Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (7. Senat) - 7 P EK 1/17

Tatbestand

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Der Kläger begehrt eine Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

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Seit 1990 machte der Kläger gegen den Landkreis Mansfeld-Südharz bzw. dessen Rechtsvorgänger vermögensrechtliche und weitere Ansprüche wegen rechtswidriger Enteignung von Grundstücken eines landwirtschaftlichen Betriebs, die er 1972/73 mit den zugehörigen Belastungen vertraglich erworben hatte und die nach seiner Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR und Ausreise in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland unter staatliche Verwaltung gestellt und 1980 in Volkseigentum überführt worden waren, sowie damit im Zusammenhang stehender Maßnahmen geltend. Dabei erhob er auch Ansprüche wegen „Restschäden“, unter anderem wegen nicht zurückgegebenen Betriebsinventars und der Abwicklung eines Pachtvertrags, und verlangte Auskunft über alle zur Durchsetzung seiner Ansprüche erforderlichen Informationen. 2005 erklärte er, seine Anträge wegen unerledigter Restschäden seien zugleich als Antrag nach dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz zu werten.

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Mit seiner am 27. Januar 2010 ohne anwaltliche Vertretung beim Verwaltungsgericht Halle zu dem Aktenzeichen 1 A 19/10 HAL erhobenen Klage (Ausgangsverfahren) begehrte der Kläger unter Berufung auf § 75 VwGO ursprünglich, die Erledigung seines vermögensrechtlichen Antrags Nr. 1 festzustellen und den Landkreis Mansfeld-Südharz zur Bescheidung der (weiteren) Anträge auf Gewährung einer Entschädigung nach dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz binnen vier Wochen zu verpflichten. Das Verwaltungsgericht setzte das Verfahren im Erörterungstermin vom 26. Juli 2010 auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten bis zur bestandskräftigen Entscheidung über die in einem anderen Verfahren mit dem späteren Aktenzeichen 1 A 20/12 HAL erhobenen vermögensrechtlichen Ansprüche wegen des landwirtschaftlichen Betriebs aus.

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Mit Beschlüssen vom 13. Oktober 2011, 9. Mai 2012 (berichtigt am 15. Mai 2012) und 20. Juni 2012 lehnte das Verwaltungsgericht verschiedene verfahrensbezogene Anträge des Klägers, unter anderem auf Fortsetzung des Verfahrens, Beiladung des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt - Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen - und Berichtigung des Aussetzungsbeschlusses, ab. Am 22. Oktober 2012 erhob der Kläger erstmals Verzögerungsrüge. In dem Verfahren 1 A 20/12 HAL erklärte er im Verhandlungstermin vom 26. November 2012 zu Protokoll, er nehme seine vermögensrechtlichen Ansprüche mit Ausnahme des Anspruchs aus § 13 VermG und der - seinerzeit - in der zugrunde liegenden Klage verfolgten Ansprüche zurück; er habe auch keine weiteren verwaltungsgerichtlich geltend zu machenden vermögensrechtlichen Ansprüche.

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Am 1. Februar 2013 wiederholte der Kläger die Verzögerungsrüge. Mit Beschluss vom 14. Februar 2013 wurde das nunmehr unter dem Aktenzeichen 1 A 113/13 HAL geführte Verfahren auf den Einzelrichter übertragen. Unter dem 15. Februar 2013 setzte das Verwaltungsgericht die Beteiligten über die Wiederaufnahme des Verfahrens in Kenntnis und lud sie zur mündlichen Verhandlung am 17. April 2013. Mit Schriftsatz vom 2. März 2013 beantragte der Kläger die Ablehnung der „beteiligten Richter“ wegen Besorgnis der Befangenheit.

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Mit Bescheid vom 18. März 2013 lehnte der Landkreis Mansfeld-Südharz den Antrag des Klägers nach dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz ab, wogegen der Kläger unter dem 17. April 2013 Widerspruch erhob. Den Befangenheitsantrag des Klägers gegen den Einzelrichter wies das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 5. April 2013 zurück. Durch Verfügung vom 8. April 2013 hob der Einzelrichter den auf den 17. April 2013 bestimmten Verhandlungstermin auf. Mit Schriftsatz vom 22. April 2013 stellte der Kläger einen weiteren Befangenheitsantrag, der mit Beschluss vom 9. Juli 2013 abgelehnt wurde. Am 27. Mai 2013 erneuerte der Kläger die Verzögerungsrüge und stellte mit Schriftsatz vom 8. August 2013 einen Befangenheitsantrag. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss vom 9. Juli 2013 wurde vom Bundesverwaltungsgericht am 1. Oktober 2013 - 8 B 52.13 -, die gegen diesen Beschluss erhobene Gegenvorstellung am 28. Oktober 2013 - 8 KSt 5.13 - verworfen. Am 12. Dezember 2013 wiederholte der Kläger abermals die Verzögerungsrüge.

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Den Befangenheitsantrag des Klägers vom 8. August 2013 wies das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. März 2014 als unbegründet zurück. Am 28. April 2014 beraumte der Einzelrichter den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 23. Juni 2014 an. Mit Schriftsatz vom 24. Mai 2014 beantragte der Kläger ein weiteres Mal, den Einzelrichter und die „anderen beteiligten Richter“ wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Mit Schriftsatz vom 4. Juni 2014 wurde unter Beifügung einer am 27. Mai 2014 erteilten Prozessvollmacht die anwaltliche Vertretung des Klägers angezeigt sowie die Aufhebung des Termins vom 23. Juni 2014 beantragt, um den Prozessbevollmächtigten Akteneinsicht zu ermöglichen und Zeit zur Einarbeitung zu geben. Der Einzelrichter hob den Verhandlungstermin am 5. Juni 2014 antragsgemäß auf. Den Befangenheitsantrag vom 24. Mai 2014 lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 11. Juni 2014 ab. Auf die Anfrage des Einzelrichters vom 8. September 2014, ob weiterer Vortrag erfolgen solle, baten die Prozessbevollmächtigten des Klägers um Gewährung einer Stellungnahmefrist bis zum 30. Oktober 2014. Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2014 zeigte der Kläger die Beendigung seiner anwaltlichen Vertretung an.

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Am 18. November 2014 erhob der Kläger neuerlich Verzögerungsrüge. Am 5. Dezember 2014 bestimmte der Einzelrichter den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 18. Februar 2015. Nachdem der Kläger und der Landkreis Mansfeld-Südharz ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt hatten, wurde am 4. Februar 2015 auch dieser Termin aufgehoben. Am 17. Februar 2015 erging eine Hinweisverfügung des Einzelrichters zu den Erfolgsaussichten des zuletzt auf sechs Anträge erweiterten Klagebegehrens. Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2015 stellte der Kläger gegen den Einzelrichter einen weiteren Befangenheitsantrag, den das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 11. März 2015 ablehnte. Mit Schreiben des Einzelrichters vom 6. Oktober 2015 wurden den Beteiligten weitere rechtliche Hinweise sowie Gelegenheit gegeben, sich zu beabsichtigten Abtrennungen und Verweisungen einzelner Klageansprüche an das Amts- und Landgericht zu äußern. Mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2015 stellte der Kläger gegen den Einzelrichter wiederum einen Befangenheitsantrag, den das Verwaltungsgericht am 22. Oktober 2015 zurückwies, und erhob wiederum Verzögerungsrüge. Mit Beschluss vom 4. November 2015 trennte das Verwaltungsgericht das Verfahren zum Zweck der Verweisung in den ordentlichen Rechtsweg ab, soweit das Begehren Ansprüche nach § 13 VermG, nach dem DDR-Staatshaftungsgesetz und dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz sowie jeweils daran geknüpfte Schadensersatzansprüche umfasste (1 A 245/15 bis 1 A 247/15 HAL).

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Mit Urteil vom 22. Dezember 2015 wies das Verwaltungsgericht die - verbliebene - Klage, gerichtet auf die Verpflichtung des Landkreises Mansfeld-Südharz, auf den Antrag des Klägers binnen vier Wochen einen rechtsmittelfähigen Bescheid nach dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz zu erlassen sowie ihm schriftlich Auskunft über die zur Durchsetzung seiner Ansprüche notwendigen Informationen zu erteilen, und ferner den Beklagten zu verurteilen, das „Landesvermessungsamt und Geoinformation Sachsen-Anhalt“ (gemeint wohl: Landesamt für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt) zu beauftragen, die derzeitige Liegenschaftskarte mit den in der Öffentlichkeit mit Grenzsteinen abgemarkten Eigentumsgrenzen in Übereinstimmung zu bringen und diese seit der Separation unstrittigen Grenzen für die Flurstücke 58, 59 (Weg), 74, 76 (Weg) und 83 im Liegenschaftskataster nachzuweisen, ab. Die Revision wurde vom Verwaltungsgericht nicht zugelassen. Die Anträge des Klägers vom 15. Januar 2016 auf Tatbestandsberichtigung und Urteilsergänzung gemäß §§ 119 und 120 VwGO blieben ohne Erfolg (Beschlüsse des Verwaltungsgerichts vom 4. März 2016).

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Seine beim Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil vom 22. Dezember 2015 nahm der Kläger zurück, worauf das Verfahren mit Beschluss vom 29. Januar 2016 - 3 L 6/16 - eingestellt wurde. Mit Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 8 B 32.16 - wies das Bundesverwaltungsgericht die beim Verwaltungsgericht erhobene Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision zurück. Die dagegen gerichtete Anhörungsrüge wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. April 2017 - 8 B 8.17 - verworfen. Die unter anderem gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2016, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22. Dezember 2015, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. November 2015 und den Bescheid des Landkreises Mansfeld-Südharz vom 18. März 2013 eingelegte Verfassungsbeschwerde des Klägers wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Kammerbeschluss vom 26. April 2017 - 1 BvR 810/17 - nicht zur Entscheidung angenommen.

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Am 5. Mai 2017 hat der Kläger beim Oberlandesgericht Naumburg Klage auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des verwaltungsgerichtlichen Ausgangsverfahrens eingereicht. Das Oberlandesgericht hat durch Beschluss vom 8. Juni 2017 - 1 EK 2/12 - die Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs ausgesprochen und das Verfahren an das Oberverwaltungsgericht verwiesen. Zur Begründung des Entschädigungsbegehrens macht der Kläger im Wesentlichen geltend:

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Zwar sei von beiden Beteiligten des Ausgangsverfahrens im Termin vom 26. Juli 2010 übereinstimmend die Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf das weitere Verfahren des Klägers über die Rückgabe des landwirtschaftlichen Betriebs beantragt worden. Die Behörde und das Verwaltungsgericht hätten die Sache jedoch nur zögerlich bearbeitet. Einer Fortsetzung des ausgesetzten Verfahrens habe sich das Verwaltungsgericht aus nicht nachvollziehbaren Gründen versperrt. Erst mit Urteil vom 22. Dezember 2015 habe es den Rechtsstreit - allerdings unter grober Verkennung der Rechtslage und Begehung gravierender Verfahrensfehler - zum Abschluss gebracht. Auch die mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2016 eingetretene Rechtskraft vermöge nichts daran zu ändern, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Bescheidung seiner tatsächlich gestellten Anträge nach wie vor nicht erfüllt sei. Angesichts der ungerechtfertigten Weigerung des Landkreises Mansfeld-Südharz, sich mit der Angelegenheit zu befassen, habe der Klage bereits am 26. Juli 2010 oder vorher stattgegeben werden müssen. Die Klage sei als Untätigkeitsklage im Sinne des § 75 VwGO ohne Weiteres zulässig sowie begründet und spruchreif gewesen. Die beanstandete Untätigkeit betreffe den Erlass von Bescheiden, die sich auf die Auflösung bzw. Abwicklung des Pachtvertrags, die Rückgabe von Pachtgegenständen, Pachterträge sowie den Ausgleich von Restschäden aus dem Pachtverhältnis bezögen. Da dem Kläger diese von ihm begehrten Rückgabe-/Herausgabe- und Schadensersatzbescheide bis heute nicht erteilt worden seien, sei auch keine Erledigung seiner darauf gerichteten Anträge eingetreten und mit dem Urteil vom 22. Dezember 2015 eine Beendigung des Ausgangsverfahrens in Wahrheit nicht herbeigeführt worden. Die vom Verwaltungsgericht mit der Aussetzungsentscheidung angenommene Nachrangigkeit gegenüber dem Verfahren 1 A 20/12 HAL, das dem Kläger im Übrigen (gleichfalls) rechtswidrig aufgenötigt worden sei, habe nicht bestanden. Auch für die Abtrennung des Verfahrens und die anschließenden Verweisungen in den Zivilrechtsweg habe es keine sachlichen Gründe gegeben. Vielmehr habe das Verwaltungsgericht die insoweit in Rede stehenden Klageansprüche willkürlich selbst konstruiert und zudem die Vorschrift des § 17 Abs. 2 GVG missachtet. Erkennbar sei es dem Einzelrichter allein darum gegangen, Ersatzleistungen der öffentlichen Hand zugunsten des Klägers zu vereiteln und ihn mit möglichst hohen Prozesskosten zu belasten. Hierzu seien der Sachverhalt und der Wille des Klägers mutwillig verfälscht worden.

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Die Verzögerung des Ausgangsverfahrens belaufe sich auf den Zeitraum von der erstmaligen Erhebung der Verzögerungsrüge im Oktober 2012 bis zum Jahr 2016, d. h. auf eine Dauer von fünf Jahren. Gemäß § 198 Abs. 2 GVG sei deshalb eine Entschädigung in Höhe von 6.000 € geschuldet. Dabei sei zu beachten, dass dem Kläger daraus, dass er gegebenenfalls verfahrensrechtliche Anforderungen in Bezug auf den Entschädigungsanspruch nicht gewahrt habe, kein Nachteil erwachsen dürfe, da er entgegen § 31 Abs. 3 VermG weder behördlich noch gerichtlich über die am 3. Dezember 2011 in Kraft getretenen Regelungen zum Rechtsschutz bei überlangen Verfahren unterrichtet worden sei. Für die lange Verfahrensdauer seien ausschließlich die unsachgemäße Prozessführung des Gerichts und nicht der Kläger verantwortlich.

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Der Kläger hat ursprünglich beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger als Entschädigung für die unangemessene Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens 1 A 113/13 HAL (ursprünglich 1 A 19/10 HAL) 6.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Er hat die Klage in der mündlichen Verhandlung durch Reduzierung der Klageforderung teilweise zurückgenommen und beantragt nunmehr,

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den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger als Entschädigung für die unangemessene Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens 1 A 113/13 HAL (ursprünglich 1 A 19/10 HAL) 1.600 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hält die Klage für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.

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Schon die Einhaltung der Klagefrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG sei zweifelhaft. Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2016 gelte als dem Kläger am 15. Januar 2017 bekannt gegeben, die Entschädigungsklage sei jedoch erst am 18. Juli 2017 - und damit außerhalb der Sechsmonatsfrist - zugestellt worden.

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Soweit der Kläger eine Entschädigung für Verfahrensabschnitte vor dem Bundesverwaltungsgericht begehre, komme nach § 200 Satz 1 und 2 GVG allein eine Haftung des Bundes in Betracht. Dem Beklagten fehle insoweit die Passivlegitimation.

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Das verwaltungsgerichtliche Ausgangsverfahren habe im Übrigen nicht unangemessen lange gedauert. Die Dauer des Verfahrens von nahezu sieben Jahren zwischen der Klageerhebung im Januar 2010 und dem rechtskräftigen Abschluss im Januar 2017 sei ganz überwiegend auf das Verhalten des Klägers zurückzuführen. Zu berücksichtigen sei zunächst, dass das Verfahren über einen Zeitraum von zwei Jahren und sieben Monaten (Juli 2010 bis Februar 2013) ausgesetzt gewesen sei. Ein Zeitraum von insgesamt einem Jahr und drei Monaten entfalle darüber hinaus auf Zeiten, in denen das Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung berufen gewesen sei (September 2013 bis Februar 2014 sowie März 2016 bis Januar 2017). Angesichts dessen reduziere sich die tatsächliche Verfahrenslaufzeit vor dem Verwaltungsgericht auf drei Jahre und zwei Monate. Hiervon habe bereits die Bearbeitung der Ablehnungsgesuche des Klägers insgesamt zwei Jahre und zwei Monate (März 2013 bis Oktober 2015 abzüglich fünf Monate Bundesverwaltungsgericht) in Anspruch genommen, ohne dass das Verfahren habe gefördert werden können. Zu weiteren Verzögerungen sei es gekommen, weil sich der Kläger teilweise selbst vertreten, teilweise Anwälte hinzugezogen und das Mandatsverhältnis nachfolgend wieder gekündigt habe. Auch habe der Kläger lange Zeit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht zustimmen können. Dem Gericht sei demnach lediglich ein Zeitraum von einem Jahr verblieben, um sich inhaltlich mit dem Prozessstoff auseinanderzusetzen. Von einer unangemessenen Verfahrensdauer könne damit keine Rede sein.

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Unabhängig davon habe der Kläger keine wirksame Verzögerungsrüge angebracht. Da es keine dem Gericht zurechenbaren Bearbeitungslücken gegeben habe, habe für den Kläger zu keinem Zeitpunkt Anlass zur Besorgnis bestanden, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werde. Hinzu komme, dass der Kläger am 22. Oktober 2012 - noch während der Aussetzung des Verfahrens - die Verzögerungsrüge erstmals und kaum ein Jahr später am 12. Dezember 2013 bereits zum vierten Mal erhoben habe. Die Missachtung der gesetzlichen Wiederholungsfrist von sechs Monaten führe dazu, dass die Rüge unwirksam sei und keine Rechtswirkungen entfalte.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die beigezogenen verwaltungsgerichtlichen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Soweit der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

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Die verbliebene Entschädigungsklage ist zulässig, hat aber nur in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

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1. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Auf sie finden die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes (§§ 198 bis 201 GVG) Anwendung, da nach Art. 23 Satz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011- ÜblVfRSchG - (BGBl. I S. 2302) dieses Gesetz auch für Verfahren gilt, die - wie hier (Klageerhebung am 27. Januar 2010) - bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (vgl. Art. 24 ÜblVfRSchG) bereits anhängig waren. Dabei geht der Senat davon aus (§ 88 VwGO), dass die geltend gemachte Entschädigung nicht für Nachteile verlangt wird, die gegebenenfalls auf Grund von Verzögerungen im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht eingetreten sind. Zutreffend hat der Beklagte in der Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass gemäß § 200 Satz 2 GVG insoweit die Bundesrepublik Deutschland Haftungsgegner und richtiger Beklagter wäre. Dass der Kläger (auch) die Bundesrepublik Deutschland hätte verklagen wollen, ist seinem Vorbringen nicht zu entnehmen. Überdies hätte ein solches Begehren beim Bundesverwaltungsgericht erhoben werden müssen (§ 173 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 201 Abs. 1 Satz 2 GVG). Schließlich behauptet der Kläger auch nicht, dass gerade das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht unangemessen lange gedauert hätte.

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Die Klage ist formgerecht unter Wahrung der Klagefrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des verfahrensbeendenden Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2016, der dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit formlosem, am 12. Januar 2017 zur Post gegebenem Schreiben übersandt wurde, erhoben worden. Dass dem Beklagten die an das Oberlandesgericht Naumburg gerichtete und dort am 5. Mai 2017 eingegangene Klageschrift erst am 18. Juli 2017 nach Verweisung des Rechtsstreits an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt zugestellt wurde, ändert daran entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten nichts. Aus § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG folgt, dass die Klageerhebung beim unzuständigen Gericht, das den Rechtsstreit an das zuständige Gericht verweist, die Klagefrist wahrt. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klage (vgl. § 173 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 81 Abs. 1 VwGO) auch dann an, wenn nach dem Prozessrecht des angegangenen Gerichts die Erhebung der Klage und die Begründung der Rechtshängigkeit die Zustellung der Klageschrift (vgl. § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG in Verbindung mit §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO) erfordern (vgl. Rennert, in: Eyermann, 14. Aufl. 2014, § 74 Rn. 9; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 74 Rn. 10). Auch in Ansehung der Regelung des § 90 Satz 2 VwGO, wonach in Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig wird, sowie unabhängig von der Anwendbarkeit des § 167 ZPO kommt es im vorliegenden Fall deshalb auf den Zeitpunkt der Zustellung nicht an.

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Die Klage ist auch erkennbar nicht mangels Einhaltung der Wartefrist gemäß § 173 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG, der bestimmt, dass eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach § 198 Abs. 1 GVG frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden, unzulässig (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 14. November 2016 - 5 C 10.15 D -, juris Rn. 103 m. w. N.).

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2. Die Klage ist nur teilweise begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigung seiner immateriellen Nachteile durch die unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht, sondern kann lediglich die Feststellung verlangen, dass die Verfahrensdauer unangemessen war.

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Rechtsgrundlage der vom Kläger erstrebten Wiedergutmachung ist § 173 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 198 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GVG. Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

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a) Materieller Bezugsrahmen des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs ist gemäß § 198 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 6 Nr. 1 GVG das gesamte verwaltungsgerichtliche Verfahren im Ausgangsrechtsstreit von der Klageerhebung beim Verwaltungsgericht Halle am 27. Januar 2010 bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft am 12. Januar 2017, dem Zeitpunkt, an dem der die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil vom 22. Dezember 2015 zurückweisende Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2016 zur Übersendung an die Beteiligten bzw. den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Post hinausgegeben wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2016, a. a. O. Rn. 28; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 33. EL Juni 2017, § 133 Rn. 93). Das Verfahren über die vom Bundesverwaltungsgericht als unzulässig verworfene Anhörungsrüge des Klägers sowie das Verfahren über die vom Bundesverfassungsgericht nicht angenommene Verfassungsbeschwerde haben den rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits nicht weiter hinausgezögert (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2016, a. a. O. Rn. 38, und Beschluss vom 18. Februar 2010 - 9 KSt 1.10 und 9 KSt 2.10 -, juris Rn. 4). Die Dauer des Verfahrens belief sich mithin auf einen Zeitraum von annähernd sieben Jahren; davon entfielen angesichts der am 2. und 5. Januar 2016 erfolgten Urteilszustellungen und der einmonatigen Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision etwas mehr als sechs Jahre auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht.

34

b) Die Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht, in dem der Kläger wirksam Verzögerungsrüge erhoben hat, war bei der gebotenen Gesamtabwägung nach den Umständen des Einzelfalls in einem Umfang von zwei Monaten unangemessen im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG.

35

aa) Der Kläger hat jedenfalls mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2015, beim Verwaltungsgericht am 19. Oktober 2015 eingegangen, die nach § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG erforderliche Verzögerungsrüge erhoben. Die Erhebung einer Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG stellt eine materiell-rechtliche Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs dar (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Februar 2016 - 5 C 31.15 D -, juris Rn 14, und vom 14. November 2016, a. a. O. Rn. 124). Diese Anspruchsvoraussetzung gilt nach Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG auch für anhängige Verfahren, die bei dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren schon verzögert sind, mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach dem Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden muss.

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Der Kläger war nicht gemäß Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG verpflichtet, die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes zum Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren am 3. Dezember 2011 zu erheben. Denn zu diesem Zeitpunkt war bei dem Verwaltungsgericht eine Verzögerung, die gemäß Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG unverzüglich zu rügen gewesen wäre, noch nicht eingetreten. Das Verwaltungsgericht hatte das Klageverfahren am 26. Juli 2010, d. h. sechs Monate nach seiner Einleitung, wegen Vorgreiflichkeit des Verfahrens 1 A 20/12 HAL befristet ausgesetzt (vgl. § 94 VwGO). Da der damit angeordnete Verfahrensstillstand am 3. November 2011 unverändert andauerte, bestand noch keine rügepflichtige Situation für den Kläger (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 31). Demnach blieb es vielmehr bei der Notwendigkeit einer Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG. Dieser Obliegenheit hat der Kläger jedenfalls am 19. Oktober 2015 durch Erhebung seiner „6. Verzögerungsrüge“ entsprochen. Nach § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 GVG kann die Verzögerungsrüge erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird. Es genügt die konkrete Möglichkeit einer Verzögerung (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2016, a. a. O. Rn. 125; s. zudem BT-Drs. 17/3802 S. 20). Unter Ausklammerung des Zeitraums der Verfahrensaussetzung, die am 26. November 2012 endete, war der Rechtsstreit im Oktober 2015 etwa drei Jahre und fünf Monate anhängig. Auch unter Berücksichtigung des eingehenden rechtlichen Hinweises des Einzelrichters vom 6. Oktober 2015, dem andere Hinweise zur Sache vorausgegangen waren, und angesichts der seit April 2013 mehrfach erfolgten Aufhebung von Verhandlungsterminen war aufgrund dieses Zeitablaufs die Befürchtung einer überlangen Verfahrensdauer gerechtfertigt. Auch war es in den sechs Monaten vor dem 19. Oktober 2015 zu keiner (weiteren) Wiederholung der bereits im Oktober 2012 erstmals erhobenen Verzögerungsrüge gekommen (vgl. § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 GVG). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass auch der vor einer wirksam bei dem mit dem Verfahren befassten Gericht erhobenen Verzögerungsrüge verstrichene Zeitraum des Verfahrens vor diesem Gericht in die Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer einzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Februar 2016, a. a. O. Rn. 33).

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bb) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eingetreten sind, bei Berücksichtigung des den Ausgangsgerichten insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 29. Februar 2016, a. a. O. Rn. 15, und vom 14. November 2016, a. a. O. Rn. 135 m. w. N.). Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist nicht von festen Zeitvorgaben oder abstrakten Orientierungs- bzw. Anhaltswerten auszugehen, sondern eine Einzelfallprüfung insbesondere im Hinblick auf die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Kriterien der Schwierigkeit des Verfahrens, seiner Bedeutung für den Kläger und des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten sowie mit Blick auf die Verfahrensführung durch das Gericht vorzunehmen (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Februar 2016, a. a. O. Rn. 16, und vom 14. November 2016, a. a. O.).

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(1) Der Schwierigkeitsgrad des Ausgangsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist als überdurchschnittlich anzusehen. Im Hinblick auf die vom Gericht letztlich zu lösenden Rechtsfragen ist das Verfahren zwar allenfalls als mittelschwer einzustufen. Dafür spricht nicht nur die Übertragung des Verfahrens von der Kammer auf den Einzelrich-ter nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.3 D -, juris Rn. 21, und vom 29. Februar 2016, a. a. O. Rn. 17), sondern auch der überschaubare Begründungsaufwand, den die etwa zwei Seiten einnehmende Erörterung der Sachanträge des Klägers in den Entscheidungsgründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 22. Dezember 2015 erfordert hat. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass mit den vom Kläger geltend gemachten Begehren auf Bescheidung nach dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz, Auskunftserteilung und Einwirkung auf eine Drittbehörde nicht alltägliche Probleme eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Rede standen und der Kläger über diese Anträge hinaus verschiedene weitere Ansprüche erhoben hatte, deren Rechtswegzugehörigkeit zu untersuchen war. Die Einschätzung einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit des Verfahrens ergibt sich maßgeblich jedoch nicht aus rechtlichen Gesichtspunkten, sondern daraus, dass der Vortrag des Klägers sowohl umfangreich als auch unübersichtlich und inhaltlich zum Teil nicht leicht zu erfassen war. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht umfangreicher Klägervortrag einen überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad begründen, zumal wenn hinzukommt, dass ein Kläger vor demselben Spruchkörper weitere Verfahren parallel betreibt und zum Teil Schriftsätze einreicht, die sich auf mehrere Verfahren beziehen, so dass diese dahingehend ausgewertet werden müssen, inwieweit sie für welches Verfahren entscheidungserhebliches Vorbringen enthalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2016, a. a. O. Rn. 145). So verhielt es sich hier. Mehrere Schriftsätze des Klägers bezogen sich ausdrücklich zugleich auf das Ausgangsverfahren und das Verfahren 1 A 20/12 HAL. Unabhängig davon waren die Ausführungen, nicht zuletzt wegen fortlaufender Vermengung von tatsächlichen, formell-, materiell-rechtlichen Einlassungen sowie Vorwürfen gegenüber Behörden und Gericht, teilweise schwer nachvollziehbar.

39

(2) Die Bedeutung des Verfahrens für den Kläger ist als mehr als durchschnittlich zu bewerten. Zwar hatte der Rechtsstreit für den Kläger keine wirtschaftlich existenzielle Bedeutung. Ihm ging es aber in der Sache um einen Ausgleich für Maßnahmen, die im Zusammenhang mit seiner Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR und seiner Ausreise in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den 1970er Jahren standen. Diese Ansprüche gehörten zu den vermögensrechtlichen und weiteren Ansprüchen, die der Kläger bereits seit 1990 verfolgte. Er hatte an der beschleunigten Klärung dieser Ansprüche ein erhebliches Interesse (vgl. ThürOVG, Urteil vom 8. Januar 2014 - 2 SO 182/12 -, juris Rn. 77).

40

(3) Im Hinblick auf das in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausdrücklich genannte Kriterium des „Verhaltens der Verfahrensbeteiligten“ ist zu berücksichtigen, dass im Einzelfall ausnahmsweise auch durch zulässiges Prozessverhalten eines Verfahrensbeteiligten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen in dessen Verantwortungsbereich fallen können. Das gilt etwa für die beantragte Verlängerung von Begründungsfristen. Ebenso darf ein Verfahrensbeteiligter keinen entschädigungsrechtlichen Vorteil daraus ziehen, dass er unstrukturierte umfangreiche Schriftsätze und Stellungnahmen bei Gericht einreicht oder Anträge wie z.B. Befangenheitsanträge stellt, denen das Gericht nachgehen muss, auch wenn dies letztlich nicht zur Kenntniserlangung oder Verfahrensförderung beiträgt oder sich in der Wiederholung immer gleichen Vorbringens erschöpft (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2016, a. a. O. Rn. 138 m. w. N.). Auf eine „Prozessverschleppungsabsicht“ oder sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens kommt es insoweit nicht an. Dem Gericht ist die Zeit, die zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein derartiges Verhalten erforderlich ist, nicht zuzurechnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2016, a. a. O.; BGH, Urteil vom 13. März 2014 - III ZR 91/13 -, juris Rn. 43).

41

Nach diesen Grundsätzen schlagen zu Lasten des Staates entschädigungsrechtlich nicht die Verfahrensverzögerungen zu Buche, die der Kläger durch seine diversen Befangenheitsanträge wie auch durch die darauf bezogenen, von ihm eingelegten Rechtsbehelfe verursacht hat. Die Verfahrenslaufzeit, die für die angemessene Bearbeitung eines Befangenheitsantrags benötigt wird, ist nach den dargelegten rechtlichen Vorgaben bei der Bewertung der angemessenen Verfahrensdauer nicht zugunsten des betreffenden Verfahrensbeteiligten zu berücksichtigen. Es kann einem Verfahrensbeteiligten zwar nicht angelastet werden, dass er von der prozessualen Möglichkeit, einen Befangenheitsantrag zu stellen, Gebrauch macht. Er darf aber aus dem Zeitverlust, der dadurch eintritt, dass das Gericht einem derartigen Antrag nachgehen muss, grundsätzlich keinen entschädigungsrechtlichen Vorteil ziehen. Dies folgt aus dem den abgelehnten Richter treffenden normativen Verbot, vor der Erledigung des Ablehnungsgesuchs andere als unaufschiebbare Amtshandlungen vorzunehmen (§ 54 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 47 Abs. 1 ZPO; vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2016, a. a. O. Rn. 148 m. w. N.). Ebenso wenig sind vom Verwaltungsgericht daneben die Verzögerungen zu vertreten, die darauf beruhen, dass der Kläger gegen den Ablehnungsbeschluss vom 9. Juli 2013 sofortige Beschwerde und gegen deren Verwerfung durch das Bundesverwaltungsgericht - gleichfalls unzulässig - Gegenvorstellung erhoben hat. Die Bearbeitung der sechs Befangenheitsanträge des Klägers durch das Verwaltungsgericht entfiel auf die Zeiträume vom 4. März bis zum 5. April 2013, vom 23. April bis zum 9. Juli 2013, vom 10. August 2013 bis zum 27. März 2014, vom 26. Mai 2014 bis zum 11. Juni 2014, vom 2. bis zum 11. März 2015 und vom 19. bis zum 22. Oktober 2015, die Bearbeitung der diesbezüglichen Rechtsbehelfsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht auf den Zeitraum von Anfang September bis Anfang November 2013, wobei die Gerichtsakten dem Verwaltungsgericht allerdings erst im Februar 2014 wieder zur Verfügung standen. Da die Befangenheitsanträge vom Verwaltungsgericht unter den aufgezeigten Umständen angemessen bearbeitet wurden, fällt insoweit insgesamt ein Zeitverlust von einem Jahr in den Verantwortungsbereich des Klägers.

42

Auch darüber hinaus hat der Kläger durch (zulässiges) prozessuales Verhalten eine relevante Verzögerung des Rechtsstreits bewirkt. So hat er durch häufige umfangreiche, teilweise schwer erschließbare Schriftsätze und Stellungnahmen sowie durch unklare, wechselnde oder nachträglich immer wieder ergänzte bzw. präzisierte Anträge und Erklärungen zur Sache und zum Verfahren, etwa zum Verzicht auf eine mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO), beachtenswerte Verzögerungen herbeigeführt. In diesen Bereich gehört auch, dass sich der Kläger vorübergehend - zwischen Juni und Oktober 2014 - anwaltlich vertreten ließ. Die antragsgemäße Aufhebung des Verhandlungstermins vom 23. Juni 2014, die Gewährung von Akteneinsicht durch die Prozessbevollmächtigten und die Bewilligung einer Äußerungsfrist bis zum 30. Oktober 2014 haben einen Zeitverlust bedingt, der dem Verwaltungsgericht nicht zurechenbar ist.

43

(4) Mit Blick auf die Verfahrensführung des Verwaltungsgerichts und unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Gesichtspunkten sowie der gerichtlichen Gestaltungsfreiheit ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht das Verfahren für zwei Monate ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund nicht gefördert hat. Bei dieser Bewertung sind die Zeiten aktiver Verfahrensförderung des Verwaltungsgerichts von denjenigen gerichtlicher Untätigkeit sowie andererseits von solchen Verzögerungen zu unterscheiden, die dem Kläger zuzurechnen sind (vgl. BSG, Beschluss vom 11. Januar 2018 - B 10 ÜG 5/17 BH -, juris Rn. 5 m. w. N.).

44

Im Zeitraum vom Eingang der Klage am 27. Januar 2010 bis zum Erörterungstermin am 26. Juli 2010, in dem die Aussetzung des Verfahrens beschlossen wurde, hat das Verwaltungsgericht das Verfahren durch Weiterleitung der mit Eingangsverfügung eingeholten Klageerwiderung des Beklagten und der weiteren Schriftsätze des Klägers zur Begründung und Erweiterung der Klage sowie durch Anberaumung des Erörterungstermins am 30. Juni 2010 gefördert. Zwischen dem 30. April 2010, als die Stellungnahme des Klägers auf die Klageerwiderung seit einem Monat vorlag, und dem Eingang des Klageerweiterungsschriftsatzes vom 28. Mai 2010 (am 31. Mai 2010) sowie zwischen dem 30. Juni 2010 und dem 26. Juli 2010 sind insoweit allerdings keine anerkennungswürdigen verfahrensfördernden Schritte unternommen worden.

45

Für den zwei Jahre und vier Monate umfassenden anschließenden Zeitraum der Aussetzung des Verfahrens, die bis zur bestandskräftigen Entscheidung über die in einem anderen Verfahren erhobenen vermögensrechtlichen Ansprüche des Klägers befristet war und durch die Erklärungen des Klägers im Verhandlungstermin des Verfahrens 1 A 20/12 HAL vom 26. November 2012 endete, kann dem Verwaltungsgericht keine ungerechtfertigte Verzögerung angelastet werden. Der Stillstand des Verfahrens ist die von § 94 VwGO vorgesehene Rechtsfolge der Aussetzung. Im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit kann der Aussetzungsbeschluss im Verfahren über die Entschädigung wegen unangemessener Verfahrensdauer nicht auf seine Richtigkeit, sondern allenfalls auf seine Vertretbarkeit hin überprüft werden. Die Vertretbarkeit darf dabei nur verneint werden, wenn bei Würdigung auch der Belange einer funktionierenden Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (vgl. BayVGH, Urteil vom 29.Juni 2017 - 23 A 15.2332 -, juris Rn. 32 unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 4. November 2010 – III ZR 32/10 -, juris Rn. 14; s. auch BVerwG, Beschluss vom 12. März 2018 - 5 B 26.17 D -, juris Rn. 6). Eine solche Unvertretbarkeit ist hier zu verneinen.

46

Abgesehen davon, dass ausweislich der Terminsniederschrift vom 26. Juli 2010 die Aussetzung von den Beteiligten übereinstimmend beantragt war, hat das Verwaltungsgericht in seinen Beschlüssen zur Ablehnung einer (vorzeitigen) Verfahrensfortsetzung vom 13. Oktober 2011 und 9. Mai 2012 zur Frage der von § 94 VwGO vorausgesetzten Vorgreiflichkeit des Bezugsverfahrens ausgeführt, dass die streitigen Ansprüche nach dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz nur bestehen könnten, wenn der betreffende Vermögenswert nicht bereits Ansprüchen nach dem Vermögensgesetz unterliege, und auf die Regelung zum Ausschluss einer doppelten Entschädigung in § 7 DDR-EErfG verwiesen. Dies kann nicht als unverständliches richterliches Verhalten beanstandet werden. Auch die erhebliche Dauer des Aussetzungszeitraums führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Zwar ist ein Verwaltungsgericht wegen des gebotenen effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) verpflichtet, ein rechtmäßig ausgesetztes Verfahren fortzusetzen, wenn ein Stillstand für einen der Beteiligten mit der Gefahr der Rechtsvereitelung verbunden wäre (vgl. VGH BW, Beschluss vom 11. September 1992 - 10 S 1450/91 -, juris Rn. 5; HessVGH, Beschluss vom 11. November 2013 - 6 E 1703/13 -, juris Rn. 6). Dafür gab es hier jedoch keine Anhaltspunkte.

47

Nach Beendigung der Verfahrensaussetzung ist für den Zeitraum bis zur Einzelrichterübertragung und Terminsbestimmung (auf den 17. April 2013) Mitte Februar 2013, in dem das Verwaltungsgericht dem Kläger am 8. Januar 2013 lediglich Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle gewährt hat, sowie danach bis Anfang März 2013 keine Verfahrensförderung zu verzeichnen. Nach Ablehnung des ersten Befangenheitsantrags vom 2. März 2013 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren durch den Hinweis vom 8. April 2013 gefördert, in dem es den Kläger angesichts missverständlicher Aussagen insbesondere um Klarstellung gebeten hat, ob er mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sei. Für die Zeit bis zum 9. Juli 2013 scheidet eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung wegen der Notwendigkeit der Bearbeitung des zweiten Befangenheitsantrags des Klägers vom 22. April 2013 aus. Daraufhin wurde das Verfahren bis zum 10. August 2013 nicht förderlich betrieben, bevor es durch die mit Schriftsatz des Klägers vom 8. August 2013 erfolgte Rechtsbehelfseinlegung unter gleichzeitiger Anbringung des dritten Befangenheitsantrags bis zum 27. März 2014 aus vom Verwaltungsgericht nicht zu vertretenden Gründen verzögert wurde. Zwischen dem 27. März 2014 und der erneuten Bestimmung eines Verhandlungstermins am 28. April 2014 (auf den 23. Juni 2014) und dann für die Zeit bis zum 26. Mai 2014 sind aus der Gerichtsakte keine verfahrensfördernden Handlungen erkennbar. Die nachfolgenden Verzögerungen für die Zeit bis Ende Oktober 2014 sind dem vierten Befangenheitsantrag vom 24. Mai 2014 und der zeitweiligen Hinzuziehung einer Rechtsanwaltssozietät durch den Kläger zuzuschreiben. Bis zur neuerlichen Festsetzung eines Verhandlungstermins am 5. Dezember 2014 (auf den 18. Februar 2014) und anschließend bis zur Aufhebung des Termins am 4. Februar 2015 wurde der Rechtsstreit nicht gefördert. Im Zeitraum vom 4. Februar bis zum 11. März 2015, in dem das Verwaltungsgericht beiden Beteiligten sachdienliche Hinweise erteilt hat und der fünfte Befangenheitsantrag des Klägers vom 27. Februar 2015 zu bearbeiten war, ist es zu keiner entschädigungsrelevanten Verzögerung gekommen. Dasselbe gilt für die Zeit bis zum 18. April 2015, in der dem Kläger Gelegenheit gegeben wurde, auf die schriftsätzliche Erwiderung des Beklagten zu seinen „veränderten/neuen“ Anträgen zu replizieren. In der Folgezeit hat bis zum richterlichen Hinweis vom 6. Oktober 2015 keine Förderung des Verfahrens stattgefunden. Mit dem sechsten und letzten Befangenheitsantrag des Klägers vom 19. Oktober 2015 hat sich das Verwaltungsgericht bis zum 22. Oktober 2015 befasst und das Verfahren durch den Trennungsbeschluss vom 4. November 2015 weiter gefördert. Bis zur Entscheidung über die Klage durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 22. Dezember 2015 sind keine förderlichen Aktivitäten des Gerichts mehr festzustellen.

48

Danach ergibt sich, dass das Verfahren nach Aktenlage insgesamt ein Jahr und sechs Monate keine konkrete Förderung erfahren hat („Untätigkeitszeiten“). Dieser Befund lässt aber nicht auf eine unangemessene Verfahrensdauer in demselben zeitlichen Umfang schließen. Zwar kann in Anbetracht der Dauer des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens von etwa elf Monaten keine Kompensation der Laufzeit des erstinstanzlichen Verfahrens infolge einer besonders zügigen Behandlung der Sache durch das Bundesverwaltungsgericht angenommen werden (s. hierzu BVerwG, Urteil vom 17. August 2017 - 5 A 2.17 D -, juris Rn. 26 m. w. N.). Um den verfahrensrechtlichen und inhaltlichen Anforderungen gerecht werden zu können, benötigt das Gericht indes eine Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen ist. Dabei ist die Verfahrensgestaltung in erster Linie in die Hände des mit der Sache befassten Gerichts gelegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Dezember 2011 - 1 BvR 314/11 - juris Rn. 6; BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 27.12 D -, juris Rn. 34). Dieses hat, sofern der Arbeitsanfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehender Fälle nicht zulässt, zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge festzulegen. Es hat dabei die Verfahren untereinander zu gewichten, den Interessen der Beteiligten - insbesondere im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs und eines fairen Verfahrens - Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu geboten sind. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist dem Gericht - auch im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit - ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Verfahrenslaufzeiten, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt sind, führen nur zu einer unangemessenen Verfahrensdauer, wenn sie - auch bei Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums - sachlich nicht mehr zu rechtfertigen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12 -, juris Rn. 40; BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013, a. a. O.).

49

Unter Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums bemisst der Senat den Zeitraum, der dem Verwaltungsgericht - neben den Zeiten (substantieller) aktiver Verfahrensförderung - zur Vorbereitung, Bearbeitung und abschließenden Entscheidung des Verfahrens in allen Abschnitten einzuräumen ist, auf ein Jahr und vier Monate. Insoweit ist in Rechnung zu stellen, dass das Verfahren einen das übliche Maß übersteigenden Bearbeitungsaufwand erforderte, seine Bedeutung für den Kläger mehr als durchschnittlich, aber nicht existenziell war und der Kläger durch sein Verhalten ganz erheblich zu seiner Verkomplizierung und Verzögerung beigetragen hat.

50

c) Der Kläger hat durch die überlange Verfahrensdauer einen immateriellen Nachteil erlitten, der nicht durch Entschädigung, sondern durch die gerichtliche Feststellung, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, wiedergutzumachen ist.

51

Nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG wird ein immaterieller Nachteil vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Diese Vermutung ist hier nicht widerlegt. Eine Entschädigung ist jedoch nach § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ausgeschlossen. Danach kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise ist gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Ein entsprechender Antrag ist insoweit nicht erforderlich (§ 198 Abs. 4 Satz 2 GVG). Ob eine solche Feststellung ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Februar 2016, a. a. O. Rn. 45, und vom 14. November 2016, a. a. O. Rn. 174). Dabei kann von Bedeutung sein, ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Bedeutung hatte, ob dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verzögerung beigetragen hat, ob er weitergehende immaterielle Schäden erlitten hat oder ob die Überlänge den einzigen Nachteil darstellt (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 20). Darüber hinaus kann zu berücksichtigen sein, von welchem Ausmaß die Unangemessenheit der Dauer des Verfahrens ist und ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Dringlichkeit aufwies oder ob diese zwischenzeitlich entfallen war (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013, a. a. O. Rn. 57; HessVGH, Urteil vom 22. März 2018 - 29 C 779/17.E -, juris Rn. 16).

52

Unter Zugrundelegung dieser Belange erweist sich die bloße Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer zugunsten des Klägers als ausreichend. Trotz der beträchtlichen Gesamtverfahrensdauer von sechs bzw. sieben Jahren und der überdurchschnittlichen Bedeutung für den Kläger wird das Gewicht der immateriellen Nachteile hier entscheidend durch den verhältnismäßig geringen Umfang der Verzögerung und vor allem dadurch gemindert, dass die Verzögerung wesentlich auch auf das Verhalten des Klägers zurückzuführen ist. Da der Kläger fortgesetzt und nachhaltig auf die Gesamtdauer des Verfahrens eingewirkt hat, scheidet eine Entschädigung aus.

53

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 2 VwGO, § 173 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 201 Abs. 4 GVG und § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17b Abs. 2 Satz 2 GVG. Wenn - wie hier - kein Entschädigungsanspruch in Geld besteht, aber eine unangemessene Verfahrensdauer festzustellen ist, ist nach § 201 Abs. 4 GVG über die Kosten nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die allgemeinen Grundsätze heranzuziehen. Hiernach ist es gerechtfertigt, dem Kläger die Verfahrenskosten ganz aufzuerlegen, weil der Beklagte, wenn eine Wiedergutmachung auf andere Weise nicht als ausreichend angesehen worden wäre, nur zu einem geringen Teil der Entschädigungsforderung unterlegen wäre (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).

54

4.Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 Abs. 1, 173 Satz 2 VwGO, 201 Abs. 2 Satz 1 GVG in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

55

5. Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.


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