Urteil vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 4 U 314/10 - 93

Tenor

I. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das am 8. Juni 2010 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - Az. 4 O 299/09 – dahin abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

II. Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 384,43 EUR festgesetzt.

Gründe

A.

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Land Ersatz von Schäden, die ihr durch die Beschlagnahme und kriminaltechnische Untersuchung zweier Fahrzeuge entstanden sein sollen.

Die Klägerin ist die (mittlerweile geschiedene) Ehefrau des im Verfahren 2 Js 105/06 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken wegen Mordes und Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge rechtskräftig zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten M. O..

In dem gegen den geschiedenen Ehemann der Klägerin und Herrn R. R. geführten Ermittlungsverfahren hat das Amtsgericht Saarbrücken durch Beschluss vom 30.1.2006 die Beschlagnahme zweier auf die Klägerin zugelassener Fahrzeuge angeordnet, die von deren damaligem Ehemann zumindest mitbenutzt wurden, und zwar eines Mazda 3 mit dem amtlichen Kennzeichen XXX-XX XX und eines VW Golf III Joker mit dem amtlichen Kennzeichen xxx-xx xx (Bl. D 10, 11 des beigezogenen Bandes I der Akte 2 Js 105/06).

Der frühere Ehemann der Klägerin hatte mit dem Mazda den Tatort angefahren und er hat den PKW nach der Tat als Fluchtfahrzeug benutzt. Beide Fahrzeuge wurden von Beamten des saarländischen Landeskriminalamtes sichergestellt und anschließend kriminaltechnisch untersucht.

Die Eigentumsverhältnisse an den Fahrzeugen sind streitig.

Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Beschlagnahme der Fahrzeuge als Beweismittel und die durchgeführte Spurensuche als solche rechtmäßig waren.

Im Zuge der kriminaltechnischen Untersuchung wurden Teile der linken Fahrertür des Mazda ausgebaut. Auch wurde im Innenraum beider Fahrzeuge das rotbraune Adhäsionsmittel „Manifer“ ausgebracht, um Spuren sichtbar zu machen.

Die Klägerin erhielt die Fahrzeuge im Februar 2006 zurück.

Nachdem die Klägerin beide Fahrzeuge im Mai 2006 von dem Privatgutachter und Zeugen H. zwecks Schadensfeststellung hat begutachten lassen, forderte sie die Landespolizeidirektion S. mit Anwaltsschreiben vom 8.6.2006 unter Fristsetzung zum 30.6.2006 vergeblich zur Schadensersatzleistung in Höhe von insgesamt 1.427,88 EUR auf (Bl. 33, 34 d.A.).

Zur Rechtfertigung der sodann erhobenen Klage hat die Klägerin Folgendes vorgetragen:

Die Klägerin sei Eigentümerin beider Fahrzeuge. Die Fahrzeuge seien vor der Beschlagnahme und kriminaltechnischen Untersuchung unbeschädigt gewesen. Bei Rückgabe an die Klägerin hätten sich die Fahrzeuge in einem desolaten Zustand befunden. Sie seien stark mit roten Farbanhaftungen, die von der Spurensuche stammten, verschmutzt gewesen. Die Rückstände des aufgebrachten Pulvers hätten sich nicht entfernen lassen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb ein derart stark anhaftendes und dauerhaft Spuren hinterlassendes Material bei der Spurensuche verwendet worden sei. Die Klägerin ist der Ansicht, der Einsatz anderer Mittel sei möglich gewesen. An dem Mazda hätten an der Fahrertür der innere Türgriff, die Griffschale, das Formteil, der Verbandskasten und das Warndreieck gefehlt. Die fehlenden Teile habe die Klägerin neu beschaffen müssen, um mit dem Fahrzeug den Zulassungsvorschriften entsprechend weiter am Straßenverkehr teilnehmen zu können. Die Abdeckung der Abschleppöse sei vor der Beschlagnahme vorhanden gewesen, bei der Rückgabe habe sie gefehlt. Außerdem hätten sich Kleberrückstände an der vorderen Stoßstange befunden. Auch hier sei der Einsatz anderen Klebematerials, das keine Rückstände verursacht, möglich gewesen.

An dem VW Golf hätten ebenfalls der Verbandskasten und das Warndreieck gefehlt, weshalb die Klägerin auch hier Ersatzbeschaffungen habe vornehmen müssen.

Selbst wenn es zu den zur Spurensuche und -sicherung verwendeten Materialien auf dem Markt keine schonenderen Alternativen geben sollte, so die Hilfsargumentation der Klägerin, sei davon auszugehen, dass die Materialien nicht richtig angewendet wurden. Sowohl das Spurenmittel Manifer als auch die Klebestreifen hätten unverzüglich nach Auftragung, spätestens aber nach wenigen Stunden entfernt werden müssen. In diesem Fall wären die Schäden nicht entstanden.

Die Klägerin hat bezugnehmend auf das Privatgutachten des Sachverständigen H. vom 11.5.2006 (Bl. 14 f. d.A.) die Kosten der Beseitigung der Schäden an dem Mazda auf 500,54 EUR brutto und an dem VW Golf auf 112,52 EUR brutto beziffert. Darüber hinaus hat sie (anteilige) Gutachterkosten von 116,- EUR, Mietwagenkosten von 400 EUR und eine allgemeine Auslagenpauschale von 25 EUR geltend gemacht.

Mit Prozessschriftsatz vom 30.10.2009 (Bl. 112 bis 114 d.A.) hat die Klägerin erklärt, dass sie wegen der fehlenden Verbandskästen und Warndreiecke keine Ansprüche mehr geltend mache.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an sie 1.154,06 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.7.2006 zu zahlen.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Das Land hat bestritten, dass die Klägerin Eigentümerin der Fahrzeuge und wegen der Kosten der Beseitigung von Fahrzeugschäden aktivlegitimiert sei. Der PKW Mazda sei ausschließlich von ihrem (früheren) Ehemann benutzt worden. Ansprüche nach dem StrEG oder dem saarländischen Polizeigesetz kämen schon aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Mangels objektiver Pflichtverletzung lägen weder die Voraussetzungen der Amtshaftung vor, noch ergebe sich eine Haftung aus einem öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis. Die Polizei sei nur verpflichtet gewesen, die beschlagnahmten Fahrzeuge pfleglich zu behandeln und vor vermeidbarer Verschlechterung oder Untergang zu bewahren. Der im Gutachten als fehlend monierte innere Griff der Fahrertür des Mazda sei als Spurenträger zu Recht asserviert worden. Die Türverkleidung, die Warndreiecke und die Verbandskästen seien der Klägerin wieder ausgehändigt worden. Die Abdeckung der Abschleppöse sei nicht im Rahmen der Spurensicherung entfernt worden. Sie habe bereits bei der Sicherstellung gefehlt.

Soweit die Klägerin die Kosten der Innenreinigung zur Beseitigung der Folgen der Spurensuche geltend mache, sei – was unstreitig ist - die Spurensuche strafprozessual geboten und notwendig gewesen. Unter Vorlage einer schriftlichen Stellungnahme des Bundeskriminalamtes hat das Land vorgetragen, bei der Spurensuche und -sicherung seien jeweils die Verfahren zur Anwendung gekommen, die zielführend waren und die geringsten Schäden an beiden Fahrzeugen hätten erwarten lassen. Es sei das Adhäsionsmittel „Manifer“ zum Einsatz gekommen. Bei Manifer handele es sich um ein praxisübliches geeignetes und unverzichtbares Adhäsionsmittel für nicht saugende Spurenträger, wozu der komplette spurenrelevante Teil des Fahrgastinnenraumes gehöre. Für die Sicherung daktyloskopischer Spuren im Fahrgastinnenraum sei die Anwendung der Bedampfung mit Cyanacrylat zwar ebenfalls eine gängige Spurensicherungsmethode. Die Suche mittels Adhäsionsmittel stelle allerdings einen weniger schädigenden Eingriff dar. Eine komplett beschädigungsfreie Methode sei die Suche mittels alternativer Lichtquellen, die zuvor durchgeführt worden sei, jedoch nicht zum Auffinden von daktyloskopischen Spuren geführt habe.

Auch die zur Spurensuche und -sicherung eingesetzten Klebestreifen seien unverzichtbar gewesen und die geeigneten Mittel. Aufgefundene Beschädigungen und Spuren seien mittels rutschfester Maßstäbe fotografisch gesichert worden. Die konkret verwendeten Klebemaßstäbe seien im kriminalpolizeilichen Fachhandel bestellt worden und würden seit Jahren von verschiedenen Polizeidienststellen verwendet. Eine Beschädigung des Untergrundes mit diesen Klebemaßstäben sei bisher nicht bemerkt worden.

Im Innenraum der Fahrzeuge seien alle Sitze und Stoffverkleidungen mit Kunststoffklebeband der Firma „Celotape“ abgeklebt worden. Auch dieses Klebeband sei im kriminalpolizeilichen Fachhandel bestellt worden und werde seit Jahren von verschiedenen Polizeidienststellen verwendet.

Ein bei rechtmäßigem hoheitlichen Handeln grundsätzlich in Betracht kommender Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff scheide mangels unzumutbarem Sonderopfer aus.

Das beklagte Land hat darüber hinaus Einwendungen gegen die Schadenshöhe erhoben. Die Mietwagenkosten seien schon deshalb nicht erstattungsfähig, weil nach dem vorgelegten Mietvertrag der Vater der Klägerin, der Zeuge W., das Fahrzeug angemietet habe, weshalb die Klägerin wegen der Mietwagenkosten nicht aktivlegitimiert sei.

Durch das zur Berufung angefallene Urteil hat das Landgericht der Klage in Höhe eines Betrages von 384,43 EUR nebst Zinsen stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Zahlungsansprüche unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung oder wegen Verletzung von Pflichten aus einem öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnis teilweise begründet seien. Selbst wenn man von rechtmäßigem hoheitlichen Handeln ausgehe, stehe der Klägerin ein Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff zu. Die Fahrzeugschäden stellten ein unzumutbares Sonderopfer dar. Für nachgewiesene Schäden an dem PKW Mazda könne die Klägerin 193,43 EUR und für Schäden an dem VW Golf 75 EUR sowie darüber hinaus Ersatz der anteiligen Privatgutachtenkosten von 116 EUR verlangen. Im Übrigen sei das Zahlungsverlangen nicht begründet.

Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe gemäß § 540 Abs.1 S.1 Nr.1 ZPO Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung des beklagten Landes, das mit dem Rechtsmittel die Abweisung der Klage insgesamt anstrebt. Das beklagte Land ist der Ansicht, das Landgericht habe die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruches aus enteignendem Eingriff rechtsfehlerhaft bejaht. Die Klägerin habe schon ihr streitiges Eigentum an den beschlagnahmten Fahrzeugen nicht nachweisen können. Die landgerichtliche Beweiswürdigung könne nicht überzeugen. Die substanzarmen Angaben des Vaters der Klägerin reichten nicht aus, das Fahrzeugeigentum der Klägerin mit dem Beweismaß des § 286 Abs.1 ZPO zu belegen. Selbst wenn die Klägerin ihr Eigentum nachweisen könne, fehle es an einem Sonderopfer. Die Klägerin sei als „eine Art Zustandsstörer“ anzusehen, da sie die Fahrzeuge ihrem wegen Mordes rechtskräftig verurteilten Ehemann zur Verfügung gestellt habe. Damit habe die Klägerin die maßgebliche Ursache dafür gesetzt, dass die Fahrzeuge im Rahmen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen zum Objekt der Spurensuche und -sicherung geworden seien.

Das beklagte Land beantragt (Bl. 256, 260, 287 d.A.),

das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Die Klägerin beantragt (Bl. 273, 287 d.A.),

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Sitzungsprotokoll vom 5. April 2011 verwiesen (Bl. 286 bis 288 d.A.).

Der Senat hat den Band I D der Akte 2 Js 105/06 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken und das in dem Strafverfahren ergangene Urteil der 14. Großen Strafkammer – Schwurgericht – des Landgerichts Saarbrücken vom 5.4.2007 (Az. 14 – 36/06 SchwG) zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht (Bl.287 d.A.).

B.

Obwohl der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR nicht übersteigt, ist die Berufung aufgrund bindender Zulassung durch das Landgericht (§ 511 Abs.4 S.2 ZPO) statthaft. Die Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt und in der verlängerten Frist des § 520 Abs.3 ZPO ordnungsgemäß begründet und ist daher zulässig.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg und führt zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Das beklagte Land ist der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zum Ersatz der klagegegenständlichen Schäden verpflichtet.

Soweit das Landgericht einen Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff in Höhe von 384,43 EUR bejaht hat, beruht das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO). Das Landgericht hat bei der Beantwortung der Rechtsfrage, ob die Klägerin ein unzumutbares Sonderopfer erlitten hat, die besonderen Umstände des Streitfalls nicht umfassend berücksichtigt. Der Senat konnte die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen seiner Verhandlung und Entscheidung auch im eingeschränkten Prüfungsrahmen des § 529 ZPO nicht vollumfänglich zugrunde legen, da an ihrer Richtigkeit und Vollständigkeit aufgrund konkreter Umstände Zweifel bestanden.

Die erforderliche Neubewertung führt dazu, dass die Klage nicht begründet ist:

I.

Die Berufung beanstandet zu Recht, dass die Klägerin ihr streitiges Eigentum an den beiden beschlagnahmten Fahrzeugen nicht mit dem Beweismaß des § 286 Abs.1 ZPO nachgewiesen hat. Die Beweiswürdigung des Landgerichts vermag nicht zu überzeugen:

Die Angaben des Zeugen W., des Vaters der Klägerin, in der landgerichtlichen Vernehmung vom 19.2.2010 reichen entgegen der Einschätzung des Landgerichts (LGU 11, Bl. 228 d.A.) aus sachlichen Gründen zum Nachweis des Eigentums der Klägerin nicht aus. Auch wenn man außer Betracht lässt, dass der Zeuge, der mit dem beklagten Land einen Parallelrechtsstreit wegen Schäden an seinem ebenfalls beschlagnahmten und kriminaltechnisch untersuchten Fahrzeug führt (Az. 4 O 399/09 des Landgerichts Saarbrücken), ein naheliegendes persönliches Interesse an einem für seine Tochter günstigen Prozessausgang hat, trägt die Aussage bereits inhaltlich nicht die Feststellung, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Beschlagnahme Eigentümerin der beiden Fahrzeuge war.

Der Zeuge W. hat auf die Eingangsfrage des Landgerichts, wem die Fahrzeuge gehörten, wörtlich erklärt, „ich würde sagen, dass sie meiner Tochter waren“. Auf Nachfrage hat der Zeuge dann apodiktisch behauptet, er sei sich sicher, dass die Fahrzeuge Eigentum seiner Tochter waren.

Aufgrund welcher konkreten Tatsachen der Zeuge sicher sein will, dass seine Tochter Eigentümerin der Fahrzeuge ist, lässt sich weder dem Sitzungsprotokoll noch den Gründen des angefochtenen Urteils entnehmen. Der Zeuge wusste auch nicht, was die Klägerin und deren (früherer) Ehemann wegen der Nutzung der Fahrzeuge vereinbart hatten. Der Zeuge bestätigte aber, dass der (frühere) Ehemann beide Fahrzeuge vor der Beschlagnahme mitbenutzt hat (Bl. 268 d.A.).

Obwohl der Senat die Klägerin terminsvorbereitend auf die gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung bestehenden Bedenken hingewiesen und ihr durch Verfügung des Vorsitzenden vom 25.3.2011 anheimgestellt hat, das streitige Eigentum in geeigneter Form zu belegen (Bl. 283 d.A.), hat die Klägerin keine schriftlichen Nachweise vorgelegt und auch sonst keinen weiteren geeigneten Beweis angetreten.

Allerdings wird der Klägerin die Beweisführung, dass sie zumindest Miteigentümerin des VW Golf war, durch die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB erleichtert. Das beklagte Land hat zwar vorgetragen, der (frühere) Ehemann der Klägerin habe den Mazda allein benutzt. Die an den unstreitigen Mitbesitz der Klägerin an dem VW Golf im Zeitpunkt der Beschlagnahme anknüpfende Eigentumsvermutung, die im Falle von Mitbesitz dahin geht, dass Miteigentum (§ 1008 BGB) vermutet wird (BGH NJW 1993, 935; Palandt-Bassenge, BGB, 70. Aufl. Rn. 1 zu § 1006), ist nicht widerlegt. Als Miteigentümerin des VW Golf ist die Klägerin nach § 1011 BGB zur alleinigen Geltendmachung von Ersatzansprüchen im Falle der Beschädigung dieses Fahrzeugs berechtigt.

II.

Aber auch wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausginge, dass sie wegen der Schäden an beiden Fahrzeugen aktivlegitimiert ist, stünde ihr der zur Berufung angefallene Zahlungsanspruch gegen das beklagte Land unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu:

1.

Ein Anspruch nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) kommt aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht in Betracht:

Es fehlt schon an der erforderlichen Grundentscheidung und einem abgeschlossenen Justizverwaltungsverfahren (§ 10 StrEG), die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage im Betragsverfahren nach § 13 StrEG vor den Zivilgerichten sind (BGH, Urteil vom 9.4.1987 – III ZR 3/86, zitiert nach Juris; Meyer, Strafrechtsentschädigung, 6. Aufl. Rn. 5 und 13 zu § 13 StrEG).

Darüber hinaus folgt aus der klaren Wortfassung des § 2 StrEG, dass nach diesem Gesetz entschädigungsberechtigt nur Angeklagte, Angeschuldigte und Beschuldigte sind (Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Auflage, Seite 405, 407). Nach § 2 StrEG sind Personen zu entschädigen, die freigesprochen werden, gegen die das Verfahren eingestellt wird oder gegen die das Strafgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt.

Dritten gewährt das StrEG hingegen keinen Anspruch, auch wenn diese durch den Vollzug von vorläufigen Strafverfolgungsmaßnahmen gegen einen Beschuldigten unmittelbar oder mittelbar mitunter ganz erhebliche Vermögensschäden erleiden können (Meyer a.a.O. Rn. 15 zu § 2). Unbeteiligte Personen, deren Eigentum im Zuge der Ermittlungen beschlagnahmt und zu Untersuchungszwecken (z.B. Spurensuche an Kraftfahrzeugen oder an Bargeld) längere Zeit einbehalten wurde, haben daher keinen Anspruch nach dem StrEG (Ossenbühl a.a.O. S. 406; Meyer, Juristisches Büro 1993, 1 f.),

Eine im Schrifttum teilweise befürwortete analoge Anwendung des StrEG (Ossenbühl a.a.O. S.407) kommt aus den Gründen des angefochtenen Urteils (LGU 9, Bl. 226 d.A.) nicht in Betracht. Obwohl dem Gesetzgeber das Problem der Drittgeschädigten bekannt war, hat er bewusst davon abgesehen, diese in den Anwendungsbereich des StrEG aufzunehmen.

2.

Beanstandungsfrei geht das Landgericht davon aus, dass ein Ersatzanspruch nach den §§ 68 ff. SPolG ebenfalls ausscheidet. Die Entschädigungsvorschriften der Polizeigesetze der Länder gelten, soweit im jeweiligen Gesetz nichts anders geregelt, nur bei präventivem polizeilichen Handeln im Rahmen der Gefahrenabwehr, nicht jedoch bei – wie hier – repressivem Handeln im Zuge von Strafverfolgungsmaßnahmen (Lisken/Denninger/Rachor, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. S. 1192, 1193 unter Hinweis auf BGH NJW 1996, 3151 und BGHZ 125, 258, 263; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Auflage, Seite 407 und die Übersicht über die nach dem SPolG zum Schadensausgleich verpflichtenden Tatbestände bei Mandelartz, Sauer, Strube, § 68). Die den Regeln der StPO unterliegende Strafverfolgung ist nicht originäre Polizeiaufgabe. Die Polizei wird in diesem rechtlichen Kontext lediglich als Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft tätig, die „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ ist.

3.

Das Landgericht hat die Frage, ob der Klägerin trotz rechtmäßiger Beschlagnahme und grundsätzlich zulässiger kriminaltechnischer Untersuchung unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) oder wegen schuldhafter Pflichtverletzung eines öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnisses nach § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 688 BGB analog ein Schadensersatzanspruch gegen das beklagte Land zustehen könnte, wenn die polizeilichen Ermittler sich bei der Spurensuche nicht möglichst schonender Materialien bedient oder zwar geeignete Materialien benutzt, dieses aber unrichtig angewendet hätten, mit der Erwägung dahinstehen lassen, der Klägerin stehe auch bei rechtmäßigem hoheitlichen Handeln gegen das beklagte Land ein Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff zu.

Richtig ist, dass streitiges Verteidigungsvorbringen keiner Aufklärung und Beweiserhebung bedarf, wenn die Klage selbst bei Wahrunterstellung erfolgreich wäre. Da der Klägerin aus im Folgenden unter Ziff.5 noch darzulegenden Gründen ein Entschädigungsanspruch aus enteignendem Anspruch nicht zusteht, erübrigt sich eine sachliche Prüfung der o.g. Anspruchsgrundlagen nicht.

Sowohl ein Schadensersatzanspruch unter dem Aspekt der Amtshaftung als auch eine Inanspruchnahme des beklagten Landes aus dem durch die Beschlagnahme begründeten öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis (vgl. hierzu BGHZ 1,369), setzen eine objektive Pflichtverletzung und ein Verschulden auf Seiten der Polizei voraus. Die Klägerin hat insoweit schon nicht ihrer Darlegungslast genügt:

a.

Mit Bindungswirkung für das Berufungsverfahren (§ 529 ZPO) hat das Landgericht folgende Schadenspositionen als ersatzfähig angesehen: Die Kosten der Fahrzeuginnenreinigung an beiden Fahrzeugen von jeweils 75 EUR, bei dem Mazda darüber hinaus die Kosten der Erneuerung des Türöffners einschließlich der Griffschale, die Kosten des Formteils der Tür links von 30 EUR sowie Kosten von 37,50 EUR für die Beseitigung von Kleberückständen am vorderen Stoßfänger und außerdem anteilige Kosten des Privatgutachtens H. von 116 EUR.

b.

Der Umstand, dass sich an beiden Fahrzeugen rote Farbanhaftungen befanden und dass an dem Mazda bei Rückgabe Teile der linken Tür fehlten (LGU 13, Bl. 230 d.A.), rechtfertigt für sich allein nicht die Annahme einer schuldhaften objektiven (Amts-)Pflichtverletzung.

aa.

Nach den Feststellungen in dem gegen den früheren Ehemann der Klägerin ergangenen Strafurteil wurde bei der kriminaltechnischen Untersuchung an der Innenseite der Fahrertür des Mazda im Bereich des Türgriffs eine Blutspur gesichert, die nach rechtsmedizinischer Begutachtung von dem Tatopfer stammte (Urteil Seite 37, 38). Die entsprechenden Teile mussten als Spurenträger bis zum Abschluss des Strafverfahrens als Beweismittel asserviert bleiben, weshalb sie nicht schon im Februar 2006 mit den Fahrzeugen wieder an die Klägerin herausgegeben werden konnten.

bb.

Auch sonst hat die Klägerin eine objektive Pflichtverletzung bei der Spurensuche in tatsächlicher Hinsicht nicht ausreichend dargelegt.

(1)

Die von der Klägerin zur Begründung eines pflichtwidrigen Vorgehens bei der kriminaltechnischen Untersuchung aufgestellten Behauptungen mögen, auch wenn es sich teilweise um bloße Mutmaßungen handelte, zu Beginn des Prozesses ausreichend gewesen sein.

(2)

Nachdem das beklagte Land die ausführliche schriftliche Stellungnahme des Bundeskriminalamtes vom 9.10.2009 vorgelegt hat (Bl.186 bis 188 d.A.), in der detailliert und technisch nachvollziehbar aufgezeigt wurde, dass sowohl die zur Spurensuche eingesetzten Materialen als auch deren konkrete Verwendung nicht zu beanstanden sind, wäre es in der Folge Aufgabe der Klägerin gewesen, durch Vertiefung ihres Prozessvortrages einleuchtend aufzuzeigen, weshalb die Beschädigungen entgegen den Erkenntnissen aus der Stellungnahme des (fachkundigen) Bundeskriminalamtes bei sorgfältigem polizeilichen Vorgehen vermeidbar waren. Hierzu hat die Klägerin nichts weiter vorgetragen. In Rechtsprechung und Schrifttum ist allgemein anerkannt, dass der Umfang der Darlegungslast des Anspruchstellers wesentlich davon abhängt, wie substantiiert der Prozessgegner dem anspruchsbegründenden Tatsachenvortrag entgegentritt. Zu Beginn eines Prozesses mag es ausreichen, wenn der Anspruchsteller sich auf wesentliche Tatsachen beschränkt, die das behauptete Recht begründen können. Je konkreter und zielgenauer sich der Prozessgegner in der Folge zu diesem Angriffsvorbringen äußert, umso mehr muss die darlegungspflichtige Partei vorbringen, um ihrer Darlegungslast (weiter) zu genügen (zur Wechselwirkung von Darlegungs- und Erklärungslast vgl. Zöller-Greger, ZPO, 27. Aufl. Rn. 7b f. zu § 138 mwNw). Angewandt auf den Streitfall hat die Klägerin ihrer nach Vorlage der schriftlichen Stellungnahme des Bundeskriminalamtes wegen der Anspruchsvoraussetzung „objektive Pflichtverletzung“ gesteigerten Darlegungslast in tatsächlicher Hinsicht nicht genügt.

5.

Die Klage ist im erstinstanzlich erkannten Umfang auch nicht als Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff begründet:

Das Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs betrifft Fallgestaltungen, bei denen eine an sich rechtmäßige hoheitliche Maßnahme auf eine Rechtsposition des Eigentümers einwirkt und zu Nebenfolgen und Nachteilen führt, die die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschreiten (BGH, Urteil vom 9.4.1987 – III ZR 3/86; Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, Rn. 350). Zumeist wird es sich um atypische und/oder unvorhergesehene Nachteile handeln, was aber nicht Anspruchsvoraussetzung ist (Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Auflage, Seite 273 unter Verweis auf BGH, NJW 1986, 2423 und BGHZ 122, 76).

a.

Der Entschädigungsanspruch setzt anders als der sog. enteignungsgleiche Eingriff eine rechtmäßige hoheitliche Maßnahme voraus (Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Auflage, Seite 269; Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, Rn. 350, 351). Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sowohl die Beschlagnahme der beiden Fahrzeuge als auch die anschließende kriminaltechnische Spurensuche rechtmäßig waren. Nach dem Verteidigungsvorbringen des beklagten Landes, dem die Klägerin zuletzt nicht mehr substantiiert entgegengetreten ist, war die Spurensuche auch fachlich korrekt durchgeführt worden.

b.

Die rechtmäßige hoheitliche Maßnahme muss zu einem unmittelbaren Eingriff in eine geschützte Eigentümerposition der Klägerin dergestalt geführt haben, dass die schädigende Auswirkung für die konkrete Betätigung hoheitlichen Handelns typisch ist und aus der Eigenart der hoheitlichen Maßnahme folgt (BGH, NJW 1988, 478, 479; 1987, 2573; 1984, 2516; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Auflage, Seite 276; Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, Rn. 353). Bei den Nachteilen, für die das Landgericht der Klägerin eine Entschädigung zugesprochen hat, insbesondere den Substanzschäden, die an beiden Fahrzeugen durch die Spurensuche und Beweissicherung eingetreten sind, handelt es sich um Nachteile, die in einem inneren Zusammenhang mit der schädigenden hoheitlichen Maßnahme stehen und die typischerweise in dieser selbst angelegt sind. Das Landgericht hat die erforderliche „Unmittelbarkeit“ des Eingriffs daher zu Recht bejaht.

c.

Allerdings fehlt es im Streitfall an der weiteren Voraussetzung, dass die schädlichen Auswirkungen rechtmäßigen hoheitlichen Handelns zu einem unzumutbaren Sonderopfer auf Seiten der Klägerin dergestalt geführt haben, dass in deren geschützte Eigentumsposition nach Dauer, Art, Intensität und Auswirkung schwer und unerträglich eingegriffen wurde.

aa.

Das Sonderopfer ist das für den enteignenden Eingriff prägende Tatbestandsmerkmal und das maßgebliche Abgrenzungskriterium von entschädigungslos hinzunehmenden entschädigungspflichtigen Einwirkungen. Während für rechtswidrige Eingriffe ohne Rücksicht auf den Grad und die Intensität der Rechtswidrigkeit Entschädigung verlangt werden kann, ist das bei rechtmäßigen Eingriffen nur möglich, wenn die Einwirkungen eine bestimmte Opfergrenze überschreiten. Die Opferschwelle bestimmt sich in wertender Betrachtung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls (Ossenbühl, a.a.O. Seite 276 ff.).

Bei der Ermittlung der Opfergrenze sollen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die „Schwere“ und „Tragweite“ der Eigentumsbeeinträchtigung die maßgebliche Rolle spielen (BVerwGE 61, 295, 303; 5, 143, 145). In der Literatur werden eine Reihe von „Abgrenzungstheorien“ entwickelt, bei denen u.a. auf Zumutbarkeitskriterien abgestellt wird (Stödter, DÖV 1953,97). Es wird ferner die Ansicht vertreten, dass bei der Festlegung der Sonderopferschwelle das StrEG als Orientierungshilfe dienen könne (Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Auflage, Seite 407).

Der Bundesgerichtshof sieht die Entschädigungsschwelle in einer Belastung des Einzelnen, die anderen Bürgern nicht zugemutet wird und die deshalb zu einer nicht hinnehmbaren Ungleichbehandlung führt (BGHZ 80, 11, 114; 60, 126, 130).

bb.

Im Streitfall ist diese Schwelle entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts nicht überschritten:

(1)

Das Landgericht begründet das Sonderopfer trotz vergleichsweise geringer Fahrzeugsubstanzschäden wesentlich mit den Wertungen des StrEG und des SPolG und vertritt den Standpunkt, es sei kein vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb die Klägerin, die als Nichtbeschuldigte in einem Ermittlungsverfahren durch eine strafprozessuale Maßnahme Schäden erleidet, leer ausgehen soll, wohingegen sie, wenn ihre Fahrzeuge präventiv sichergestellt worden oder sie zunächst Mitbeschuldigte im Strafverfahren gewesen und das Verfahren gegen sie später eingestellt oder mit einem Freispruch beendet worden wäre, für die nachweisbaren Vermögensnachteile nach den §§ 68, 74 SPolG bzw. §§ 2, 7 StrEG eine Entschädigung hätte verlangen können. Die sich aus den Anwendungsgrenzen des SPolG und des StrEG ergebende Entschädigungslücke bei rechtmäßigen strafprozessualen Maßnahmen, die unbeteiligte Dritte schädigen, sei, so das Landgericht, durch den enteignenden Eingriff zu schließen, wenn eine bestimmte Sonderopferschwelle in Form von nachgewiesenen Schäden überschritten wird.

(2)

Den Überlegungen ist im rechtlichen Ansatz zuzustimmen. Es wäre in der Tat kaum nachvollziehbar, wenn sich ein Unbeteiligter, dessen Eigentum bei einer gegen Dritte gerichteten strafprozessualen Maßnahme beschädigt wird, entschädigungsrechtlich schlechter stehen würde als ein freigesprochener Angeklagter oder ein Beschuldigter, gegen den das Verfahren eingestellt wurde und der für erlittene Schäden nach dem StrEG entschädigt wird. Allerdings gewährt das StrEG für die in § 2 genannten Strafverfolgungsmaßnahmen dann keine Entschädigung, wenn der Beschuldigte diese vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat (§ 5 Abs.2 StrEG). Die Vorschrift beruht auf dem Rechtsgedanken des § 254 BGB (Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl. Rn.7 Anh 5 StrEG), der auch den Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff beschränkt.

(3)

Die Begründung des Landgerichts, weshalb die Beklagte ein unzumutbares Sonderopfer erlitten haben soll, vermag nicht zu überzeugen. Ob ein Sonderopfer vorliegt, beantwortet sich in der Zusammenschau aller Umstände des konkreten Einzelfalls, die das Landgericht nicht umfassend berücksichtigt hat:

Nimmt man den Umfang des durch den rechtmäßigen hoheitlichen Eingriff verursachten Eigentumsschadens, der ein maßgebliches Kriterium für die Festlegung ist, ob die Schwelle zum Sonderopfer überschritten wird, in den Blick, steht nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme und rechtskräftiger Abweisung der Klage im Übrigen mit Bindungswirkung für das Berufungsverfahren (§ 529 Abs.1 Nr.1 ZPO) fest, dass die Klägerin ersatzfähige Schäden in Höhe von insgesamt 384,43 EUR nachweisen konnte. Hierbei handelt es sich um Kosten von 193,43 EUR für die Beseitigung von Schäden an dem PKW Mazda, Kosten von 75,- EUR für die erforderliche Innenreinigung des VW-Golf und anteilige Privatgutachterkosten von 116,- EUR. Die Fahrzeugsubstanzschäden betragen nur 268,43 EUR. Schon dies spricht eher gegen ein unzumutbares Sonderopfer.

Es kann ferner nicht außer Betracht bleiben, dass die Klägerin leichtfertig dazu beigetragen hat, dass ihr (behauptetes) Eigentum Schaden genommen hat. Die Klägerin, die mit Herrn O. seit 2002 verheiratet war, wusste, dass ihr Ehemann massiv vorbestraft war.

Herr O. musste nach dem in der Ermittlungsakte 2 Js 105/06, deren Beiziehung und urkundliche Verwertung das beklagte Land schon im PKH-Prüfungsverfahren beantragt hat (Bl. 51 d.A.), befindlichen Urteil der 14. Großen Strafkammer-Schwurgericht des Landgerichts Saarbrücken zu seiner Person getroffenen Feststellungen während der Zeit der Ehe mit der Klägerin bis zum 4.2.2005 mehrere Haftstrafen verbüßen, und zwar aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelnhausen vom 14.8.1995 wegen Diebstahls in 17 Fällen, Fahren ohne Fahrerlaubnis und Handel mit Betäubungsmitteln eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren (Vollstreckung nach Widerruf erledigt am 20.8.2003), aus dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 1.12.1999 wegen Hehlerei, Diebstahl, Widerstand eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten (Vollstreckung erledigt am 10.3.2004), aus dem Urteil des Amtsgerichts Dieburg vom 20.8.1998 wegen Diebstahl eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten (Vollstreckung erledigt am 6.10.2004) sowie aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 5.4.2001 wegen Unterschlagung eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr (Vollstreckung erledigt am 4.2.2005). Der Bundeszentralregisterauszug des 1969 geborenen (früheren) Ehemannes der Klägerin wies schon vor der letzten Straftat 14 Eintragungen auf.

In Kenntnis der multiplen Vorstrafen ihres (früheren) Ehemannes hat die Klägerin diesem die streitgegenständlichen Fahrzeuge bedenkenfrei zur Mitbenutzung überlassen und sich damit der Kontrollmöglichkeit über ihr Eigentum und darüber begeben, wozu ihr lebensbegleitend zu Straftaten neigender (früherer) Ehemann die Fahrzeuge im Einzelnen verwendete. Dass er die ihm überlassenen Fahrzeuge auch zur Begehung weiterer Straftaten benutzen könnte und dass diese deshalb zum Objekt polizeilicher Untersuchung würden, war nach dem „bewegten“ Vorleben auch ohne Ankündigung konkret geplanter neuer Straftaten zumindest nicht unvorhersehbar.

Der Klägerin war es naturgemäß unbenommen, ihrem (früheren) Ehemann dessen ungeachtet ihre Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Dann überschreiten aber geringfügige Eigentumsbeeinträchtigungen durch von diesem im Zusammenhang mit der Begehung neuer Straftaten provozierte rechtmäßige polizeiliche Maßnahmen nicht die Sonderopferschwelle.

Die Klägerin ist für die Beeinträchtigungen ihres Eigentums, das sie selbst vermeidbaren Gefahren ausgesetzt hat, daher nicht zu entschädigen.

Der Senat sieht sich in dieser Einschätzung durch eine neuere Entscheidung des Bundesgerichtshofs bestärkt (Urteil vom 3. März 2011 – III ZR 174/10 -):

Dem Kläger jenes Verfahrens wurde ein PKW bei einem Einbruch in seine Geschäftsräume entwendet. Das Fahrzeug wurde zunächst in die Niederlande verbracht und dort mit einem niederländischen Kennzeichen versehen. Später reisten der Täter und ein weiterer Mittäter mit dem Fahrzeug in die Bundesrepublik ein und begingen mehrere Einbruchdiebstähle. Als sie bei einem Einbruchdiebstahl von der Polizei entdeckt wurden, kam es zu einer Verfolgungsfahrt, in deren Verlauf das von den Tätern benutzte Fahrzeug nur durch kontrolliertes Rammen zum Anhalten gebracht werden konnte. Von dem dabei verursachten Gesamtschaden von 12.700 EUR erhielt der Kläger aus dem sichergestellten Vermögen der Täter 6.650 EUR zurück. Wegen des weiter gehenden Schadens wurde ihm ein Entschädigungsanspruch mit der Begründung versagt, es liege kein unzumutbares Sonderopfer vor. Der rechtmäßige Polizeieinsatz habe zwar eine erhebliche Beschädigung des Fahrzeugs zur Folge gehabt. Hierdurch sei aber auch erreicht worden, dass der Kläger sein bereits verloren geglaubtes Eigentum – wenn auch im Wert gemindert – zurückerlangt hat. Im Übrigen habe der Kläger seine gegen den Dieb bestehenden deliktischen Ansprüche zumindest teilweise realisieren können.

Wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung bei so gelagerter Fallgestaltung ein unzumutbares Sonderopfer verneint, liegt dieses im Streitfall erst recht nicht vor.

Auf die Berufung des beklagten Landes war das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO und die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs.2 Nr.1 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs.2 Nr.2 ZPO). Der Senat weicht in den die Entscheidung tragenden rechtlichen Erwägungen weder von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab, noch hat der Streitfall über den entschiedenen Einzelfall hinausreichende symptomatische Bedeutung. Das Sonderopfer wurde nicht verallgemeinerungsfähig in wertender Zusammenschau der besonderen Umstände, die den Streitfall prägen, verneint.

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