines Vorschusses auf die nach den Maßstäben der §§ 1 bis 3 InsVV verdiente Vergütung nur unter besonderen Voraussetzungen abgelehnt werden darf (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2002 – IX ZB 53/02, NZI 2003, 31).

28

Erfolgt mit Zustimmung des Insolvenzgerichts die Entnahme eines Vorschusses aus der Insolvenzmasse, ist der Insolvenzverwalter in Höhe des Entnommenen befriedigt, sofern ein entsprechender Vergütungsanspruch besteht. Die Entnahme bewirkt insoweit Teilerfüllung und ist endgültig. Wird jedoch die endgültige Vergütung geringer festgesetzt, ist der Insolvenzverwalter zur Rückzahlung gemäß materiellem Recht verpflichtet (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2002, a.a.O. S. 33).

29

Das Insolvenzgericht hat mit Beschluss vom 5. Mai 2006 für die Tätigkeit des Beklagten bis zum 6. April 2006 einen Vorschuss auf seine Vergütung in Höhe von 43.012,17 € festgesetzt und dem Beklagten die Entnahme aus der Insolvenzmasse gestattet.

30

Mit Blick darauf, dass es sich bei der Zustimmung des Insolvenzgerichts zur Entnahme eines Vorschusses nicht um eine Vergütungsfestsetzung im Sinne von § 64 Abs. 1 InsO handelt, begründete der Beschluss vom 5. Mai 2006 zwar kein Recht des Beklagten, die entsprechenden Beträge auch entgegen der abschließenden Festsetzungsentscheidung des Insolvenzgerichts vom 27. März 2017 behalten zu dürfen. Aus der vorstehend skizzierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes folgt indessen, dass der Festsetzung des Vorschusses durch das Insolvenzgericht im Blick auf den Vorschussanspruch Rechtsgrundwirkung im Sinne eines vorläufigen Behaltendürfens des entnommenen Betrages bis zur Festsetzung der Insolvenzverwaltervergütung nach Abschluss des Insolvenzverfahrens oder Entlassung des Insolvenzverwalters zukommt.

31

Dieser Rechtsgrund für das Behaltendürfen ist mit dem rechtskräftigen Beschluss des Insolvenzgerichts vom 27. März 2017, mit dem der Festsetzungsantrag des Beklagten wegen Verwirkung des Vergütungsanspruchs aufgrund zum Nachteil der Masse begangener strafbarer Handlungenzurückgewiesen wurde, im Nachhinein entfallen.

32

Wird die endgültige Vergütung geringer festgesetzt als die zuvor entnommenen Vorschüsse, ist der Insolvenzverwalter, wie eingangs ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Rückzahlung gemäß materiellem Recht, d.h. nach § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. etwa MüKoInsO-Stephan, 4. Aufl. 2019, § 9 InsVV Rn. 35; Graeber, NZI 2014, 147, 150) verpflichtet. Dem gleichzustellen ist die Zurückweisung des Vergütungsantrages wegen Verwirkung im Sinne einer Festsetzung auf „Null“. Der bereicherungsrechtliche Rückzahlungsanspruch entsteht mit der Festsetzung der Vergütung durch das Insolvenzgericht bzw. Zurückweisung des Festsetzungsantrages wegen Verwirkung.

33

2. Der Beklagte kann sich demgegenüber nicht auf die rechtsvernichtende Einwendung der Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen.

34

a.) Nach § 818 Abs. 3 BGB beschränkt sich vor Eintritt der verschärften Haftung gemäß § 818 Abs. 4 BGB, oder §§ 819, 820 BGB die Haftung auf die dem Bereicherungsschuldner tatsächlich im Zusammenhang mit dem Bereicherungsvorgang verbliebene Vermögensmehrung. Die Berufung auf diese Einwendung kann jedoch aus wertenden Gesichtspunkten eingeschränkt sein (Grüneberg/Sprau, BGB, 81. Aufl. 2022, § 818 Rn. 26). Dies ist vorliegend der Fall. Die Verwirkung des Anspruches auf Entschädigung hat Strafcharakter und soll den Insolvenzverwalter bei Meidung des Verlustes seiner Vergütung dazu anhalten, die ihm gegenüber seinem Auftraggeber obliegende Treuepflicht zu wahren (BGH, Beschluss vom 22. November 2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 26). Entsprechend verbietet der Zweck des § 654 BGB es, dem Insolvenzverwalter ganz oder teilweise Wertersatz für geleistete Dienste nach § 812 BGB zuzusprechen (Grüneberg/Retzlaff, BGB, 81. Aufl. 2022, § 654 Rn. 3). Eben dieser Sanktionszweck würde unterlaufen, wenn sich der Insolvenzverwalter, der den entnommenen Vorschuss verbraucht, auf Entreicherung berufen könnte.

35

b.) Dessen ungeachtet trägt der Vortrag des Beklagten auch eine Entreicherung nicht.

36

Soweit der Beklagte geltend macht, nach Entnahme des Vorschusses diesen nachfolgend vollständig zur Deckung von Betriebskosten verwendet zu haben, käme eine Entreicherung nur dann in Betracht, wenn sich der Beklagte nicht anderweitige Mittel erspart hat. Der Beklagte aber trägt lediglich vor, dass der entnommene Vorschuss in seinem Vermögen nicht mehr vorhanden sei. Dazu, dass nicht andere Mittel für die Bezahlung der Gehälter zur Verfügung gestanden hätten, leistet er keinerlei Vortrag. Der Einwand des Beklagten, dass er bei Kenntnis, dass er den streitgegenständlichen Vorschuss werde zurückzahlen müssen, seine Mitarbeiter nicht beschäftigt hätte, ist mit Blick auf seine umfängliche Tätigkeit als Insolvenzverwalter in einer Vielzahl von Insolvenzverfahren unplausibel.

37

3. Der Anspruch des Klägers auf Herausgabe des vom Beklagten entnommenen Vorschusses ist nicht verjährt.

38

Der bereicherungsrechtliche Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB unterfällt der dreijährigen Regelverjährung nach § 195 BGB. Diese beginnt gemäß §199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

39

Wie vorstehend zu Ziffer 1. ausgeführt, ist der bereicherungsrechtliche Rückzahlungsanspruch mit der Zurückweisung des Festsetzungsantrages wegen Verwirkung des Anspruches auf Insolvenzverwaltervergütung mit Beschluss vom 27. März 2017 entstanden. Die Verjährungsfrist endete somit mit Ablauf des 31. Dezember 2020. Die Klage wurde dem Beklagten noch im Jahr 2020 und damit in unverjährter Zeit zugestellt. Die Zustellung der Klage hemmte die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

40

4. Der Kläger kann von dem Beklagten mit Blick darauf, dass der Beklagte mit Schreiben vom 12. November 2019 eine Rückzahlung des entnommenen Vorschusses ausdrücklich zurückgewiesen hat, Verzugszinsen gemäß §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. November 2019 verlangen. Hinsichtlich eines Zinstages ist die Klage unbegründet, weil die Zinspflicht erst am Tag nach Eintritt des Verzuges beginnt.

41

5. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

42

6. Die Revision war nach § 543 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.

43

In der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung ungeklärt erscheint, ob im Falle einer Verwirkung des Anspruches auf Insolvenzverwaltervergütung die Zustimmung des Insolvenzgerichts zur Entnahme eines Vorschusses bis zur Zurückweisung des Antrages auf Festsetzung der Insolvenzverwaltervergütung einen Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB darstellt oder aber auf den Fortfall des Anspruches auf Insolvenzverwaltervergütung ex tunc abzustellen ist.


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