Urteil vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 4 U 360/05 - 163
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 07.06.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (4 O 105/05) wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten um einen Schmerzensgeld- und Schadensersatzanspruch nach einem Sturz der Klägerin als Fußgängerin im Ortsbereich.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit dem am 07.06.2005 verkündeten Urteil (Bl. 51 d. A.) hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils Bezug.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt.
Die Klägerin behauptet, sie habe sich am 06.05.2004 gegen 22.15 Uhr in der J.-Straße in S.- H. auf einem Spaziergang befunden. Nach dem Überqueren der Straße sei sie auf dem Übergang von der Straßenfläche zum Gehweg auf einem defekten Randstein zu Fall gekommen. Sowohl der Randstein als auch die dahinter befindlichen Verbundsteine des Gehwegs seien durch Abplatzungen defekt gewesen, wodurch ein Niveauunterschied von 2 bis 3 cm entstanden sei (vgl. Lichtbilder Bl. 4 u. 17 d. A.; in repariertem Zustand: Bl. 45 ff d. A.). In der Dunkelheit seien die schadhaften Stellen nicht erkennbar gewesen. Die Tiefe der defekten Stelle sei nachgemessen worden (Bl. 2 f d. A.).
Die Klägerin ist der Auffassung, dass es sich um gravierende Beschädigungen handele, mit denen ein Fußgänger auf dem ansonsten intakten Gehweg nicht rechnen müsse. Durch die abgesplitterte Kante sei ein verkehrswidriger und deshalb nicht hinzunehmender Zustand gegeben, weil diese eine Stolpergefahr darstelle, nachdem der Niveauunterschied von der Fahrbahn zum Gehweg vermeintlich überwunden worden sei. Die vorhandene Straßenbeleuchtung sei bei ansonsten herrschender vollständiger Dunkelheit nicht ausreichend gewesen.
Das Landgericht habe den Schaden an den neben dem Randstein befindlichen Verbundsteinen zu Unrecht als unerheblich eingestuft und bezüglich dessen Erkennbarkeit die angebotenen Beweise übergangen (Bl. 72 d. A.). Es habe nicht berücksichtigt, dass es sich um scharfkantige Abplatzungen direkt angrenzend zum Randstein gehandelt habe, die eine Tiefe von mindestens 3 cm erreicht hätten, was als erheblich einzustufen sei. Die besondere Gefährlichkeit liege in der Kombination von Mulde und scharfkantiger Abplatzung, wodurch Fußgänger leicht ins Straucheln kommen könnten (Bl. 72 d. A.). Die Klägerin habe auch entgegen der Auffassung des Landgerichts die exakte Stelle, an der sie gestürzt sei, hinreichend substantiiert bezeichnet (Bl. 72 d. A.).
Das Landgericht habe ferner zu Unrecht den benannten Zeugen K. nicht zur Frage der fehlenden Erkennbarkeit der schadhaften Stelle bei Dunkelheit sowie zum Nichtvorhandensein einer ausreichenden Beleuchtung vernommen, obgleich es beides verneint habe (Bl. 73 d. A.). Die Erkennbarkeit der mangelhaften Stelle lasse im Übrigen nicht die Verkehrssicherungspflichtverletzung entfallen, sondern führe allenfalls zu einem Mitverschulden (Bl. 73 d. A.). Auch hätte das Landgericht eine Ortsbesichtigung vornehmen müssen. Dass die Klägerin die schadhafte Stelle – unstreitig – nach dem Unfall habe ausbessern lassen, stelle eine Beweisvereitelung dar und führe zu Beweiserleichterungen für die Klägerin bezüglich der genauen Höhendifferenz (Bl. 73 d. A.).
Die Klägerin behauptet weiter, sie habe unfallbedingt ein Distorsionstrauma des rechten Fußes erlitten, weshalb sie am 07.05.2004 eine Erstversorgung bei Dr. med. R. habe durchführen und sich am 10.05.2004 in der ...klinik in S1 habe behandeln lassen.
Die ärztliche Behandlung der Klägerin vom 07.05.2004 bis zum 14.07.2004 und vom 03.08.2004 bis zum 05.10.2004, die im Umfang des fachärztlichen Attests des Dr. med. R. vom 21.09.2004 und der ärztlichen Bescheinigung des Arztes für Chirurgie R. T. zwischen den Parteien als solche unstreitig ist, sei auf die bei dem Unfall erlittene Verletzung zurückzuführen.
Angesichts der Behandlungsdauer und erlittenen Beschwerden sowie des Umstands, dass eine konstitutive Schwäche des Verletzten einen Zurechnungszusammenhang nicht entfallen lasse, hält die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,-- EUR für angemessen.
Im Wege der Klageerweiterung macht die Klägerin des Weiteren einen materiellen Schaden in Höhe von 86,40 EUR geltend, der sich aus Kosten für Fahrten zur ärztlichen Behandlung in Höhe von 41,40 EUR, aus Kosten für eine Fahrt zur ...klinik in Höhe von 10,-- sowie einer Unkostenpauschale von 25,-- EUR zusammensetze (Bl. 74 d. A.).
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2004 zu zahlen.
Die Klägerin beantragt weiter im Wege der Klageerweiterung,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 86,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Zustellung des in der Berufungsinstanz gestellten schriftlichen Antrags zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Die Beklagte bestreitet den Unfallhergang mit Nichtwissen (Bl. 12 d. A.) und behauptet, der fragliche Straßenabschnitt werde regelmäßig in einem 5-Wochen-Turnus überprüft. Bei der letzten Kontrolle vor dem angegebenen Unfallereignis in der Zeit vom 12.04.2004 bis zum 18.04.2004 sei keine Beschädigung des Randsteines festgestellt worden. Die Klägerin habe zudem nicht vorgetragen, an welcher Stelle sie genau zu Fall gekommen sei. In der vorgerichtlichen Korrespondenz habe sie lediglich einen beschädigten Randstein als unfallursächlich angegeben, während von einem beschädigten Verbundstein nicht die Rede gewesen sei. Die Unfallstelle sei der Klägerin, die in der an die J.-Straße angrenzenden R.-Straße wohne, auch bekannt gewesen. Die Unfallstelle sei zudem ordnungsgemäß ausgeleuchtet gewesen, weil sich – unstreitig – in einer Entfernung von etwa 7 m über der Fahrbahn eine Straßenbeleuchtung befunden habe.
Die Klägerin widerspreche sich auch selbst. Sie habe in der Berufungsbegründung vorgetragen, an einer scharfen Kante hängen geblieben zu sein, während sie bei ihrer informatorischen Befragung in erster Instanz angegeben habe, sie könne nicht sagen, dass sie gestürzt sei (Bl. 81 d. A.).
Die Beklagte ist der Auffassung, dass ein verkehrswidriger Zustand nicht vorliege, weil eine Gefahrenlage von einiger Erheblichkeit bei einem Niveauunterschied von 2 – 3 cm noch nicht gegeben sei (Bl. 13 d. A.). Im Bereich des Übergangs von der Straßenfläche zum Gehweg müsse jeder Fußgänger die notwendige Aufmerksamkeit auf die Überwindung der Bordsteinkante richten, so dass der Unfall bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt habe vermieden werden können. Eine absolute Mangelfreiheit könne gerade im Randsteinbereich mit zumutbaren Mitteln nicht erreicht werden.
Die Höhe des geforderten Schmerzensgeldes sei unangemessen hoch, denn ausweislich des Attests des Dr. R. habe der rechte Fuß der Klägerin eine Vorschädigung aufgewiesen, so dass insbesondere die Dauer der Behandlung im Oktober 2004 nicht kausal auf den Unfall zurückzuführen sei. Da der kernspintomographische Befund des Sprunggelenks und der angrenzenden Weichteile nach der ärztlichen Bescheinigung vom 15.10.2004 unauffällig gewesen sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die Beschwerden schon seit längerer Zeit abgeklungen gewesen seien, zumal die letzte Behandlung bei Herrn T. ausweislich des Kurzattests vom 15.03.2005 offenbar schon im September 2004 stattgefunden habe.
Die Beklagte widerspricht der Klageänderung unter Berufung auf § 533 Nr. 1 ZPO und bestreitet die im Rahmen derselben geltend gemachten Schadenspositionen mit Nichtwissen (Bl. 81 d. A.).
Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrages im Einzelnen sowie des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 17.05.2005 (Bl. 42 d. A.) und des Senats vom 11.04.2006 (Bl. 87 d. A.) sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 07.06.2005 (Bl. 51 d. A.) Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung ist unzulässig. Das angefochtene Urteil beruht weder gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf einer Rechtsverletzung, d. h. einer Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
1. Die in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung ist zulässig. Insoweit gilt nicht § 531 ZPO, sondern § 533 ZPO i. V. m. §§ 263 ff ZPO (vgl. Thomas/Putzo-Reichold, Zivilprozessordnung, 25. Auflage, § 531 ZPO, Rdnr. 12). Gemäß § 533 ZPO ist eine Klageänderung bzw. –erweiterung in der Berufungsinstanz zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich hält und diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Beklagte hat der Klageerweiterung zwar nicht zugestimmt. Jedoch ist diese sachdienlich, da hierdurch ein Folgeprozess bezüglich des geltend gemachten materiellen Schadens vermieden wird. Die Klägerin macht der Sache nach ausschließlich eine Veränderung des Schadensumfangs im Verlauf des Prozesses geltend, während sich am behaupteten Haftungsgrund nichts ändert. Nach dem Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit (vgl. Thomas/Putzo-Reichold, aaO., § 533 ZPO, Rdnr. 4) wäre es daher nicht sinnvoll, im vorliegenden Rechtsstreit über den Schmerzensgeldanspruch zu entscheiden und hinsichtlich des wesentlich geringeren materiellen Schadens einen erneuten Rechtsstreit anzustrengen. Dies entspricht auch der gesetzlichen Wertung des entsprechend anwendbaren § 264 Nr. 2 ZPO (vgl. Zöller-Gummer, Zivilprozessordnung, 24. Auflage, § 533 ZPO, Rdnr. 3).
Auch sind die bezüglich der veränderten Schadenshöhe vorgetragenen Tatsachen gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO i. V. m. § 531 Abs. 2 ZPO (vgl. Thomas/Putzo-Reichold, aaO., § 529 ZPO, Rdnr. 6) im Berufungsverfahren zu berücksichtigen. Vorliegend sind nämlich die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO gegeben, da zwar sämtliche nunmehr erstmals geltend gemachten materiellen Schäden bereits vor Klageerhebung entstanden waren, so dass sie bereits in erster Instanz hätten geltend gemacht werden können. Jedoch bestand hierzu in erster Instanz deshalb kein Anlass, weil der materielle Schaden überhaupt nicht Streitgegenstand war. Wenn es aber der Klägerin grundsätzlich möglich ist, unter der Voraussetzung der Sachdienlichkeit weitere Schäden erst in zweiter Instanz in den Prozess einzuführen, so kann nicht umgekehrt von ihr verlangt werden, bereits in erster Instanz hierzu vorzutragen.
2. Die Verkehrssicherungspflicht der öffentlichen Hand bezüglich öffentlicher Wege und Plätze ist ihrem Wesen nach zwar keine Amtspflicht i. S. d. § 839 Abs. 1 BGB, sondern eine allgemeine zivilrechtliche Verkehrssicherungspflicht i. S. d. § 823 BGB. Als Haftungstatbestand kommt daher grundsätzlich § 823 BGB i. V. m. §§ 89, 31 BGB in Betracht (vgl. BGHZ 9, 373 (374 f); BGH, NJW 1968, 443; Staudinger-Schäfer, 12. Auflage, § 839 BGB, Rdnr. 124; Geigel-Schlegelmilch, Der Haftpflichtprozess, 24. Auflage, 14. Kap., Rdnr. 40; Kodal/Krämer-Grote, Straßenrecht, 6. Auflage, Kap. 40, Rdnr. 6).
Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das Land die Verkehrssicherungspflicht öffentlich-rechtlich geregelt hat. In diesem Fall handelt es sich bei der Verkehrssicherungspflicht um eine hoheitliche Aufgabe, also um eine Amtspflicht i. S. d. § 839 Abs. 1 BGB (vgl. BGHZ 27, 278 (281 f); Geigel-Schlegelmilch, aaO., 14. Kap., Rdnr. 40; Kodal/Krämer-Grote, aaO., Kap. 40, Rdnr. 27).
Im Saarland ist eine entsprechende Regelung getroffen worden durch § 9 Abs. 3a SaarlStrG, der ausdrücklich anordnet, dass die Verkehrssicherung öffentlicher Straßen als Amtspflicht in hoheitlicher Tätigkeit wahrgenommen wird (vgl. Kodal/Krämer-Grote, aaO., Kap. 40, Rdnr. 10; Staudinger-Schäfer, aaO., § 839 BGB, Rdnr. 129). Diese obliegt im Falle von Gemeindestraßen den Kommunen, vorliegend also der Beklagten.
Die hoheitlich ausgeübte Verkehrssicherungspflicht bezüglich öffentlicher Straßen entspricht dabei inhaltlich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 BGB (BGHZ 60, 54 (58 ff); Staudinger-Schäfer, aaO., § 839 BGB, Rdnr. 124; Geigel-Schlegelmilch, aaO., 14. Kap., Rdnr. 42; Kodal/Krämer-Grote, aaO., Kap. 40, Rdnr. 6). Diese Amtspflicht besteht zugunsten Dritter, nämlich der Straßennutzer (vgl. MünchKomm(BGB)-Papier, 4. Auflage, § 839 BGB, Rdnr. 266).
2. Ihr Umfang wird von der Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seiner Bedeutung maßgebend bestimmt. Sie umfasst die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Benutzer hinreichend sicheren Straßenzustandes (BGH, VersR 1979, 1055; Staudinger-Schäfer, aaO., § 839 BGB, Rdnr. 131), wobei jedoch absolute Gefahrlosigkeit nicht gefordert werden kann. Diese kann in der Regel nicht erwartet werden und ist auch unter Einsatz zumutbarer Mittel nicht zu erreichen. Vielmehr sind die öffentlichen Verkehrswege grundsätzlich in dem Zustand hinzunehmen, wie sie sich dem Benutzer erkennbar darbieten, wobei sich der Benutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen muss (vgl. BGH, NJW 1980, 2194 (2195); Staudinger-Schäfer, aaO., § 839 BGB, Rdnr. 131)
.
Der Verkehrssicherungspflichtige muss daher in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag (vgl. BGH, VersR 1979, 1055; Palandt-Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Auflage, § 823 BGB, Rdnr. 51; Geigel-Schlegelmilch, aaO., 14. Kap., Rdnr. 44).
3. Hiervon ausgehend hat das Landgericht festgestellt, dass eine objektive Verkehrssicherungspflicht bereits nicht dargelegt und bewiesen ist. Es bestehen keine konkreten Anhaltspunkte, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Zweifel an dieser Feststellung begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der von der Klägerin schriftsätzlich behaupteten Unfallstelle nach deren eigenem Vortrag um eine Vertiefung von 2 – 3 cm bzw. nach dem Berufungsvorbringen um eine solche von mindestens 3 cm handelte. Dass die Vertiefung 5 cm betragen habe, behauptet die Klägerin in der Berufungsinstanz nicht mehr. Daher ist das Landgericht zurecht von einer Vertiefung von 2 – 3 cm ausgegangen. Eine Beweisaufnahme durch richterlichen Augenschein oder Vernehmung des Zeugen K. war diesbezüglich nicht erforderlich, denn das Landgericht hat zum einen den Vortrag der Klägerin zur Tiefe des Lochs als wahr unterstellt und zum anderen lagen dem Landgericht Kopien von Lichtbildern vor, auf Grund derer es sich ein hinreichendes Bild von den Ausmaßen des Lochs und dessen ungefährer Tiefe machen konnte.
Das Landgericht hat dieses Loch – auch wenn man entsprechend dem Berufungsvortrag von einer Tiefe von 3 cm ausgeht - zutreffend als von Fußgängern noch hinzunehmen bewertet. Beim Überschreiten von Randsteinen von oder zu Gehwegen ist jeder Fußgänger ohnehin im eigenen Interesse gehalten, besondere Vorsicht walten zu lassen, da er zwischen Straße und Gehweg mit einem Niveauunterschied rechnen muss, der sogar noch erheblich über der behaupteten Tiefe der schadhaften Stelle liegt. Dabei ist bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung damit zu rechnen, dass zwischen Randsteinen und Gehwegbelag auf Grund unterschiedlichen Setzungsverhaltens bzw. unterschiedlicher frostbedingter Erosion der verschiedenen Materialien Löcher und Rillen vorhanden sind, an denen man zu Fall kommen könnte. Jedenfalls handelt es sich bei dem etwa 3 cm tiefen und durch die Lichtbilder dokumentierten Loch nicht um eine Vertiefung, die bei normaler Sorgfalt von einem Fußgänger nicht zu bewältigen und damit als mit den Geboten der Verkehrssicherungspflicht vereinbar hinzunehmen wäre.
Hinzu kommt, dass die Klägerin ausweislich des landgerichtlichen Protokolls bei ihrer informatorischen Vernehmung lediglich erklärt hat, sie sei von der Straße auf den Bürgersteig gegangen und dabei mit dem rechten Fuß hängen geblieben. Sie sei an einer hochstehenden Kante an dem Randstein hängen geblieben. Sie wisse nur, dass sie an dem Randstein dann abgerutscht und mit dem rechten Fuß umgeknickt sei (Bl. 43 d. A.). Dagegen hat die Klägerin ausweislich der Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils, bezüglich dessen sich weder aus dem Vortrag der Klägerin noch anderweitig konkrete Anhaltspunkte ergeben, die Zweifel an deren Richtigkeit begründen, weder die genaue Stelle ihres Sturzes noch dessen genaue Ursache und Ablauf angeben können. Daher bestehen die vom Landgericht dargelegten erheblichen Zweifel bezüglich der Nachvollziehbarkeit des von der Klägerin behaupteten Unfallhergangs.
Hinzu kommt, dass die Unfallstelle durch eine 7 m entfernte Straßenlampe beleuchtet war. Dass diese Beleuchtung auch bei Dunkelheit ausreichend war, ergibt sich bereits aus der allgemeinen Lebenserfahrung und stellt eine offenkundige Tatsache dar. Daher war auch diesbezüglich weder eine Beweisaufnahme durch richterlichen Augenschein noch durch Vernehmung des Zeugen K. erforderlich. Besondere Umstände, etwa starke Niederschläge oder Nebel, die im konkreten Fall Zweifel hieran begründeten, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Im Übrigen teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass die Klägerin im Falle unzureichender Beleuchtung gehalten gewesen wäre, sich besonders vorsichtig und langsam, quasi tastend zu bewegen, um einen Sturz durch Unebenheiten, mit denen im Randsteinbereich immer zu rechnen ist, zu vermeiden. Selbst wenn man in diesem Fall von einer Verkehrssicherungspflichtverletzung ausginge, wäre daher das Mitverschulden der Klägerin so hoch, dass die Pflichtverletzung seitens der Beklagten vollständig hinter dieses zurücktreten würde und daher eine Haftung der Beklagten gemäß § 254 Abs. 1 BGB ausgeschlossen wäre.
4. Dahinstehen kann es somit, ob das von der Klägerin begehrte Schmerzensgeld eine angemessene Höhe hat und ob und in welcher Höhe der im Berufungsverfahren geltend gemachte materielle Schaden ersatzfähig ist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. § 713 ZPO ist anwendbar, da die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, für jede der Parteien unzweifelhaft nicht gegeben sind. Dies folgt daraus, dass die Revision nicht zugelassen ist und gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO n. F. die Nichtzulassungsbeschwerde für jede der Parteien unzulässig ist, da die Beschwer der Klägerin im Berufungsverfahren 1.086,40 EUR, mithin nicht mehr als 20.000,-- EUR beträgt.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht gegeben sind. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n. F.) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n. F.).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 1.086,40 EUR (ursprüngliche Klage: 1.000,-- EUR; Klageerweiterung 86,40 EUR).