Urteil vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 1 U 272/10 - 74

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5. Mai 2010 verkündete Urteil des Landgerichts in Saarbrücken – 9 O 460/09 – dahin abgeändert, dass die Klage - über den bereits abgewiesenen Teil hinaus – insgesamt abgewiesen wird.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist - ebenso wie das landgerichtliche Urteil hinsichtlich des die Klage abweisenden Teils - vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Nach Abgabe eines Angebots vom 20.09.2006, einem Bietergespräch vom 09.10.2006 und einem von beiden Parteien unterzeichneten Vermerk vom 12.10.2006, E-Mail des Landesbetriebs für Straßenbau vom 23.10.2006 und der Beklagten vom 25.10.2006 erhielt die Beklagte von der Klägerin, vertreten durch das Saarland, diese wiederum vertreten durch den Landesbetrieb für Straßenbau, mit Schreiben vom 20.11.2006 den Zuschlag für Gehölzrückschnitt auf Bundesautobahnen im Bereich der Autobahnmeisterei 11 Rohrbach/Saar in 2006/2007 (Los 12) auf Grund des mit 75.473,66 EUR abschließenden Angebots.

Die Beklagte bestätigte den Zuschlag mit Schreiben vom 24.11.2006 und fragte an, von wem die Verkehrssicherung am inneren Fahrstreifen durchgeführt werden solle. Der Landesbetrieb antwortete mit Schreiben vom 28.11.2006, eine Verkehrssicherung sei nicht explizit mit einem eigenen Verkehrsregelplan ausgeschrieben worden, weil der ausgeschriebene und von der Beklagten angegebene Plan analog gelte. Die Beklagte vertrat mit Schreiben vom 05.12.2006 die Auffassung, die Verkehrssicherung für den inneren Fahrstreifen sei in den Verdingungsunterlagen nicht vorgesehen gewesen und unterbreitete den Nachtrag Nr. 01. Nachdem der Landesbetrieb die Beklagte mehrfach aufgefordert hatte, mit den beauftragten Arbeiten zu beginnen, und die Beklagte den Beginn der Arbeiten von der Verhandlung und Erledigung des Nachtrags abhängig gemacht hatte, kündigte der Landesbetrieb mit Schreiben vom 09.01.2007 den Auftrag. Die Klägerin beauftragte die Firma A.K., welche das zweitgünstigste Angebot abgegeben hatte, mit der Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen, an die gemäß deren Schlussrechnung vom 15.05.2007 eine Vergütung von 107.433,63 EUR gezahlt wurde.

Die Klägerin, die im Wesentlichen geltend macht, dass die Beklagte nach dem Vertrag verpflichtet gewesen sei, die Verkehrssicherung nicht lediglich auf der Standspur, sondern auch auf der linken Fahrspur vorzunehmen, soweit Gehölzrückschnittarbeiten im Bereich des Grünstreifens im Bereich zwischen den Richtungsfahrbahnen der Autobahn vorzunehmen gewesen seien, macht vorliegend einen Schadensersatzbetrag in Höhe von 37.288,86 EUR brutto geltend, der sich aus den Mehrkosten der an die Firma A.K. und der an die Beklagte zu zahlenden Vergütung ergebe.

Die Beklagte ist dem Klagebegehren im Wesentlichen damit entgegengetreten, dass sie zur Verkehrssicherung am inneren Fahrstreifen, insbesondere nach Nr. 8 des Leistungsverzeichnisses nicht verpflichtet gewesen sei, und ihr der Arbeitsbeginn ohne Annahme des Nachtragsangebots durch die Klägerin nach Treu und Glauben nicht zumutbar gewesen sei.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 05.05.2010 (Bl. 142 ff. d.A.), auf das wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO verwiesen wird, der Klage teilweise – in Höhe eines Betrages von 31.262,53 EUR nebst Zinsen - stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagte Berufung eingelegt, mit der die Klägerin ihren erstinstanzlich erfolglos gebliebenen Klageantrag in Höhe von 6.002,53 EUR nebst Zinsen, die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag in vollem Umfange weiterverfolgt.

Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt die Beklagte Folgendes aus:

Eine auf den Wortlaut bezogene Auslegung der Vertragsunterlagen ergebe bereits, dass die Beklagte nicht zur Verkehrssicherung am Mittelstreifen verpflichtet gewesen sei. Unabhängig davon sei keinesfalls nur auf den Inhalt der Ausschreibungsunterlagen abzustellen, sondern vorrangig auch auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche Verständnis der Parteien vom Angebot des Bieters. Insbesondere könnten nachträgliche Erklärungen der Parteien bei der Auslegung berücksichtigt werden, soweit diese einen zuverlässigen Rückschluss auf den Inhalt des Angebots erlauben würden, nachträgliche Erläuterungen des ursprünglichen Angebotes durch den Bieter seien zu berücksichtigen. Es sei auch nicht zutreffend, dass die Beklagte die Leistungsbeschreibung für nicht schlüssig oder für unverständlich gehalten hätte. Sie habe im Rahmen des Bietergesprächs lediglich darauf hingewiesen, wie sie ihr Angebot verstanden hatte, was mit dem Verständnis des Angebotsinhalts der Klägerin übereingestimmt habe, wie der Vermerk vom 12.10.2006 belege. Die Klägerin berufe sich auch ohne Erfolg auf Nr. 5.2 der ZVG (VOL)/StB, der lediglich das „Wie“ und nicht das „Ob“ einer Verkehrssicherung regele. Bei Widersprüchen zwischen der ZVG (VOL)/StB und der Leistungsbeschreibung gehe ohnehin Letztere vor. Nummer 8 der Leistungsbeschreibung für Arbeiten auf Bundesautobahnen sehe keine Verkehrssicherung am Mittelstreifen vor, im Gegensatz zu Bundes- und Landstraßen. Nr. 7 der Leistungsbeschreibung enthalte für solche Arbeiten die Regelung: „Die Absicherung der Einsatzstelle erfolgt durch den AN“.

Darüber hinaus sei Nr. 5.2 der ZVG (VOL)/StB als überraschende Klausel zu werten und damit gemäß § 305c BGB nicht Vertragsbestandteil geworden. In Folge fehlender Transparenz verstoße sie gegen § 307 Abs. 1 BGB und benachteilige den Auftragnehmer unangemessen. Jedenfalls sei die Klägerin der Beklagten aufgrund Verschuldens bei Vertragsschluss zum Schadensersatz verpflichtet, denn durch die Klarstellung in dem Vermerk vom 12.10.2006 sei die Beklagte noch darin bestärkt worden, dass eine Verkehrssicherung am Mittelstreifen nicht geschuldet war. Dieses Vertrauen habe auch nicht durch die E-Mail des Herrn S. erschüttert werden können. Nachdem die Klägerin auf die E-Mail vom 25.10.2006 nicht geantwortet habe, habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass eine Verkehrssicherung am Mittelstreifen nicht von ihrem Angebot umfasst war. Im Rahmen des Schadensersatzes sei sie daher so zu stellen, als ob die Verkehrssicherung am Mittelstreifen nicht Vertragsbestandteil geworden wäre.

Die Beklagte beantragt (Bl. 385, 301, 302, 231, 243 d.A.),

1. unter Abänderung des am 05.05.2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken – 9 O 460/09 – die Klage abzuweisen;

2. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt (Bl. 385, 301, 302, 207, 212 d.A.),

1. unter Abänderung des am 05.05.2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken – Az.: 9 O 460/09 – die Beklagte zur Bezahlung weiterer 6.002,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2010 zu verurteilen;

hilfsweise:

unter Abänderung des am 05.05.2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken – Az.: 9 O 460/09 – die Beklagte zur Bezahlung weiterer 4.515,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2010 zu verurteilen.

2. Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil hinsichtlich der ihr günstigen Feststellungen und macht zur Begründung ihrer eigenen Berufung geltend:

Das Landgericht sei rechtsirrig davon ausgegangen, dass von dem an die Firma A.K. gezahlten Schlussrechnungsbetrag in Höhe von 107.433,63 EUR der Angebotsbetrag der Beklagten in Höhe von 75.473,66 EUR in Abzug zu bringen sei. Richtigerweise habe aber der Betrag in Abzug gebracht werden müssen, der an die Beklagte bei Durchführung des Auftrages hätte gezahlt werden müssen. Dieser hätte sich aber auf einen Betrag von 70.168,57 EUR belaufen, was erstinstanzlich unstreitig gewesen sei. Im Übrigen habe bei zutreffender Berechnung eine Vergütung von 71.656,06 EUR an die Beklagte gezahlt werden müssen, sodass der sich dann ergebende Differenzbetrag von 4.515,04 EUR hilfsweise geltend gemacht werde.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen der Parteien sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 07.09.2011 (Bl. 301, 302 d.A.) sowie vom 16.11.2011 (Bl. 384, 385 d.A.) Bezug genommen.

B.

Die form- und fristgerecht eingelegten Rechtsmittel der Klägerin und der Beklagten sind nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässig. Die Zweitberufung der Beklagten hat auch Erfolg und führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, dass die Klage abzuweisen ist (I.). Die Erstberufung der Klägerin ist demgegenüber unbegründet (II.).

I. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Beklagte der Klägerin nicht zum Schadensersatz im begehrten Umfange nach den §§ 7 Nr. 1, Nr. 4 Abs.1 VOL/B, §§ 280, 281, 249 ff. BGB verpflichtet.

Soweit die Beklagte sich nach Zuschlagserteilung auf die Aufforderung der Klägerin weigerte, die Verkehrssicherung am Mittelstreifen ohne zusätzliche, durch Nachtragsangebot geforderte Vergütung auszuführen, liegt hierin keine Pflichtverletzung, die die Klägerin nach In-Verzug-Setzung der Beklagten und Kündigung des Vertrages zur Geltendmachung von Schadensersatz berechtigt hätte. Denn die Beklagte war zur Erbringung dieser Leistung nach dem Vertrag nicht verpflichtet.

1. Art und Umfang der beiderseitigen Leistungen werden durch den Vertrag bestimmt (§ 1 Nr. 1 VOL/B). Das für die Auslegung der Ausschreibung maßgebliche Verständnis der Leistungsbeschreibung (§ 1 Nr. 2 lit.a VOL/B) wird grundsätzlich mit dem Zuschlag Inhalt des Werkvertrags. Für die Auslegung der Leistungsbeschreibung ist grundsätzlich der objektive Empfängerhorizont, also die Sicht eines durchschnittlichen Bieters maßgebend. Der fragliche Inhalt der Ausschreibung ist grundsätzlich nach den Regeln für Vertragsangebote (§§ 133, 157 BGB) auszulegen (BGH NJW-RR 1993, 1109).

2. Es kann für die Entscheidung zunächst dahinstehen, ob aus den im Gesamtzusammenhang zu lesenden Vorgaben der Leistungsbeschreibung für Gehölzrückschnittarbeiten in Nr. 1 Satz 5, Nr. 7, Nr. 8 Satz 2, 7 (Bl. 32 ff.d.A.) folgt, dass eine umfassende Verkehrssicherung durch den Auftragnehmer erfolgen sollte, die auch Sicherungsarbeiten am Innenstreifen mit umfasste. Seitens des Senats bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob dieser Leistungsumfang, auf den die Klägerin sich beruft, sich für den Bieter mit der zu fordernden Klarheit ergeben musste. Dass die Vertreter der Auftraggeberin (zunächst) selbst die maßgeblichen Bestimmungen der Leistungsbeschreibung im Sinne einer eingeschränkten Verkehrssicherung, die gerade nicht den Innenstreifen betrifft, verstanden haben, wird eindrucksvoll durch das in dem Vermerk vom 12.10.2006 (Bl. 41, 42 d.A.) festgehaltene Ergebnis des Bietergespräches belegt, durch das klargestellt wurde, dass die Verkehrssicherung nach Regelplan D III 2a) sich nur auf die rechte Fahrspur bezieht.

3. Selbst wenn man aber die Leistungsbeschreibung im Sinne der Klägerin auslegen wollte, kann vom Zustandekommen eines Auftrages, der die Verkehrssicherung auch der linken Fahrbahn der Bundesautobahn umfasste, nicht ausgegangen werden. Zwar korrespondierte das von der Beklagten eingereichte Angebot scheinbar in äußerer Hinsicht den Verdingungsunterlagen (äußerer Erklärungsakt). In inhaltlicher Hinsicht entsprach das Angebot indes nicht der Leistungsbeschreibung, sondern änderte die Verdingungsunterlagen ab. Denn dieses war nach dem erklärten Willen der Beklagten – von Anfang an – nicht darauf ausgerichtet, eine Absicherung der jeweils linken Spur der Bundesautobahn im Zusammenhang mit dem Rückschnitt von Grünholz im Mittelstreifen mit anzubieten. Die Ausführungen der Beklagten im Rahmen des Bietergespräches vom 09.10.2006 wie auch in der E-Mail vom 25.10.2006 (Bl. 45 d.A.) erläuterten und präzisierten den Inhalt des Angebots und ließen unmissverständlich erkennen, wie sie das Angebot verstanden haben will.

Diese Angaben sind auch entgegen der Auffassung der Klägerin bei der Auslegung des Angebotes heranzuziehen, da sie sichere Rückschlüsse auf das bei Angebotsabgabe inhaltlich Gewollte erlauben. Nachträgliche Erläuterungen des Bieters darüber, wie er sein Angebot im Zeitpunkt der Abgabe verstanden wissen wollte und welchen Inhalt er ihm beimaß, dürfen auch in vergaberechtlicher Hinsicht bei der Auslegung des Angebots nicht unberücksichtigt bleiben (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.03.2007, VII – Verg 53/06; Vergabekammer des Bundes, Beschl. v. 03.05.2007, VK II 27/07).

Auf Seiten der Klägerin konnte kein ernsthafter Zweifel bestehen, wie die Beklagte ihrerseits das Leistungsverzeichnis auslegte und was sie angeboten haben wollte. Im Rahmen des Bietergespräches war offenkundig geworden, dass die Beklagte davon ausging, dass die von dem Auftragnehmer vorzunehmende Verkehrssicherung sich auf die rechte Fahrspur bezieht. Zwar hat die Klägerin, die zuvor in dem Bietergespräch noch die gleiche Auffassung wie die Beklagte vertreten hat, in der E-Mail vom 23.10.2006 (Bl. 44 d.A.) eine „Richtigstellung“ (aus ihrer Sicht) vorgenommen. Dies steht aber den auf den tatsächlichen und der Klägerin erkennbaren Angebotswillen der Beklagten bezogenen Wertungen nicht entgegen, unabhängig davon, dass die dortige Aussage inhaltlich unklar bleibt. Denn letztlich enthält diese nur Angaben dazu, welcher Regelungsplan gilt, woraus sich allenfalls mittelbar Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von wem und auf welche Kosten die Sicherungsarbeiten auszuführen sind. Die Beklagte hatte zuletzt mit Schreiben vom 25.10.2006 (Bl. 45 d.A.) dies ausdrücklich klargestellt und erkennen lassen, dass sie an der von ihr vertretenen Position festhält.

Dass die Beklagte lediglich den eingeschränkten Leistungsumfang anbieten wollte, musste der Klägerin auch bewusst sein. Auf die E-Mail vom 25.10.2006 hat die Klägerin nicht mehr reagiert, obwohl sie diesen Umstand als problematisch erkannt haben musste.

4. Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, es komme allein auf die Auslegung des Angebots aus der Sicht des Empfängers im Zeitpunkt des Zugangs des Angebots an. Dies ist zwar im Grundsatz richtig, diese Sichtweise blendet indes die nachträglichen Erläuterungen über den Inhalt des Angebots und den daraus erkennbaren wahren Willen des Bieters ersichtlich aus. Zur Feststellung, welchen Inhalt der Erklärende seinem Angebot tatsächlich beimisst, sind deshalb auch zeitlich später entstandene, den Inhalt erläuternde Äußerungen des Bieters heranzuziehen, die einen Rückschluss auf seinen Willen im Zeitpunkt der Angebotsabgabe zulassen. Sie zählen zu den begleitenden Umständen. Solche Erläuterungen sind – selbst wenn sie nicht in unmittelbar zeitlicher Nähe zum Angebot abgegeben worden sind – bei der Auslegung des Angebots zu berücksichtigen (BGH NJW 1984, 721; OLG Düsseldorf a.a.O.).

Diese Sichtweise eröffnet nicht die Gefahr, dass ein Bieter nachträglich beliebige, den Inhalt seines Angebots verändernde Erklärungen gegenüber der Vergabestelle abgibt. Entscheidend ist, ob die nachträglich gemachten Äußerungen tatsächlich einen zuverlässigen Rückschluss auf den Inhalt des Angebots zum Zeitpunkt seiner Abgabe erlauben. Dies ist vorliegend zu bejahen, zumal die Klägerin und die Beklagte – wie bereits ausgeführt – das Angebot bis kurze Zeit nach dem Bietergespräch tatsächlich in übereinstimmender Weise verstanden haben. Im Hinblick darauf liegt auch entgegen der Auffassung des Landgerichts keine inhaltliche Änderung des Angebots im Sinne einer unstatthaften Nachverhandlung nach § 24 Nr. Abs. 1 VOL/A vor.

5. Damit ist festzustellen, dass das Angebot der Beklagten von dem Leistungsverzeichnis der Klägerin abgewichen ist und die Verdingungsunterlagen änderte. Dies hätte in vergaberechtlicher Hinsicht den zwingenden Ausschluss des Angebots nach § 25 Abs. 1 Nr. 1d), § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A zur Folge gehabt. § 25 Nr. 1a-g VOL/A enthält zwingende Ausschlussgründe, die der Vergabestelle bei Erfüllung der jeweiligen Tatbestandsmerkmale keine Entscheidungsfreiheit belassen (Müller-Wrede, VOL/A, 1. Aufl., § 25 Rz. 11). Das oberste Prinzip der Gleichbehandlung (§ 97 Abs. 2 GWB) und die im Rahmen der Wertung herbeizuführende Vergleichbarkeit der letztlich in die enge Auswahl kommenden Angebote erfordern den Ausschluss von Angeboten, die mit Änderungen oder Ergänzungen versehen sind. Wird ein solches Angebot nicht ausgeschlossen, so sind unter dem Maßstab des Gleichbehandlungsgrundsatzes regelmäßig die subjektiven Rechte der Mitbieter (§ 97 Abs. 7 GWB) berührt (Müller-Wrede, a.a.O., § 25 Rz. 26, 129).

Für die zivilrechtliche Frage, ob und mit welchem Leistungsumfang ein Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen ist, gilt Folgendes:

Die Zuschlagserteilung hat in aller Regel den Abschluss des zivilrechtlichen Vertrages zur Folge (Müller-Wrede, a.a.O., § 25 Rz. 13). Der Vertrag zwischen dem Bieter und der Vergabestelle kann nur dann zustande kommen, wenn Angebotsinhalt und Annahmeerklärung inhaltlich noch übereinstimmen. Das Angebot des Bieters, das er im Rahmen seiner Teilnahme an der Ausschreibung gemacht hat, und die Annahmeerklärung der Vergabestelle müssen sich auf denselben Angebotsinhalt beziehen. Unter Berücksichtigung der zuvor gemachten Ausführungen kann hiervon nicht ausgegangen werden. Da die Klägerin ersichtlich ein eingeschränktes Angebot der Beklagten nicht annehmen wollte, ist zunächst kein Vertrag mit dem Inhalt des geringeren Leistungsumfangs zustande gekommen. Vielmehr gilt der von der Klägerin erteilte Zuschlag als Ablehnung des Angebotes der Beklagten, die - für die Klägerin ersichtlich - an ihrem Angebot mit eingeschränktem Leistungsumfang festgehalten hat. In rechtlicher Hinsicht unterbreitet die Vergabestelle ein neues Angebot, das der Bieter annehmen oder ausschlagen kann (Müller-Wrede, a.a.O., § 25 Rz. 18; ähnlich OLG Celle, Baurecht 2009, 1308).

Vorliegend kann von einer Annahme dieses neuen Angebotes der Klägerin ersichtlich nicht ausgegangen werden. Den auf die Mitteilung des Zuschlags folgenden Schreiben der Beklagten lässt sich zweifelsfrei entnehmen, dass sie immer noch an dem Leistungsumfang ihre Angebotes festhält (Bl. 53, 55, 57, 60, 66) und sich mit dem von der Klägerin geforderten Leistungsumfang nicht einverstanden erklärt.

Da die Beklagte nicht zur Ausführung der Arbeiten verpflichtet war, fehlt es an einer zum Schadensersatz wegen Verzugs oder Nichterfüllung des Auftrages verpflichtenden Pflichtverletzung.

6. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch Bedenken bestehen, dass der Klägerin überhaupt ein Schaden entstanden ist. Denn das Angebot der Beklagten hätte zwingend ausgeschlossen werden müssen, sodass sie ohnehin auf den zweitgünstigsten Bieter hätte zurückgreifen müssen.

II. Da ein Anspruch der Klägerin dem Grunde nach bereits nicht besteht, muss die Erstberufung der Klägerin, mit der diese weitergehenden Schadensersatz beansprucht, ohne Erfolg bleiben.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO; diejenige zur Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Nach der Neufassung des § 708 Nr.10 ZPO ist bei der – hier teilweisen - Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils auszusprechen, dass dieses nunmehr ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist

Die Revision war nicht zuzulassen, da die hierfür geforderten Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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