Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (3. Kammer) - 3 A 146/16

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten um die Zugehörigkeit von Flächen entweder zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Klägerin oder zum Eigenjagdbezirk des Beigeladenen zu 1.

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Am 19.7.2013 setzte die Beigeladene zu 2. den Beklagten davon in Kenntnis, dass sie ihre Flächen des Eigenjagdbezirks Möser I an den Beigeladenen zu 1. veräußert habe und dieser nunmehr Eigenjagdbesitzer des Reviers sei. Des weiteren seien die Flächen des Eigenjagdbezirks Möser III an den Beigeladenen zu 1. veräußert worden. Der Beigeladene zu 1. sei auch mit Grundbucheintragung vom 18.6.2013 Eigentümer von Flächen des BVVG-Eigenjagdbezirks Möser II geworden. Die Benennungsvereinbarung über die Jagdausübung dort sei gegenüber Herrn M: zum 17.6.2013 beendet worden. Die Flurstücke 76, 77, 78 und 81 der Flur 3 der Gemarkung A-Stadt seien nicht veräußert worden und stünden weiterhin im Eigentum der Beigeladenen zu 2. Der Beklagte wurde um Mitteilung gebeten, wo diese BVVG-Flächen künftig angegliedert würden bzw. zu welchem Jagdbezirk sie gehörten. Der Beigeladene zu 1. beantragte mit Schreiben vom 20. und 29.7.2013 beim Beklagten, festzustellen, dass diese Flurstücke, die bisher zur Eigenjagd Möser II gehört hätten, weiter zu seiner Eigenjagd gehörten. Am 14.8.2013 übersandte die Beigeladene zu 2. dem Beklagten die am 7./14.8.2013 mit dem Beigeladenen zu 1. geschlossene Angliederungsvereinbarung über die Flurstücke 76, 77, 78 und 81 zur Gesamtgröße von 28,1896 ha (Bl. 22 der Beiakte). Auf Rüge der Klägerin, deren Vorsitzender R. gleichzeitig Jagdpächter war, teilte der Beklagte unter dem 10.2.2014 mit, die geschlossene Abrundungsvereinbarung sei rechtskonform; die ehemals jagdbezirksfreien Flächen der streitbefangenen Flurstücke gehörten nunmehr zum Eigenjagdbezirk des Beigeladenen zu 1. Herr R. als damaliger Vorsitzender der Jagdgenossenschaft erklärte gegenüber dem Beklagten (Bl. 106 der Beiakte), er habe am 24.2.2014 eine Anwaltskanzlei beauftragt und die Klageerhebung in Auftrag gegeben, da die streitigen Flächen seiner Ansicht nach zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Jagdgenossenschaft gehörten.

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m 5.5.2014 wurde namens der Klägerin Klage erhoben. Hierzu wurde mit Schriftsatz vom 5.6.2014 eine undatierte Vollmacht nachgereicht, die für die klagende Jagdgenossenschaft unterzeichnet war von R., R., T. und N.. Mit Schriftsatz vom 4.11.2015 teilte der Beigeladene zu 1. mit, Herr R. sei nicht mehr Vorstand der Jagdgenossenschaft; die Jagdgenossenversammlung und der neue Vorstand mit dem Vorsitzenden Sch. würden entscheiden, ob der Rechtsstreit überhaupt geführt werden solle. Mit Schriftsatz vom 6.1.2016 teilte die Klägerin selbst mit, ihr am 29.10.2015 neu gewählter Vorstand bestehe aus Herrn Sch., Herrn J. und Herrn D.. Der 1. Vorsitzende Sch. habe sein Amt am 22.12.2015 niedergelegt. Die Jagdgenossenschaftsversammlung habe sich am 17.12.2015 erstmals mit der Klage befassen können. Es sei der Antrag mehrheitlich angenommen worden, die Klage des ehemaligen Vorstands gegen die Untere Jagdbehörde nicht zu unterstützen. Die gerichtliche Frage, ob die Klage zurückgenommen werde, wurde seitens des Prozessbevollmächtigten der Klägerin verneint. Mit Schriftsatz vom 19.12.2015 teilte der Beigeladene zu 1. mit, die Flurstücke 66/19 und 71 seien mit grundbuchlicher Eintragung vom 15.6.2015 in sein Eigentum übergegangen. Wegen der Einzelheiten der Klagebegründung wird auf die Schriftsätze vom 17.6.2014, 26.6.2014, 30.6.2014, 16.7.2014, 8.8.2014, 14.8.2014, 4.9.2014, 7.10.2015, 23.11.2015, 21.12.2015, 11.1.2016, 2.2.2016, 20.4.2016, 25.4.2016, 20.6.2016 und 14.7.2016 verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

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Die Klägerin trägt vor: Die Feststellungsklage gem. § 43 VwGO sei zulässig, da es sich bei Bestand und Zusammensetzung eines Jagdbezirks um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis handele. Sie habe auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, da ihr bei einer Zugehörigkeit zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk das Jagdausübungsrecht auf den streitigen Flächen zustehe. Es gehe ihr um die Gestaltung eines gemeinschaftlichen Jagdbezirks. Nach ihrer Auffassung stünden die streitbefangenen Flurstücke 76, 77, 78 und 81 im Zusammenhang mit den restlichen Flächen des gemeinschaftlichen Jagdbezirks A-Stadt. Diese Flächen würden westlich, nördlich und östlich von Flächen der Eigenjagd des Beigeladenen zu 1. eingeschlossen. Südlich davon stünden die Flurstücke 71, 66/19, 73 und 66/21 im Eigentum von Mitgliedern der Jagdgenossenschaft. Die dazwischen liegenden Grundstücke 72 und 66/20 des Beigeladenen zu 1. hätten keine Punktverbindung zum Eigenjagdbezirk des Beigeladenen zu 1.; sie gehörten jagdrechtlich dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk an. Die streitigen Flächen seien nur im Zusammenhang mit diesen südlichen Flächen zu betrachten. Die Flurstücke 71+66/19 und 73+66/21 dürften nicht separat betrachtet werden. Es sei nicht darauf abzustellen, ob jedes einzelne Flurstück eine Handtuchfläche darstelle. Die Flächen seien auch weder nach ihrem äußeren Erscheinungsbild noch nach ihrer Größe und Struktur Wegen, Triften und Eisenbahnkörpern ähnlich. Sie hätten auch einen höheren hegerischen und jagdlichen Wert und seien daher keine "ähnlichen Flächen" i.S.v. § 5 Abs. 2 BJagdG. Die betreffende Fläche sei ca. 180 m breit und ca. 230 m lang. Aufgrund ihres Bewuchses mit Kiefernwald böten die Flächen dem Wild Deckung und Äsung, sie seien jagdlich nutzbar und auch tatsächlich Wildeinstandsfläche. Daher stehe ausschließlich ihr, der Klägerin, die Nutzung des Jagdausübungsrechts auf den entsprechenden Flurstücken zu. Entgegen der Rechtseinschätzung des Beklagten bildeten sie keine Exklave und keine jagdbezirksfreien Flächen. Die gesetzlichen Voraussetzungen, um eine Angliederungsvereinbarung zu schließen, hätten nicht bestanden, so dass die geschlossene Vereinbarung unwirksam sei.

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Die über die streitigen Flächen erfolgte Abrundungsvereinbarung sei ohne förmliche Beteiligung oder Anhörung der Jagdgenossenschaft erfolgt, obwohl ihre Rechte betroffen seien. Sie habe bemerkt, dass der Beigeladene zu 1. dort jage und jagdliche Einrichtungen aufgestellt habe.

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Die Klagevollmacht sei von allen Vorstandsmitgliedern unterzeichnet worden. Notwendig sei dies nicht, da nach § 5 Abs. 2 der Jagdgenossenschaftssatzung der Vorsitzende allein unterzeichnungsbefugt sei. Herr T. sei Stellvertreter des Vorsitzenden R. gewesen, Frau R. sei Stellvertreterin und Kassenwartin; die Wahl sei am 5.5.2011 erfolgt. Herr N. sei gewähltes Ersatzvorstandsmitglied und sei auf Wunsch der Genossenschaftsversammlung in die Vorstandsarbeit eingebunden worden. Sie, die Klägerin, könne des Unmut des Beigeladenen zu 1. nicht verstehen. Dem hiesigen Verfahren liege ein Vorstandsbeschluss zugrunde. Für eine Klageerhebung sei der Beschluss des Jagdvorstandes ausreichend (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.1.2013 - 9 B 20/12 -). Die Satzung sehe keine Sonderzuständigkeit der Genossenschaftsversammlung vor.

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Zwischen Klägerin und Prozessbevollmächtigtem habe nach der Neubesetzung des Vorstands kein Kontakt mehr bestanden. Die Klägerin habe am 19.4.2016 mit Herrn M. einen neuen Jagdpachtvertrag geschlossen. Die hier streitgegenständlichen Flächen seien in der dem Jagdpachtvertrag beigefügten Karte ausdrücklich ausgenommen. Der hiesige Rechtsstreit habe aber Auswirkungen auf das neue Jagdpachtverhältnis, da in dem Jagdpachtvertrag geregelt sei, dass Flächen, die zum Jagdbezirk gehörten, aber in der beigefügten Karte nicht aufgeführt seien, zum verpachteten Jagdbezirk hinzuträten. Daraus ergebe sich, dass der neue Jagdpächter vom Ausgang des Rechtsstreits in seinen Rechten betroffen sei und deshalb ein Fall der notwendigen Beiladung gem. § 65 Abs. 2 VwGO vorliege.

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Die Klägerin beantragt wörtlich,

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festzustellen, dass das Jagdausübungsrecht betreffend der Flurstücke 76, 77, 78, 81 der Gemarkung A-Stadt, Flur 3, ihr, der Klägerin, zur Nutzung zustehe.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte erwidert: Der ordnungsgemäß vorgelegte Angliederungsvertrag sei von ihm, dem Beklagten, nicht gem. § 12 BJagdG beanstandet worden. Bei den streitbefangenen Flurstücken habe es sich zuvor um jagdbezirksfreie Flächen gehandelt. Die Flächen würden vollständig von Flächen des Eigenjagdbezirks des Beigeladenen zu 1. eingeschlossen. Eine Ausnahme bildeten im südlichen Bereich 2 Handtuchflächen, die nach der Regel "Handtuchflächen trennen nicht" den Zusammenhang des Eigenjagdbezirks an dieser Stelle nicht verhinderten. Entgegen der Ansicht der Klägerin seien die südlichen Flächen nicht alle gemeinsam in die Betrachtung einzubeziehen, weil es sich bei allen drei Handtuchflächen nicht um Flächen anderer Eigentümer handele, denn die Flurstücke 72 und 66/20 befänden sich auch im Eigentum des Beigeladenen zu 1. Die beiden Flächen 71+ 66/19 und 73+66/21 mit einer Länge von ca. 240 m und ca. 230 m und einer Breite von ca. 50 m seien ähnliche Flächen i.S.v. § 5 Abs. 2 BJagdG, auch wenn sie mit Kiefern bestockt seien. Mithin stehe das Jagdausübungsrecht betreffend der streitigen Flurstücke nicht der Klägerin zur Nutzung zu.

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Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

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Der Beigeladene zu 1. trägt vor: Er sei Mitglied der Jagdgenossenschaft. In der Jagdgenossenschaft sei über eine Klageerhebung nichts bekannt geworden. Ohne Information und Beschluss der Jagdgenossen könne die Klage nicht geführt werden (vgl. Meyer-Ravenstein, Jagdrecht in Sachsen-Anhalt, § 9 BJagdG/§ 14 JagdG LSA Rn. 15 ff.). Es bestehe der Verdacht, dass die Vollmachtsunterschriften nachträglich eingeholt worden seien. Warum die Ehefrau des Vorsitzenden die Vollmacht unterschrieben habe, sei ihm unverständlich, weil ihm nicht bekannt sei, dass sie ein Vorstandsamt innehabe oder Mitglied der Jagdgenossenschaft sei. In der von Klägerseite zitierten BVerwG-Entscheidung werde lediglich darauf abgehoben, dass ein korrekter Vorstandsbeschluss vorliegen müsse. Das Jagdausübungsrecht auf den streitigen Flächen stehe der Klägerin nicht zu. Sie habe zu den Flächen keinen jagdbaren Zugang. Die Flächen würden ringsum von seinem, des Beigeladenen zu 1., Eigenjagdbezirk umschlossen. Die Flächen seines Eigenjagdbezirks würden lediglich von sog. Handtuchflächen unterbrochen bzw. durchzogen, nämlich den Flurstücken 71 und 66/19 sowie 73 und 66/21. Über diese jeweils ca. 60 m x ca. 230 m großen Flächen könne die Klägerin keinen Zusammenhang zu den gemeinschaftlichen Jagdflächen herstellen. Auf diesen Flächen könne eine ordnungsgemäße Jagdausübung und eine sinnvolle Hege nicht stattfinden. Würden diese Flächen weggedacht, grenzten seine, des Beigeladenen zu 1., Jagdflächen mit den Längsseiten über 230 m aneinander. Die Angliederung an seinen Eigenjagdbezirk diene daher einer sinnvollen Bejagung. Im Lauf des Verfahrens habe er außerdem die Flurstücke 66/19 und 71 zu Eigentum erworben. Hierbei handele es sich um eine der genannten Handtuchflächen. Damit sei auch die eigentumsmäßige Verbindung zwischen den Flurstücken 70 und 72 sowie 66/18 und 66/20 hergestellt.

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Das Gericht hat die BVVG GmbH am 15.12.2016 zum Verfahren beigeladen, nachdem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erklärt hatten, die streitigen Flächen der Flurstücke 76, 77, 78 und 81 der Flur 3 der Gemarkung A-Stadt stünden nach wie vor im Eigentum der BVVG. Des weiteren hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung den Antrag auf Beiladung des Jagdpächters abgelehnt. Insoweit wird auf das Terminsprotokoll gem. § 117 Abs. 3 S. 2 VwGO Bezug genommen.

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Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten einschließlich der von den Beteiligten vorgelegten Kartenwerke Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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I. Der Antrag der Klägerin auf Beiladung ihres Jagdpächters (Bl. 139 der Gerichtsakte) war abzulehnen.

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Eine Beiladung des neuen Jagdpächters nach § 65 Abs. 2 VwGO kommt nicht in Betracht. Bei einer Feststellungsklage – wie hier – ist ein Dritter dann notwendig beizuladen, wenn er an dem Rechtsverhältnis, dessen Feststellung begehrt wird, unmittelbar beteiligt ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 19. Aufl., § 65 Rn. 19). Bereits nach dem Vorbringen der Klägerin ist dies vorliegend nicht der Fall. Es fehlt insbesondere deshalb an der Unmittelbarkeit, weil die dem Jagdpachtvertrag beigefügte Karte (Bl. 132 der Gerichtsakte) die hier streitbefangenen Flurstücke als Pachtfläche ausnimmt. Eine Abrundung lässt die Rechtsstellung des Jagdpächters unberührt und begründet kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen ihm und der Jagdbehörde (vgl. Schuck, BJagdG, Kommentar, 2. Aufl., § 4 Rn. 15). Dem Jagdpächter ist weder im BJagdG noch im LJagdG LSA eine Beteiligung an dem Verfahren zur Gestaltung von Jagdbezirken eingeräumt, wenn die Rechte des Jagdpächters sich nicht auf den Jagdbezirk, der durch Vertrag abgerundet werden soll, beziehen (§ 5 Abs. 3 LJagdG LSA). Im Einzelfall ist Herr M., der lediglich Jagdpächter des gemeinschaftlichen Jagdbezirks A-Stadt ist und damit nur ein obligatorisches Recht, nämlich das Jagdausübungsrecht, von der Klägerin ableitet, an dem Rechtsverhältnis, dessen Bestehen festgestellt werden soll, nicht unmittelbar beteiligt. Sein Jagdausübungsrecht leitet sich vielmehr alleine aus dem Jagdpachtvertrag ab, weshalb er seine Rechtsposition nur gegenüber dem Verpächter im Zivilrechtsweg durchsetzen kann. Das Vorbringen des früheren Vorsitzenden der Klägerin (Schreiben v. 20.10.2013, Bl. 60 der Beiakte), die streitigen Flächen hätten 20 Jahre lang zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Klägerin gehört, ist weder belegt noch sonst nachvollziehbar.

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Hingegen war die BVVG als Grundeigentümerin der Flurstücke 76, 77, 78, 81 zu dem Verfahren beizuladen.

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II. Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

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II. 1. Die Klage ist zulässig.

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Die Klage ist ausdrücklich namens der - als Körperschaft des öffentlichen Rechts gem. § 14 Abs. 1 S. 1 LJagdG LSA rechtsfähigen - Klägerin erhoben worden. Zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage bestanden keinerlei Zweifel an der Prozessführungsbefugnis der als klagende Partei bezeichneten Jagdgenossenschaft. Die nachgereichte Vollmacht ist nach dem Vorbringen der Klägerseite unterzeichnet von seinerzeitigen Mitgliedern des Jagdvorstands. Auch in dieser Vollmacht sind die Unterzeichner nicht als natürliche Personen zur Erhebung der Klage aufgetreten, sondern haben durch die Bezeichnung des Rechtsstreits "JG A-Stadt ./. LK Jerichower Land" deutlich gemacht, dass der Klageauftrag für die Jagdgenossenschaft wirken sollte. Die im Rechtsstreit aufgeworfene und zwischen den Beteiligten sowie den jeweiligen Vorständen der Klägerin streitige Frage, ob den früheren Vorstandsmitgliedern die interne Kompetenz zustand, einen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen und eine verwaltungsgerichtliche Klage zu erheben (vgl. hierzu Meyer-Ravenstein, Jagdrecht in Sachsen-Anhalt, 7. Aufl., § 9 BJagdG/§ 14 LJagdG Rn. 15: die Befugnis, die Jagdgenossenschaft zu vertreten, umfasst nicht die Entscheidungsbefugnis, insbesondere nicht in wesentlichen Fragen, wie z.B. Klageerhebung) spielt daher nur eine Rolle für später ggf. in Betracht kommende Regressansprüche, nicht aber für die Statthaftigkeit der hier erhobenen Klage.

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Der Zulässigkeit der Klage steht auch die Subsidiarität der Feststellungsklage (vgl.Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rn. 26) nicht entgegen. Eine - vorrangige - Anfechtungsklage kommt nicht in Betracht, weil kein Verwaltungsakt der Angliederungsverfügung seitens des Beklagten ergangen ist, sondern die Beigeladenen untereinander einen Abrundungsvertrag über die streitigen Jagdflächen geschlossen haben. Eine etwaige zivilrechtliche Leistungsklage gegen diesen Vertrag könnte hingegen nicht das eigentliche Rechtsschutzziel der Klägerin bewirken, die streitigen Flächen ihrem gemeinschaftlichen Jagdbezirk positiv zuzurechnen.

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Gem. § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (…) begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

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Die Frage, ob und ggf. zu welchem Jagdbezirk Grundstücke gehören, kann ein nach § 43 VwGO feststellungsfähiges Rechtsverhältnis sein (vgl. Schuck, a.a.O., § 4 Rn. 18 f.; Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rn. 13 bezüglich der Eigenschaft eines Gebiets als Eigenjagdbezirk). Das berechtigte Interesse der Klägerin ergibt sich aus der zutagegetretenen Rechtsunsicherheit über die Zugehörigkeit der streitigen Flurstücke entweder zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Klägerin oder zum Eigenjagdbezirk des Beigeladenen zu 1. Mit einer entsprechenden Zuordnung sind sowohl wirtschaftliche Folgen als auch Rechte und Pflichten verbunden. Die seit Oktober 2013 vom damaligen Vorsitzenden der Klägerin betriebene Angliederung der fraglichen Flurstücke zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk bzw. das Erreichen von Ausgleichsflächen für den Fall einer zu Lasten des gemeinschaftlichen Jagdbezirks ergehenden jagdbehördlichen Abrundungsverfügung erfüllen die Anforderungen an ein berechtigtes Interesse.

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Dem klägerischen Antrag ist gleichwohl nicht stattzugeben.

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II. 2. Die Klage ist unbegründet.

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Das Gericht vermag die beantragte Befugnis der Klägerin, die Jagd auf den Flurstücken 76, 77, 78, 81 der Flur 3 der Gemarkung A-Stadt auszuüben, nicht festzustellen. Das Jagdausübungsrecht auf diesen Flächen steht nicht der Klägerin zur Nutzung zu. In gemeinschaftlichen Jagdbezirken steht die Ausübung des Jagdrechts der Jagdgenossenschaft zu (§ 8 Abs. 1, 4 und 5 BJagdG i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 LJagdG LSA). Die streitgegenständlichen Flurstücke gehören nicht zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Klägerin.

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Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BJagdG bilden zusammenhängende Grundflächen mit einer land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich nutzbaren Fläche von 75 ha an, die im Eigentum ein und derselben Person oder einer Personengemeinschaft stehen, einen Eigenjagdbezirk. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 BJagdG ist der Eigentümer in einem Eigenjagdbezirk jagdausübungsberechtigt. Hingegen bilden alle Grundflächen einer Gemeinde oder abgesonderten Gemarkung, die nicht zu einem Eigenjagdbezirk gehören, einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk, wenn sie im Zusammenhang mindestens 250 ha umfassen; in gemeinschaftlichen Jagdbezirken steht die Ausübung des Jagdrechts der Jagdgenossenschaft zu (§ 8 Abs. 1, 4 und 5 BJagdG i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 LJagdG LSA).

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Ein Flächenzusammenhang im Sinne der genannten Vorschriften besteht, wenn die gesamte Fläche durch kein fremdes Grundstück getrennt ist (vgl. Meyer-Ravenstein, a.a.O., § 7 Rn. 5). Ein Zusammenhang ist schon vorhanden, wenn Grundflächen sich auch nur in einem Punkt berühren – sog. Punktverbindung (vgl. Meyer-Ravenstein, a.a.O., § 5 Rn. 15).

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Gemäß § 5 Abs. 1 BJagdG können Jagdbezirke durch Abtrennung, Angliederung oder Austausch von Grundflächen abgerundet werden, wenn dies aus Erfordernissen der Jagdpflege und Jagdausübung notwendig ist. „Notwendig“ bedeutet, dass zwingende Gründe den Eingriff in den Gebietsstand gebieten müssen und bloße Zweckmäßigkeitserwägungen die Umgestaltung eines Jagdbezirks durch die Behörde nicht rechtfertigen können. Denn Unzuträglichkeiten und gewisse Schwierigkeiten müssen bei der Bejagung eines Gebietes immer in Kauf genommen werden. Zwingend geboten ist die Abrundung eines Jagdbezirkes dann, wenn sie sich aus der Sicht eines neutralen, jagdlich erfahrenen Betrachters bei Beurteilung der örtlichen Verhältnisse geradezu als sachdienlich aufdrängt (so Meyer-Ravenstein, a.a.O., § 5 Anm. 2).

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Gemäß § 5 Abs. 1 LJagdG LSA können unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 BJagdG Jagdbezirke abgerundet werden 1. durch Vertrag zwischen den Beteiligten, 2. von Amts wegen durch Verfügung der Jagdbehörde. § 5 Abs. 2 LJagdG LSA lautet: Der Abrundungsvertrag (Abs. 1 Nr. 1) bedarf der Schriftform und ist der Jagdbehörde anzuzeigen. Die §§ 544 und 545 BGB sowie §§ 11 Abs. 4, 12 Abs. 1-3 und 14 BJagdG gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass die Jagdbehörde den Vertrag bereits dann beanstanden kann, wenn die Abrundung nicht zur ordentlichen Jagdpflege und Jagdausübung notwendig ist. Bei Abrundungen von Amts wegen ist ein Austausch von Flächen ungefähr gleicher Größe anzustreben.

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Einen derartigen Abrundungsvertrag hat die Beigeladene zu 2. als Grundeigentümerin der Flurstücke 76, 77, 78 und 81 mit dem Beigeladenen zu 1. im August 2013 schriftlich geschlossen und dem Beklagten ordnungsgemäß angezeigt (Bl. 22, 78 der Beiakte). Eine Beteiligung der benachbarten Jagdgenossenschaft, mithin der Klägerin, sieht das Gesetz nicht vor. Ein explizites Anhörungsrecht nach § 28 VwVfG i.V.m. § 1 VwVfG LSA kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil es nicht um ein von einer Behörde geführtes Verfahren geht, sondern sich Eigenjagdbesitzer untereinander im Vertragswege einig werden. Den behaupteten formellen Anhörungsmangel kann die Klägerin daher gegenüber dem Beklagten nicht rügen. Bei nicht durch behördliche Abrundungsverfügung vorgenommenen Angliederungen ist auch eine Zusprechung von Ausgleichsflächen gesetzlich nicht vorgesehen. Die der Unteren Jagdbehörde vorgelegte Abrundungsvereinbarung ist vom Beklagten nicht beanstandet worden. Daraus ist zu schließen, dass der Beklagte keine Zweifel an der Notwendigkeit der Abrundung hatte.

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Der zwischen den Beigeladenen geschlossene Angliederungsvertrag vom 7./14.8.2013 erfasst zu Recht die von der Klägerin beanspruchten Flächen der Flurstücke 76, 77, 78 und 81 der Flur 3 der Gemarkung A-Stadt. Diese von den Beteiligten als sog. 4./5. Heide bezeichneten Flächen waren nicht Gegenstand der zwischen den Beigeladenen geschlossenen Kaufverträge, liegen aber inmitten der verkauften Eigenjagd-Grundstücke und sind daher zu Recht vom Beklagten als bis dahin jagdbezirksfrei angesehen worden. Gemäß § 6 Abs. 3 S. 2 LJagdG LSA sollen Grundflächen, die zu keinem Jagdbezirk gehören, einem Jagdbezirk angegliedert werden. Sofern Erfordernisse der Jagdpflege und der Jagdausübung nicht entgegenstehen, sollen sie 1. vorrangig einem Eigenjagdbezirk des Eigentümers dieser Flächen, 2. einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk angegliedert werden.

35

Diese Anordnung ist vorgesehen, da im Interesse einer flächendeckenden Jagdausübung und der damit verbundenen Hege jagdgebietsfreie Flächen grundsätzlich vermieden werden sollen (vgl. Meyer-Ravenstein, a.a.O., § 5 BJagdG, §§ 5,6 LJagdG Rn. 21). Bei vertraglichen Abrundungen können an die Notwendigkeit der Abrundung geringere Anforderungen gestellt werden (vgl. Meyer-Ravenstein, a.a.O., Rn. 2). Für das Gericht ergibt sich im vorliegenden Fall die Notwendigkeit der Abrundung daraus, dass die Flächen der 4./5. Heide allein über ihre Zuordnung zum Eigenjagdbezirk des Beigeladenen zu 1. ordnungsgemäß bejagbar sind und nicht über Flächen des gemeinschaftlichen Jagdbezirks der Klägerin.

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Diese Einschätzung beruht auf § 6 Abs. 3 LJagdG LSA. Nach dieser Norm sind die in § 5 Abs. 2 BJagdG genannten Flächen nicht Bestandteil eines Jagdbezirks, wenn sie nur mit einer Schmalseite mit ihm zusammenhängen. Dies trifft auf die Flächen der 4./5. Heide zu, denn sie sind nur (noch) über die Flurstücke 73 und 66/21 mit dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Klägerin verbunden. Beide Flurstücke sind jeweils nur ca. 50-60 m breit und ca. 230-240 m lang. Damit unterfallen diese Flurstücke als sog. "Handtuchflächen" dem § 5 Abs. 2 BJagdG. Nach dieser Vorschrift bilden natürliche und künstliche Wasserläufe, Wege, Triften und Eisenbahnkörper sowie ähnliche Flächen, wenn sie nach Umfang und Gestalt für sich allein eine ordnungsmäßige Jagdausübung nicht gestatten, keinen Jagdbezirk für sich, unterbrechen nicht den Zusammenhang eines Jagdbezirkes und stellen auch den Zusammenhang zur Bildung eines Jagdbezirkes zwischen getrennt liegenden Flächen nicht her. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Zusammenhang besteht, werden lange, schmale Handtuchgrundflächen i.S.v. § 5 Abs. 2 BJagdG hinweggedacht (vgl. Meyer-Ravenstein, a.a.O., § 5 Rn. 14). Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 5 Abs. 2 BJagdG ist das Vorliegen eines natürlichen oder künstlichen Wasserlaufs, eines Weges, einer Trift, eines Eisenbahnkörpers oder einer ähnlichen Fläche.

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Hierzu nimmt das Gericht Bezug auf die im Verwaltungsvorgang (Bl. 6 der Beiakte) befindliche sowie die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte vergrößerte parzellenscharfe Flurkarte, die mit den Beteiligten in richterlichen Augenschein genommen wurde. Aus dieser wird deutlich, dass die Flächen der 4./5. Heide inzwischen nahezu vollständig umschlossen sind von Flächen, die der Beigeladene zu 1. käuflich erworben hat und die zu dessen Eigenjagdbezirk gehören.

38

Auch im Bereich südlich der Flurstücke 76, 77, 78 und 81 gehört inzwischen die "linke Flanke" dem Beigeladenen zu 1., der zuletzt noch die Flurstücke 71+66/19 erworben und dies durch Vorlage des entsprechenden Grundbuchauszugs (Bl. 97 ff. der Gerichtsakte) belegt hat. Damit besteht ein Zusammenhang mit den direkt westlich angrenzenden Flurstücken 70+66/18 und den direkt östlich angrenzenden Flurstücken 72+66/20, die sich ebenfalls im Eigentum des Beigeladenen zu 1. befinden. Diese Flächen gehören zum Eigenjagdbezirk Möser II des Beigeladenen zu 1. Des weiteren gehört das in der südöstlichen Ecke unterhalb des Flurstücks 76 befindliche Flurstück 74 dem Beigeladenen zu 1. und grenzt an dessen Eigenjagdbezirk Möser III an. Damit bleibt überhaupt nur noch ein einziger schmaler Korridor, welcher der Klägerin Zugang zu den Flurstücken 76, 77, 78, 81 verschaffen würde: nämlich das im Eigentum eines ihrer Jagdgenossen stehende Flurstück 73+66/21. Auch wenn es sich hierbei ebenso wie bei den links und rechts davon liegenden Flächen um ein bewaldetes Grundstück handelt, ist es für die Frage der Bewertung als "ähnliche Fläche" nicht im Gesamtzusammenhang mit den Flächen des Beigeladenen zu 1. zu sehen. Denn die Klägerin kann sich zur Darlegung, dass nicht lediglich Handtuchflächen vorliegen, nur auf eigene, nicht auf fremde Flächen berufen. Darauf, dass die Flurstücke 71+66/19, 72+66/20 südlich durch das Grundstück 48/1, das zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Klägerin gehört, vom Eigenjagdbezirk Möser III getrennt sind und mithin in ihrer Längsausrichtung keine Punktverbindung zum Jagdbezirk Möser III aufweisen, kommt es nach alldem nicht mehr an, denn es liegt ein Zusammenhang der Flächen zum Eigenjagdbezirk Möser II des Beigeladenen zu 1. vor.

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Muss mithin das Flurstück 73+66/21, das allein der Klägerin Zugang zu den von ihr begehrten Flächen der 4./5. Heide böte, nicht gemeinsam mit den südlich benachbarten Flächen, sondern als einzelnes in den Blick genommen werden, so ergibt sich, dass es sich bei diesem nur an einer Schmalseite (im Süden Angrenzen des Flurstücks 66/21 an das Flurstück 48/1) mit den Flächen des gemeinschaftlichen Jagdbezirks der Klägerin zusammenhängenden Flurstück um einen 50-60 m breiten Handtuchstreifen handelt, der für sich nicht ordnungsgemäß bejagbar ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 27.3.2015 - 1 L 39/14 -). Hier bestünde nämlich die Gefahr von Nachsuchefällen, Grenzstreitigkeiten und womöglich Personengefahr.

40

Nach dem Inhalt des gestellten Feststellungsantrages der Klägerin war hierfür der gegenwärtige Zeitpunkt als maßgeblich zugrundezulegen (vgl. Redeker/von Oertzen, VwGO, Kommentar, 16. Auflage, § 108 Rn. 26 m.w.N.), in dem der letzte Eigentumserwerb des Beigeladenen zu 1. bezüglich der Flurstücke 71+66/19 zu beachten ist.

41

Die Klage war nach alldem abzuweisen.

42

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gem. § 162 Abs. 3 VwGO nicht aus Billigkeitsgründen für erstattungsfähig zu erklären, da die Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung keine Anträge gestellt und sich damit nicht am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt haben.

43

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

44

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 19. Aufl., Anhang § 164 Rn. 14, Ziff. II. 20.1). Danach geht die Kammer in Jagdrechtsfällen, in denen wie im vorliegenden Fall um den Bestand und die Abgrenzung von Jagdbezirken gestritten wird, nach ihrem Ermessen von einem Streitwert in Höhe von 10.000 € aus; dieser entspricht der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache.


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