Urteil vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (4. Zivilsenat) - 4 U 26/13


Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 11. Januar 2013 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen geändert:

1.) Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, als Gesellschafterin der aus ihr selbst sowie Frau G… O... und Frau M… J… bestehenden Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes wegen einer entsprechenden Verbindlichkeit der Gesellschaft an die Klägerin 29.488,25 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. April 2012 zu zahlen.

2.) Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Von den Gerichtskosten des Rechtsstreits haben die Klägerin und die Beklagte zu 1) jeweils 1/2 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden der Beklagten zu 1) zur Hälfte auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) fallen der Klägerin zur Last. Eine weitergehende Kostenerstattung findet nicht statt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten zu 1) bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v. H. des für diese aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin in Höhe von 120 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten zu 2) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v. H. des von dieser aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte zu 2) Sicherheit in Höhe von 120 v. H. des von ihr jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft nimmt die Beklagten gesamtverbindlich aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Ersatz von 29.488,25 € nebst Zinsen in Anspruch. Ein Geldbetrag in Höhe der Hauptforderung wurde durch ihren untreuen damaligen Verwalter F... L... im September 2008 pflichtwidrig für eigene Zwecke von dem Konto der Klägerin zunächst auf das Konto der aus der Beklagten zu 1) und deren Schwestern bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts, von dort auf das Konto der Zweitbeklagten und danach auf das Konto einer weiteren Wohnungseigentümergemeinschaft überwiesen (Schreiben des F... L... vom 14. Mai 2009 in Kopie Bl. 25 d.A. und Kontoauszüge in Kopie Bl. 26-28 d.A.).

2

Wegen der näheren Einzelheiten der - zwischen den Parteien unstreitigen - Machenschaften des F... L... im Zusammenhang mit der hier interessierenden Geldverschiebung wird auf die Sachdarstellung in dem Urteil des erkennenden Senats vom 2. Februar 2012 in dem Rechtsstreit 4 U 73/11 (in Kopie Bl. 11 ff d.A., insbesondere UA 2 bis 4) sowie auf die Feststellungen im Urteil der II. Großen Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) in der Strafsache gegen F... L... , 5277 Js 36893/08.II KLs (in Ausfertigung Bl. 241 ff d.A.), namentlich auf die Tathandlungen 740, 741 (UA 31 Strafurteil) verwiesen.

3

Mit dem genannten Urteil vom 2. Februar 2012 (veröffentlicht u. a. in ZMR 2012, 716, NJOZ 2012, 1966 sowie in juris) hat der Senat die Abweisung der von der Klägerin in dem damaligen Verfahren erhobenen Bereicherungsklage gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft, welcher das bei der Klägerin veruntreute Geld letztlich wirtschaftlich zugeflossen ist, mit der Begründung bestätigt, dass sich die Zuwendung aus Sicht der letzten Empfängerin als (Schadensersatz-) Leistung des F... L... an sie darstellte und dass deshalb Bereicherungsansprüche der Klägerin gegen die dortige Beklagte wegen ungerechtfertigter Bereicherung "in sonstiger Weise" ausgeschlossen seien. Obiter dicta ist in dem Urteil des Senats weiter angemerkt worden, dass ein Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen die in dem Verfahren 4 U 73/11 verklagte Wohnungseigentümergemeinschaft aus einer subsidiären Durchgriffshaftung nach § 822 BGB jedenfalls deshalb nicht in Betracht komme, weil sich bereits die Erstbereicherte in der Überweisungskette aus Rechtsgründen nicht auf Entreicherung berufen könne (Senatsurteil vom 02. Februar 2012, UA 8, 9).

4

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin nunmehr die Verurteilung der beiden Beklagten als Gesamtschuldner zur Erstattung des von F... L... veruntreuten Geldbetrages von 29.488,25 € nebst Verzugszinsen nach der Formel "Basis + 5" ab dem Zeitpunkt der Gutschrift des Geldes bei der letztbegünstigten Wohnungseigentümergemeinschaft.

5

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil des Einzelrichters die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat der Erstrichter im Wesentlichen den Standpunkt eingenommen, dass wegen der im Bereicherungsrecht in besonderem Maße geltenden Grundsätze von Treu und Glauben die Beklagten bei wertender Betrachtung keinen vermögenswerten Vorteil im Sinne von § 812 BGB erlangt hätten, weil das von F... L... bei der Klägerin veruntreute Geld auf ihren Konten jeweils nur "durchgeflossen" sei.

6

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Rechtsausführungen weiterhin beantragt,

7

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 29.488,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20. September 2008 zu zahlen.

8

Die Beklagten beantragen,

9

die jeweils gegen sie gerichtete Berufung zurückzuweisen.

10

Sie verteidigen die von ihnen für zutreffend gehaltene Abweisung der Klage.

11

Die Beklagte zu 1) hat im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 12. August 2013 ausdrücklich klargestellt, dass Inhaberin des Kontos, auf das der von den Prozessparteien jeweils kontobevollmächtigte F... L... die streitgegenständliche (Erst-)Überweisung tätigte, die (Außen-) Gesellschaft des bürgerlichen Rechts war, deren Gesellschafterinnen die Erstbeklagte und ihre beiden Schwestern waren.

12

In der mündlichen Verhandlung vom 22. August 2013 hat sich die Beklagte zu 1) vorsorglich auf die Verjährung des gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts gerichteten Bereicherungsanspruchs berufen.

13

Zur weiteren Ergänzung der Sachdarstellung wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

II.

14

Das verfahrensrechtlich bedenkenfreie und somit zulässige Rechtsmittel erzielt in der Sache den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.

15

Die Klage ist gegenüber der Beklagten zu 1) bis auf einen Teil des Zinsverlangens begründet. Gegen die Beklagte zu 2) steht der Klägerin hingegen aus Rechtsgründen kein Bereicherungsanspruch zu.

16

Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:

17

1. Dadurch, dass der untreue F... L... im September 2008 einen Betrag in Höhe der Klageforderung von dem Konto der Klägerin ohne deren Wissen und Wollen auf das Konto der (Außen-) Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus der Erstbeklagten und deren Schwestern, überwies, wurde das Vermögen dieser Gesellschaft um das ihrem Konto gutgeschriebene Buchgeld ungerechtfertigt gemehrt.

18

Der Klägerin steht deshalb, weil die dadurch eingetretene Bereicherung nicht gegenständlich herausgegeben werden kann, gegen die BGB-Gesellschaft ein Wertersatzanspruch in gleicher Höhe nach §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2, 818 Abs. 2 BGB zu.

19

Dass die Vielzahl von eigenmächtigen Überweisungen des F... L... zwischen den von ihm jeweils mit entsprechender Vollmacht verwalteten Konten rechtlich nicht als "Leistungen" eines anderen, sondern als Bereicherung der jeweiligen Zuwendungsempfänger "in sonstiger Weise" zu bewerten sind, hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 2. Februar 2012 näher begründet (4 U 73/11, in juris Rdnr. 35). Diese rechtliche Beurteilung hat der Bundesgerichtshof in einem weiteren Rechtsstreit betreffend das "Umbuchungskarussell" des F... L... zwischenzeitlich ausdrücklich als zutreffend gebilligt (Urteil vom 23. Januar 2014, III ZR 436/12, veröffentlicht u. a. in NJW 2014, 1294 und in juris, dort Rdnr. 9).

20

Für den Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 BGB besteht weder eine Kondiktionssperre nach § 814 BGB, noch eine solche nach § 817 Satz 2 BGB; denn beide Vorschriften sind nach ihrem eindeutigen Wortlaut beschränkt auf Fälle der Leistungskondiktion (Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., § 814, Rdnrn. 1, 2 und § 817 Rdnr. 2, jew.m.w.N.).

21

2. Der Anspruch der Klägerin gegen die BGB-Gesellschaft ist nicht wegen der alsbaldigen Weiterleitung des Geldes durch F... L... auf das Konto der Zweitbeklagten gemäß § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Denn die Gesellschaft kann sich gemäß § 819 Abs. 1 BGB nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, weil ihr die Bösgläubigkeit des von ihren Gesellschafterinnen zur Verwaltung des Gesellschaftskontos bevollmächtigten F... L... entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen ist (so für vergleichbare Fallgestaltungen bereits Senat, Urteile vom 02.02.2012 - 4 U 73/11 - und vom 27.09.2012 - 4 U 2/12 - sowie nunmehr ebenso BGH, Urteil vom 23.01.2014, a.a.O., in juris Rdnrn. 10 bis 13 mit weiteren Nachweisen).

22

Etwas anderes gilt vorliegend auch nicht deshalb, weil F... L... für die BGB-Gesellschaft nicht als organschaftlicher Vertreter, sondern "bloß" aufgrund ihm rechtsgeschäftlich erteilter Vollmacht gehandelt hat. Denn § 166 Abs. 1 BGB ist im Rahmen des § 819 Abs. 1 BGB - unabhängig von einem Vertretungsverhältnis - der allgemeine Rechtsgrundsatz zu entnehmen, dass derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut (hier: die Verwaltung des BGB-Gesellschaftskontos), sich das Wissen des anderen zurechnen lassen muss (BGH NJW-RR 2001, 127, 128).

23

3. Für die sonach der Klägerin gegenüber bestehende Verbindlichkeit der (Außen-) Gesellschaft des bürgerlichen Rechts aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 i.V.m. § 818 Abs. 2 BGB haftet neben dem Gesellschaftsvermögen auch die Beklagte zu 1) als Gesellschafterin analog § 128 HGB akzessorisch, persönlich, primär und unbeschränkt (BGH, Urteil vom 8. Februar 2011 - II ZR 243/09 -, veröffentlicht u. a. in NJW 2011, 2045 und in juris, dort Rdnr. 14; Palandt/Sprau, a.a.O., § 714, Rdnr. 13, jew.m.w.N.).

24

4. Die Beklagte zu 1) kann sich im Streitfall als Gesellschafterin nicht mit Erfolg analog § 129 Abs. 1 HGB auf die Verjährung des Bereicherungsanspruchs gegen die BGB-Gesellschaft berufen. Denn ein persönlich haftender Gesellschafter, der für eine Gesellschaftsschuld in Anspruch genommen wird, kann gegen seine Gesellschafterhaftung nicht nachträglich einwenden, die Forderung gegen die Gesellschaft sei mangels einer gegen diese gerichteten Hemmungshandlung verjährt, wenn der Gläubiger den Lauf der Verjährungsfrist gegenüber dem Gesellschafter selbst rechtzeitig gehemmt hat; in diesem Falle ist der Gesellschafter nicht schutzwürdig (vgl. BGHZ 104, 76 = NJW 1988, 1976 und MünchKomm/Schmidt, HGB, 3. Aufl., § 129, Rdnr. 9 m.w.N.).

25

So verhält es sich hier. Die akzessorische Haftungsverbindlichkeit der Erstbeklagten aus § 128 HGB analog unterliegt derselben Regelverjährung (§ 195 BGB) wie die Bereicherungsschuld der BGB-Gesellschaft (BGH, Urteil vom 12. Januar 2010 - XI ZR 37/09 -, MDR 2010, 331 und in juris, dort Rdnrn. 40, 41). Der Beklagten zu 1) gegenüber ist die Verjährung durch ihre bis zum 30. Juni 2012 befristete Verzichtserklärung vom 2. Dezember 2011 (in Kopie Bl. 30 d.A.) und die rechtzeitige Einreichung der am 04. Juli 2012 (und damit "demnächst" i.S.v. § 167 ZPO) zugestellten Klage gehemmt worden.

26

5. Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe (§§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB) schuldet die Beklagte zu 1) erst seit dem Verstreichen des ihr in dem anwaltlichen Mahnschreiben vom 3. April 2012 bis zum 27. April 2012 gesetzten Zahlungszieles. Ein weitergehender Zinsanspruch für die Klägerin folgt auch nicht aus § 128 HGB analog i.V.m. § 818 Abs. 1 BGB, weil die bereicherte BGB-Gesellschaft mit dem auf ihr Konto überwiesenen Geld wegen der umgehenden Weiterleitung auf das Konto der Beklagten zu 2) selbst nicht nutzbringend wirtschaften konnte (Palandt/Sprau, a.a.O., § 818, Rdnr. 11).

27

6. Die Abweichung von dem Klageantrag bei der Fassung des Urteilssatzes dient allein zur Klarstellung der Akzessorietät der Gesellschafterhaftung. Eine weitere inhaltliche Einschränkung oder Abänderung des Klageanspruchs gegen die Beklagte zu 1) ist damit nicht verbunden.

28

7. Aus dem vorstehend Ausgeführten folgt zugleich, dass der Klägerin kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Beklagte zu 2) zusteht. Das Vermögen der Zweitbeklagten wurde erst durch die von F... L... vorgenommene Weiterüberweisung des zunächst bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gutgebuchten Geldes gemehrt und somit im bereicherungsrechtlichen Sinne nicht mehr "auf Kosten" der Klägerin.

29

Ein von der Klägerin ins Feld geführter Anspruch gegen die Zweitbeklagte aus §§ 822, 818 Abs. 2 BGB scheitert jedenfalls an Folgendem:

30

Die Vorschrift des § 822 BGB begründet eine subsidiäre Durchgriffshaftung eines Dritten (hier: der Beklagten zu 2) nur dann, wenn der ursprünglich Bereicherte (hier: die Gesellschaft bürgerlichen Rechts) infolge unentgeltlicher Weitergabe des Erlangten aus Rechtsgründen (§ 818 Abs. 3 BGB) nicht zur Herausgabe der Bereicherung verpflichtet ist (BGH NJW 1999, 1026, 1027 f. m. w. N.). Das ist - wie vorstehend ausgeführt - aber nicht der Fall.

31

Die Berufung gegen die Beklagte zu 2) war deshalb in vollem Umfang zurückzuweisen.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf der kombinierten Anwendung von § 91 Abs. 1 Satz 1 und § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO und berücksichtigt das unterschiedliche Obsiegen und Unterliegen der Klägerin gegenüber den gesamtschuldnerisch in Anspruch genommenen Beklagten. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.

33

Die in § 543 Abs. 2 ZPO genannten gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht (mehr) vor, weil die entscheidungserhebliche Frage der Zurechnung des Wissens des Kontobevollmächtigten F... L... auf Seiten der bereicherten Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Januar 2014 geklärt ist.

34

Beschluss

35

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 29.488,25 € festgesetzt.

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