Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (5. Zivilsenat) - 5 W 29/21
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 02.09.2021, eingegangen bei Gericht am selben Tag, gegen den Beschluss des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal/Pfalz vom 18.08.2021, 7 O 263/21, zugestellt an die Antragsstellerin am 21.08.2021, wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.001 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Die Antragstellerin hat beim Landgericht beantragt, dem Antragsgegner durch einstweilige Verfügung aufzugeben, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, Herrn C... F..., der Schülerin T... L... B..., geb. am ..., wohnhaft, M..., 6... F... bis zum Ablauf des Schuljahres 2021/2022 die Teilnahme am Schulunterricht in der J...-B...-S..., 6... F... zu gestatten.
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Dieser Antrag beruht darauf, dass der Antragsgegner mit Schreiben vom 30.04.2021 (46 eA) den Schulvertrag vom 08.04.2020 (39 eA), den die Antragstellerin für ihre Tochter mit dem Antragsgegner abgeschlossen hatte, zum Ende des ersten Schuljahres gekündigt hatte. Die Kündigung wurde mit einem zerstörten Vertrauensverhältnis begründet. Zum Schulbeginn am 20.04.2021 hatte die Antragstellerin mit Eltern anderer Schüler Anschuldigungen gegen die coronabedingte beschränkte Anordnung der Maskenpflicht und deren Durchsetzung bei den durch ein ärztliches Attest (42 f. eA) befreiten Schülern gegenüber einer Lehrkraft vorgebracht und ein Schreiben vom 19.04.2021 (44 eA) übergeben. Im Nachgang zur Kündigung vom 30.01.2021 hat es mehrere Schriftwechsel der Parteien auch unter Beteiligung der Schlichtungs- und Beschwerdestelle beim Bund der F... W... e.V. gegeben (47 ff. eA).
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Das Landgericht hat den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 18.08.2021 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsgegner bereits nach dem von der Antragsstellerin gehaltenen Vortrag berechtigt gewesen ist, das zwischen den Parteien bestehende Schulverhältnis zu kündigen (vgl. zu den Einzelheiten der Begründung Beschluss vom 18.08.2021).
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Hiergegen hat die Antragsstellerin Beschwerde eingelegt und insbesondere ausgeführt, dass die Kündigung des Antragsgegners lediglich darauf gestützt worden sei, dass die Vertrauensbasis zwischen Elternhaus und Schule dauerhaft gestört sei und daher die Grundlage einer Zusammenarbeit zum Wohle des Kindes nicht mehr vorhanden sei. Auf die darüberhinausgehenden Erwägungen des Landgerichts, ob dieser Grund die erforderliche Schwere aufweise, komme es daher nicht an. Ferner verkenne die Kammer, dass die Antragstellerin nicht eingeräumt habe, dass sie die Klassenlehrerin am 20.04.2021 unangemeldet vor der Klasse verbal laut bedrängt habe. Sie habe lediglich die Begründung des Antragsgegners wiedergegeben. Zudem habe sie das Schreiben vom 20.04.2021 nicht selbst verfasst und im Nachgang Schritte unternommen, insbesondere ein schriftliches Entschuldigungsschreiben verfasst und Gespräche mit Lehrern geführt, um mit dem Antragsgegner wieder ins Einvernehmen zu kommen. Das Landgericht mutmaße zu Unrecht, dass dieses Entschuldigungsschreiben lediglich auf Anraten der Beschwerdestelle der F... W... erfolgt sei. Zudem habe die Kammer nicht erwogen, dass es der Tochter der Antragsstellerin aus medizinischen Gründen nicht zumutbar sei, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, was dem Antragsgegner bekannt gewesen sei. Dennoch habe die Klassenleiterin der Tochter die Mund-Nasen-Bedeckung aufgesetzt, mit der Folge, dass diese entgegen ärztlicher Feststellungen habe getragen werden müssen, was die Annahme einer massiven Ausnahmesituation zugunsten der besorgten Mutter und Antragsstellerin rechtfertige. Die Einreichung des Antrags erst am 16.08.2021 könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, da erst die Zusage der Rechtsschutzversicherung habe abgewartet werden müssen und der Schulbetrieb ohnehin erst am 30.08.2021 begonnen habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 02.09.2021 verwiesen.
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Nach Erlass eines begründeten Nichtabhilfebeschlusses vom 03.09.2021 hat das Landgericht das Verfahren dem Beschwerdegericht vorgelegt. Wegen der Begründung des Nichtabhilfebeschlusses wird auf diesen verwiesen.
II.
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Die nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 569 ZPO statthafte und zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Erstgericht hat den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung mit zutreffender Begründung abgelehnt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen des Erstgerichts im Beschluss vom 18.08.2021 und im Nichtabhilfeabschluss vom 03.09.2021 verwiesen. Lediglich ergänzend ist noch auszuführen:
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Es kann dahinstehen, ob es vorliegend an einem Verfügungsgrund fehlt, weil die Antragsstellerin die Annahme einer Dringlichkeit durch ihr eigenes vorprozessuales Verhalten ausgeschlossen hat. Lediglich wegen der Vollständigkeit ist darauf hinzuweisen, dass die Antragsstellerin bereits seit 30.04.2021 - oder zumindest unmittelbar danach - Kenntnis hatte, dass der Antragsgegner den Schulvertrag gekündigt hat. Eine Dringlichkeit der Rechtsverfolgung nach Ablauf mehrerer Wochen und hier sogar nach Monaten nach Kenntnisnahme von der Rechtsverletzung könnte nicht (mehr) gegeben sein. Vielmehr könnte die Antragsstellerin durch ihr Untätigkeitbleiben manifestiert haben, dass sie die Angelegenheit nicht für eilbedürftig hält (vgl. hierzu allerdings zu mehrjährigen Zuwartens Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 20.03.2008 – 7 W 19/08, juris; OLGR Naumburg 2006, 118, juris).
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Es fehlt vorliegend jedenfalls an einem Verfügungsanspruch. Der Antragsgegner war berechtigt, den Schulvertrag vom 08.04.2020 gemäß Ziffer 2 des Vertrages zu kündigen. Die Kündigung vom 30.04.2021 ist wirksam. Ziffer 2 des Vertrages formuliert die Voraussetzungen der Kündigung und lautet: „Das erste Jahr ist ein Probejahr. Während dieser Frist kann das Schulverhältnis von beiden Seiten bis zum 3. Werktag eines jeden Monats zum Monatsende gelöst werden. Danach haben beide Seiten das Recht, diese Vereinbarung mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Monats zu beenden. Die Kündigung hat schriftlich zu erfolgen.“
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a) Der zwischen den Parteien geschlossene Privatschulvertrag ist ein Dienstvertrag. Die Kündigung dieses Vertrages ist nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen nach § 621 BGB nicht möglich, da die Dauer des Dienstverhältnisses aus dem Zweck der Dienste zu entnehmen ist, § 620 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 17.01.2008 – III ZR 74/07, juris). Der Antragsgegner betreibt eine Privatschule für die Klassenstufen 1-13, die das schulpflichtige Kind der Antragsstellerin im ersten Schuljahr besucht hat. Da sich eine anderweitige Befristung nicht aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Schulvertrag ergibt, ist auch nach der Anlage zum Schulvertrag (41 eA) davon auszugehen, dass nach den Interessen der Parteien und dem von den Parteien verfolgten Zweck der Schulvertrag generell solange läuft, bis die Tochter der Antragsstellerin die Schule mit einem Schulabschluss verlässt.
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b) Das in Ziffer 2 des Schulvertrages vereinbarte beidseitige Kündigungsrecht während und nach dem ersten Schuljahr ist mit §§ 305 ff. BGB vereinbar und hält einer entsprechenden Prüfung stand.
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Bei den streitgegenständlichen Schulvertragsklauseln handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB, weil es von dem Antragsgegner gestellte vorformulierte Klauseln für eine Vielzahl von Verträgen sind. Diese Bestimmung ist gemäß § 305c Abs. 1 BGB auch Vertragsbestandteil geworden.
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Die streitgegenständliche Klausel zur Kündigung während und nach der Probezeit (Nr. 2 des Schulvertrages, 39 eA) hält einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB, insbesondere § 307 Abs.1, Abs. 2 BGB stand.
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Die ein ordentliches Kündigungsrecht beider Parteien begründende Vertragsklausel stellt nicht schon deshalb eine unangemessene Benachteiligung der Antragsstellerin dar, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Zwar scheint vorliegend mangels Anwendbarkeit der §§ 621, 627 BGB nur die Möglichkeit einer Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) den Regelungen des Dienstvertragsrechts zu entsprechen. Jedoch geht das Gesetz selbst davon aus, dass sich bei langfristigen Dienstverträgen der Dienstverpflichtete nach Ablauf von fünf Jahren vom Vertrag lösen kann, auch wenn die Voraussetzungen des § 626 BGB nicht vorliegen (§ 624 BGB). Auch darf bei der Bewertung der für selbständige Dienstverhältnisse jeglicher Art geltenden Normen der §§ 611 ff., 620 ff. BGB die besondere Natur des Schulvertrages nicht unberücksichtigt bleiben, wonach gerade das Ende eines Schul(halb)jahres, das mit der Vergabe eines Zeugnisses einhergeht, eine deutliche Zäsur darstellt (BGH, Urteil vom 17.01.2008 – III ZR 74/07, juris).
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Die Zuerkennung des Rechts zur ordentlichen Kündigung des Schulvertrags stellt auch keinen Verstoß gegen das Verbot der den Vertragszweck gefährdenden Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB dar. Bestandteil des grundrechtlich geschützten Rechts zur Einrichtung von privaten Schulen nach Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG ist das Recht zur freien Schülerwahl und die Gewährleistung dieses Grundrechts bedeutet letztlich auch, dass sich ein privater Schulträger von Schülern wieder trennen können muss und zwar nicht nur zu den erschwerten Bedingungen, die für die staatlichen Schulen gelten (BGH, Urteil vom 17.01. 2008 – III ZR 74/07, juris).
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Die Kündigungsbestimmung des Vertrages benachteiligt die Antragsstellerin auch nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Die Anwendung dieses Maßstabs setzt eine Ermittlung und Abwägung der wechselseitigen Interessen voraus. Die Unangemessenheit ist zu verneinen, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners durch höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen des AGB-Verwenders gerechtfertigt ist (allgemeine Rechtsprechung vgl. nur BGH, Urteil vom 17.01.2008 – III ZR 74/07, juris).
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Zwar wiegt das Interesse der Antragsstellerin und ihrer Tochter generell schwer, den Schulvertrag bis zum Erreichen des Ausbildungsziels fortzusetzen. Ein Schulwechsel stellt für einen jungen Menschen regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung dar. Er verliert sein persönliches Umfeld und gegebenenfalls seine Freunde. Er muss sich bei einem solchen Wechsel auf neue Lehrer, und nicht selten auch auf neue Lehrmethoden und einen anderen Stand des bereits unterrichteten Lernstoffes einstellen (BGH, Urteil vom 17.01.2008 – III ZR 74/07, juris). Vorliegend dürfte ein Wechsel der Schule auch wegen der in der Anlage zum Schulvertrag (41 eA) aufgeführten Hinweise generell nicht erstrebenswert sein. Auf der anderen Seite ist zugunsten des Antragsgegners vor allem das Interesse einer jeden Privatschule an der effektiven Verwirklichung ihrer Bildungsziele in die Abwägung einzustellen. Kennzeichnend für eine Privatschule ist ein Unterricht eigener Prägung, insbesondere im Hinblick auf die Erziehungsziele, die weltanschauliche Basis, die Lehrmethode und die Lehrinhalte. Diese eigenverantwortliche Prägung und Ausgestaltung des Unterrichts bedingt die Freiheit des Schulträgers, für seine Schule die Schüler so auszuwählen, dass ein seinen Vorstellungen entsprechender Unterricht durchgeführt werden kann. Es versteht sich, dass eine allein auf den Zeitpunkt der Aufnahme des Schülers in die Schule beschränkte "Auswahlfreiheit" des Schulträgers dem grundrechtlich geschützten Anliegen des Schulträgers auf Verwirklichung seines Erziehungs- und Bildungskonzepts nicht genügen könnte. Beruht dieses Konzept etwa wie hier (vgl. Ziffer 1 des Schulvertrages) auf einer intensiven Zusammenarbeit von Schule und Sorgeberechtigten, so liegt es auf der Hand, dass auf Seiten der Schüler (und auch der Eltern) die Bereitschaft zur Einordnung und Mitarbeit unerlässliche Voraussetzung ist. Fehlt oder entfällt diese Voraussetzung, was sich bei Abschluss des Schulvertrags nur selten zuverlässig feststellen oder prognostizieren lässt, besteht ein billigenswertes Interesse der Schule, sich vom Vertrag lösen zu können (BGH, Urteil vom 17.01.2008 – III ZR 74/07, juris mit Hinweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Rechten einer Privatschule). Weiter zu berücksichtigen, dass bei Fehlen einer (wirksamen) Kündigungsklausel dem Vertragspartner des Schulträgers gemäß den §§ 242, 157 BGB ein ordentliches Kündigungsrecht (jedenfalls) zum Ende des ersten Schulhalbjahres und zu jedem Schuljahresende zuzugestehen wäre. Vor dem Hintergrund, dass das Dienstvertragsrecht sowohl dem Dienstberechtigten als auch dem Dienstverpflichteten im Allgemeinen dieselben Kündigungsmöglichkeiten einräumt, ist es nicht zu missbilligen, wenn sich ein Schulträger formularmäßig dieselben Möglichkeiten einer ordentlichen Kündigung vorbehält, die er seinem Vertragspartner einzuräumen gehalten ist. Denn genauso, wie die Eltern eines Schülers, die zu der Auffassung gelangen, dass die ausgewählte Schule für ihr Kind doch nicht die "richtige" Schule ist, ein Interesse daran haben, eine Kündigung nicht gegenüber dem Schulträger oder - im Streitfalle - vor Gericht rechtfertigen zu müssen, hat der Schulträger ein Interesse daran, nicht anlässlich einer solchen, in Verfolgung seines Erziehungskonzepts ausgesprochenen Kündigung seine pädagogischen Grundprinzipien auf den Prüfstand stellen zu müssen. Weiter ist in den Blick zu nehmen, dass ein ordentliches Kündigungsrecht des Schulträgers vor allem in den Fällen, in denen ein geordneter Schulbetrieb gefährdet ist, auch und gerade den Interessen der Mitschüler und ihrer Eltern dienlich ist. Hätte etwa der Schulträger allein die Möglichkeit einer Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB oder aus einem erheblichen sachlichen Grund, sähe er sich im Hinblick auf eine (möglicherweise) zu erwartende gerichtliche Auseinandersetzung vielfach zu Ausforschungs- und Aufklärungsmaßnahmen gezwungen, die nicht nur der Reputation der Schule, sondern auch dem gedeihlichen Miteinander von Schulträger, Schülern und Eltern höchst abträglich wären. Da die (ordentliche) Kündigung eines Schulvertrags für den Schulträger nicht nur einen finanziellen Verlust mit sich bringt, sondern auch, jedenfalls, wenn es sich hierbei nicht um einen Einzelfall handelt, dem Ruf der Schule abträglich ist, ist die Gefahr, dass ein Schulträger "willkürliche" Kündigung ausspricht, gering. Im Übrigen wäre eine derartige Kündigung mit Rücksicht auf die Nachteile, die die Beendigung des Schulverhältnisses für den weiteren Lebensweg eines Schülers mit sich bringen kann, als rechtsmissbräuchlich nach § 242 BGB einzustufen und damit unwirksam (BGH, Urteil vom 17.01.2008 – III ZR 74/07, juris).
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Bei der Kündigung im ersten Jahr des Schulverhältnisses gilt es besonders zu beachten, dass ein Schulvertrag nur dann ausgewogen ist, wenn er das besondere Prognoserisiko der Schuleignung des Schülers entweder durch Vereinbarung einer angemessenen Probezeit oder, mangels einer solchen vertraglichen Reglung, durch Zulassung eines zusätzlichen ordentlichen Kündigungsrechts im ersten Jahr der Vertragsbindung, das nicht erst zum Schuljahresende ausgeübt werden kann, berücksichtigt. Diese Möglichkeit der Vertragsauflösung vor Ende eines Schuljahres berücksichtigt die Interessen beider Vertragsparteien. Insbesondere kann sich in der Probezeit ergeben, dass der Schüler innerhalb dieser Phase der Umstellung die neuen Anforderungen nicht bewältigen kann und sich nicht wohlfühlt. Dann muss den Eltern die Möglichkeit zustehen, ihr Kind aus dieser Schulform binnen kurzer Zeit herauszunehmen. Ferner ist es dann auch im Interesse der Eltern, in einem solchen Fall die Zahlung des Schulgeldes einstellen zu können. Auch der gewählte Zeitraum von zwölf Monaten für diese Probezeit ist angemessen. Die Eigenschaften und Fähigkeiten eines Kindes kennt im Allgemeinen niemand besser als die Eltern. Es ist den Eltern aber nicht möglich, die Persönlichkeit des Kindes so zu kennen, dass sie dessen Anpassungsfähigkeiten an künftige, neue Lebensbedingungen sicher beurteilen. Diese mit Unsicherheiten behaftete Prognose ist bei jedem Abschluss eines Schulvertrages anzustellen. Sein Vertragsinhalt ist nur ausgewogen, wenn dieses besondere Risiko berücksichtigt ist. Das kann durch Vereinbarung einer angemessenen Probezeit geschehen. Fehlt eine solche vertragliche Regelung, so ist im Weg ergänzender Vertragsauslegung im ersten Jahr der Vertragsbindung ein zusätzliches Kündigungsrecht der Vertragspartner zuzulassen. Auch die Schule kann in dieser Zeit erst verlässlich abschätzen, ob das vertrauensvolle Miteinander mit den Sorgeberechtigten des Schülers unter den Bedingungen des alltäglichen Schulbetriebes zustandekommen wird (vgl. BGH NJW 1985, 2585 zu einem Internatsvertrag und der Frage der angemessenen Probezeit und einem nur einjährigen Kündigungsrecht; LG Mönchengladbach, Urteil vom 24.01.2008, 10 O 245/07, juris zur Übertragung der vom Bundesgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung formulierten Grundsätze auf die monatliche Kündigung eines Privatschulvertrages im Probejahr). Dem privaten Schulträger kann es nicht verwehrt werden, bei bereits zu Beginn des Schulverhältnisses sich abzeichnenden Problemen, sich sehenden Auges längerfristig unter erschwerten Kündigungsmöglichkeiten zu binden, obwohl Differenzen zum Vertragspartner zu erwarten sind und dies auch einen ungestörten Schulbetrieb beeinträchtigen kann. Ob damit eine monatliche Kündigung gerechtfertigt werden kann oder lediglich eine Kündigung zum Schul(halb)jahresende kann dahinstehen, da die vorliegende Kündigung zum Schuljahresende erfolgt ist.
- 19
c) Ausgehend davon war der Antragsgegner vorliegend berechtigt das Schulverhältnis unter Verweis auf die fehlende Vertrauensbasis zu kündigen. Die streitgegenständliche Kündigung ist auch nicht rechtsmissbräuchlich ausgesprochen worden. Zwar hat sich die Tochter der Antragstellerin in ihrem ersten Schuljahr nach dem Vortrag der Antragsstellerin unauffällig gezeigt und sich in das pädagogische Konzept ohne Probleme eingegliedert. Das Verhalten der Antragstellerin seit dem 19.04.2021 zeigt jedoch, dass ein Festhalten an dem Schulvertrag dem Antragsgegner nicht zumutbar ist.
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Der Antragsgegner hat auf pandemiebedingte Probleme im Spannungsfeld der Individualrechte und dem Schutz der anderen Kinder und Lehrkräfte im April 2021 reagiert und versucht einen Interessenausgleich herzustellen. Er hat deshalb eine beschränkte Maskenpflicht für Kinder mit attestierter Maskenbefreiung für bestimmte Situationen angeordnet, sofern diese am Präsenzunterricht teilnehmen wollen. Dem Antragsgegner ist dabei auch ein Ermessensspielraum zugute zu halten. Unabhängig davon, ob diese Anordnung generell rechtmäßig gewesen ist und wie die Umsetzung dieser Anordnung im konkreten Fall der Tochter der Antragsstellerin erfolgt ist, hat die Antragsstellerin jedenfalls unverhältnismäßig hierauf reagiert. Der Brief vom 19.04.2021 ist, wie auch die Antragsstellerin eingeräumt hat, im Ton und im Inhalt unangemessen, insbesondere, weil er verschiedenste Drohungen enthält (Strafanzeige, Presse, Fristsetzungen) und kompromisslos und plakativ formuliert ist, ohne auch die pandemiebedingte Konfliktsituation anzuerkennen, in der sich der Antragsgegner befindet. Unerheblich ist, ob die Antragsstellerin diesen Brief selbst verfasst hat oder diesen lediglich unterschrieben und zusammen mit einer Gruppe übergeben hat. Auch ohne, dass sie den Brief selbst formuliert hat, hat die Antragsstellerin durch ihr Verhalten (Übergabe des Briefes und Auftreten in der Gruppe etc.) sich den Inhalt und die Formulierungen dieses Briefes zu eigen gemacht und hat sich an den hieraus entstehenden Konsequenzen festhalten zu lassen. Überdies war auch das Verhalten der Antragstellerin am 20.04.2021 ohne Termin zum Schulbeginn auf dem Schulhof vor der Klasse ein Gespräch mit einer Lehrkraft ihrer Tochter einzufordern unangemessen. Es hat den allgemein geltenden Regeln, wie die Kommunikation zwischen den verantwortlichen Personen der Schule und den Eltern im Allgemeinen stattfinden soll, widersprochen. Im Sinne eines geordneten Schulbetriebes ist es allgemein anerkannt und entspricht überdies sozialverträglichen Umgangsformen, dass kein Gespräch zwischen „Tür und Angel“ zwischen Eltern und Lehrern bzw. Schulleitungsvertretern stattfinden sollte. Hierauf werden Eltern in der Regel meist zu Schuljahresbeginn hingewiesen. Die Antragsstellerin hat unabhängig davon, wie sich die Rücksprache am 20.04.2021 auf dem Schulhof tatsächlich ereignete, bereits deshalb gegen diese allgemein anerkannte Regel verstoßen und als Mitglied einer Elterngruppe ein Gespräch bei Anwesenheit von Schülern zweier Klassen mit einer Lehrkraft, die zu diesem Zeitpunkt bereits die Aufgabe der Schülerbeaufsichtigung zu erfüllen hatte, eingefordert.
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Diese unangemessene Reaktion der Antragstellerin auf die pandemiebedingten Anordnungen des Antragsgegners ist mit einer gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule unvereinbar. Das pädagogische Konzept des Antragsgegners legt auch gerade auf eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Eltern und Lehrern großen Wert. Teil des pädagogischen Konzepts des Antragsgegners ist es, dass die Sorgeberechtigten in enger Zusammenarbeit mit der Schule die Erziehung des Kindes nach den Grundsätzen der Pädagogik Rudolf Steiners unterstützen und aktiv am Schulleben teilnehmen (vgl. Nr. 1 des Schulvertrages). Eine Vertrauensbasis zwischen der Antragsstellerin und den Lehrkräften des Antragsgegners besteht aber ausweislich den Angaben des Antragsgegners im Kündigungsschreiben und im Schreiben vom 20.05.2021 (48 eA) wegen der obig genannten Gründe, die nicht rechtsmissbräuchlich sind, nicht mehr.
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Die nachträglichen, erst im Juli 2021 und nach dem Ratschlag der Schlichtungs- und Beschwerdestelle beim Bund der F... W... vom 02.06.2021 verfassten schriftlichen Entschuldigungen der Antragstellerin rechtfertigen auch unter Berücksichtigung der besonderen, pandemiebedingten Stresssituation der Antragstellerin keine andere Beurteilung. Es ist davon auszugehen, dass zumindest auch noch das kommende Schuljahr von pandemiebedingten Spannungsfeldern zwischen Individualrechten und Rechten der Allgemeinheit überschattet werden und daher weiter pandemiebedingte Maßnahmen des Antragsgegners notwendig sein werden. Die Antragstellerin hat aber nicht mitgeteilt, dass sie in ähnlichen Situationen bei niederschwelligen Maßnahmen zukünftig zugunsten eines ungestörten Schulbetriebs handeln wird und die Bereitschaft besitzt, sich zukünftig in die Schulgemeinschaft einzuordnen und mitzuarbeiten. Daher wäre bei Fortsetzung des Schulverhältnisses mit weiteren Auseinandersetzungen der Parteien zu rechnen, während die Tochter sich mehr und mehr im Schulbetrieb des Antragsgegners einleben und verfestigen würde. Auch ein Erreichen der vertraglich vereinbarten pädagogischen Ziele wäre lediglich noch erschwert möglich. Vor diesem Hintergrund ist ein Festhalten an dem zwischen den Parteien am 08.04.2020 geschlossenen Schulvertrag nicht zumutbar, die ausgesprochene Kündigung nicht rechtsmissbräuchlich und damit wirksam.
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d) Lediglich hilfsweise ist darauf zu verweisen, dass selbst wenn man die Regelung zur Kündigung im Schulvertrag nicht als mit §§ 305 ff. BGB vereinbar ansehen wollte, weil insoweit wegen des Überwiegens des Interesses an einem langfristigen Ausbildungsverhältnis eine unangemessene Benachteiligung der Antragstellerin anzunehmen wäre, die Kündigung vom 30.04.2021 gleichwohl wirksam wäre. Die dann durch die unwirksame Kündigungsklausel entstehende Regelungslücke im Schulvertrag wäre durch eine ergänzende Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB zu schließen. Angesichts der vom Vertragszweck bestimmten langen Dauer der vertraglichen Bindung ist die Möglichkeit einer Beendigung des Vertragsverhältnisses auch für den Fall zu eröffnen, dass hierfür gewichtige Gründe vorliegen. An die Stelle der unwirksamen Klausel ist von einer Bestimmung auszugehen, welche die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen gewählt hätten, wenn ihnen die Unbilligkeit der in den Geschäftsbedingungen verwendeten Klausel bei Vertragsschluss bewusst gewesen wäre. Dabei wäre im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung auch zu berücksichtigen, dass eine Kündigung im ersten Schuljahr auch bei weniger gewichtigen Kündigungsgründen gerechtfertigt wäre (siehe zur Abwägung der widerstreitenden Interessen oben b); BGH, Urteil vom 17.01.2008 – III ZR 74/07, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 08.03.2007, 3 U 180/06, juris).
- 24
Die Abwägung der Interessen der Parteien unter Berücksichtigung des Verhaltens der Antragstellerin seit dem 19.04.2021 zeigt, dass ein Festhalten an dem Schulvertrag dem Antragsgegner nicht zumutbar wäre (siehe oben c), die Ausführungen sind entsprechend übertragbar). Die in den Schreiben vom 30.04.2021 und vom 20.05.2021 mitgeteilten Kündigungsgründe haben nach der vertraglichen Zwecksetzung des Schulverhältnisses unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Schulverhältnis noch kein Jahr bestanden hat, ausreichendes Gewicht. Das Schulkonzept des Antragsgegners setzt gerade auf eine enge Zusammenarbeit von Schule und Eltern bei der Erziehung des Schülers (siehe oben b) und c)).
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e) Auch die formalen Kündigungsvoraussetzungen sind eingehalten gewesen. Die Kündigung des Antragsgegners ist formal unbeanstandet erfolgt. Sie ist schriftlich ausgesprochen worden und u.a. unterschrieben durch für den Vorstand M... M.... Die Antragsstellerin hat die Kündigung auch nicht gemäß § 174 ZPO mangels Vollmachtsvorlage unverzüglich zurückgewiesen.
- 26
Die Kündigung ist auch fristgerecht erfolgt. Im ersten „Probejahr“, indem sich die Tochter der Antragsstellerin noch befand, könnte das Schulverhältnis nach Ziffer 2 des Schulvertrages von beiden Seiten bis zum 3. Werktag monatlich zum Monatsende gekündigt werden. Für die Einhaltung der Jahresfrist für das Probejahr ist nicht der Vertragsschluss, sondern der Beginn des Schulverhältnisses maßgeblich. Unter Nr. 1 des Schulvertrages heißt es, "die Schülerin wird mit Wirkung vom 01.08.2020 in die 1. Klasse aufgenommen". Das Schulverhältnis begann daher nicht mit der Unterzeichnung des Vertrages, sondern erst mit der Aufnahme der Tochter der Antragstellerin am 01.08.2020. Mit Zugang der Kündigung am 30.04.2020 war damit die zwölfmonatige Probezeit noch nicht abgelaufen. Eine Kündigung zum 31.07.2021 ist daher jedenfalls möglich gewesen.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den eigenen Angaben der Antragstellerin, die die Höhe des zu zahlenden Schulgeldes als Indiz für den Wert ihres Interesses aber nicht mitgeteilt hat und auf §§ 48 GKG, §§ 3, 9 ZPO, wobei 1/3 des Hauptsachwertes i.H.v. bis zu 16.000 € anzusetzen war (Herget, in: Zöller, § 3 Rn. 16 - einstweilige Verfügung, 33. Auflage 2020).
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