Beschluss vom Verwaltungsgericht Stuttgart - 5 K 2044/10

Tenor

Die Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23.04.2010 - 5 K 1803/06 - wird zurückgewiesen.

Gründe

 
I.
Die Beklagte wendet sich gegen die Festsetzung von Kosten der Kläger anlässlich einer gerichtsinternen Mediation.
Die Kläger erhoben am 05.05.2006 vor dem erkennenden Gericht Klage wegen Versagung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung (5 K 1803/06). Die Berichterstatterin bot den Beteiligten des Klageverfahrens mit Schreiben vom 21.09.2009 die Durchführung einer Mediation durch eine Richterin des Verwaltungsgerichts Stuttgart an; zur Information der Beteiligten wurde ihnen das Informationsblatt des Verwaltungsgerichts Stuttgart „Mediation am Verwaltungsgericht“ übersandt. In dem Blatt (Stand: August 2009) ist auf Seite 8 zu „Kosten der Mediation“ ausgeführt:
„Die Durchführung einer Mediation ist mit keinen zusätzlichen Gerichtsgebühren verbunden; allenfalls können bei Mediationssitzungen außerhalb des Verwaltungsgerichts Auslagen des Mediators (Reisekosten) anfallen. Neben diesen möglichen Auslagen entstehen für die Beteiligten an einer Mediation also nur die eigenen Kosten für die Wahrnehmung der Sitzungstermine und ggf. für die Teilnahme ihrer Rechtsanwälte an der Mediation. Im Übrigen verbleibt es bei den Gerichtsgebühren, die in dem bereits anhängigen Prozess ohnehin anfallen oder schon angefallen sind.“
Auf die Empfehlung in dem gerichtlichen Schreiben vom 21.09.2009, dass die Beteiligten im Falle des Wunsches, eine Mediation durchzuführen, das Ruhen des Verfahrens beantragen sollten, beantragten die Beteiligen das Ruhen des Verfahrens. Mit Beschluss vom 15.10.2009 ordnete die Berichterstatterin das Ruhen des Verfahrens an und ersuchte die nach dem Geschäftsverteilungsplan des Verwaltungsgerichts Stuttgart für das Jahr 2009 zuständige Mediatorin unter Hinweis auf die Vorschriften der §§ 106 Satz 1 und 173 VwGO in Verbindung mit § 278 Abs. 5 Satz 1 ZPO (in entsprechender Anwendung), mit den Beteiligten eine Güteverhandlung durchzuführen und gegebenenfalls einen gerichtlichen Vergleich zu schließen. Die Beteiligten trafen sich mit ihren Prozessbevollmächtigten am 11.12.2009 im Gebäude des Verwaltungsgerichts Stuttgart zum ersten Mediationstermin. Eine Einigung über das weitere Mediationsverfahren kam in dem Termin nicht zustande.
Nach dem Wiederanruf des Klageverfahrens fand am 22.12.2009 eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, in dem ein Vergleich geschlossen wurde, worauf die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten. Mit Beschluss vom 10.03.2010 stellte die Kammer das in der Hauptsache erledigte Verfahren ein und legte den Klägern als Gesamtschuldnern ein Viertel sowie der Beklagten drei Viertel der Kosten des Verfahrens auf.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 20.04.2010 machten die Kläger unter anderem Kosten für den Mediationstermin am 11.12.2009 geltend (Reisekosten der Kläger: 157,50 EUR; Fahrtkosten der Prozessbevollmächtigten der Kläger: 33,00 EUR; Abwesenheitsgeld der Prozessbevollmächtigten der Kläger: 35,00 EUR; Entschädigung für Zeitversäumnis der Kläger: 60,00 EUR; insgesamt - ohne Mehrwertsteuer -: 285,50 EUR). Die Beklagte machte mit dem bereits zuvor gestellten Kostenfestsetzungsantrag vom 23.03.2010 keine Kosten für die Wahrnehmung der Mediation geltend.
Der Urkundsbeamte des Verwaltungsgerichts setzte die erstattungsfähigen Kosten der Kläger mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23.04.2010 (5 K 1803/06) auf insgesamt 3.866,10 EUR fest. Dieser Betrag beinhaltet 298,42 EUR (einschließlich 12,92 EUR Mehrwertsteuer aus 68,00 EUR ; die Kläger sind als Privatpersonen nicht umsatzsteuerpflichtig) hinsichtlich des Mediationstermins am 11.12.2009. Der Kostenfestsetzungsbeschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 05.05.2010 zugestellt.
Am 14.05.2010 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23.04.2010 insoweit gestellt, als Kosten für den Mediationstermin am 11.12.2009 festgesetzt sind. Diese Kosten seien nicht erstattungsfähig. Eine Mediationsvereinbarung hätten die Beteiligten nicht getroffen. Sie hätten sich lediglich auf ein Mediationsverfahren auf der Grundlage des Informationsschreibens des Verwaltungsgerichts Stuttgart „Mediation am Verwaltungsgericht“ geeinigt und die dortige Regelung über die Tragung der Kosten vereinbart. Zwischen den Beteiligten sei zur Durchführung des Mediationsverfahrens vereinbart worden, dass jede Partei „die eigenen Kosten für die Wahrnehmung der Sitzungstermine und ggf. für die Teilnahme ihrer Rechtsanwälte an der Mediation“ trage. Bereits diese Vereinbarung schließe es aus, dass diese, jeweils übernommenen, notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des gerichtlichen Verfahrens erforderlich sein können. Bei den „Kosten des Verfahrens“ im Sinne des gerichtlichen Beschlusses über die Kostentragung vom 10.03.2010 (5 K 1803/06) handele es sich ausschließlich um die Kosten des Gerichtsverfahrens. Die Mediation sei - unabhängig von der genannten Vereinbarung - kein Teil des Gerichtsverfahrens. Das gerichtliche Verfahren sei zur Durchführung des Mediationsverfahrens mit Beschluss vom 15.10.2009 ausdrücklich zum Ruhen gebracht worden. Kosten, die während des Ruhens eines gerichtlichen Verfahrens entstehen, könnten keine Kosten dieses Gerichtsverfahrens sein; ihnen fehle die Erstattungsfähigkeit des § 162 VwGO.
Die Kläger sind der Erinnerung entgegengetreten. Die Annahme einer „Vereinbarung“ dergestalt, dass jede Partei ihre eigenen Kosten für die Teilnahme an der Mediation trage, sei fernliegend. Eine solche Vereinbarung sei nicht getroffen worden. Sie könne auch nicht aus dem Merkblatt zum Mediationsverfahren hergeleitet werden. In dem Merkblatt werde zutreffend darauf hingewiesen, dass Auslagen für die Beteiligten an einer Mediation, insbesondere Rechtsanwaltsgebühren, entstehen können. Wer diese Kosten zu tragen habe, werde in dem Merkblatt nicht erläutert.
10 
Der Urkundsbeamte hat der Erinnerung am 04.06.2010 nicht abgeholfen und sie der Kammer zur Entscheidung vorgelegt (5 K 2044/10).
II.
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Die zulässige Erinnerung (§§ 165 und 151 VwGO) ist nicht begründet. Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23.04.2010 wurden zutreffend die beantragten Kosten der Kläger für die Wahrnehmung des Mediationstermins am 11.12.2009 festgesetzt.
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Die mit Beschluss vom 10.03.2010 (5 K 1803/06) getroffene Kostenregelung („Kosten des Verfahrens“) umfasst auch die den Klägern anlässlich der Wahrnehmung des Mediationstermins am 11.12.2009 entstandenen Reisekosten für sie selbst und ihre Prozessbevollmächtigte sowie ihre Parteiauslagen nach § 20 JVEG sowie das Abwesenheitsgeld ihrer Prozessbevollmächtigten nach Nr. 7005 RVG-VV. Der gesetzliche Begriff „Kosten des Verfahrens“ (§ 154 Abs. 1 VwGO) umfasst die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens (§ 162 Abs. 1 VwGO). Die Geltendmachung der Mediationskosten ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aufgrund einer ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarung ausgeschlossen. Einen ausdrücklichen Kostenverzicht haben die Beteiligten weder vor der Mediation am 11.12.2009 noch während dieses Termins getroffen. Eine schriftliche Vereinbarung liegt nicht vor. Für einen mündlich vor dem Mediationstermin vereinbarten Kostenverzicht hat die Beklagte keine Umstände glaubhaft gemacht. Die Mediatorin hat bestätigt, dass Mediationskosten während der Mediation am 11.12.2009 nicht thematisiert wurden. Schließlich kann auch aus dem Informationsblatt des Verwaltungsgerichts Stuttgart „Mediation am Verwaltungsgericht“ (Stand: August 2009) kein Kostenverzicht hergeleitet werden. Das Merkblatt enthält lediglich verschiedene Hinweise auf die Entstehung von Kosten anlässlich der Durchführung einer Mediation. Unter der Überschrift „Kosten der Mediation“ (S. 8) wird zunächst in Satz 1 ausgeführt, dass die Durchführung einer Mediation mit keinen zusätzlichen Gerichtsgebühren verbunden ist und allenfalls bei Mediationssitzungen außerhalb des Verwaltungsgerichts Auslagen des Mediators (Reisekosten) anfallen. In Satz 2 wird dann darauf hingewiesen, dass neben diesen möglichen Auslagen für die Beteiligten nur die eigenen Kosten für die Wahrnehmung der Sitzungstermine und gegebenenfalls für die Teilnahme ihrer Rechtsanwälte an der Mediation entstehen (so oder ähnlich informiert auch die sächsische Verwaltungsgerichtsbarkeit über die Mediation, vgl. Düvelshaupt, SächsVBl. 2011, 104 ff.; vgl. ferner das Merkblatt des VG Freiburg, www.vgfreiburg.de/Mediation, abgerufen am 19.09.2011). Der Hinweis in diesem Satz bezieht sich ausschließlich auf die Entstehen von Kosten. Von einem Verzicht auf die Geltendmachung der den Beteiligten anlässlich der Wahrnehmung eines Mediationstermins entstandenen Kosten ist keine Rede.
13 
Die umstrittenen Mediationskosten sind zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Aufwendungen der Kläger im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO. Bei der hier durchgeführten Mediation handelte es sich um eine Rechtsverfolgung im Rahmen einer sogenannten gerichtsinternen Mediation durch einen Richter-Mediator während eines anhängigen Gerichtsverfahrens, wobei der Mediator nicht dem Spruchköper angehört, bei dem das Verfahren anhängig ist (vgl. Joachim von Bargen, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 2. Aufl., 2009, § 38 RdNr. 3; Ortloff, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Mai 2010, § 104 RdNr. 79; Fritz/Krabbe, NVwZ 2011, 396 ff. ). Weder damals (im Dezember 2009) noch heute war und ist das während eines gerichtlichen Verfahrens durchgeführte Mediationsverfahren Gegenstand einer ausdrücklichen prozessualen Regelung (vgl. nunmehr den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung, BT-Drs. 17/5335; Guckelberger, NVwZ 2011, 390 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., 2011, § 1 RdNrn. 33 ff., § 173 RdNr. 2). § 1 Satz 2 Nr. 3 des Entwurfs eines Mediationsgesetzes (MediationsG-E) definiert die gerichtsinterne Mediation als eine Mediation, die während eines Gerichtsverfahrens von einem nicht entscheidungsbefugten Richter durchgeführt wird. Im vorliegenden Fall wurden die Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben der Berichterstatterin des Klageverfahrens 5 K 1803/06 vom 21.09.2009 darauf hingewiesen, dass die gerichtsinterne Mediation ein von dem anhängigen Rechtsstreit „losgelöstes“ Verfahren ist. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen in der Verwaltungsgerichtsordnung wurde nach dem Einverständnis der Beteiligten mit einem Mediationsverfahren durch den Beschluss der Berichterstatterin vom 15.10.2009 (5 K 1803/06) die richterliche Mediatorin des erkennenden Gerichts ersucht, „mit den Beteiligten eine Güteverhandlung durchzuführen und ggf. einen gerichtlichen Vergleich zu schließen (§§ 106 Satz 1 und 173 VwGO in Verbindung mit § 278 Abs. 5 Satz 1 ZPO in entsprechender Anwendung).“ Diese Verfahrensweise entspricht einer weit verbreiteten Praxis (vgl. Bader, Gerichtsinterne Mediation am Verwaltungsgericht, 2009, S. 108 ff.; Jan Malte von Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 2008, S. 235 ff.; Joachim von Bargen, DVBl. 2004, 468, 472 Fn. 18; Hauser, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, 1. Aufl., 2008, § 1 RdNr. 200; Nistler, JuS 2010, 685, 688; Ortloff, NVwZ 2004, 385, 388; Seibert, NVwZ 2008, 365, 366; Ziekow, NVwZ 2004, 390, 394).
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§ 278 Abs. 5 Satz 1 ZPO, wonach das Gericht die Parteien für die Güteverhandlung vor einen beauftragten oder ersuchten Richter verweisen kann, knüpft an § 278 Abs. 2 ZPO an. Nach Satz 1 dieser Vorschrift geht der mündlichen Verhandlung zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Der Zivilprozess sieht folglich grundsätzlich eine Güteverhandlung vor (zwingend ist sie im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu Beginn der mündlichen Verhandlung, vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Demgegenüber ist im Verwaltungsprozess ein Termin zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits vor dem Vorsitzenden oder dem Berichterstatter (also den streitentscheidenden Richtern) nicht obligatorisch (vgl. § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO). Diese speziellere Regelung sperrt den Rückgriff auf § 278 Abs. 2 ZPO über die Generalklausel des § 173 Satz 1 VwGO (vgl. Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Mai 2010, § 173 RdNr. 204). Dementsprechend ist § 278 Abs. 2 ZPO in dem Beschluss der Berichterstatterin vom 15.10.2009 auch nicht erwähnt. Das in diesem Beschluss an die Mediatorin des Verwaltungsgerichts Stuttgart gerichtete Ersuchen, mit den Beteiligten eine Güteverhandlung durchzuführen und gegebenenfalls einen Vergleich zu schließen, verleiht der Mediatorin nicht die Rolle einer ersuchten Richterin in dem Sinne, wie dieser Begriff in den Regelungen der Zivilprozessordung zur Beweisaufnahme (§ 362 Abs. 1 ZPO) und im Gerichtsverfassungsgesetz im Rahmen der Rechtshilfe (§§ 156 ff. GVG) geregelt ist. Hiernach ist der ersuchte Richter ein Richter eines anderen Gerichts (in Zivil- und Strafsachen - § 156 GVG - des Amtsgerichts, § 157 Abs. 1 GVG; in Verwaltungsrechtssachen eines anderen Verwaltungsgerichts, vgl. Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/v. Albedyll, VwGO, 5. Aufl., 2011, § 14 RdNr. 8). Im Rahmen der hier vorliegenden gerichtsinternen Mediation wäre der Begriff des ersuchten Richters, verstünde man ihn im genannten, gesetzlichen Sinne, ein Widerspruch in sich. Mit der über § 173 Satz 1 GVG erfolgten entsprechenden Anwendung des § 278 Abs. 5 Satz 1 ZPO sollte der Mediatorin des Verwaltungsgerichts als ersuchter Richterin im Sinne eines gerichtsinternen Ersuchens auch die Befugnis zugewiesen werden, im Falle einer erfolgreichen Mediation einen gerichtlichen Vergleich entgegenzunehmen (vgl. Jan Malte von Bargen, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, 2. Aufl., 2011, § 10 RdNr. 118). Diese Befugnis nach § 106 Satz 1 VwGO steht neben dem Gericht auch dem beauftragten und ersuchten Richter zu; der Vorsitzende oder der Berichterstatter ist nach § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO hierzu ausdrücklich befugt.
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Gegen das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „Rechtsverfolgung“ (§ 162 Abs. 1 VwGO) im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO) kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, bei der Durchführung (auch) einer gerichtsinternen Mediation handele es sich nicht um Rechtsprechung und hierbei anfallende Kosten fielen folglich von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des 16. Abschnitts (Kosten) - §§ 154 bis 166 VwGO - der Verwaltungsgerichtsordnung. Die den Richtern anvertraute rechtsprechende Gewalt (Art. 92 GG) umfasst nicht nur die richterliche Aufgabe, einen Streit verbindlich zu entscheiden, sondern auch das Bemühen um eine gütliche Streitbeilegung. Manche Prozessordnungen kennen sogar einen Vorrang konsensualer Konfliktlösung gegenüber der Streitentscheidung, was in den bereits genannten Vorschriften des § 54 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sowie § 278 Abs. 2 ZPO zum Ausdruck kommt. Diesen Vorrang hebt auch das Bundesverfassungsgericht hervor (vgl. Beschl. v. 14.02.2007 - 1 BvR 1351/01 -, juris RdNrn. 26 u. 35; vgl. auch Battis, DÖV 2011, 340 ff.). Darauf, dass die gütliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten ebenso wie der Rechtsspruch dem Kernbereich richterlicher Tätigkeiten zuzuordnen ist und zu den bedeutungsvollsten Aufgaben des Richters gehört, hat der Bundesgerichtshof bereits vor über 40 Jahren hingewiesen (vgl. Urt. v. 09.03.1967 - RiZ 2/66 - BGHZ 47, 275, 287). Nach § 5 a Abs. 3 S. 1 DRiG gehört das Verfahren der Mediation seit 01.07.2003 zu den Schlüsselqualifikationen der deutschen Richterausbildung (vgl. Bloch, BayVBl. 2010, 136, 137). Die im vorliegenden Falle durchgeführte gerichtsinterne Mediation ist daher Teil der Rechtsprechung und nicht durch einen Richter ausgeführte Verwaltungstätigkeit (vgl. Bamberger, in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 2. Aufl., 2009, § 42 RdNrn. 40 ff.; Jan Malte von Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 2008, S. 191 ff., unter Verwendung der Begriffsschöpfung „Neutrales Verfahren“; Joachim von Bargen, DV 2010, 405, 411 ff.; Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 3, 2009, § 50 RdNrn. 408 ff.; Sporré, DRiZ 2011, 222 ff.; wohl auch Ronellenfitsch, DÖV 2010, 373 ff.; a. A.: Bader, Gerichtsinterne Mediation am Verwaltungsgericht, 2009, S. 129; Bercher/Engel, JZ 2010, 226, 228; von Glasenapp, NordÖR 2007, 281, 282; Wimmer/Wimmer, NJW 2007, 3243 ff.). Nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung handelt es sich bei der gerichtsinternen Mediation um eine richterliche Tätigkeit eigener Art, die nicht der Justizverwaltung zuzurechnen ist (vgl. BT-Drs. 17/5335, S. 20 f.)
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Handelt es sich demzufolge bei der am 11.12.2009 durchgeführten Mediation um eine Rechtsverfolgung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, kann den Klägern auch nicht in Abrede gestellt werden, die Rechtsverfolgung sei nicht „zweckentsprechend“ im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO gewesen. Insoweit gilt der allgemeine Grundsatz, dass jeder Verfahrensbeteiligte die Pflicht hat, die Kosten im Rahmen des Verständigen nach Möglichkeit niedrig zu halten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.07.2000 - 11 KSt 2/99 -, NJW 2000, 2832; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., 2011, § 162 RdNr. 1 c). Die Erstattungsfähigkeit setzt voraus, dass eine verständige, weder besonders ängstliche noch besonders unbesorgte Partei in der Lage der Kläger und im Hinblick auf die Bedeutung und rechtliche oder sachliche Schwierigkeit der Sache die Aufwendungen vernünftiger Weise für erforderlich halten durfte (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.12.1963 - VII C 14.63 -, BVerwGE 17, 245; Beschl. v. 21.09.1982 - 8 B 10/82 -, NVwZ 1983, 346; Kopp/Schenke, a.a.O., § 162 RdNr. 3). Dies ist angesichts der in den letzten 10 Jahren immer verbreiteteren und vielfach erfolgreich durchgeführten gerichtsinternen Mediation (vgl. Apell, NVwZ 2007, 59 f.; Bloch, BayVBl. 2010, 136 ff.; Düvelshaupt, SächsVBl. 2011, 104 ff.; Greger, ThürVBl. 2011, 18 ff.; Knorr, NVwZ 2006, 914 f.; Ortloff, NVwZ 2006, 148 ff. u. 1143 f., 2007, 1 ff.; ders., in: Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 2. Aufl., 2009, § 41 RdNr. 86; Seibert, NVwZ 2008, 365 ff.; Sporré, DRiZ 2011, 222 ff.) nicht ernsthaft zu bezweifeln. Die geltend gemachten Aufwendungen der Kläger in Gestalt ihrer Reisekosten sowie der Entschädigung für Zeitversäumnisse nach § 20 JVEG sowie der Fahrtkosten und des Abwesenheitsgeldes ihrer Prozessbevollmächtigten anlässlich des Mediationstermins am 11.12.2009 sind uneingeschränkt angemessen.
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Die Erstattungsfähigkeit dieser notwendigen Aufwendungen der Kläger scheitert ferner entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht daran, dass die Aufwendungen während des Ruhens des Klageverfahrens entstanden sind. Das auf die übereinstimmenden Anträge der Beteiligten mit Beschluss der Berichterstatterin vom 15.10.2009 zur Durchführung der gerichtsinternen Mediation nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 251 Satz 1 ZPO angeordnete Ruhen des Verfahrens war mangels einer gesetzlichen Regelung nicht zwingend (vgl. etwa zum gesetzlich angeordneten Ruhen des Verfahrens im Arbeitsgerichtsprozess wegen Nichterscheinens oder Nichtverhandelns beider Parteien in der Güteverhandlung § 54 Abs. 5 Satz 1 ArbGG). Eine Anordnung des Ruhens des Verfahrens im Falle einer gerichtsnahen oder gerichtsinternen Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung sieht nunmehr der Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vor (vgl. den neu in die ZPO einzufügenden § 278 a Abs. 2 ZPO durch Art. 3 Nr. 5 des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 17/5335). Durch die geplante Änderung des § 173 Satz 1 VwGO aufgrund von Art. 7 Nr. 3 des Gesetzentwurfs soll § 278 a ZPO ausdrücklich in Satz 1 eingefügt werden (vgl. zur Begründung BT-Drs. 17/5335, S. 34 f.). Das hier angeordnete Ruhen des Klageverfahrens (vgl. allgemein zur Ruhensanordnung im Verwaltungsprozess: Kreutz/Franz/Maske, DVBl. 2006, 221 ff.) bringt zum einen in formeller Hinsicht zum Ausdruck, dass das Mediationsverfahren in ein vom streitigen Verfahren abgeschichtetes und damit dem gesetzlichen, streitentscheidenden Richter entzogenes Zwischenverfahren verlagert wird (ein vom anhängigen Rechtsstreit „losgelöstes“ Verfahren, vgl. das gerichtliche Schreiben v. 21.09.2009 an die Beteiligten). Haben sich die Beteiligten auf ein Mediationsverfahren geeinigt und sind sie ernsthaft bemüht, eine gütliche Konfliktlösung zu finden, soll nicht gleichzeitig streitig weiter prozessiert werden. Das förmlich angeordnete Ruhen des Klageverfahrens markiert folglich auch bewusst eine Zäsur für die Beteiligten, prozessual Abstand von der streitigen Auseinandersetzung vor dem erkennenden Richter zu nehmen (vgl. Jan Malte von Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 2008, S. 330; vgl. auch Bader, Gerichtsinterne Mediation am Verwaltungsgericht, 2008, S. 118 f.). Dieser Zweck einer Ruhensanordnung mit dem Ziel, eine gütliche Lösung des Rechtsstreits zu erzielen, rechtfertigt es nicht, die Mediationskosten der Kläger dem Anwendungsbereich des § 162 Abs. 1 VwGO zu entziehen. Dies führte im Ergebnis zur Verneinung der zuvor getroffenen Feststellung, dass es sich bei den hier umstrittenen Aufwendungen um solche im Rahmen einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung handelt. Damit würde letztlich auch die Bereitschaft der Beteiligten, sich einem Mediationsverfahren zu stellen, vermindert, was rechtspolitisch gerade nicht gewollt ist (der genannte Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält allerdings keine Regelung der Kosten; eine diesbezügliche Ergänzung während des Gesetzgebungsverfahrens wäre zu begrüßen).
18 
Dass die Beklagte im Rahmen ihres Kostenfestsetzungsantrags vom 23.03.2010 keine Aufwendungen für die Mediation geltend gemacht hat, führt schließlich ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Es ist Sache eines jeden Beteiligten, eine Entscheidung darüber zu treffen, welche Kosten er für erstattungsfähig hält und folglich hierfür eine förmliche Kostenfestsetzung beantragt.
19 
Das Verfahren ist gebührenfrei; eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).

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