Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 2 U 33/18

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 06. Februar 2018 (Az.: 17 O 862/17) wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 996,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10. Dezember 2015 zu zahlen.

2. Die Anschlussberufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 996,95 EUR

(Berufung: 498,48 EUR; Anschlussberufung: 498,47 EUR)

Gründe

 
A.
Die Klägerin begehrt den Ersatz von Abmahnkosten i.H.v. 996,95 EUR (nebst Zinsen), die für ihre Abmahnung vom 25. November 2015 angefallen seien. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 498,47 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. Dezember 2015 stattgegeben, sie im Übrigen abgewiesen und die Berufung zugelassen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Klägerin mit ihrer Berufung und der Beklagte mit seiner Anschlussberufung.
Nach Rücknahme des Zinsantrags für den 09. Dezember 2015 beantragt die Klägerin:
Der Berufungsbeklagte/Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 06.02.2018 (Az.: 17 0 862/17) verurteilt, an die Klägerin EUR 996,95 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.12.2015 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zu seiner Anschlussberufung beantragt er,
das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26.11.2017 zum Geschäftszeichen 17 O 862/17 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt zur Anschlussberufung des Beklagten,
diese zurückzuweisen.
10 
Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313Abs. 1 S. 1, 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EG ZPO abgesehen.
11 
B. Berufung der Klägerin:
12 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
13 
I. Zulässigkeit der Klage:
14 
Die Klage ist zulässig.
1.
15 
Der auf Zahlung gerichtete Klageantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
2.
16 
Es liegt keine unzulässige alternative Klagehäufung vor. Gegenstand der Klage ist ein einheitlicher Zahlungsanspruch, nämlich derjenige auf Erstattung der der Klägerin durch die streitgegenständliche Abmahnung entstandenen Kosten nach Abzug des im Verfügungsverfahren angerechneten Gebührenanteils. Anders als der Beklagte meint, liegt auch dann ein einheitlicher Anspruch vor, wenn in der zugrundeliegenden Abmahnung verschiedene, nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Prozess eigenständige Streitgegenstände darstellende Unterlassungsgründe oder -forderungen erhoben werden. Denn auch dann erhält der mit der Abmahnung betraute Rechtsanwalt einen einheitlichen Auftrag im Sinne des § 15 RVG; aus seiner Abmahntätigkeit erwächst daher eine einheitliche Gebührenforderung gegenüber seinem Mandanten. Davon geht ersichtlich auch der Bundesgerichtshof aus (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2015 – VIII ZR 360/14, Rn. 50, u.H. auf BGH, Urteile vom 10. Dezember 2009 - I ZR 149/07, Rn. 52 - Sondernewsletter; und vom 31. Mai 2012 - I ZR 45/11, Rn. 49, m.w.N. - Missbräuchliche Vertragsstrafe). Diese zum Wettbewerbsrecht entwickelte Rechtsprechung gilt auch für Abmahnungen wegen Unterlassungsansprüchen aus anderen Rechtsgebieten.
3.
17 
Es liegt keine unzulässige Teilklage vor. Der Beklagte verkennt auch diesbezüglich die Einheitlichkeit des eingeklagten Kostenerstattungsanspruchs. Die Klägerin macht aus diesem nicht nur einen Teil geltend, sondern ausdrücklich die gesamte ihres Erachtens nach der Gebührenanrechnung im Verfügungsverfahren verbleibende Restforderung auf Kostenerstattung.
18 
II. Begründetheit der Klage
19 
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten für ihre Abmahnung vom 25.11.2015 i.H.v. 996,95 EUR nebst Verzugszinsen ab 10. Dezember 2015 zu.
1.
20 
Die Abmahnung war berechtigt, so dass die Klägerin Ersatz der erforderlichen Kosten verlangen kann.
a)
21 
Berechtigt i. S. v. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG ist die Abmahnung, wenn sie begründet ist, ihr also ein materiell-rechtlicher Unterlassungsanspruch zu Grunde liegt, und sie außerdem wirksam sowie erforderlich ist, um dem Unterlassungsschuldner einen Weg zu weisen, den Unterlassungsgläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (BGH, Urteil vom 31. Oktober 2018 - I ZR 73/17, Rn. 24 - Jogginghosen m. w. N.). Unter diesen Voraussetzungen kann auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 12 Abs. 1 S. 2 UWG, etwa bei einer markenrechtlichen Abmahnung, nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB Ersatz der erforderlichen Aufwendungen beansprucht werden (BGH, Urteil vom 22. Januar 2009 – I ZR 139/07, Rn. 11 - pcb), da die Abmahnung dann dem objektiven Interesse und mutmaßlichen Willen des Abgemahnten entspricht.
b)
aa)
22 
Wendet sich der Gläubiger in einer Abmahnung gegen ein konkret umschriebenes Verhalten (wie etwa eine bestimmte Werbeanzeige), das er unter mehreren Gesichtspunkten als wettbewerbswidrig beanstandet, sind die für die Abmahnung anfallenden Kosten bereits dann in vollem Umfang ersatzfähig, wenn sich der Anspruch unter einem der genannten Gesichtspunkte als begründet erweist. In einer solchen Konstellation hat sich die Abmahnung unabhängig davon, welcher Gesichtspunkt den Anspruch begründet, als objektiv nützlich und zur Streiterledigung geeignet erwiesen und ist im Ganzen begründet (BGH, Urteil vom 31. Oktober 2018 - I ZR 73/17, Rn. 37 - Jogginghosen, m.w.N.).
bb)
23 
Anders kann es zu beurteilen sein, wenn der Gläubiger die einzelnen Beanstandungen zum Gegenstand gesonderter Angriffe macht. So kann es sich etwa verhalten, wenn der Kläger im Hinblick auf verschiedene Werbeaussagen in einer Werbeanzeige gesonderte Unterlassungsansprüche geltend macht. In einem solchen Fall ist die Abmahnung nur insoweit berechtigt und der Abgemahnte hat einem Mitbewerber Kosten für die Abmahnung nur insoweit zu ersetzen, wie die einzelnen Beanstandungen begründet sind. Die Höhe des Ersatzanspruchs richtet sich dann nach dem Verhältnis des Gegenstandswerts des berechtigten Teils der Abmahnung zum Gegenstandswert der gesamten Abmahnung (BGH, Urteile vom 10. Dezember 2009 - I ZR 149/07, Rn. 50 und 52 - Sondernewsletter; vom 11. März 2010 - I ZR 27/08 - Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel; vom 14. Januar 2016 – I ZR 61/14, Rn. 45 - Wir helfen im Trauerfall; s. OLG Stuttgart, Urteil vom 17. Januar 2019 - 2 U 102/18).
cc)
24 
Ob ein Gläubiger, der sich in einer Abmahnung gegen ein konkret umschriebenes Verhalten wendet, das er unter mehreren Gesichtspunkten als wettbewerbswidrig beanstandet, die einzelnen Beanstandungen zum Gegenstand gesonderter Angriffe macht, ist durch Auslegung der Abmahnung zu beantworten. Zur Auslegung der Abmahnung kann eine der Abmahnung beigefügte, vom Gläubiger vorformulierte Unterwerfungserklärung herangezogen werden. Obwohl es grundsätzlich Sache des Schuldners ist, die Unterwerfungserklärung zu formulieren (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006, GRUR 2007, 607 Rn. 24 - Telefonwerbung für „Individualverträge“), bringt die vom Gläubiger vorformulierte Unterwerfungserklärung das Ziel seiner Abmahnung zum Ausdruck und kann daher zu deren Auslegung herangezogen werden (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 31. Oktober 2018 - I ZR 73/17, Tz. 23 und 35 ff. - Jogginghosen, m.w.N.).
dd)
25 
Diese zum Lauterkeitsrecht entwickelten Erwägungen gelten in gleicher Weise für markenrechtlich unterlegte Abmahnungen und für solche, die - ganz oder teilweise - auf Beanstandungen aus beiden Rechtsgebieten fußen. Wendet sich der Gläubiger in einer Abmahnung gegen eine konkrete Zeichenverwendung und stützt er dieses Begehren auf mehrere Zeichenrechte, so sind die für die Abmahnung anfallenden Kosten bereits dann nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) in vollem Umfang ersatzfähig, wenn sich der Anspruch als nach einem der Zeichenrechte begründet erweist (BGH, Urteil vom 28. April 2016 - I ZR 254/14, Rn. 66 - Kinderstube)
26 
Dem kann der Beklagte nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur alternativen Klagehäufung entgegensetzen. Die Annahme, dass ein aus mehreren Streitgegenständen vorgehender Kläger teilweise unterliegt, wenn er im Rechtsstreit nicht hinsichtlich aller Rechte (bei kumulativer Geltendmachung) oder nur aufgrund eines nachrangig geltend gemachten Rechts (bei eventualer Klagehäufung) obsiegt, folgt aus dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, welches im Prozess die alternative Klagehäufung ausschließt (grundlegend BGHZ 189, 56, Rn. 8 - TÜV I; BGH, Urteil vom 17. 8. 2011 - I ZR 108/09, Rn. 30 - TÜV II). Diesem Gebot unterliegt die Abmahnung als außergerichtliches Streitbeilegungsmittel nicht (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 - I ZR 191/03, Rn. 24 - Telefonwerbung für „Individualverträge“). Vielmehr hat sich in einer solchen Konstellation die Abmahnung - unabhängig davon, welches Zeichenrecht oder welcher sonstige rechtliche Gesichtspunkt den Anspruch begründet - als objektiv nützlich und zur Streiterledigung geeignet erwiesen, und nicht nur mit der Folge einer Kostenaufteilung teilweise (vgl. BGH, Urteile vom 10. Dezember 2009 - I ZR 149/07, Rn. 52 - Sondernewsletter; und vom 28. April 2016 - I ZR 254/14, Rn. 66 f. - Kinderstube, m.w.N.).
c)
27 
Nach diesen Maßstäben ist die streitgegenständliche Abmahnung insgesamt begründet gewesen.
aa)
28 
Die Klägerin hat mit ihrer Abmahnung vom 25.11.2015 unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform ein einheitliches, konkret bezeichnetes Verhalten angegriffen, nämlich die Verwendung der beiden Unionsmarken der Klägerin durch den Beklagten im Rahmen der Werbung für seine Produkte und Leistungen auf seiner Internetseite www....de. Das von ihr verfolgte einheitliche Rechtsschutzziel, dieses beanstandete Verhalten zu unterbinden, hat sie mit verschiedenen materiell-rechtlichen Ansprüchen aus Markenverletzung und Wettbewerbsrecht zu begründen getrachtet, ohne aber verschiedene Rechtsschutzziele zu verfolgen. Ihre Abmahnung vom 25.11.2015 ist daher schon dann im Ganzen begründet, wenn sich der Anspruch auf Unterlassung des beanstandeten Verhaltens aus einem der geltend gemachten rechtlichen Gesichtspunkte ergibt.
bb)
29 
Entgegen der Auffassung des Landgerichts stand der Klägerin bereits aus Markenrecht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung des beanstandeten Verhaltens zu, Art. 9 Abs. 2 lit. a) VO (EG) 207/2009.
(1)
30 
Anzuwenden ist das zum Zeitpunkt der Abmahnung (25.11.2015) gültige Recht (BGH, Urteil vom 16.07.2009 - I ZR 50/07, Rn. 15 - Kamerakauf im Internet), vorliegend mithin die Bestimmungen der VO (EG) 207/2009. Soweit die VO (EG) 207/2009 keine Regelungen enthält, wie etwa hinsichtlich des Anspruchs auf Ersatz von Abmahnkosten und dessen Verjährung, ist gem. Art. 101 Abs. 2 der Verordnung das geltende nationale Recht anzuwenden, vorliegend also das deutsche Recht, da es sich um einen reinen Inlandssachverhalt ohne Bezug zu dem Recht eines anderen Staates handelt.
(2)
31 
Gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. a) VO (EG) 207/2009 hat der Inhaber der Unionsmarke das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn das Zeichen mit der Unionsmarke identisch ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist.
(a)
32 
Vorliegend hat der Beklagte in der mit dem Abmahnschreiben vom 25.11.2015 beanstandeten konkreten Verletzungsform - der Werbung für seine Leistungen auf seiner Internetseite www....de - Zeichen verwendet, die identisch sind mit den beiden Unionsmarken (Individualmarken) der Klägerin, nämlich
33 
- der Bildmarke Nr. ..., eingetragen für die Warenklassen 23, 24, 25 (Nizza-Klassifikation), und
- der Wortmarke „G...“, Nr. ..., eingetragen für die Warenklassen 23, 24, 25 und 35.
34 
Wie sich aus dem vorgelegten Screenshot der Internetseite (KPW 4) ergibt, hat er diese identischen Zeichen zur Bezeichnung von Waren derselben Warenklasse verwendet, für die die beiden Marken eingetragen sind (Klasse 24: Textilwaren, Klasse 25: Bekleidungsstücke). Es liegt daher ein Fall der „Doppelidentität“ im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. a) VO (EG) 207/2009 vor.
(b)
35 
Diese Benutzung ist im geschäftlichen Verkehr, nämlich zur Bewerbung der eigenen unternehmerischen Tätigkeit des Beklagten erfolgt.
(c)
(aa)
36 
In Fällen der Doppelidentität genießt die Marke gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. a) VO (EG) 207/2009 zwar absoluten Schutz; das Bestehen einer Verwechslungsgefahr ist nicht erforderlich. Der Inhaber der Marke kann jedoch nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die Benutzung des Zeichens in Fällen der Doppelidentität nur verbieten, wenn durch die Benutzung eine der Funktionen der Marke beeinträchtigt wird oder beeinträchtigt werden kann, nämlich entweder die Hauptfunktion der Marke, auf die Herkunft der von der Marke erfassten Ware oder Dienstleistung hinzuweisen, oder aber eine ihrer anderen Funktionen, wie die Gewährleistung der Qualität dieser Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion (EuGH, Urteile vom 18. Juni 2009 - C-487/07, Rn. 58 ff - L‘Oreal; vom 23. März 2010 - C-236/08 bis C-238/08, Rn. 75 ff - Google und Google France; vom 22. September 2011 - C-323/09, Rn. 34 ff - Interflora). Der Schutz nach Art. 9 Abs. 2 lit. a) VO (EG) 207/2009 ist nur dann ausgeschlossen, wenn durch die Benutzung keine der Funktionen der Marke beeinträchtigt wird oder beeinträchtigt werden kann.
37 
Entgegen der Auffassung des Landgerichts setzt der Unterlassungsanspruch nach Art. 9 Abs. 2 lit. a) VO (EG) 207/2009 somit nicht voraus, dass durch die beanstandete Benutzung die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt wird oder werden kann. Er besteht auch dann, wenn zwar nicht diese, jedoch eine der anderen Funktionen der Marke, wie etwa die Qualitäts-, Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion der Marke beeinträchtigt wird oder werden kann. Auch aus der vom Landgericht herangezogenen Entscheidung des EuGH vom 08.06.2017 - C-689/15 ergibt sich nicht, dass in Fällen der Doppelidentität ein Unterlassungsanspruch gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. a) VO (EG) 207/2009 nur dann besteht, wenn die beanstandete Benutzung die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann. Die dortigen Ausführungen des EuGH beziehen sich ausschließlich auf die „ernsthafte Benutzung“ der Klagemarke durch den Markeninhaber im Sinne von Art. 15 Abs. 1 VO (EG) 207/2009. Diese rechtserhaltende Benutzung durch den Markeninhaber ist nur dann gegeben, wenn die Klagemarke entsprechend ihrer Hauptfunktion - die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren - benutzt wird, um für diese Waren oder Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen (EuGH, a.a.O., Rn. 37). Aus der Entscheidung kann hingegen nicht hergeleitet werden, dass in Fällen der Doppelidentität eine rechtsverletzende Benutzung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. a) VO (EG) 207/2009 nur bei einer (möglichen) Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke gegeben wäre.
(bb)
38 
Vorliegend kann durch die Benutzung der beiden Marken durch den Beklagten jedenfalls deren Qualitätsfunktion beeinträchtigt werden.
39 
Die Klägerin verwendet die für sie eingetragenen Unionsmarken als Gütezeichen, durch das sichergestellt werden soll, dass der Verbraucher, der Waren erwerben will, die mit diesen Marken gekennzeichnet sind und/oder beworben werden, Produkte erhält, deren Herstellung und Vertrieb den strengen Anforderungen des G.-Standards an die Umweltfreundlichkeit der Produkte und die soziale Ausgewogenheit der Herstellungs- und Vertriebsbedingungen entspricht. Die Gewährleistung dieser Qualität durch ihre beiden Marken bewirkt die Klägerin dadurch, dass sie mit den Herstellern und Vertreibern der Produkte Lizenzvereinbarungen bezüglich der Marken abschließt, durch die diese zur Nutzung der Marken nur ermächtigt werden, wenn sie sich den vertraglich festgelegten Bedingungen des G.-Standards (vgl. Anlagen KPW 2 und KPW 3) unterwerfen und sich der vertraglich geregelten Kontrolle durch die Klägerin unterziehen.
40 
Diese Qualitätsfunktion der beiden Unionsmarken kann beeinträchtigt werden, wenn Unternehmen, die - wie der Beklagte - mit der Klägerin keine entsprechende Lizenzvereinbarung abgeschlossen und sich daher nicht dem G.-Standard und der Kontrolle durch die Klägerin unterworfen haben, gleichwohl die Marken der Klägerin zur Werbung für ihre eigenen unternehmerischen Leistungen verwenden. Denn der Verbraucher, der sich für Waren oder Leistungen interessiert, für die unter Einsatz der beiden Marken geworben wird, kann sich nicht mehr darauf verlassen, dass die Produkte auch tatsächlich den strengen Anforderungen des G.-Standards entsprechen und hierauf überprüft worden sind, wenn die beiden Marken auch von solchen Herstellern oder Vertriebspersonen verwendet werden, die dem Lizenzierungssystem der Klägerin nicht beigetreten sind.
41 
Diese (mögliche) Beeinträchtigung der Qualitätsfunktion der Marke wird auch durch die mit der Abmahnung beanstandete Werbung des Beklagten auf seiner Internetseite www....de bewirkt. Deren konkrete Gestaltung, die sich - unstreitig - aus dem Screenshot gemäß Anlage KPW 4 ergibt, hat zur Folge, dass Verbrauchern, denen die strengen Bedingungen des G.-Standards und die Kontrolle von dessen Einhaltung zumindest in Grundzügen bekannt sind, die Vorstellung vermittelt wird, auch der Beklagte habe sich - zumindest möglicherweise - zur Einhaltung dieses Standards verpflichtet und der diesbezüglichen Kontrolle durch die Klägerin unterworfen und sei daher als „zertifiziertes“ Unternehmen zur Benutzung der beiden Unionsmarken berechtigt. Diese Vorstellung wird den angesprochenen Verbrauchern dadurch vermittelt,
42 
- dass der Beklagte auf seiner Internetseite den G.-Standard ausführlich erörtert und in diesem Kontext auch die beiden Marken der Klägerin wiedergibt (Anlage KPW 4, Seite 3) sowie
43 
- als „Auszug aktueller Produktionen“ bedruckte T-Shirts abbildet und im zugehörigen Text die Wortmarke der Klägerin wiedergibt (Anlage KPW 4, Seite 4),
44 
- ohne in unmittelbarem Zusammenhang damit klar, deutlich und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass er selbst sich nicht durch eine vertragliche Lizenzvereinbarung den Bedingungen des G.-Standards und der diesbezüglichen Kontrolle unterworfen hat, daher nicht „G.-zertifiziert“ und somit auch nicht zur Verwendung der beiden Marken im geschäftlichen Verkehr berechtigt sei.
45 
Angesichts der - zumindest möglichen - Beeinträchtigung der Qualitätsfunktion der Marken stellt die beanstandete Werbung auf der Internetseite des Beklagten somit eine rechtsverletzende Benutzung dar, deren Unterlassung die Klägerin gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. a) VO (EG) 207/2009 verlangen konnte.
(3)
46 
Ob die Klägerin ihre beiden Unionsmarken im Sinne von Art. 15 Abs. 1 UMV „ernsthaft“, also rechtserhaltend benutzt hat, ist im vorliegenden Verfahren, in dem es ausschließlich um die Erstattung von Abmahnkosten geht, nicht zu entscheiden.
47 
Gemäß Art. 15 Abs. 1 VO (EG) 207/2009 haben (1.) die nicht ernsthafte Benutzung der Unionsmarke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von 5 Jahren, gerechnet von der Eintragung an, oder (2.) die Aussetzung einer solchen Benutzung während eines ununterbrochenen Zeitraums von 5 Jahren zur Folge, dass die Unionsmarke den in der VO (EG) 207/2009 geregelten „Sanktionen“ unterliegt, sofern nicht berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen. Die Auswirkungen der nicht ernsthaften Benutzung der Marke durch deren Inhaber sind daher abschließend in der VO (EG) 207/2009 geregelt.
48 
Als Sanktionen im Rahmen eines Zivilprozesses sieht die VO (EG) 207/2009 nur die Erhebung der Widerklage auf Erklärung des Verfalls gemäß Art. 99 Abs. 1, 100 sowie die Erhebung des Einwands des Verfalls gemäß Art. 99 Abs. 3 vor. Der Einwand nach Art. 99 Abs. 3 kann aber nur gegen Klagen im Sinne von Art. 96 lit. a) (= Verletzungsklagen) und lit. c) der Verordnung erhoben werden, mithin nicht in einem Verfahren, in dem es - wie hier - lediglich um den Ersatz von Abmahnkosten geht. Auch die Erhebung der Widerklage ist nur möglich, wenn zuvor eine Klage wegen Verletzung einer Unionsmarke erhoben worden ist (Grüger in BeckOK Markenrecht, Stand: 01.10.2018, Art. 128 UMV Rn. 3). Abgesehen davon hat der Beklagte auch tatsächlich weder den Verfallseinwand noch eine auf Erklärung des Verfalls gerichtete Widerklage erhoben.
49 
Da beide Sanktionen im Sinne von Art. 15 Abs. 1 VO (EG) 207/2009 vorliegend nicht eingreifen, hat der Senat als Unionsmarkengericht gemäß Art. 99 Abs. 1 VO (EG) 207/2009 von der Rechtsgültigkeit der beiden Unionsmarken auszugehen.
(4)
50 
Es liegt auch kein Fall der Erschöpfung gemäß Art. 13 VO (EG) 207/2009 vor.
51 
Unstreitig sind die vom Beklagten angekauften und weiterverarbeiteten Produkte von Lizenznehmern der Klägerin legal im Sinne des Art. 13 Abs. 1 VO (EG) 207/2009 auf den Markt gebracht worden. Der Erschöpfungseinwand ist jedoch ausgeschlossen, wenn sich der Inhaber der Marke der Benutzung derselben im Zusammenhang mit dem weiteren Vertrieb der Waren aus berechtigten Gründen widersetzt; als Regelbeispiele („insbesondere“) nennt die Verordnung hierfür, dass der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert worden ist (Art. 13 Abs. 2 VO (EG) 207/2009).
52 
So liegt der Fall hier. Nach seinem eigenen Vortrag bearbeitet der Beklagte die von ihm angekauften Textilien. Darin liegt die Gefahr begründet, dass diese hinterher nicht mehr den ökologischen Vorgaben der Klägerin entsprechen. Sie läuft damit Gefahr, dass das Ansehen ihres Qualitätskennzeichens durch die Weiterverarbeitung geschwächt oder anderweitig beschädigt wird. Dies begründet ein berechtigtes Interesse der Klägerin i.S.v. Art. 13 Abs. 2 VO (EG) 207/2009.
cc)
53 
Schon aufgrund des somit bestehenden markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs konnte die Klägerin die Unterlassung des mit der Abmahnung vom 25.11.2015 beanstandeten Verhaltens verlangen, so dass die Abmahnung schon deshalb in vollem Umfang begründet war. Auf das Bestehen der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche gemäß § 8 Abs. 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 3 und Nr. 2 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG sowie i.V.m. §§ 3, 5 Abs. 1 UWG kommt es daher nicht mehr an. Abgesehen davon hat das Landgericht diese Ansprüche zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat Bezug nimmt, bejaht.
d)
54 
Die somit in vollem Umfang begründete Abmahnung war auch wirksam und erforderlich, um dem Beklagten einen Weg zu weisen, wie er die Klägerin klaglos stellen könne.
55 
Insbesondere war in dem Abmahnschreiben das beanstandete Verhalten hinreichend deutlich bezeichnet, so dass der Beklagte erkennen konnte, was ihm vorgeworfen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – I ZR 36/11, Rn. 44 – Monsterbacke II). Aus dem Abmahnschreiben ergab sich hinreichend klar, dass die Klägerin die Werbung des Beklagten auf seiner Internetseite www….de - deren konkreter Inhalt ihm bekannt war - deshalb beanstandete, weil der Beklagte in deren Rahmen die beiden genau bezeichneten Unionsmarken der Klägerin ohne deren Zustimmung verwendet habe, wodurch er aus Sicht der Klägerin nicht nur eine Markenverletzung, sondern auch einen Wettbewerbsverstoß in Form einer irreführenden geschäftlichen Handlung begangen habe; dies deshalb, weil er den irreführenden Eindruck erweckt habe, er sei von der Klägerin zertifiziert. Damit war die konkrete Beanstandung so deutlich bezeichnet, dass der Beklagte erkennen konnte, was die Klägerin ihm tatsächlich und rechtlich vorwarf.
56 
Dass in der beigefügten, von der Klägerin vorformulierten Unterwerfungserklärung das zu unterlassende Verhalten zu weit gefasst war, da sich die dort formulierte Unterlassungspflicht auch auf Verhaltensweisen erstreckte, hinsichtlich derer durch die konkret beanstandete Werbung keine Wiederholungsgefahr begründet worden war, ist unschädlich. Da es Sache des Schuldners ist, aufgrund der Abmahnung die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche Erklärung abzugeben, ist es unschädlich, wenn der Gläubiger mit der von ihm vorgeschlagenen Erklärung mehr fordert, als ihm zusteht. Bei einem zu weit gefassten Unterlassungsversprechen bleibt es dem Schuldner überlassen, eine ausreichende Unterwerfungserklärung abzugeben, in der dann eine Ablehnung des zu weitgehenden Angebots des Gläubigers verbunden mit einem neuen Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsverpflichtungsvertrags liegt, § 150 Abs. 2 BGB (Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 2019, § 12 UWG Rn. 1.19).
e)
57 
Der Beklagte ist daher verpflichtet, der Klägerin die erforderlichen Anwaltskosten für die Abmahnung vom 25.11.2015 zu erstatten.
2.
58 
Dieser Erstattungsanspruch ist nicht verjährt.
a)
59 
Soweit der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten auf die Abmahnung des markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs gestützt ist (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB), richtet sich die Verjährung nach § 20 Abs. 1 MarkenG i.V.m. §§ 195, 199 BGB. Es ist keine Verjährung eingetreten, da vor Ablauf der 3-jährigen Regelverjährungsfrist, die nicht vor der Versendung des Abmahnschreibens vom 25.11.2015 zu laufen begonnen hat, die Verjährung durch die Erhebung der Klage gehemmt worden ist, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
b)
60 
Soweit der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten auf Wettbewerbsrecht gestützt ist, § 12 Abs. 1 S. 2 UWG, ist aus den vom Landgericht zutreffend dargestellten Gründen keine Verjährung eingetreten.
3.
61 
Der Höhe nach belaufen sich die erforderlichen Abmahnkosten, ausgehend von einem Gegenstandswert von 100.000 EUR - der schon aufgrund des bestehenden markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs in jedem Fall angemessenen ist - auf eine 1,3-Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale, insgesamt somit auf einen Gesamtbetrag von 1.973,90 EUR, so dass die Klägerin bei Berücksichtigung der von ihr vorgenommenen hälftigen Anrechnung der Geschäftsgebühr Zahlung von 996,95 EUR verlangen kann. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 286 BGB, beginnend, wie vom Landgericht zugesprochen, ab 10.12.2015.
4.
62 
Ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) steht dem Beklagten nicht zu.
63 
Der umsatzsteuerrechtliche Einwand, den der Beklagte erhoben hat, geht ins Leere, weil die Klägerin unstreitig nur Nettokosten verlangt. Der Beklagte kann, da er keine Umsatzsteuer an die Klägerin bezahlen muss, aus der Kostenerstattung auch keine zum Vorsteuerabzug anmelden. Von daher benötigt er keine für die Umsatzsteuervoranmeldung taugliche Rechnung.
64 
Aus diesen Gründen ist das angefochtene Urteil auf die Berufung der Klägerin wie aus dem Tenor ersichtlich abzuändern.
65 
C. Anschlussberufung des Beklagten:
66 
Die Anschlussberufung des Beklagten ist zulässig, jedoch aus den dargestellten Gründen als unbegründet zurückzuweisen, da die Klage in vollem Umfang begründet ist.
D.
67 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 48, 63 GKG, 3 ZPO.
68 
Ein Grund, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), besteht nicht.

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