Beschluss vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 6 UF 8/11

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in Homburg vom 11. November 2010 – 9 F 286/09 VA – unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde in den Ziffern 1. und 2. abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. a) Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der zu Gunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 1,6261 Entgeltpunkten auf ihr Versicherungskonto bezogen auf den 30. November 2009 übertragen.

b) Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der, zu Gunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 4,9295 Entgeltpunkten auf sein bezogen auf den 30. November 2009, übertragen.

2. a) Ein Wertausgleich des Anrechts des Antragstellers bei dem in Höhe von 347,01 EUR findet nicht statt.

b) Ein Wertausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei dem. in Höhe von 3.871,65 EUR findet nicht statt.

2. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten der zweiten Instanz nicht erstattet. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszugs bleibt es bei der Entscheidung des Familiengerichts.

3. Verfahrenswert der Beschwerdeinstanz: 3.000 EUR.

Gründe

I.

Der im September 1950 geborene Antragsteller (Ehemann) und die im September 1976 geborene Antragsgegnerin (Ehefrau), beide Deutsche, hatten am 15. Dezember 2000 die Ehe geschlossen. Der am 22. September 2009 beim Familiengericht eingegangene Scheidungsantrag des Ehemannes wurde der Ehefrau am 15. Dezember 2009 zugestellt. Die Folgesache Versorgungsausgleich wurde durch Beschluss des Familiengerichts vom 30. April 2010 vom Scheidungsverbund abgetrennt. Durch am selben Tag verkündeten und rechtskräftig gewordenen Beschluss wurde die Ehe der Ehegatten geschieden.

In der abgetrennten Folgesache Versorgungsausgleich hat das Familiengericht zu den beiderseits von den Ehegatten erworbenen Anrechten Auskünfte eingeholt, die die am 23. Februar und 19. März 2010, die am 24. März 2010 und der am 22. Februar 2010 erteilt haben, und die in Bezug genommen werden.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 11. November 2010, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht den Versorgungsausgleich geregelt und erkannt, dass ein Versorgungsausgleich bei der Scheidung nicht stattfindet (Ziffer 1. der Beschlussformel) und Ausgleichsansprüche nach der Scheidung unberührt bleiben (Ziffer 2.). Dabei hat es die Auffassung vertreten, dass auf Seiten des Ehemannes ein Anrecht in der bestehe, das gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG noch nicht ausgleichsreif sei, weshalb insoweit ein Versorgungsausgleich bei der Scheidung nicht stattfinden könne. Auf die grundsätzlich mögliche Teilung der anderen Anrechte der Beteiligten habe das Familiengericht nach § 19 Abs. 3 VersAusglG verzichtet, weil sie für die Ehefrau unbillig wäre.

Gegen diesen dem Ehemann am 9. Dezember 2010 zugestellten Beschluss richtet sich dessen am 7. Januar 2011 beim Familiengericht eingegangene Beschwerde, mit der der Ehemann begehrt, unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses den Versorgungsausgleich hinsichtlich aller beiderseitigen Anrechte durchzuführen. Die schwedischen Anwartschaften des Ehemannes seien keine auszugleichenden Anrechte, da sie nicht in der Ehezeit erworben worden seien. § 19 Abs. 3 VersAusglG stehe daher einem Ausgleich der beiderseitigen Anrechte nicht entgegen.

Die Ehefrau ist der Beschwerde nicht entgegengetreten.

Während sich die anderen weiteren Beteiligten im Beschwerdeverfahren nicht geäußert haben, hat die darauf hingewiesen, dass mit der vom Familiengericht gegebenen Begründung nicht von der Durchführung des Versorgungsausgleichs habe abgesehen werden können. Denn die Versorgungsanwartschaften in habe der Ehemann allesamt vorehelich erworben. Sie seien daher für den Versorgungsausgleich irrelevant. Die zum Erwerb jener Anwartschaften in zurückgelegten Zeiten hätten über die höhere Bewertung der beitragsfreien Zeiten einen positiven Effekt auf die Höhe der während der Ehezeit vom Ehemann erworbenen deutschen Rentenanwartschaften.

II.

Die nach §§ 58 ff., 228 FamFG zulässige Beschwerde des Ehemannes ist im Wesentlichen begründet und führt nach Maßgabe der Entscheidungsformel zum Wertausgleich der beiderseits von den Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte sowie zu der Feststellung (§ 224 Abs. 3 FamFG), dass hinsichtlich der beiderseitigen Anrechte der Ehegatten bei der ein Wertausgleich nicht stattfindet.

Mit Erfolg beanstandet der Ehemann, dass das Familiengericht nach § 19 (Abs. 1 und) Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 VersAusglG von der Durchführung eines Versorgungsausgleichs bei der Scheidung abgesehen hat. Denn das Familiengericht hat verkannt, dass dem weder die seitens des Ehemannes in erworbenen Anwartschaften noch die dort zurückgelegten Versicherungszeiten entgegenstehen.

Der Ehemann weist zu Recht darauf hin, dass § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG nur solche Anrechte erfasst, die überhaupt im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen sind (vgl. NK-BGB/Götsche, 2. Aufl., § 19 VersAusglG, Rz. 29). Dies ist hinsichtlich der vom Ehemann in erworbenen Anwartschaften nicht der Fall. Denn Gegenstand des Ausgleichs sind nach § 1 VersAusglG allein die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten (Ehezeitanteile). Deshalb bleiben Versorgungsanwartschaften, welche – einerlei, ob im In- oder Ausland – außerhalb der Ehezeit von dem einen oder dem anderen Ehegatten erworben worden sind, beim Versorgungsausgleich unberücksichtigt (vgl. NK-BGB/Götsche, a.a.O., § 1, Rz. 13; vgl. auch BVerfG FamRZ 1986, 875). Nach der von keinem Beteiligten in Frage gestellten und keinen Bedenken unterliegenden erstinstanzlich erteilten Auskunft der vom 23. Februar 2010 und dem darin enthaltenen Versicherungsverlauf betreffen die vom Ehemann in zurückgelegten Versicherungszeiten einen Zeitraum bis zum 31. Oktober bzw. Dezember 1985. Sie sind daher der vom Familiengericht zutreffend und unangegriffen festgestellten Ehezeit – vom 1. Dezember 2000 bis zum 30. November 2009; § 3 Abs. 1 VersAusglG – weit vorgelagert. Mithin unterliegen sie weder bei noch nach der Scheidung einem Versorgungsausgleich. Mit dieser Maßgabe kommt eine Anwendung von § 19 Abs. 3 VersAusglG bereits im Ansatz nicht in Betracht.

Hiernach ist der Versorgungsausgleich auf der Grundlage der von den beteiligten Versorgungsträgern erteilten Auskünfte, gegen die Beanstandungen weder von einem Beteiligten erhoben worden noch ersichtlich sind, zu regeln.

In der gesetzlichen Rentenversicherung hat der Ehemann ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 3,2521 Entgeltpunkten bei der erworben, für das diese einen Ausgleichswert von 1,6261 Entgeltpunkten (korrespondierender Kapitalwert nach § 47 VersAusglG: 9.992,26 EUR) vorgeschlagen hat, und die Ehefrau ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 9,8590 Entgeltpunkten bei der erlangt, für das diese einen Ausgleichswert von 4,9295 Entgeltpunkten (korrespondierender Kapitalwert: 30.291,39 EUR) vorgeschlagen hat.

Bei der hat der Ehemann ein Rentenanrecht mit einem Ehezeitanteil von 347,01 EUR erlangt, für das jene einen Ausgleichswert von 173,51 EUR angesetzt hat, und die Ehefrau ein Rentenanrecht mit einem Ehezeitanteil von 3.871,65 EUR erworben, für das die einen Ausgleichswert von 1.935,83 EUR errechnet hat. Die hat bezüglich beider Anrechte eine interne Teilung abgelehnt und auf die geringfügige Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte hingewiesen.

Von den unbeanstandet gebliebenen und rechtsbedenkenfreien Ausgleichswerten ausgehend, sind die beiderseitigen Anrechte der Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 10 Abs. 1 VersAusglG durch interne Teilung auszugleichen.

Von einem Ausgleich der beiderseitigen Rentenanrechte der Eheleute bei der den der Ehemann mit seinem Rechtmittel offensichtlich ebenfalls erstrebt, ist nach § 18 Abs. 1 VersAusglG abzusehen, so dass die Beschwerde insoweit unbegründet ist. Diese Rentenanrechte sind gleicher Art; zwischen ihnen besteht eine Ausgleichswertdifferenz von lediglich (1.935,83 EUR – 173,51 EUR =) 1.762,32 EUR, so dass die Bagatellgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG i.V.m. § 2 Abs. 1 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2009 von hier (2.520 EUR * 120% =) 3.024 EUR erheblich unterschritten ist. Gründe, von der Soll-Vorschrift des § 18 Abs. 1 VersAusglG abzuweichen, sind von den Beteiligten weder vorgebracht worden noch bei den gegebenen Umständen erkennbar.

Nach alledem ist der angefochtene Beschluss nach Maßgabe der Entscheidungsformel abzuändern.

Der Senat sieht bei den gegebenen Umständen von einer – von den Beteiligten auch nicht angeregten – mündlichen Erörterung der Sache (§ 221 Abs. 1 FamFG) in der Beschwerdeinstanz nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG ab, da hiervon bei den vorliegend obwaltenden Gegebenheiten keine weitergehenden entscheidungserheblichen Erkenntnisse (§ 26 FamFG) zu erwarten sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 FamGKG, §§ 150 Abs. 1, Abs. 5 S. 1, 137 Abs. 5 S. 1 FamFG.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus §§ 40 Abs. 1 S. 1, 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG; der Senat orientiert sich dabei an den Angaben der Ehegatten im Scheidungstermin vom 30. April 2010.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 70 FamFG).

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