Urteil vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (11. Senat) - 11 LC 288/16

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 10. Kammer - vom 25. November 2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen ein von der Beklagten ihm gegenüber für die Fußballsaison 2016/2017 verfügtes polizeiliches Aufenthaltsverbot für drei Bereiche im Gebiet der Landeshauptstadt Hannover.

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Der Kläger ist Anhänger des Fußballvereins Hannover 96 und aktives Mitglied der sog. Ultra-Bewegung „Komplott Hannovera“.

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Nach vorheriger Anhörung erließ die Beklagte mit Bescheid vom 23. Mai 2016 das streitgegenständliche Aufenthaltsverbot. Danach untersagte sie dem Kläger, sich während der in der Fußballsaison 2016/2017 stattfindenden Heimspiele der Vereine Hannover 96 und Hannover 96 II jeweils für den Zeitraum von sechs Stunden vor Spielbeginn sowie sechs Stunden nach Spielende in insgesamt drei Bereichen - zwischen Bahnhof und HDI-Arena sowie um das Beeke- und das Eilenriedestadion - aufzuhalten (Ziffer 1). Die einzelnen Bereiche wurden in der Anlage zum Bescheid durch die Auflistung der betroffenen Straßen sowie durch beigefügte Karten im Einzelnen kenntlich gemacht. Zudem ordnete sie die sofortige Vollziehung an (Ziffer 2) und drohte für den Fall von Zuwiderhandlungen ein nach drei Stufen gestaffeltes Zwangsgeld an (Ziffer 3). Zur Begründung führte sie aus, dass sich der Kläger nach ihren Erkenntnissen im Umfeld der sog. Problemfans des Vereins Hannover 96 aufhalte und dort aktiv sei. Durch die szenekundigen Beamten sei seine Anwesenheit sowohl an Heimspieltagen als auch bei Auswärtsfahrten in der Problemfanszene festgestellt worden. Seine Handlungen richteten sich nicht nur gegen Gleichgesinnte, sondern auch gegen zufällig anwesende Fans gegnerischer Mannschaften. Er nutze die Anonymität der Gruppe für sein Handeln und nehme auf die körperliche Unversehrtheit anderer Menschen keine Rücksicht. Im Einzelnen lägen folgende Erkenntnisse im Zusammenhang mit Fußballspielen gegen ihn vor: Am 4. April 2015 sei er als Teil einer Störergruppe am Hauptbahnhof in Frankfurt angetroffen worden. Dort sei seine Identität im Zusammenhang mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Anhängern von Hannover 96 und Eintracht Frankfurt festgestellt worden. Am 12. September 2015 sei es zu einer Identitätsfeststellung zur Verhinderung körperlicher Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Fußballstörergruppen in Hannover gekommen. Im Hauptbahnhof Hannover hätten sich BVB-Fans befunden und eine Gruppe von ca. 100 teilweise vermummten Personen mit Bezug zum Verein Hannover 96 habe versucht, zu diesen zu gelangen. Beide Gruppen hätten sich feindschaftlich gegenübergestanden. Am 21. November 2015 sei der Kläger Teil einer Störergruppe im Bahnhof Lürrip gewesen. Nach einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen rivalisierenden Anhängern der Vereine Hannover 96 und Borussia Mönchengladbach sei er erneut einer Identitätsfeststellung unterzogen worden. Aufgrund seines bisherigen Verhaltens und den Feststellungen der szenekundigen Beamten sei zu erwarten, dass der Kläger ohne das Aufenthaltsverbot an den Heimspieltagen Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit gegnerischen Fans suchen und anlassbezogene Straftaten begehen werde.

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Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 1. Juni 2016 Klage erhoben und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. Juli 2016 (- 10 B 3186/16 -, juris) abgelehnt.

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Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, dass er keinen Anlass für die Annahme gegeben habe, er werde während der Verbotszeiten innerhalb der Verbotszonen die prognostizierten Straftaten begehen. Er sei ein überaus engagierter Fußballfan, der sein Handlungsfeld jedoch auf rechtlicher Ebene und im Aktivismus für Fanrechte sehe. Er sei auch weder mit einem Stadionverbot belegt worden, noch sei gegen ihn jemals ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Fußballspielen anhängig gewesen. Die von der Beklagten angeführten Identitätsfeststellungen seien „Massenidentitätsfeststellungen“ gewesen, denen eine Vielzahl auch unbeteiligter Personen unterworfen gewesen sei. In keiner Situation sei er selbst als Störer festgestellt worden; der Kreis der Störer sei nie so klar abgegrenzt gewesen, dass er nicht zwischen dem Anlass der Maßnahmen und der Identitätsfeststellung hätte hinzukommen können. Er wisse nicht, wie er sich als einfacher Fußballfan noch verhalten solle, um von der Polizei nicht wie ein tatsächlicher Störer behandelt und Adressat polizeilicher Maßnahmen zu werden. Die Identitätsfeststellung in Frankfurt am 4. April 2015 habe eine Vielzahl von Personen betroffen und sei erst eine Stunde nach den körperlichen Auseinandersetzungen erfolgt, die die Beklagte als Anlass für die Identitätsfeststellung bezeichne. Er sei an den vorangegangenen Auseinandersetzungen nicht beteiligt gewesen, sondern habe sich, als er mitbekommen habe, dass „es gleich losgehen solle“ ausschließlich am Bahnhofsausgang aufgehalten. Der Zusammenhang zwischen der Auseinandersetzung und der Identitätsfeststellung sei konstruiert; tatsächlich sei die Identitätsfeststellung anlasslos erfolgt. Die Identitätsfeststellung nach dem Heimspiel gegen Borussia Dortmund am 12. September 2015 sei in einem „Penny-Supermarkt“ an der F. straße in Hannover durchgeführt worden, in dem er gerade an der Kasse gestanden habe. In einer Gruppe von ca. 100 teilweise vermummten Personen habe er sich nicht befunden. Daneben sei auch die von der Beklagten angeführte Gruppe von dortmunder Fans nicht am Hauptbahnhof gewesen. Die Problemfans seien ausweislich des Verlaufsberichts vielmehr zum Bahnhof Fischerhof geleitet worden und von dort abgereist. Es hätten sich daher zu keinem Zeitpunkt rivalisierende Fußballgruppen gegenübergestanden. Bei der Identitätsfeststellung am 21. November 2015 am Bahnhof in Lürrip sei eine Gruppe von 238 hannoveraner Fans aufgegriffen worden. Eine unbekannte Person habe die Notbremse gezogen. Nach dem Halt des Zuges hätten zum Teil mit Sturmhauben vermummte Randalierer versucht, verschiedene Fanmaterialien der sich im Zug befindlichen 96-er Anhänger zu entwenden. Die Sachbeschädigung an den Fenstern und Türen des Zuges seien durch die Angreifer von außen vorgenommen worden. Zudem sei ihm durch das Polizeipräsidium Mönchengladbach mitgeteilt worden, dass er im Zusammenhang mit diesen Vorfällen ausschließlich als Zeuge geführt werde. Da die Personalien sämtlicher 238 Fans, die sich im Zug befunden hätten, aufgenommen worden seien, habe diese Identitätsfeststellung keinerlei Aussagekraft bezüglich seiner vermeintlichen Gefährlichkeit. Die streitgegenständliche Verfügung sei zudem nicht hinreichend bestimmt und unverhältnismäßig.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2016 aufzuheben.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat den angefochtenen Bescheid verteidigt und ergänzend vorgetragen, dass zwischenzeitlich weitere Erkenntnisse vorlägen, die zur Begründung des Aufenthaltsverbots mit herangezogen werden könnten und die die getroffene Gefahrenprognose weiter stützten und bestätigten. So habe der Kläger im November 2013 als Teil einer mehrköpfigen Gruppe hannoveraner „Problemfans“ vor dem damaligen Bundesligaspiel im Bereich der HDI Arena Personen kontrolliert und sich deren Ausweise zeigen lassen. Soweit die Kontrollierten dies ablehnten, sei es auch zu Körperverletzungsdelikten gekommen und es sei Strafanzeige erstellt worden. Zudem habe der Kläger am 2. April 2016 während eines Bundesligaspiels von Hannover 96 in der HDI Arena in Hannover einen Doppelhalter mit dem Schriftzug „ACAB“ hochgehalten, diesbezüglich sei gegen ihn eine Strafanzeige gefertigt worden. Der Kläger habe zudem vorgehabt, an einer für den späten Abend des 4. März 2016 geplanten körperlichen Auseinandersetzung mit bremer „Problemfans“ teilzunehmen, letztlich habe das Zusammentreffen aber durch den Einsatz der Polizei verhindert werden können. Diese (weiteren) Vorfälle belegten, dass der Kläger anlässlich der im Bescheid dargelegten Identitätsfeststellungen nicht nur zufällig angetroffen worden sei, sondern dass er gezielt an entsprechenden Zusammenkünften teilnehme. Der Kläger sei nach den vorliegenden Erkenntnissen die unumstrittene „Führungsfigur“ der Ultrabewegung „Komplott Hannovera“, welche sich aus einer zweistelligen Anzahl von Personen zusammensetze, die seitens der szenekundigen Beamten alle als gewaltbereite/-suchende Fans angesehen würden. Der Kläger gelte innerhalb der gesamten Ultraszene als einer der wenigen führenden Köpfe. Zwischenzeitlich werde er auch in dem polizeilichen Informationssystem „Gewalttäter Sport“ geführt. Entgegen der Ansicht des Klägers komme es nicht entscheidend darauf an, ob ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Auch wenn ein Ermittlungsverfahren - unabhängig von den jeweiligen Gründen - eingestellt oder aber gar nicht erst eröffnet werde, könnten dennoch tatsächliche Lebenssachverhalte vorliegen, die geeignet seien, eine Gefahrenprognose zu begründen.

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Mit Urteil vom 25. November 2016 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte zu Recht angenommen habe, dass der Kläger im Geltungsbereich des Aufenthaltsverbots künftig Straftaten begehen werde. Die polizeiliche Gefahrenprognose könne sich auch auf Vorfälle stützen, die nicht in Strafverfahren oder Verurteilungen mündeten, insbesondere müsse dem Einzelnen nicht die Begehung konkreter Taten nachgewiesen werden. Hinreichende Anhaltspunkte i.S.d. § 17 Abs. 4 Nds. SOG könnten sich bereits daraus ergeben, dass ein tatsächliches Verhalten des Betroffenen in einen Kontext einzuordnen sei, der seinerseits eine hohe Wahrscheinlichkeit für die drohende Begehung von Straftaten aufweise. Das sei bei dem hier betroffenen Phänomen fußballbezogener Gewalt der Fall. Werde der Betroffene aber selbst keiner Straftaten verdächtigt, bedürfe die Prognose i.S.d. § 17 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG einer eingehenden Prüfung und Einordnung der zur Verfügung stehenden Erkenntnisse. Dabei sei im Rahmen eines Drei-Stufen-Modells wie folgt vorzugehen: Auf der ersten Stufe bedürfe es einer Handlung, mit der der Betroffene in einem auf Straftaten gerichteten Kontext mit hinreichender Sicherheit selbst aktiv in Erscheinung getreten sei. Eine solche Handlung könne, wenn ihr ein erheblicher strafrechtsrelevanter Unwert beizumessen sei und sie nicht zu lange in der Vergangenheit liege, die Prognose künftiger Straftaten auch allein tragen. Sei dies nicht der Fall, sei auf einer zweiten Stufe die Betrachtung des Einzelvorfalls durch Heranziehung weiterer Erkenntnisse zu einer zukunftsgerichteten Prognose aufzuweiten. Dafür genüge es, wenn der Betroffene in wenigstens zwei weiteren Fällen, in einem auf die Begehung von Straftaten gerichteten, fußballbezogenen Kontext in Erscheinung getreten sei, ohne dass es auf dieser Stufe einer vollständigen Aufklärung seiner Beteiligung an Verstößen gegen die öffentliche Sicherheit bedürfe. Es genügten insofern Kenntnisse, dass der Betroffene sich häufiger im Bereich fußballbezogener Gewalt bewege und im Umfeld anderer Störer in Erscheinung getreten sei. Auf einer dritten Stufe könne der Betroffene die Prognose durch konkrete Anhaltspunkte widerlegen, etwa durch eine glaubhafte kritische Auseinandersetzung mit fußballbezogener Gewalt, die zu einer Distanzierung von den vorgeworfenen Handlungen führe, oder andere Umstände. Nach diesen Maßstäben sei die Prognose der Beklagten, der Kläger werde im Geltungsbereich des Aufenthaltsverbots (fußballbezogene) Straftaten begehen, nicht zu beanstanden. Der Kläger sei am 3. November 2013 selbst als Störer in Anspruch genommen worden, indem ihm gegenüber ein Platzverweis erteilt worden sei. Auch die bei ihm gefundene Sturmhaube sei nicht den üblichen Bekleidungs- und Ausstattungsgegenständen „normaler“ Fußballfans zuzuordnen. Dass es sich bei diesem länger zurückliegenden Vorfall nicht um einen Einzelfall handele, zeigten die Vorfälle in Frankfurt/Main am 4. Mai [gemeint: April] 2015, am Andreas-Hermes-Platz am 12. September 2015 und in Mönchengladbach-Lürrip am 21. November 2015, bei denen der Kläger jeweils im Nahbereich unfriedlicher Vorfälle und/oder in Gesellschaft von Störern mit dem Bezug zu Fußballereignissen angetroffen worden sei. Bei den Vorfällen in Frankfurt/Main und Lürrip sei es vor dem Einschreiten der Polizei zu erheblichen körperlichen Auseinandersetzungen und Sachbeschädigungen gekommen. Bei der Identitätsfeststellung am 12. September 2015 hätten die Einsatzkräfte ein Zusammentreffen rivalisierender Gruppierungen verhindern können, der Kläger sei aber im unmittelbaren Umfeld der Störergruppe angetroffen und bei der Absetzbewegung beobachtet worden. Das Aufenthaltsverbot sei auch verhältnismäßig und ermessensfehlerfrei.

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Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 21. Dezember 2016 die von dem Verwaltungsgericht wegen der von ihm als von grundsätzlicher Bedeutung angesehenen Frage, ob die Prognose künftiger Straftaten i.S.d. § 17 Abs. 4 Nds. SOG schon dann getroffen werden kann, wenn der Betroffene Adressat präventivpolizeilicher Maßnahmen war, aber bisher nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, zugelassene Berufung eingelegt.

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Zur Begründung der Berufung trägt er vor, dass das streitgegenständliche Aufenthaltsverbot einen Eingriff in sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG darstelle, der nicht gerechtfertigt sei, weil die Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 Nds. SOG nicht vorlägen. Das von dem Verwaltungsgericht geschaffene „Drei-Stufen-Modell“ könne keinen Bestand haben. Insbesondere der Wegfall einer ernsthaften Prüfung der Sachverhalte und Beweismittel, die das Verwaltungsgericht auf der zweiten Stufe vorgenommen habe, sei unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht hinnehmbar. Zudem seien die Anforderungen an die Darlegung der dritten Stufe bzw. die Erwartungen zur Distanzierung vollkommen überhöht. Der Vorfall vom 3. November 2013 dürfe aufgrund des eingetretenen Zeitablaufs nicht mehr für eine Gefahrenprognose herangezogen werden. Schließlich sei ein Ermessensausfall festzustellen.

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Nach Ablauf der Fußballsaison 2016/2017 hat der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 14. März 2018 auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt und ergänzend vorgetragen, dass sich sein Feststellungsinteresse aus der bestehenden Wiederholungsgefahr sowie aus seinem Rehabilitationsinteresse ergebe.

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Der Kläger beantragt nunmehr,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 10. Kammer - vom 25. November 2016 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2016 rechtswidrig war.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Die Klage sei zwar aufgrund der bestehenden Wiederholungsgefahr auch nach Eintritt der Erledigung als Fortsetzungsfeststellungsklage weiterhin zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht habe nachvollziehbar und zutreffend auf das Phänomen fußballbezogener Gewalt abgestellt, welches sich dadurch auszeichne, dass die gewaltbereite Szene aus der Anonymität einer homogenen Gruppe heraus agiere, Straftaten wie Roheitsdelikte, Sachbeschädigung und Landfriedensbruch häufig blitzartig begangen würden und sich die Gruppen nach kurzen Zusammenstößen sofort zerstreuten und entfernten, so dass die Verfolgung der Straftaten häufig unmöglich sei. Auch habe das Verwaltungsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass zahlreiche beabsichtigte Straftaten nur deshalb nicht verwirklicht würden, weil die Polizei mit großem personellen Aufwand versuche, Straftaten gegen die öffentliche Ordnung und Rohheitsdelikte im Vorfeld zu verhindern und hierzu rivalisierende Fangruppierungen voneinander zu trennen. Aufgrund dieser Umstände bedürfe es entgegen der Auffassung des Klägers bei der Prognose künftiger Straftaten nicht zwingend Ermittlungen oder Verurteilungen wegen einschlägiger Straftaten. Das Verwaltungsgericht habe auch zu Recht den Vorfall vom 3. November 2013 mit in die Gefahrenprognose einbezogen. Dieser Vorfall deute darauf hin, dass sich der Kläger schon seit mehreren Jahren in der Problemfanszene bewege, wodurch Rückschlüsse auf sein zukünftiges Verhalten gewonnen werden könnten. Das Verwaltungsgericht habe dem eingetretenen Zeitablauf insofern Rechnung getragen, als dass es weitere Erkenntnisse jüngeren Datums zusätzlich herangezogen habe, welche die Gefahrenprognose stützten. Entgegen der Ansicht des Klägers stehe das Aufenthaltsverbot auch im Einklang mit dem Grundgesetz, da Art. 2 Abs. 1 GG die Handlungsfreiheit nicht schrankenlos gewährleiste und § 17 Abs. 4 Nds. SOG die Grundlage für einen verfassungsgerechten Eingriff darstelle.

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Mit Schriftsätzen vom 13. April 2017 und 17. Mai 2017 hat die Beklagte unter Darlegung entsprechender Einzelheiten ergänzend vorgetragen, dass der Kläger am 1. April 2017 erneut im Kontext mit einer Drittortbegegnung polizeilich in Erscheinung getreten und in Gewahrsam genommen worden sei. Eine Gruppe von 30 bis 40 Personen der „Störerszene“ habe sich anlässlich eines Spiels von Hannover 96 gegen Union Berlin im Biergarten „H.“ aufgehalten. Ein gewaltsames Zusammentreffen mit den Fans von Union Berlin habe nur durch das Auftreten von Aufklärungskräften verhindert werden können. Bei der Gruppe der Hannoveraner seien Vermummungsgegenstände, Zahnschützer und Schlagschutzhandschuhe gefunden worden. Alle Personen seien in Gewahrsam genommen worden. Der Kläger sei Teil dieser „Störergruppe“ gewesen. Nach Beendigung der Ingewahrsamnahme und der Entlassung des Klägers aus seiner Zelle seien an den Zellenwänden Farbschmierereien mit den Schriftzügen „Komplott 98“ und „KH 98“ festgestellt worden, woraufhin gegen den Kläger ein Strafverfahren wegen Sachbeschädigung eingeleitet worden sei. Diese Vorfälle machten deutlich, dass die Einschätzung, dass es sich bei dem Kläger um einen gewaltbereiten/-suchenden Fußballfan handele, begründet sei und demzufolge auch die Prognose, dass er bei ungehindertem Zugang im Geltungsbereich der Verbotszone Straftaten begehen werde. Eine Distanzierung zu fußballbezogener Gewalt lasse sich jedenfalls nicht erkennen.

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Diesem Vortrag hat der Kläger mit Schriftsatz vom 25. April 2017 unter Darlegung weiterer Einzelheiten entgegengehalten, dass der Vorfall vom 1. April 2017 nicht geeignet sei, seine vermeintliche „Gefährlichkeit“ zu unterstützen, sondern den hemmungslosen Umgang der Beklagten mit freiheitsentziehenden Grundrechtseingriffen zeige. Entgegen der Annahme der Beklagten habe es sich nicht um eine Verabredung zu einer körperlichen Auseinandersetzung mit rivalisierenden Fans gehandelt. Auch seien bei ihm keine Vermummungsgegenstände oder sonstige Bewaffnung gefunden worden.

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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger insgesamt fünf Beweisanträge gestellt, die der Senat jeweils aus den mit Beschluss vom 26. April 2018 ausgeführten Gründen abgelehnt hat.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig (I.) aber unbegründet (II.).

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I. Der Zulässigkeit der Klage des Klägers steht nicht entgegen, dass das streitgegenständliche Aufenthaltsverbot für die Fußballsaison 2016/2017 ausgesprochen wurde und sich somit mit Ablauf dieser Saison am 20. Mai 2017 erledigt hat. Denn der Kläger hat darauf in einer prozessual zulässigen Weise reagiert, indem er seinen Antrag auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO umgestellt hat. Eine solche Umstellung ist auch im Berufungsverfahren möglich (vgl. Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juni 2017, § 113, Rn. 108). Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt und wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

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1. Das danach für die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts ist vorliegend zunächst unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben. Eine Wiederholungsgefahr liegt vor, wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1986 - 1 C 10/86 -, juris, Rn. 11; dasselbe, Urt. v. 3.6.1988 - 8 C 18/87 -, juris, Rn. 7). Vorliegend hat die Beklagte im Rahmen des Berufungsverfahrens einen weiteren Vorfall vom 1. April 2017 („H.“) vorgetragen, der sich nach Erlass des hier streitgegenständlichen Aufenthaltsverbots ereignet hat und bei dem der Kläger erneut im Zusammenhang mit einem Fußballspiel polizeilich in Erscheinung getreten ist. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Tatsache, dass sich der Kläger weiterhin selbst als äußerst aktiver und „engagierter“ Fußballfan bezeichnet und er weiterhin Mitglied in der Ultra-Bewegung „Komplott Hannovera“ ist, besteht die hinreichend bestimmte Gefahr, dass ihm gegenüber in der Zukunft erneut ein mit dem streitgegenständlichen Verwaltungsakt vergleichbares Aufenthaltsverbot verhängt wird.

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2. Darüber hinaus ist auch ein Rehabilitationsinteresse des Klägers zu bejahen. Ein Rehabilitationsinteresse begründet ein Feststellungsinteresse dann, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls als schutzwürdig anzuerkennen ist. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Kläger durch die streitige Maßnahme in seinem Persönlichkeitsrecht objektiv beeinträchtigt ist. Eine solche Beeinträchtigung kann sich auch aus der Begründung der streitigen Verwaltungsentscheidung ergeben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.10.2006 - 6 B 64/06 -, juris, Rn. 10, m.w.N.). Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht allerdings nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Die Stigmatisierung muss also Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (BVerwG, Urt. v. 16.5.2013 - 8 C 14.12 -, juris, Rn. 25; Senatsbeschl. v. 7.5.2015 - 11 LA 188/14 -, NdsVBl. 2015, 286, juris, Rn. 6). Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ist hier auszugehen.

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Das Aufenthaltsverbot ist ausweislich der in dem Bescheid aufgeführten Begründung erlassen worden, weil die Beklagte aufgrund der ihr vorliegenden Erkenntnisse davon ausging, dass der Kläger in den Verbotszonen fußballbezogene Gewalt- und Aggressionsdelikte begehen könnte. Der darin enthaltene, auf den Kläger bezogene Vorwurf eines schuldhaft-kriminellen Verhaltens stellt ein ethisches Unwerturteil dar, das geeignet ist, das soziale Ansehen des Klägers herabzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 7.5.2015 - 11 LA 188/14 -, a.a.O., juris, Rn. 7). Diese Stigmatisierung hat auch Außenwirkung erlangt und dauert noch bis in die Gegenwart an, da das gegenüber dem Kläger und weiteren Fußballfans erlassene Aufenthaltsverbot in der einschlägigen Fanszene bekannt war und darüber auch in den regionalen Medien berichtet wurde. So wurde beispielsweise in einem im Internet verfügbaren Artikel des Göttinger Tageblatts vom 2. August 2016 ausgeführt, dass hannoversche Fangruppen aufgrund eines Aufenthaltsverbots, „das die Polizei gegen ein Mitglied des Fanbeirats, [Name des Klägers], verhängt“ habe, auf Konfrontationskurs mit der Polizei gegangen seien. In dem Artikel heißt es weiter, dass die Fanhilfe Hannover, der Fanbeirat Hannover 96 und die IG Rote Kurve 96-Fans in einem offenen Brief empfohlen hätten, der Polizei aufgrund des gegenüber dem Kläger verhängten Aufenthaltsverbots nicht mehr als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Zudem wird in dem Artikel der Polizeisprecher J. zitiert, wonach der Kläger „als Führungsfigur der Ultragruppierung 'Komplott Hannovera' einzustufen“ sei und „mehrfach im Zusammenhang mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Fangruppen angetroffen“ worden sei (abrufbar unter http://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Hannover/96-Fans-wollen-nicht-mit-Polizei-reden-wegen-Aufenthaltsverbot, Stand: 17.4.2018). In einem weiteren Artikel in der Neuen Presse vom 25. Juli 2016 wurde berichtet, dass die Polizei „zahlreiche Krawallmacher aus der aktiven Fanszene von Hannover 96 ausgebremst“ habe. „Mindestens 39 Problemfans dürfen sich wegen eines Aufenthaltsverbots in der kommenden Zweitligasaison bei Heimspielen sechs Stunden vor Anpfiff und sechs Stunden nach Ende der Partie nicht im Bereich der HDI-Arena aufhalten - und damit faktisch nicht ins Stadion“ (abrufbar unter http://www.neuepresse.de/Hannover/Meine-Stadt/Rote-Karte-fuer-Ultra-von-Komplott-Hannovera, Stand: 17.4.2018). Darüber hinaus hat der Kläger unbestritten und nachvollziehbar vorgetragen, dass er sich während der Gültigkeitsdauer des streitgegenständlichen Bescheids mehrmals mit anderen “Aufenthaltsverbotlern“ in Kneipen bzw. Biergärten getroffen habe, um die von dem Verbot betroffenen Spiele gemeinsam im Fernsehen anzuschauen. Hinzu kommt schließlich, dass derartige Aufenthaltsverbote in einer polizeiinternen elektronischen Kriminalakte gespeichert werden und darin auch nach Ablauf ihrer Geltungsdauer noch abgerufen werden können (vgl. Senatsbeschl. v. 7.5.2015 - 11 LA 188/14 - a.a.O., juris, Rn. 7). Damit hat der Kläger auch ein berechtigtes Rehabilitationsinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Aufenthaltsverbots (ebenfalls ein Rehabilitationsinteresse bei erledigten Aufenthaltsverboten bejahend: VG Stuttgart, Urt. v. 14.9.2009 - 5 K 2929/08 -, juris, Rn. 17; VG Düsseldorf, Urt. v. 5.7.2016 - 18 K 3843/15 -, juris, Rn. 9, vgl. auch BGH, Urt. v. 30.10.2009 - V ZR 253/08 -, NJW 2010, 534, juris, Rn. 8 ff.: Rehabilitationsinteresse bei einem erledigten Stadionverbot).

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II. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2016 war rechtmäßig und konnte den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Rechtsgrundlage des Bescheids ist § 17 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG (1.). Ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Aufenthaltsverbotes vorliegen, beurteilt sich nach der sog. ex-ante-Sicht (a). Zur Erfüllung des Tatbestandes des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG müssen Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass eine Person in einem bestimmten örtlichen Bereich eine Straftat begehen wird (b). Vorliegend ergibt eine Gesamtbewertung der berücksichtigungsfähigen Vorfälle, dass die von der Beklagten vorgenommene Prognose nicht zu beanstanden ist (c). Dabei sind vorliegend jedenfalls sechs Vorfälle, die sich im Zeitraum von November 2013 bis Februar 2016 ereignet haben, berücksichtigungsfähig (aa). Eine Bewertung dieser Vorfälle ergibt auch unter Beachtung der vom Kläger jeweils vorgetragenen Einwendungen, dass in der Fußballsaison 2016/2017 die Begehung von fußballbezogenen Straftaten durch den Kläger drohte (bb). Das streitgegenständliche Aufenthaltsverbot war auch verhältnismäßig (2.) und ermessensfehlerfrei (3.).

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1. Rechtsgrundlage des Bescheids ist § 17 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift kann einer Person für eine bestimmte Zeit verboten werden, einen bestimmten örtlichen Bereich zu betreten oder sich dort aufzuhalten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person in dem bestimmten örtlichen Bereich eine Straftat begehen wird. Örtlicher Bereich im Sinne des Satzes 1 ist ein Ort oder ein Gebiet innerhalb einer Gemeinde oder auch ein gesamtes Gemeindegebiet (§ 17 Abs. 4 Satz 2 Nds. SOG). Die Platzverweisung ist zudem zeitlich und örtlich auf den zur Verhütung der Straftat erforderlichen Umfang zu beschränken (§ 17 Abs. 4 Satz 3 Nds. SOG).

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a) Ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Aufenthaltsverbotes nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG vorliegen, beurteilt sich nach der sog. ex-ante-Sicht. Danach kommt es darauf an, ob nach den Verhältnissen und dem möglichen Erkenntnisstand zum Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme eine Gefahrenlage i.S.d. § 17 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG vorlag (vgl. Senatsbeschl. v. 7.5.2015 - 11 LA 188/14 - a.a.O., juris, Rn. 9; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.5.2017 - 1 S 160/17 -, DÖV 2017, 783, juris, Rn. 36; VG Göttingen, Urt. v. 19.1.2012 - 1 A 94/10 -, juris, Rn. 20; VG Hannover, Beschl. v. 25.7.2016 - 10 B 3186/16 -, juris, Rn. 33; Pewestorf, in: Pewestorf/Söllner/Tölle, Praxishandbuch Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl. 2017, § 1 ASOG, Rn. 16). Dieser Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes steht allerdings nicht grundsätzlich entgegen, dass die Behörde - wie vorliegend - im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ergänzende (Ermessens-)Gesichtspunkte vorträgt, um ihre bereits vorgenommene Prognose (weiter) zu untermauern. Voraussetzung für die materiell-rechtliche Zulässigkeit eines Nachschiebens von Gründen ist dabei, dass diese schon bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen, dieser dadurch nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (BVerwG, Urt. v. 20.6.2013 - 8 C 46/12 -, BVerwGE 147, 81, juris, Rn. 31 ff., dasselbe, Urt. v. 16.6.1997 - 3 C 22/96 -, BVerwGE 105, 55, juris, Rn. 19, jeweils m.w.N.; Decker, in: Posser/Wolff, VwGO, 2. Aufl. 2014, § 114, Rn. 42 ff.; vgl. auch Bayerischer VGH, Beschl. v. 21.1.2005 - 3 CE 04.2899 -, NVwZ-RR 2006, 346, juris, Rn. 28). Die prozessuale Zulässigkeit des Nachschiebens von Gründen ergibt sich aus § 114 Satz 2 VwGO. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde ihre Ermessenserwägungen auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Mit dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass die Verwaltung auch noch während des gerichtlichen Verfahrens materiell-rechtlich relevante Ermessenserwägungen in den Prozess einführen kann, wenn die genannten Voraussetzungen dafür vorliegen (vgl. BT-Drucks. 13/5098 v. 26.6.1996, S. 24; Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 114, Rn. 12 b).

32

b) Zur Erfüllung des Tatbestandes des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG müssen somit zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufenthaltsverbots Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass eine Person in einem bestimmten örtlichen Bereich eine Straftat begehen wird. Da die vorzunehmende Prognose das Vorliegen von „Tatsachen“ erfordert, reichen reine Vermutungen oder subjektive Einschätzungen nicht aus (Senatsbeschl. v. 7.5.2015 - 11 LA 188/14 -, a.a.O., juris, Rn. 9; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.5.2017 - 1 S 160/17 -, a.a.O., juris, Rn. 37; vgl. auch BGH, Urt. v. 30.10.2009 - V ZR 253/08 -, a.a.O., juris, Rn. 17). Es müssen vielmehr nachprüfbare, dem Beweis zugängliche Geschehnisse vorliegen, aus denen mit der erforderlichen Sicherheit auf die bevorstehende Begehung von Straftaten gerade durch die betreffende Person geschlossen werden kann (Senatsbeschl. v. 7.5.2015 - 11 LA 188/14 -, a.a.O., juris, Rn. 9; Senatsbeschl. v. 28. 6.2013 - 11 LA 27/13 -, NordÖR 2013, 416, juris, Rn. 11; Hessischer VGH, Beschl. v. 1.2.2017 - 8 A 2105/14.Z -, juris, Rn. 29 ff., m.w.N.). Die befürchteten Straftaten müssen dabei ihrerseits noch nicht genau bestimmbar sein (Hessischer VGH, Beschl. v. 1.2.2017 - 8 A 2105/14.Z -, juris, Rn. 66). Bei der Gefahrenprognose können auch sog. Indiztatsachen berücksichtigt werden, also indirekte Tatsachen, die für sich allein oder in einer Gesamtheit mit anderen Indizien auf das Vorliegen einer anderen Tatsache schließen lassen (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.5.2017 - 1 S 160/17 -, a.a.O., juris, Rn. 37; Hessischer VGH, Beschl. v. 1.2.2017 - 8 A 2105/14.Z -, juris, Rn. 49 ff; vgl. auch Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E, Rn. 456). Die Tatsachen müssen geeignet sein, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Begehung der Straftat bzw. des Beitrags zu ihrer Begehung zu begründen, wobei der Grad der gebotenen Wahrscheinlichkeit von der Wertigkeit der im Einzelfall zu schützenden Rechtsgüter abhängt (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.5.2017 - 1 S 160/17 -, a.a.O., juris, Rn. 37; Rachor, in: Lisken/Denninger, a.a.O., E, Rn. 162).

33

Ob dabei auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe - etwa einer in der Vergangenheit als gewaltbereit aufgefallenen Fußballfangruppe - eine Tatsache darstellt, die die Prognose rechtfertigen kann, dass ein Mitglied dieser Gruppe zukünftig Straftaten begehen werde, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich gesehen. Nach einer überwiegend zu Hooligans vertretenen Ansicht sei die belegbare Zugehörigkeit zur Hooligan-Szene ausreichend, um den Erlass eines Aufenthaltsverbots zu rechtfertigen (Bayerischer VGH, Beschl. v. 9.6.2006 - 24 CS 06.1521 - juris, Rn. 15; VG München, Urt. v. 25.2.2010 - M 22 K 08.203 - juris, Rn. 82; VG Arnsberg, Beschl. v. 1.7.2009 - 3 L 345/09 -, juris, Rn. 15; VG Minden, Beschl. v. 2.10.2014 - 11 L 763/14 -, juris, Rn. 22; VG Meiningen, Urt. v. 8.2.2011 - 2 K 453/09 Me -, juris, Rn. 21; ähnlich VG Hannover, Urt. v. 4.7.2012 - 10 A 1994/11 -, juris, Rn. 44 f., bzgl. der Ingewahrsamnahme eines hannoverschen Ultras; VG Köln, Beschl. v. 21.8.2015 - 20 L 2023/15 -, juris, Rn. 13, bzgl. eines Aufenthaltsverbots für einen leverkusener Ultra; BVerfG, Beschl. v. 25.3.2008 - 1 BvR 1548/02 -, juris, Rn. 31, bzgl. eines Platzverweises bei „Chaostagen“ und BGH, Urt. v. 30.10.2009 - V ZR 253/08 -, a.a.O., juris, Rn. 23, bzgl. eines Stadionverbots für einen Ultra). Andererseits wird vertreten, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten gewaltbereiten Gruppe ebenso wie Eintragungen in polizeilichen Informationssystemen (z.B. der Datei „Gewalttäter Sport“) für sich gesehen nicht ausreichend sei, um die erforderliche Gefahrenprognose zu begründen (OVG Bremen, Beschl. v. 10.2.2010 - 1 B 30/10 - juris, Rn. 10 f.; Hessischer VGH, Beschl. v. 1.2.2017 - 8 A 2105/14.Z -, juris, Rn. 36 ff.; VG Neustadt a.W., Beschl. v. 2.5.2014 - 5 L 404/14.NW -, juris, Rn.17; VG Hannover, Beschl. v. 21.7.2011 - 10 B 2096/11 -, juris, Rn. 11; Siegel, NJW 2013, 1035, 1037; Keller, jurisPR-ITR 22/2014, Anm. 3).

34

Nach Ansicht des Senats hängt die Frage, ob die Zugehörigkeit zu einer Gruppe - ggf. in Verbindung mit weiteren (Indiz-)Tatsachen - die Annahme rechtfertigt, dass die gruppenzugehörige Person in einem bestimmten Gebiet eine Straftat begehen wird, immer von den Umständen des Einzelfalls ab, namentlich von der fraglichen Gruppe, der zu ihr vorhandenen polizeilichen und sonstigen Erkenntnisse, der Einbindung des Betroffenen in diese Gruppe sowie seinem gruppenbezogenen Verhalten in der Vergangenheit. Steht lediglich fest, dass eine Person (einfaches) Mitglied einer sog. Ultra-Gruppierung ist oder in einem polizeilichen Informationssystem geführt wird, ist dies in der Regel für sich gesehen nicht ausreichend, um die erforderliche Gefahrenprognose zu begründen (vgl. zur Datei „Gewalttäter Sport“ Senatsbeschl. v. 14.6.2006 - 11 ME 172/06 -, NVwZ-RR 2006, 613, juris, Rn. 12). Speziell in Bezug auf die Zugehörigkeit zu einer sog. Ultra-Gruppe ist zudem zu berücksichtigen, dass es innerhalb dieser Szene - ausgeprägter als bei Hooligans - große Unterschiede hinsichtlich der Akzeptanz von Gewalt gibt (vgl. „Was Hooligans und Ultras voneinander unterscheidet“, Artikel in der „Welt“ v. 29.10.2014, abrufbar unter https://www.welt.de/sport/fussball/article133754316/Was-Hooligans-und-Ultras-voneinander-unterscheidet.html, Stand: 17.4.2018; „Kurven-Rebellen - Die Ultras - Einblicke in eine widersprüchliche Szene“ von Christopf Ruf, 3. Aufl. 2014; „Die Ultras - Fußballfans und Fußballkulturen in Deutschland“ von Jonas Gabler, 5. Aufl. 2013). Daraus folgt allerdings nicht, dass der Zugehörigkeit zu einer bestimmten - ggf. gewaltbereiten - Gruppe und/oder Eintragungen in polizeilichen Informationssystemen keinerlei Aussagekraft zukäme. Vielmehr können die diesen Umständen zugrundeliegenden Sachverhalte im Rahmen der Gefahrenprognose nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG berücksichtigt werden (vgl. Hessischer VGH, Beschl. v. 1.2.2017 - 8 A 2105/14.Z -, juris, Rn. 36 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.5.2017 - 1 S 160/17 -, a.a.O., juris, Rn. 38). Hinzutreten müssen aber grundsätzlich weitere (Indiz-)Tatsachen, um ein Aufenthaltsverbot gegenüber einem Mitglied oder allen Mitgliedern einer Gruppe erlassen zu können (vgl. Hessischer VGH, Beschl. v. 1.2.2017 - 8 A 2105/14.Z -, juris, Rn. 38; VG Aachen, Beschl. v. 26.4.2013 - 6 L 162/13 -, juris, Rn. 26 ff.). Anhaltspunkte für die Begehung einer zukünftigen Straftat können etwa die Ankündigung oder Aufforderung zu einer Straftat sein, sowie das Mitführen von Waffen, Werkzeugen oder sonstigen Gegenständen, die ersichtlich zur Tatbegehung bestimmt sind oder erfahrungsgemäß bei derartigen Straftaten verwendet werden (vgl. Nr. 17.2 der Ausführungsbestimmungen zum Nds. SOG, Runderlass d. MI v. 16.7.1998 - Nds. MBl. S. 1078 -, abgedr. bei Saipa, Nds. SOG, Stand: August 2017, § 17; vgl. auch Hessischer VGH, Beschl. v. 1.2.2017 - 8 A 2105/14.Z -, juris, Rn. 38). Weitere Erkenntnisse, die bei der Gefahrenprognose zu berücksichtigen sind, können sich außerdem u.a. aus Ermittlungs- oder Strafverfahren ergeben, die im Zusammenhang mit solchen Straftaten geführt wurden, deren erneute Begehung befürchtet wird. Dabei können in die präventiv-polizeiliche Gefahrenprognose auch solche Vorfälle einbezogen werden, die zu keiner bußgeld- oder strafrechtlichen Ahndung geführt haben, sondern etwa nach §§ 153, 153 a StPO oder 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurden (Senatsbeschl. v. 14.9.2012 - 11 ME 254/12 -, n.v.; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.5.2017 - 1 S 160/17 -, a.a.O., juris, Rn. 40; VG Braunschweig, Beschl. v. 8.6.2006 - 5 B 173/06 -, juris, Rn. 31). Gleiches gilt für Ermittlungsverfahren, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufenthaltsverbots noch anhängig waren (Senatsbeschl. v. 26.6.2009 - 11 ME 337/09 -, n.v.; vgl. zu einem Stadionverbot BGH, Urt. v. 30.10.2009 - V ZR 253/08 -, a.a.O., juris, Rn. 23, dazu auch BVerfG, Beschl. v. 11.4.2018 - 1 BvR 3080/09 -, juris, Rn. 55 f.), sowie für solche Vorkommnisse, die nicht zur Einleitung eines Strafverfahrens geführt haben, aber gleichwohl in einem inneren Zusammenhang mit denjenigen Straftaten stehen, deren zukünftige Begehung durch das Aufenthaltsverbot verhindert werden soll, und die somit Rückschlüsse auf ein zukünftiges strafrechtlich relevantes Verhalten zulassen (vgl. Senatsbeschl. v. 14.6.2006 - 11 ME 172/06 -, a.a.O., juris, Rn. 11; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.5.2017 - 1 S 160/17 -, a.a.O., juris, Rn. 38; VG Aachen, Beschl. v. 26.4.2013 - 6 L 162/13 -, juris, Rn. 33; VG Augsburg, Urt. v. 19.9.2017 - Au 1 K 17.1260 -, juris, Rn. 36; VG Meiningen, Urt. v. 8.2.2011 - 2 K 453/09 Me -, juris, Rn. 21; VG Braunschweig, Beschl. v. 8.6.2006 - 5 B 173/06 -, juris, Rn. 31). Dementsprechend können auch Hinweise auf die Begehung einer zukünftigen Straftat oder die unmittelbar bevorstehende Teilnahme an einer gewalttätigen Auseinandersetzung als Mitglied einer Gruppe für die Gefahrenprognose berücksichtigt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.3.2008 - 1 BvR 1548/02 -, juris, Rn. 31; BGH, Urt. v. 30.10.2009 - V ZR 253/08 -, a.a.O., juris, Rn. 23). Letzteres ist vor allem dann bedeutsam, wenn es um Straftaten geht, die typischerweise aus einer gewaltbereiten Gruppe heraus initiiert und gesteigert werden, die ein unterstützendes Umfeld von Gleichgesinnten benötigt, und schon die Gegenwart von Gleichgesinnten zur Gewaltbereitschaft derjenigen beiträgt, die ihrem Kernbereich zuzurechnen sind und aus der Anonymität der Gruppe heraus agieren (vgl. Hessischer VGH, Beschl. v. 1.2.2017 - 8 A 2105/14.Z -, juris, Rn. 39; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.5.2017 - 1 S 160/17 -, a.a.O., juris, Rn. 38).

35

Bei der Ermittlung und Bewertung der maßgeblichen Vorfälle kommt im fußballbezogenen Kontext den szenekundigen Beamten der Polizei besonderes Gewicht zu. Bei diesen Beamten handelt es sich um eine Spezialeinheit, die die Fußballszene intensiv beobachtet sowie zahlreiche Delikte rund um Fußballspiele bearbeitet. Szenekundige Beamte können zudem auf spezielle polizeiliche Informationssysteme zurückgreifen und stehen in der Regel in einem bundesweiten Informationsaustausch. Diese Spezialeinheiten verfügen daher grundsätzlich über langjähriges Erfahrungswissen im Einsatzgeschehen sowie eine kriminalistisch-kriminologische Beurteilungskompetenz, die sie auch befähigt, „Problemfans“ zu identifizieren und differenziert zu beurteilen (vgl. Senatsbeschl. v. 16.1.2014 - 11 ME 313/13 - juris, Rn. 9; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.5.2017 - 1 S 160/17 -, a.a.O., juris, Rn. 39; VG Braunschweig, Beschl. v. 8.6.2006 - 5 B 173/06 -, juris, Rn. 30).

36

In zeitlicher Hinsicht setzt § 17 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG grundsätzlich die Feststellung von Vorfällen auch aus jüngerer Zeit voraus, um die erforderliche Gefahrenprognose zu begründen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.5.2017 - 1 S 160/17 -, a.a.O., juris, Rn. 41). Dies schließt es allerdings nicht aus, dass auch zeitlich weiter zurückliegende Vorfälle die Annahme einer weiterhin hinreichend konkreten Gefährdungslage im Sinne dieser Vorschrift rechtfertigen können. Eine starre zeitliche Grenze besteht insoweit nicht. Insbesondere wenn (Indiz-)Tatsachen aus jüngerer Zeit vorliegen, können auch weiter zurückliegende Tatsachen im Rahmen einer anzustellenden Gesamtprognose berücksichtigt werden (vgl. Senatsbeschl. v.14.6.2006 - 11 ME 172/06 -, a.a.O., juris, Rn. 10; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.5.2017 - 1 S 160/17 -, a.a.O., juris, Rn. 41).

37

c) Die von der Beklagten erstellte Gefahrenprognose ist somit anhand der dargelegten Maßstäbe zu überprüfen, ohne dass es dazu eines (kumulativen oder alternativen) Rückgriffs auf die von dem Verwaltungsgericht entwickelte „Drei-Stufen-Theorie“ bedarf. Ausgehend von den hier dargelegten Maßstäben ist die von der Beklagten vorgenommene Prognose, dass Tatsachen vorlagen, die die Annahme rechtfertigten, der Kläger werde im räumlichen und zeitlichen Geltungsbereich des Aufenthaltsverbots fußballbezogene Straftaten begehen, nicht zu beanstanden. Dies ergibt sich aus einer Gesamtbewertung sämtlicher fußballbezogener Vorfälle, in die der Kläger nach den von der Beklagten vorgelegten Erkenntnissen im Zeitraum von November 2013 bis Februar 2016 verwickelt war.

38

aa) Ausweislich der vorgelegten Verwaltungsvorgänge liegen zu den erwähnten Vorfällen im Einzelnen die folgenden polizeilichen Erkenntnisse vor:

39

(1) Am 3. November 2013 wurde der Kläger im Vorfeld eines am 8. November 2013 stattfindenden Hochsicherheitsspiels zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig kurz nach Mitternacht im Nahbereich der HDI Arena in Hannover angetroffen. Ausweislich des vorgelegten Polizeiberichts war er Teil einer aus fünf oder sechs Personen bestehenden Gruppe, die sich zu einer Art „Stadionwehr“ getroffen hatte, um vermeintliche Fans von Eintracht Braunschweig durch „Kontrollen“ einzuschüchtern und zu verdrängen. An diesem Abend wurde der Bereich des Stadions aufgrund des geplanten Spiels verstärkt bestreift. Gegen 00.10 Uhr befanden sich zunächst ein männlicher Beamter und eine weibliche Beamtin im Einsatz, die jedoch aufgrund ihrer zivilen Kleidung äußerlich nicht als Beamte zu erkennen waren. In dem vorgelegten Bericht schildert der männliche Beamte, wie sich gegen 00.15 Uhr zunächst ein Mitglied der Gruppe - der später Beschuldigte K. - mit erhobenen, mit Lederhandschuhen bekleideten Fäusten vor ihm aufgebaut habe und ihn in dem Glauben, dass es sich um einen braunschweiger Fan handelte, mit den Worten „Ey, was wollt Ihr hier?“ angegangen sei. Die weibliche Beamtin sei dabei durch ein anderes, später ebenfalls als Beschuldigter L. geführtes Mitglied der Gruppe seitlich abgedrängt worden. Anschließend habe ihn der Beschuldigte K. in die Brust gestoßen, ihn am Weitergehen gehindert und ihn in aggressiver Weise gefragt, ob er Braunschweiger sei. Er - der Beamte - habe daraufhin versucht, sich wortlos zu entfernen, sei aber durch den Beschuldigten K. mit einem erneuten Stoß gegen die Brust daran gehindert worden. Zeitgleich sei die Beamtin durch den Beschuldigten L. durch körperliche Präsenz am Weitergehen gehindert worden. Der Kläger sei dabei Teil einer aus mindestens drei Personen bestehenden Gruppe gewesen, die im Nahbereich zu den Beschuldigten und zum Teil im Rücken der Beamten gestanden habe. Als er - der Beamte - erneut versucht habe, an dem Beschuldigten K. vorbeizugehen, habe ihn dieser mit der rechten Faust seitlich gegen den Kopf geschlagen. Daraufhin habe er sich als Polizist zu erkennen gegeben. Der sodann von dem Beschuldigten K. unternommene Fluchtversuch habe mithilfe der zwischenzeitlich zur Unterstützung eingetroffenen weiteren Polizeibeamten vereitelt werden können und der Beschuldigte K. sei schließlich mittels einfacher körperlicher Gewalt zu Boden gebracht worden. Bei der sich anschließenden Untersuchung der Beschuldigten K. und L. habe man eine schwarz-weiß-grüne Sturmhaube gefunden. Auch die weiteren Gruppenmitglieder, darunter der Kläger, seien untersucht worden; verfahrensrelevante Gegenstände seien dabei nicht gefunden worden. Allerdings sei im Auto des Klägers, mit dem dieser zum Stadion gefahren sei, ebenfalls eine schwarz-weiß-grüne Sturmhaube gefunden worden. Gegen den Kläger sowie gegen die weiteren, nicht als Beschuldigte geführten Mitglieder der Gruppe sei ein Platzverweis für den Bereich des Stadions und der angrenzenden Straßen ausgesprochen worden, der in zeitlicher Hinsicht bis 9.00 Uhr morgens desselben Tages beschränkt worden sei.

40

(2) Die erste der im streitgegenständlichen Bescheid aufgeführten Identitätsfeststellungen erfolgte am 4. April 2015 gegen 19.20 Uhr im Frankfurter Hauptbahnhof. Ausweislich des vorgelegten Verlaufsberichts ist es an diesem Tag im Anschluss an ein in Frankfurt ausgetragenes Fußballspiel zwischen Eintracht Frankfurt und Hannover 96 gegen 18.30 Uhr auf dem nördlich gelegenen Bahnhofsvorplatz zu einer Auseinandersetzung zwischen ca. 130 Anhängern von Hannover 96 und ca. 45 Fans von Eintracht Frankfurt gekommen. Dabei hätten sich Teile beider Gruppen vermummt, es seien vereinzelt Flaschen geworfen worden und es sei Anzeige wegen Landfriedensbruchs gegen eine unbekannte Anzahl von Tatverdächtigen gestellt worden. Die Polizeibeamten hätten Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzen müssen, um die hannoveraner Fans in Richtung Hauptbahnhof zurückzudrängen. 15 Personen der Hannoveraner hätten unmittelbar festgesetzt und kontrolliert werden können, während sich der restliche Teil der Gruppe in den Hauptbahnhof begeben habe. Gegen 19.00 Uhr habe ein Beamter gemeldet, dass am Bahnsteig neun eine Gruppe von 50 bis 70 Fans von Hannover 96 eine Weiterfahrt mit dem ICE plane. Gleichzeitig anwesende szenekundige Beamte hätten teilweise Personen aus der vorausgegangenen Auseinandersetzung am Bahnhofsvorplatz wiedererkannt. Nachdem alle verfügbaren polizeilichen Kräfte am Gleis neun zusammengezogen und weitere Unterstützung bei der Landespolizei angefordert worden sei, sei der Zug, dessen Abfahrt für 19.15 Uhr geplant gewesen sei, zunächst zurückgehalten und teilweise von den zuvor eingestiegenen Fans geräumt worden, bevor er um 19.22 Uhr wieder freigegeben worden sei. Nach der Ausfahrt des Zuges sei eine Identitätsfeststellung dieser Personengruppe erfolgt. Außerdem sei im Hauptbahnhof eine weitere Gruppe Fans von Hannover 96 angetroffen worden, die sich ebenfalls an der Auseinandersetzung am Bahnhofsvorplatz beteiligt hätte und deren Mitglieder jeweils einer Identitätsfeststellung unterzogen worden seien.

41

(3) Die zweite im streitgegenständlichen Bescheid aufgeführte Identitätsfeststellung des Klägers erfolgte am 12. September 2015 gegen 18.40 Uhr im Kassenbereich eines Lebensmittel-Discounters („Penny-Markt“) in Hannover. Am Nachmittag dieses Tages hatte es in der HDI Arena in Hannover ein Bundesligaspiel zwischen Hannover 96 und Borussia Dortmund gegeben. Ausweislich des vorgelegten Verlaufsberichts war es bereits am Vormittag des 12. Septembers 2015 zu Spannungen zwischen den rivalisierenden Anhängern gekommen. So habe sich u.a. eine Gruppe dortmunder „Ultras/Hooligans“ in eine Gaststätte in Hannover-Ricklingen begeben, in der sich üblicherweise die hannoversche Ultraszene treffe. Eine von den szenekundigen Beamten befürchtete Drittortauseinandersetzung hätte jedoch dadurch verhindert werden können, dass alle 34 dortmunder Fans unter Begleitung der Bundespolizei nach Dortmund zurückgeführt worden seien. Nach dem Spiel hätten die örtlichen Einsatzkräfte gegen 18.25 Uhr die Mitteilung der Bundespolizei erhalten, dass sich „100 vermummte Ultras 96“ aus Richtung Raschplatz zum Hauptbahnhof bewegten. Gegen 18.31 Uhr sei eine größere Gruppe im Bereich Weißekreuzplatz festgestellt worden, die in Richtung Lister Meile gelaufen sei, wobei sich ein kleiner Teil der Gruppe in den Penny-Markt begeben habe. 23 Personen seien auf dem Andreas-Hermes-Platz und zwei bis drei Personen im Penny-Markt jeweils durch Einsatzkräfte gebunden worden. Es habe Hinweise auf eine weitere Gruppe von 20 Personen bei „Kebap 63“ gegeben, dorthin seien Kräfte verlegt worden. Die gebundenen Personen seien jeweils Identitätsfeststellungen unterzogen worden.

42

(4) Die dritte im streitgegenständlichen Bescheid aufgeführte Identitätsfeststellung am 21. November 2015 stand im Zusammenhang mit der Bahnanreise zu einem am Nachmittag des 21. Novembers 2015 in Mönchengladbach stattfindenden Bundesligaspiels zwischen Borussia Mönchengladbach und Hannover 96. Ausweislich des vorgelegten Verlaufsberichts betätigte eine unbekannte Person gegen 12.46 Uhr in Höhe des dem Hauptbahnhof Mönchengladbach vorgelagerten S-Bahn-Halts Lürrip die Notbremse. Unbeteiligte Zeugen, die sich sowohl innerhalb als auch außerhalb des Zuges aufhielten, hätten angegeben, dass der Zug von außen durch Bewürfe attackiert worden sei. Auf dem Bahnsteig hätten ca. 30 bis 40 vermummte Personen gewartet, vermutlich aus dem mönchengladbacher Fanklientel. Es seien Fensterscheiben des Zuges herausgetreten worden; dabei sei nicht klar, ob diese zuvor von innen oder von außen beschädigt worden seien. Hannoveraner Fans hätten die Türen des Zuges geöffnet und seien den Angreifern bis auf die angrenzende Volksbadstraße gefolgt. Es sei zu einer Auseinandersetzung zwischen ca. 100 bis 200 Personen gekommen, die sich vom Gelände der Bahnhaltestelle auf die Fahrbahn verlagert hätte und bei der auch unbeteiligte, vorbeifahrende Kraftfahrzeuge beschädigt worden seien. Es sei zu vermuten, dass es sich um eine zwischen den Fanlagern abgestimmte Drittortauseinandersetzung gehandelt habe. Die Personalien der hannoveraner Fans seien mittels des „Trichter-Verfahrens“ festgestellt und ihnen sei ein Platzverweis für den Bereich des Polizeipräsidiums Mönchengladbach erteilt worden. „Offensichtlich Unbeteiligte (Familien, Personen mit Einkaufstüten, ältere Menschen, auch offenkundig normale 96-Fans)“ hätten die Sperrlinien passieren können. Insgesamt seien die Personalien von 238 „Hannoveraner (Problem-)Fans“ festgestellt worden. Davon seien 28 Personen als „Gewalttäter Sport“ polizeilich bekannt. Es seien mehrere Strafverfahren nach §§ 185, 303, 224 und 125 StGB eingeleitet worden. Bei der polizeilich angeordneten Rückführung der Hannoveraner seien erneut diverse Straftatbestände begangen worden und es habe eine aggressive bis gewalttätige Stimmung geherrscht. Ausweislich einer Stellungnahme eines szenekundigen Beamten vom 22. Juni 2016, der sich am 21. November 2015 nach Bekanntwerden des Nothalts zum Haltepunkt Lürrip begeben hatte, sei er durch einen Herrn vom Fanprojekt Hannover gebeten worden, mit „A.“ und „B.“ Kontakt aufzunehmen, da diese einen hannoveraner Polizeibeamten sprechen wollten. Er - der szenekundige Beamte - habe sich daraufhin auf den Bahnsteig begeben und sei dort in vorderster Reihe auf die Herren Q., R. sowie den Kläger getroffen, denen er auf Nachfrage die Sichtweise des Einsatzleiters auf die Vorkommnisse und die anstehenden polizeilichen Maßnahmen erläutert habe.

43

(5) Darüber hinaus hat die Beklagte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 14. Juni 2016 einen weiteren Vorfall vom 2. April 2016 benannt. Danach sei gegen den Kläger eine Strafanzeige wegen Beleidigung gestellt worden (Az.: NZS 2864 Js 57037/16), weil er am 2. April 2016 während einer Bundesligabegegnung von Hannover 96 in der HDI Arena gegen 15.51 Uhr für mindestens zwei Minuten einen Doppelhalter mit dem Schriftzug „ACAB“ („All Cops Are Bastards“) hochgehalten habe.

44

(6) Während des anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hat die Beklagte zudem mitgeteilt, dass ihr im Rahmen von mehrmonatigen verdeckten polizeilichen Ermittlungen zur Kenntnis gelangt sei, dass bremer und hannoveraner Ultras für den 4. März 2016 eine gewalttätige Auseinandersetzung geplant hätten, die allerdings durch den Einsatz der Polizei hätte verhindert werden können. Dazu hat sie ein Protokoll einer vom Amtsgericht Hannover mit Beschluss vom 25. Februar 2016 angeordneten Telekommunikationsüberwachung vom 4. März 2016 vorgelegt. Daraus geht hervor, dass die beiden Gesprächspartner des gegen 23.26 Uhr geführten Telefonats eine Zusammenkunft mit Bremer Fans planten und versucht haben, möglichst viele hannoveraner Fans zu aktivieren. Ausweislich des vorgelegten Protokoll sagt ein Gesprächspartner zum anderen u.a.: „Ja, aber selbst [Nachname des Klägers] und das KH (Ultragruppierung Komplott Hannovera) kommen komplett rum.“

45

(7) Schließlich hat die Beklagte während des Berufungsverfahrens mit Schriftsätzen vom 13. April 2017 und 17. Mai 2017 Einzelheiten zu einem weiteren Vorfall vom 1. April 2017 vorgetragen, bei dem der Kläger während eines Aufenthalts in dem Biergarten „H.“ im Kontext mit einer befürchteten Auseinandersetzung rivalisierender Fußballfans polizeilich in Erscheinung getreten und in Gewahrsam genommen worden sei (vgl. obige Ausführungen im Tatbestand).

46

bb) Diese angeführten Vorfälle sowie die diesbezüglich vom Kläger vorgetragenen Einwendungen sind aus Sicht des Senats einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen und im Rahmen der vorzunehmenden Gefahrenprognose wie folgt zu bewerten:

47

(1) Dem „Stadionwehr-Vorfall“ vom 3. November 2013 kommt ein besonderes Gewicht für die Gefahrenprognose zu.

48

Sofern der Kläger hinsichtlich dieses Vorfalls im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingewandt hat, dass er nicht Teil der „Störergruppe“ gewesen sei, bewertet der Senat diesen Einwand vor dem Hintergrund der in dem vorgelegten, oben näher beschriebenen Polizeibericht enthaltenen Angaben als Schutzbehauptung. Der Einwand lässt sich zudem nicht damit vereinbaren, dass gegen den Kläger sowie gegen die zwei weiteren Mitglieder der Gruppe, gegen die kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, Platzverweise verhängt wurden. Diese Platzverweise standen ganz offensichtlich im Zusammenhang damit, dass der Kläger und die zwei weiteren Personen zwar weder verbal noch körperlich gegen die Polizeibeamten vorgegangen waren, jedoch dadurch, dass sie bei diesem Vorfall hinter den später Beschuldigten standen, den Polizeibeamten den Fluchtweg versperrt und die Angriffe der später Beschuldigten somit zumindest durch ihre Anwesenheit unterstützt haben.

49

Aus Sicht des Senats sind sowohl die Tatsache, dass der Kläger gemeinsam mit offensichtlich gewaltbereiten, polizeilich bekannten „Problemfans“ an nächtlichen „Stadionwehren“ im Nahbereich des Stadions teilgenommen hat, als auch der Umstand, dass in seinem Auto eine Sturmhaube gefunden wurde, bedeutsame Indizien dafür, dass die Leidenschaft des Klägers für Fußball über das Maß eines „normalen“, friedliebenden und rechtskonformen Fans hinausgeht und er bereit und in der Lage ist, seine Ziele aus einer Gruppe mit Gleichgesinnten heraus durchzusetzen, ohne dabei vor dem Einsatz von Gewalt zurückzuschrecken bzw. den Einsatz von Gewalt zu verhindern. Der Vorfall vom 3. November 2013 belegt auch, dass der Kläger - entgegen seiner in Bezug auf die drei späteren Identitätsfeststellungen erhobenen Einwände - nicht zufällig in eine Gruppe geraten ist, aus der heraus fußballbezogene Gewalttaten verübt worden sind, sondern dass er wissentlich und willentlich Teil dieser Gruppe war und die von anderen Gruppenmitgliedern begangene Gewaltanwendung zumindest durch seine Anwesenheit unterstützt hat.

50

Der Vorfall vom 3. November 2013 kann dabei auch trotz des Umstandes, dass er weder im streitgegenständlichen Bescheid vom 23. Mai 2016 noch im vorangegangenen Anhörungsschreiben vom 26. Februar 2016 aufgeführt war, berücksichtigt werden. Denn nach der maßgeblichen ex-ante-Sicht kommt es, wie oben ausgeführt, darauf an, ob nach den Verhältnissen und dem möglichen Erkenntnisstand zum Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme eine Gefahrenlage bestand. Mit Schriftsatz vom 14. Juni 2016 hat die Beklagte erstmals Einzelheiten zu diesem Vorfall vorgetragen und dazu ausgeführt, dass diese weiteren Erkenntnisse zur Begründung des Aufenthaltsverbots (mit) herangezogen werden könnten, in jedem Fall aber die getroffene Gefahrenprognose weiter stützten und bestätigten. Eine derartige Ergänzung der Begründung einer bereits bei Bescheiderlass getroffenen und begründeten Entscheidung ist nach den oben dargelegten Maßstäben zulässig (vgl. dazu, dass ergänzende Erwägungen auch in Gestalt eines Schriftsatzes in das Verfahren eingeführt werden können, Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 114, Rn. 12 e; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 114, Rn. 211). Denn zum einen handelt es sich um Gründe, die schon bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen und die nicht zu einer Wesensänderung des Verwaltungsaktes führen. Zum anderen bewirkt die Berücksichtigung dieser ergänzend vorgetragenen Ereignisse auch keine Beeinträchtigung der Rechtsverteidigung des Klägers. Auch wenn die nachträglich angeführten Vorfälle nicht Gegenstand des Anhörungsschreibens vom 26. Februar 2016 waren, ist dieser formelle Fehler mittlerweile nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG dadurch geheilt, dass dem Kläger im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Möglichkeit gegeben wurde, zu diesen Vorfällen Stellung zu nehmen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 45, Rn. 33 ff.; BVerfG, Beschl. v. 11.4.2018 - 1 BvR 3080/09 -, juris, Rn. 58). Von dieser Möglichkeit hat er im Übrigen auch umfassend Gebrauch gemacht.

51

Entgegen der Ansicht des Klägers steht der Umstand, dass der „Stadionwehr-Vorfall“ vom 3. November 2013 zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses bereits zweieinhalb Jahre zurück lag, seiner Berücksichtigung im Rahmen der vorzunehmenden Prognoseentscheidung ebenfalls nicht entgegen. Denn es gibt für die Berücksichtigung von (weiter) in der Vergangenheit liegenden Vorfällen, wie oben ausgeführt, keine starre zeitliche Grenze. So hat es der Senat bereits als möglich angesehen, ein über sechs Jahre zurückliegendes Ereignis neben weiteren, aktuelleren Erkenntnissen mit in die Gefahrenprognose einzubeziehen (Senatsbeschl. v.14.6.2006 - 11 ME 172/06 -, a.a.O., juris, Rn. 10, zu einer Meldeauflage). Zwar teilt der Senat vorliegend die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass der Vorfall vom 3. November 2013 aufgrund der zwischenzeitlich verstrichenen Zeit für sich gesehen nicht geeignet gewesen wäre, die Gefahrenprognose zu stützen. Zusammen mit den anderen dargestellten Ereignissen, die sich vor Erlass des streitgegenständlichen Aufenthaltsverbots zugetragen haben, lässt er jedoch den Rückschluss zu, dass sich der Kläger jedenfalls während eines Zeitraums von insgesamt zweieinhalb Jahren wiederholt in eine von fußballbezogener Gewalt geprägten Umgebung aufgehalten und diese Gewalt - zumindest am 3. November 2013 - wissentlich und willentlich durch seine Anwesenheit unterstützt hat.

52

(2) Sofern der Kläger in Bezug auf die Geschehnisse am 21. November 2015 in Lürrip vorgetragen hat, dass es sich dabei um einen einseitigen Angriff vermummter mönchengladbacher Fans gehandelt habe und dazu die Stellungnahme von Fanbeauftragten von Hannover 96 vorgelegt hat, kollidiert dies insofern mit der von der Beklagten zu diesem Vorfall vorgelegten Dokumentation, als aus letztgenannter eindeutig hervorgeht, dass es jedenfalls nicht bei einem einseitigen Angriff geblieben ist. Vielmehr sind Teile der hannoveraner Fans ihrerseits zum Angriff übergegangen, indem sie den Zug verlassen haben, die Angreifer bis auf die angrenzende U. straße verfolgt haben und sich dort mit diesen eine massive und gewalttätige Auseinandersetzung geliefert haben, bei der auch Rechtsgüter von unbeteiligten Dritten verletzt wurden. Vor diesem Hintergrund hält der Senat auch die Einschätzung der szenekundigen Beamten, dass es sich bei diesem Ereignis um eine geplante Drittortauseinandersetzung gehandelt habe, für nachvollziehbar.

53

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung mit seinem Beweisantrag zu 2) beantragt hat, „zum Beweis der Tatsache, dass sich der Kläger am 21. November 2015 in keiner Weise an Gewalttätigkeiten beteiligte, sondern vielmehr das Gespräch mit den Fanbeauftragten sowie dem Einsatzleiter der Polizei suchte, um zwischen den Parteien zu vermitteln“, zwei von ihm benannte Zeugen zu vernehmen, musste der Senat diesem Antrag nicht nachgehen, weil die zum Beweis gestellten Tatsachen als wahr unterstellt werden können (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 2, letzter Halbsatz StPO). Gleichwohl kann die Tatsache, dass der Kläger an diesem Tag in einem von fußballbezogener Gewalt geprägten Umfeld einer Identitätsfeststellung unterzogen wurde, im Rahmen der Gefahrenprognose berücksichtigt werden. Darüber hinaus kann der unbestrittene Umstand, dass sich der Kläger an diesem Tag durch seine Bitte, einen hannoveraner Polizeibeamten zu sprechen, von den anderen Fans abgesetzt hat und zusammen mit den beiden anderen Männern „in vorderster Reihe“ als ihr Wortführer aufgetreten ist, als ein Beleg für die Einschätzung der Beklagten gewertet werden, dass es sich bei dem Kläger jeweils im hier maßgeblichen Zeitraum um „einen der führenden Köpfe“ der hannoverschen Ultra-Szene und die „unumstrittene Führungsfigur des Komplotts Hannovera“ gehandelt hat.

54

Diese Einschätzung wird zudem durch einen am 13. September 2015 in der „Hannoverschen Allgemeinen“ veröffentlichten Artikel über die Wahl zum Fanbeirat von Hannover 96 bestätigt (https://www.haz.de/Sportbuzzer/Hannover-96/Das-ist-der-neue-Hannover-96-Fanbeirat, Stand: 17.4.2018). Darin heißt es:

55

„Die Fans von Hannover 96 haben sich entschieden und die Mitglieder für den Fanbeirat gewählt. Insgesamt wurden bei der Wahl am Sonnabend vor dem Spiel gegen Borussia Dortmund 1305 Stimmzettel ausgefüllt. Bis zu sieben Stimmen konnten pro Stimmzettel für die zehn Kandidaten abgeben werden. Und das sind die sieben gewählten Vertreter im Fanbeirat […]

56

[Name des Klägers] (780): Der 30-Jährige gehört als Vertreter des Komplott Hannovera einer der aktivsten Gruppen der aktiven Fanszene an."

57

Auf der - zwischenzeitlich allerdings geänderten - Homepage des Komplott Hannovera (https://wp.kh98.de) konnte man jedenfalls bis zum 13. Juni 2016 Folgendes lesen:

58

„In den mittlerweile mehr als 14 Jahren seit der Gründung haben wir viele wertvolle Erfahrungen sammeln können. Eine der wichtigsten Erfahrungen ist unter anderem auch jene, dass man im Komplott Hannovera nicht einfach Mitglied werden kann. Wir sind eine geschlossene Gruppe und entscheiden auch als solche, wer zu uns passt und wer nicht. […]

59

Die seit Jahrhunderten bestehende Rivalität zwischen dem Hannover und dem Braunschweig wird unsererseits auf jede erdenkliche Art und Weise gelebt. Da das Streben eines Vereins nach dem maximalen Erfolg in der Natur des sportlichen Wettkampfes liegt, ist eine ablehnende Grundhaltung gegenüber jedem sportlichen Gegner unseres Hannoverschen Sportvereins aus unserer Sicht eine Selbstverständlichkeit. Ebenso hoch in unserer Gunst stehen selbsternannte Moralapostel und die Bullen.“

60

Berücksichtigt man vor diesem Hintergrund den unbestrittenen Vortrag der Beklagten, dass sämtliche Mitglieder des Komplott Hannovera von den szenekundigen Beamten als gewaltbereite/-suchende Fans angesehen werden, wird deutlich, dass es sich bei den Mitgliedern des Komplott Hannovera nicht um „normale“, friedliebende Fans handelt, sondern dass sie bei ihrem „auf jede erdenkliche Art und Weise gelebten“ Streben nach „dem maximalen Erfolg“ vor Verstößen gegen die Öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht zurückschrecken, sondern sie sich - zumindest partiell - wissentlich und willentlich über die geltende Rechtsordnung hinwegsetzen.

61

Soweit der Kläger in Bezug auf den Vorfall vom 21. November 2015 weiter eingewandt hat, dass die Anzahl der kontrollierten Personen mit 238 Personen derart hoch gewesen sei, dass daraus keinerlei Rückschlüsse auf sein individuelles Verhalten hätten gewonnen werden können, und dass dem Verlaufsbericht keine Anzahl derjenigen Personen zu entnehmen sei, die hinter den Angreifern hergelaufen sei, wobei kaum davon auszugehen sei, dass 238 Personen die Angreifer verfolgt hätten, ist dies im Ausgangspunkt zutreffend. Entgegenzuhalten ist ihm diesbezüglich allerdings, dass nicht sämtliche hannoveraner Fans einer Identitätskontrolle unterzogen wurden, sondern nur diejenigen, die die Polizei als „(Problem-)Fans“ eingeordnet hatte, während „Familien, Personen mit Einkaufstüten, ältere Menschen, auch offenkundig normale 96-Fans“ keiner Kontrolle unterzogen wurden und der mit 430 „Normalfans“ besetzte Fanzug den Hauptbahnhof aufgrund des Nothalts des anderen Zuges zwar verspätet, aber ohne Zwischenfälle erreicht hat. Zudem kann man den vorgelegten Berichten insgesamt entnehmen, dass zwischen 60 und 170 hannoveraner Fans an der Auseinandersetzung beteiligt waren (30 bis 40 vermummte Personen haben den Zug angegriffen, während an der späteren Auseinandersetzung mit hannoveraner Fans „100 bis 200 Personen“ beteiligt waren), wodurch die Anzahl der 238 kontrollierten Personen entsprechend relativiert wird bzw. sich die Anzahl der aus Sicht des Klägers „anlasslos“ kontrollierten Personen deutlich reduziert. Letztlich kommt es darauf aber aus Sicht des Senats nicht entscheidend an. Maßgeblich ist vielmehr, dass aus dem Vorfall vom 21. November 2015 zweierlei Rückschlüsse gezogen werden können: Zum einen lässt das beschriebene Verhalten des Klägers gegenüber dem szenekundigen Beamten sein überdurchschnittliches Engagement und seine Führungsrolle innerhalb der hannoveraner (Ultra- )Fanszene erkennen. Zum anderen belegt dieser Vorfall in der Gesamtschau mit den anderen dargestellten Vorfällen, dass sich der Kläger im maßgeblichen Zeitraum wiederholt in einem von fußballbezogener Gewalt geprägtem Umfeld aufgehalten und dabei polizeilich in Erscheinung getreten ist.

62

(3) Die vom Kläger hinsichtlich der Identitätsfeststellung am 4. April 2015 angeführte Kritik, dass aus dem vorgelegten Verlaufsbericht weder eindeutig zu entnehmen sei, dass er unmittelbar in die Auseinandersetzungen auf dem Bahnhofsvorplatz verwickelt gewesen sei, noch in welcher der aufgeführten Gruppen der hannoveraner Fans, deren Identität im Hauptbahnhof festgestellt wurde, er sich konkret befunden habe, ist in tatsächlicher Hinsicht ebenfalls zutreffend. Daher kann der Senat auch die vom Kläger mit seinem Beweisantrag zu 1) zum Beweis gestellte Tatsache, „dass sich der Kläger am 4. April 2015 nicht an den Gewalttätigkeiten beteiligte, sondern sich vielmehr in deutlichem Abstand - von mindestens 50 Metern - zu den Geschehnissen aufhielt“, als wahr unterstellen (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 2, letzter Halbsatz StPO). Für die vorzunehmende Gefahrenprognose folgt daraus, dass die am 4. April 2015 durchgeführte Identitätsfeststellung für sich gesehen auch nicht ausreichen würde, um die Prognose zu stützen. Die Tatsache, dass der Kläger an diesem Tag erneut im Umfeld von fußballbezogener Gewalt angetroffen wurde und erneut einer präventivpolizeilichen Maßnahme unterzogen wurde, ist jedoch ein weiteres - wenn auch vergleichsweise wenig aussagekräftiges - Indiz, welches im Rahmen der Gesamtbetrachtung berücksichtigt werden kann.

63

(4) Sofern der Kläger in Bezug auf den Vorfall am 12. September 2015 bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat sinngemäß eingewandt hat, dass er sich zum Zeitpunkt der Identitätskontrolle nur zufällig in dem Penny-Markt befunden habe, kann dies vor dem Hintergrund des vorgelegten Einsatzprotokolls nur als Schutzbehauptung gewertet werden, die er bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Übrigen in keiner Weise nachvollziehbar substantiiert hat. Aus der erwähnten Protokollliste ergibt sich vielmehr, dass sich die zwei bis drei Personen, die im Penny-Markt einer Identitätskontrolle unterzogen wurden und zu denen der Kläger unstreitig gehörte, aus der Gruppe der - jedenfalls zuvor teilweise vermummten - „Ultras 96“ gelöst hatten. Bei der dabei offensichtlich erfolgten Zerstreuung der Gruppe und ihrer Aufteilung in Kleingruppen handelt es sich nach dem insofern unbestrittenen und für den Senat nachvollziehbaren und plausiblen Vortrag der Beklagten um ein der szenekundigen Polizei bekanntes Verhalten, welches dazu dient, sich polizeilichen Maßnahmen zu entziehen. Eine Gesamtbetrachtung der am frühen Abend des 12. Septembers 2015 protokollierten Ereignisse legt es somit nahe, dass sich der Kläger zunächst in einer Gruppe von ca. 100 Ultras befand und anschließend versucht hat, sich der polizeilichen Kontrolle zu entziehen.

64

Vor diesem Hintergrund war der von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung als Beweisantrag zu 3) gestellte Antrag, „zum Beweis der Tatsache, dass sich der Kläger nicht in einer Gruppe teilweise vermummter Fans am Hauptbahnhof Hannover befunden hat, dass sich der Kläger in dem Penny-Supermarkt an der E. straße alleine aus dem Grund aufgehalten hat, um für ein geplantes Kochen in der F. straße, 30161 Hannover aufgehalten hat, um dort die notwendigen Einkäufe vorzunehmen“, den Zeugen I. zu vernehmen, nach § 87 b Abs. 3 VwGO zurückzuweisen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn (1.) ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und (2.) der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und (3.) der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist. Die danach erforderlichen Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger ist durch gerichtliche Verfügung 20. März 2018 unter Bezugnahme auf § 87 b Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgefordert worden, bis zum 19. April 2018 zusätzliche Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung er sich beschwert fühlt. Zugleich ist er darüber belehrt worden, dass Erklärungen, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, unter den Voraussetzungen des § 87 b Abs. 3 VwGO zurückgewiesen werden können. Diese Frist hat der Kläger fruchtlos verstreichen lassen. Da die von ihm erstmals in der mündlichen Verhandlung beantragte Beweisaufnahme durch Vernehmung eines Zeugens die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte - die Sache hätte vertagt und nach Ladung des Zeugen erneut verhandelt werden müssen - und er keinerlei Gründe vorgetragen hat, die diese Verspätung entschuldigen könnten, liegen die tatbestandlichen Voraussetzung für eine Zurückweisung des Beweisantrags zu 3) nach § 87 b Abs. 3 VwGO vor.

65

Im Rahmen der von dem Senat nach § 87 b Abs. 3 VwGO vorzunehmenden Ermessensentscheidung kommt dem Zweck des § 87 b Abs. 3 VwGO, vermeidbare Verfahrensverzögerungen zu verhindern, ein größeres Gewicht zu, als den Interessen des Klägers, seine erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Begründung, warum er sich am frühen Abend des 12. Septembers 2015 im Penny-Markt aufgehalten hat, durch die Aussage des von ihm als Zeugen benannten Herrn I. unter Beweis zu stellen. Dies folgt zunächst daraus, dass die vom Kläger zum Beweis gestellte Tatsache, dass er sich nicht in einer Gruppe teilweise vermummter Fans am Hauptbahnhof befunden habe, auch durch die von ihm angekündigte Zeugenaussage nicht eindeutig belegt oder widerlegt wäre. Denn der Kläger hätte auch dann im Penny-Markt für einen Kochabend einkaufen können, wenn er zuvor Teil der erwähnten Gruppe war. Dementsprechend wäre eine solche Zeugenaussage auch nicht geeignet, die aufgrund des vorgelegten Polizeiberichts naheliegende Annahme, dass der Kläger vor der Identitätsfeststellung im Penny-Markt Teil der in dem Bericht erwähnten, teilweise vermummten Gruppe war, zweifelsfrei zu erschüttern. Hinzu kommt, dass die von der Beklagten vorgenommene Gefahrenprognose im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung auch dann nicht zu beanstanden wäre, wenn der Kläger zuvor nicht Teil der zunächst vermummten Gruppe gewesen wäre. Denn der Kläger bestreitet nicht, am 12. September 2015 das Fußballspiel besucht zu haben und im Anschluss daran im Penny-Markt kontrolliert worden zu sein. Weil sich in diesem Penny-Markt ausweislich des Polizeiberichts jedenfalls auch Personen befunden haben, die zuvor Teil der erwähnten Gruppe waren, kann die Tatsache, dass er an diesem Tag erneut einer Identitätsfeststellung unterzogen wurde, (jedenfalls) den Rückschluss rechtfertigen, dass er wiederholt im Zusammenhang mit fußballbezogener Gewalt einer polizeilichen Maßnahme unterzogen wurde. Vor diesem Hintergrund war die mit dem Antrag zu 3) beantragte Beweiserhebung auch nicht entscheidungserheblich.

66

Dessen ungeachtet hat der Senat im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Zurückweisung des Beweisantrags nach § 87 b Abs. 3 VwGO noch Folgendes berücksichtigt: Ausweislich des vorgelegten Polizeiberichts fand am Abend des 12. September 2015 ab 20.00 Uhr in den Räumlichkeiten des Fanprojekts in der V. straße in Hannover ein Fest der hannoverschen Ultraszene anlässlich der an diesem Tag erfolgten Wahl des Fanbeirats mit 80 bis 100 Personen statt. Da neben dem Kläger auch der von ihm benannte Zeuge I. an diesem Tag zu den insgesamt sieben gewählten Fanbeiratsmitgliedern gehörte (vgl. dazu den oben zitierten Artikel in der „Hannoverschen Allgemeinen“ v. 13.9.2015), erscheint es abwegig, dass zwei gewählte Vertreter einer auch ihrer Wahl geltenden Feier fernbleiben und stattdessen in einer in der Nähe der Feier gelegenen Wohnung einen privaten Kochabend durchführen. Vor diesem Hintergrund hätte die Angabe des Klägers, er habe im Penny-Markt für einen Kochabend eingekauft, somit auch dann einer weitergehenden kritischen Überprüfung unterzogen werden müssen, wenn sie von Herrn I. bestätigt worden wäre. Im Rahmen dieser weitergehenden Überprüfung wären ggf. mehrere weitere Zeugen (z.B. Teilnehmer der Fanbeirat-Feier) zu vernehmen gewesen, wodurch eine zusätzliche, über die durch die Zeugenvernehmung des Herrn I. hinausgehende Verzögerung des Verfahrens gedroht hätte.

67

Schließlich erschüttert auch der von dem Kläger in seinem Beweisantrag zu 3) angeführte Verweis auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln, wonach das alleinige Antreffen einer Person im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Fußballfans nicht ausreiche, um ein Aufenthaltsverbot zu rechtfertigen (Urt. v. 14.9.2015 - 20 K 699/14 -, juris), nicht die von der Beklagten vorgenommene Gefahrenprognose. Denn der von dem Verwaltungsgericht Köln entschiedene Fall weicht in zwei maßgeblichen Punkten von dem hier vorliegenden ab. Zum einen hat die nordrhein-westfälische Polizei lediglich einen einzigen Vorfall benannt, um ihre Gefahrenprognose zu stützen. Der dortige Kläger wurde fast drei Stunden nach der Auseinandersetzung an einem anderen Ort angetroffen, ohne dass es Erkenntnisse darüber gab, dass er sich an der Auseinandersetzung beteiligt hätte. Zum anderen war der dortige Kläger zuvor nicht szenetypisch in Erscheinung getreten und den szenekundigen Beamten nicht bekannt. Vorliegend hat die Beklagte jedoch nicht nur einen, sondern diverse Vorfälle benannt, bei denen der Kläger im Zusammenhang mit fußballbezogener Gewalt polizeilich in Erscheinung getreten ist. Zudem handelt es sich bei dem hiesigen Kläger, wie ausgeführt, um eine sowohl in der Fußballfanszene als auch den szenekundigen Beamten bekannte Führungsfigur.

68

(5) Soweit der Kläger hinsichtlich des in tatsächlicher Hinsicht unbestrittenen Vorfalls vom 2. April 2016 (Hochalten des „ACAB“-Schildes) und des diesbezüglich - ebenfalls unstreitig - gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens wegen Beleidigung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 17.6.2016 - 1 BvR 257/14 -, BayVBl 2016, 807, juris, und Beschl. v. 17.6.2016 - 1 BvR 2150/14 -, NJW 2016, 2643, juris) verweist, wonach in einem solchen Verhalten keine Beleidigung zu sehen sei, kann dies die Gefahrenprognose bereits deshalb nicht erschüttern, weil es, wie oben ausgeführt, nicht darauf ankommt, ob ein eingeleitetes Ermittlungsverfahren zu einer Verurteilung geführt hat oder zukünftig führen wird. Auch wenn es sich bei dem Hochhalten des „ACAB-Schildes“ nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht um ein strafrechtlich relevantes Verhalten gehandelt hat und das Ermittlungsverfahren nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers mittlerweile am 29. August 2016 durch die Staatsanwaltschaft Hannover nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, kann dieser Vorfall unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung und dem aus Sicht des Klägers zu Unrecht eingeleiteten Ermittlungsverfahrens als ein weiteres - wenn auch wenig bedeutsames - Indiz im Rahmen der Gefahrenprognose berücksichtigt werden. Darüber hinaus bestätigt auch dieser Vorfall vom 2. April 2016, dass sich der Kläger persönlich und engagiert für die auch vom Komplott Hannovera propagierte „ablehnende Grundhaltung gegenüber Bullen“ einsetzt.

69

Der vom Kläger als Beweisantrag zu 4) gestellte Antrag, „zum Beweis der Tatsache, dass die Beklagte zur nachträglichen Untermauerung ihrer Gefahrenprognose ein unverhältnismäßiges Strafverfolgungsinteresse gegen den Kläger hegt und insoweit ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hatte, auf das in dem hiesigen Verfahren Bezug genommen wurde, obschon von Vornherein feststand, dass dieses Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt werden würde“, die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Hannover (Az. W.) beizuziehen und in Augenschein zu nehmen sowie eine namentlich benannte Polizeikommissarin als Zeugin zu laden, war deshalb abzulehnen, weil damit keine entscheidungserheblichen Tatsachen unter Beweis gestellt worden sind (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 2, Var. 2 StPO).

70

(6) Den vom Kläger hinsichtlich der am 4. März 2016 durchgeführten Telefonüberwachung sowie in Bezug auf das darüber von der Beklagten vorgelegte Gesprächsprotokoll vorgebrachten Einwand, dass daraus nicht geschlossen werden könne, dass er sich tatsächlich an einer Auseinandersetzung mit bremer Fans habe beteiligen wollen, und er nicht gewusst habe, dass andere seine Teilnahme an diesem Treffen angekündigt bzw. erwartet hätten, wertet der Senat als Schutzbehauptung. Denn das vorgelegte Telefonprotokoll lässt zusammen mit dem ansonsten unbestrittenen Vortrag der Beklagten zu der für den 4. März 2016 geplanten Drittortauseinandersetzung zwischen Bremern und Hannoveranern den Rückschluss zu, dass der Kläger seine Beteiligung zugesagt hatte. Dabei teilt der Senat die Einschätzung der Beklagten, dass die Formulierung, dass „selbst [Name des Klägers] und das KH“ rumkommen, dafür spricht, dass die Gesprächsteilnehmer der erwarteten Teilnahme des Klägers und des „KH“ (= Komplott Hannovera) einen besonderen Stellenwert beigemessen haben und dass diese Erkenntnis im Rahmen der Gefahrenprognose berücksichtigt werden kann. Auf die vom Kläger an der Rechtmäßigkeit der Telefonüberwachung sowie der strafprozessualen Verwertbarkeit des vorgelegten Telefonprotokolls geäußerten Zweifel kommt es für die hier vorzunehmende öffentlich-rechtliche Gefahrenprognose nicht an.

71

Eine Gesamtschau der erwähnten Vorfälle lässt somit den Rückschluss zu, dass der Kläger im Zeitraum von November 2013 bis Februar 2016 wiederholt in einem von fußballbezogener Gewalt geprägten Umfeld polizeilich in Erscheinung getreten ist und in einer zur Gewalt neigenden Fußballszene eine aktive (Führungs-)Rolle innehatte. Eine Gesamtbetrachtung sämtlicher aufgeführter Vorfälle und Indizien rechtfertigte somit die Annahme, dass in der Fußballsaison 2016/2017 die Begehung von fußballbezogenen Straftaten durch den Kläger drohte.

72

Da somit bereits die genannten Vorfälle, die sich im Zeitraum zwischen November 2013 und Februar 2016 und damit vor Erlass des streitgegenständlichen Aufenthaltsverbots ereignet haben, die vorzunehmende Gefahrenprognose rechtfertigen, kommt es auf die Bewertung des von der Beklagten erstmals im Rahmen des Berufungsverfahrens vorgetragenen Ereignisses vom 1. April 2017 (Aufenthalt im Biergarten „H.“ mit anschließender Ingewahrsamnahme des Klägers) nicht mehr entscheidungserheblich an.

73

2. Das streitgegenständliche Aufenthaltsverbot war auch verhältnismäßig. Es war insbesondere geeignet, Straftaten des Klägers im Zusammenhang mit fußballbezogener Gewalt zu verhindern. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt auch die fortbestehende Möglichkeit, bei Auswärtsspielen die Auseinandersetzung mit gegnerischen Gruppierungen zu suchen oder außerhalb der Verbotszone an Drittort-auseinandersetzungen teilzunehmen, die Geeignetheit des Aufenthaltsverbots nicht in Frage. Denn die Geeignetheit einer Maßnahme erfordert nicht, dass der mit ihr verfolgte Zweck sicher und vollständig erreicht wird, vielmehr ist es ausreichend, wenn sie ihrem Zweck förderlich ist. Letzteres ist hier schon deshalb gegeben, weil durch das Aufenthaltsverbot verhindert werden konnte, dass sich der Kläger an den Heimspieltagen von Hannover 96 und Hannover 96 II in unmittelbarer Umgebung der drei betroffenen Stadien und entlang der Hauptroute zwischen der HDI Arena und dem Hauptbahnhof in einem von fußballbezogener Gewalt geprägten Umfeld aufgehalten hat.

74

Mildere, den Kläger weniger beeinträchtigende, aber ebenso wirksame Maßnahmen standen nicht zur Verfügung. Zwar kann der vom Kläger angeführte kurzfristige Platzverweis nach § 17 Abs. 1 Nds. SOG grundsätzlich als milderes Mittel angesehen werden, er ist jedoch aufgrund des Umstandes, dass er nur vorübergehend angeordnet werden darf, nicht gleichermaßen effektiv wie das streitgegenständliche Aufenthaltsverbot. Soweit der Kläger vor dem Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Verhältnismäßigkeit des Aufenthaltsverbots auch Ausführungen zu einem Stadionverbot als vermeintlich milderes Mittel gemacht hat, verkennt er, dass es sich dabei um ein zivilrechtliches Instrumentarium handelt und für die Verhängung eines Stadionverbots nicht die Beklagte, sondern der Verein Hannover 96 zuständig ist. Dass Vorliegen eines milderen Mittels setzt jedoch voraus, dass die für die streitgegenständliche Anordnung zuständige Behörde auch für die Anwendung des (vermeintlich) milderen Mittels zuständig ist. Dessen ungeachtet wäre ein Stadionverbot auch nicht gleichermaßen effektiv, da es die Begehung von Straftaten außerhalb des Stadions - und damit in denjenigen Bereichen, in denen sich abgesehen von dem Hochhalten des „ACAB-Schildes“ sämtliche dargestellten und für die Gefahrenprognose relevanten Vorfälle ereignet haben - nicht erfassen würde.

75

Vor diesem Hintergrund war auch der von dem Kläger mit seinem Beweisantrag zu 5) gestellte Antrag, „zum Beweis der Tatsache, dass die Beklagte in diesem Verfahren unwahre Tatsachen vorgetragen hat“, weil sie zunächst gegenüber dem Verein Hannover 96 ein Stadionverbot angeregt und dieses für ein milderes Mittel gehalten habe, den Stadionbeauftragten von Hannover 96 sowie zwei bei der Beklagten tätige Beamte zu vernehmen, als nicht entscheidungserheblich abzulehnen (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 2, Var. 2 StPO). Bei der Frage, ob anstelle einer streitgegenständlichen Maßnahme ein milderes Mittel existiert, handelt es sich zudem um eine Wertungsfrage, die dem Beweis nicht zugänglich ist. Da ein Stadionverbot vorliegend, wie ausgeführt, kein gleichermaßen effektives aber weniger einschneidendes Mittel darstellte, kommt es auch nicht darauf an, ob die Beklagte - wie der Kläger meint - ein Stadionverbot zunächst als milderes Mittel angesehen hat. Maßgeblich ist, dass sie das Aufenthaltsverbot zum Zeitpunkt seines Erlasses für geeignet, erforderlich und angemessen hielt und dass diese Einschätzung einer gerichtlichen Überprüfung standhält.

76

Das Aufenthaltsverbot war auch sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht angemessen, d.h. verhältnismäßig im engeren Sinne. Zwar stellte das streitgegenständliche Aufenthaltsverbot einen nicht unerheblichen Eingriff in das Grundrecht auf Freizügigkeit des Klägers aus Art. 11 Abs. 1 GG dar. Denn sein Recht, an einem selbstgewählten Ort Aufenthalt zu nehmen, wurde in der Fußballsaison 2016/2017 an den Heimspieltagen der benannten Vereine - nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten zusammen insgesamt an ca. 40 Tagen - für die vom Aufenthaltsverbot betroffenen Bereiche im Gebiet der Stadt Hannover eingeschränkt. Dieser Eingriff war aber vom Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG gedeckt, weil mit § 17 Abs. 4 Nds. SOG eine formell-gesetzliche Regelung besteht, die erforderlich ist, um strafbaren Handlungen vorzubeugen. Auch der mit dem Aufenthaltsverbot zugleich verbundene Eingriff in das Recht des Klägers auf allgemeine Handlungsfreiheit war unabhängig von der Frage, ob Art. 2 Abs. 1 GG in solchen Fällen neben Art. 11 GG anwendbar ist, gerechtfertigt, da die allgemeine Handlungsfreiheit durch die Rechte anderer und die verfassungsgemäße Ordnung begrenzt wird (siehe Art. 2 Abs. 1 GG) und das Aufenthaltsverbot gerade der Sicherung der Rechte anderer sowie der verfassungsgemäßen Ordnung diente. Die mit dem Aufenthaltsverbot für den Kläger verbundenen Rechtsbeeinträchtigungen standen auch nicht außer Verhältnis zu dem mit dem Aufenthaltsverbot beabsichtigten Erfolg, denn die Beklagte schützte mit den räumlich wie zeitlich eingegrenzten Maßnahmen insbesondere Leib und Leben von anderen Menschen und damit Rechtsgüter von besonders hohem Rang (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sowie VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.5.2017 - 1 S 160/17 -, a.a.O., juris, Rn. 70). Zudem ist den Interessen des Klägers ausreichend dadurch Rechnung getragen worden, dass das Aufenthaltsverbot auf die Heimspiele der genannten Vereine sowie auf die drei genau beschriebenen Bereiche beschränkt wurde. Darüber hinaus hat die Beklagte in dem Bescheid ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aus besonderem Anlass eine Ausnahme von dem Aufenthaltsverbot beantragt werden kann.

77

3. Die Beklagte hat auch das ihr nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Sie ist insbesondere zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Ermessensabwägung zwischen den betroffenen Rechtsgütern dazu führt, dass das öffentliche Interesse gegenüber den Interessen des Klägers höher einzustufen war. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren pauschal seinen bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgebrachten Einwand, dass ein Ermessensausfall festzustellen sei, wiederholt, dringt er damit nicht durch. Hinsichtlich seiner im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgetragenen Kritik, die Beklagte habe 45 gleichartige Verfügungen gegen insgesamt 45 Betroffene erlassen, ohne einzelfallbezogene Ermessensentscheidungen zu treffen, hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Beklagte ihr Entschließungsermessen zutreffend erkannt und ausgeübt habe. Auch ein Ausfall des Auswahlermessens werde weder durch den inhaltlichen Gleichlauf der Verfügungen indiziert noch sei er sonst erkennbar. Der Erlass gleichartiger Verfügungen entspreche den Charakteristika der fußballbezogenen Gewalt als Gruppenphänomen und erleichtere im Übrigen die Durchsetzung der Verfügung, weil Verstöße leichter feststellbar seien, wenn bei Antreffen eines Adressaten der individuelle Geltungsbereich nicht erst ermittelt werden müsse. Mit diesen zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts, die sich der Senat zu eigen macht, hat sich der Kläger im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht auseinandergesetzt.

78

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

79

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

80

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

 


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