Urteil vom Verwaltungsgericht Trier (1. Kammer) - 1 K 1302/11.TR


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten um den Ausschluss des Klägers aus dem Trierer Stadtrat.

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Der Kläger ist Kreisvorsitzender der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) für den Kreis Trier. Als deren Vertreter wurde er bei der Kommunalwahl am 7. Juni 2009 in den Stadtrat der Stadt Trier gewählt.

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Mit Urteil vom 22. Dezember 2010 verurteilte das Landgericht Trier den Kläger wegen Mittäterschaft an einer gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 3, 25 Abs. 2 Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Revision verwarf der Bundesgerichtshof am 3. August 2011 als unbegründet. Die daraufhin vom Kläger am 22. September 2011 erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 9. Februar 2012 - 2 BvR 2417/11 - ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen.

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Der Verurteilung des Klägers legte das Landgericht Trier - verkürzt - folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde: der Kläger habe zu einer etwa acht- bis neunköpfigen Gruppe gehört, die am 18. Mai 2009 drei Personen auf deren Weg von der Polizeiinspektion in die Trierer Innenstadt abgepasst habe, um sich an diesen dafür zu revanchieren, dass sie zuvor Wahlplakate der NPD abgerissen hätten. Dabei sei der Gruppe um den Kläger bekannt gewesen, dass die betreffenden Personen bereits von der Polizei festgenommen und zur Sache vernommen worden seien. Eine der drei Personen sei sodann durch Faustschläge und Tritte verletzt worden. Der Kläger sei bei den Verletzungshandlungen zwar zugegen gewesen, habe sich aber nicht aktiv daran beteiligt. Das Landgericht sah die Voraussetzungen der Mittäterschaft als erfüllt an, da die Gruppe einen gemeinsamen Tatplan gehabt habe und der Kläger als "Hauptinitiator des gesamten Geschehens" - so das Landgericht wörtlich - einen wesentlichen Tatbeitrag geleistet habe.

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Der Stadtrat der Beklagten fasste aufgrund besagter Verurteilung des Klägers am 22. September 2011 in nichtöffentlicher Sitzung einstimmig den Beschluss, den Kläger auf der Grundlage des § 31 Abs. 1 Gemeindeordnung - GemO - aus seinen Reihen auszuschließen. Zusätzlich ordnete er die sofortige Vollziehung der Ausschlussentscheidung an. Über die unter Ziffer 1. den Ausschluss und unter Ziffer 2. die Anordnung des Sofortvollzugs umfassende Beschlussvorlage wurde im Gesamten in geheimer Abstimmung entschieden, nachdem der Oberbürgermeister zuvor festgestellt hatte, dass ein Antrag auf getrennte Abstimmung zu den Punkten 1 und 2 der Vorlage nicht gestellt worden war.

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Die Einladung zu der Stadtratssitzung vom 22. September 2011 mit der ausschließlich den Tagesordnungspunkt "Ausschluss des Ratsmitgliedes ... aus dem Stadtrat gem. § 31 der Gemeindeordnung" enthaltenden Tagesordnung wurde den Mitgliedern des Stadtrates unter dem 13. September 2011 übermittelt. Zugleich erhielt der Kläger Gelegenheit, sich zu der der Einladung anliegenden Beratungs- und Entscheidungsvorlage Nr. 382/2011 vom 12. September 2011 schriftlich zu äußern. Hiervon machte er mit Schreiben vom 22. September 2011 Gebrauch, das er der Beklagten am selben Tag per Email um 13:09 Uhr mit der Bitte um umgehende Weiterleitung an alle Ratsmitglieder übersandte. Zu Beginn der Stadtratssitzung äußerte der Kläger, dass ihm im Hinblick auf seinen zu erwartenden Ausschluss von der Sitzung wegen Befangenheit nach § 22 GemO zumindest das Recht gewährt werden müsse, mündlich seine Position darzulegen. Nach Annahme der Tagesordnung durch den Stadtrat räumte der Oberbürgermeister dem Kläger sodann Gelegenheit ein, sich mündlich zur Vorlage zu äußern, wobei er betonte, dass dies rechtlich nicht notwendig sei, da eine schriftliche Anhörung des Klägers zu seinem geplanten Ausschluss bereits stattgefunden habe. Der Kläger nahm umfassend zur Beschlussvorlage Stellung. Anschließend schloss der Stadtrat ihn durch einstimmigen Beschluss wegen Befangenheit von der Beratung und Entscheidung über die Vorlage aus. Nachdem er den Sitzungssaal verlassen hatte, signalisierten die sechs Fraktionsvorsitzenden für ihre jeweilige Fraktion, die Verwaltungsvorlage uneingeschränkt mitzutragen. Dem schloss sich der Abstimmungsvorgang an.

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Die Stadtratsvorlage 382/2011, auf deren Grundlage der Beschluss über den Ausschluss des Klägers erging, wurde - versehen mit einem Beschlussvermerk des Sitzungsdienstes sowie einer Rechtsmittelbelehrung - dem Kläger am 26. September 2011 übermittelt.

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Darin begründete die Beklagte die getroffene Entscheidung damit, dass der Kläger durch die Straftat die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit verwirkt habe. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger als Volksvertreter und den von ihm Vertretenen sei aufgrund der Verurteilung und der ihr zugrunde liegenden Straftat in ganz besonderem Maße gestört. Der Kläger habe sich durch die Tat über das Recht und das Gewaltmonopol des Staates hinweggesetzt. Dabei habe er eine Strafe gewählt, die selbst dem Staat bei schwersten Delikten nicht zur Verfügung stehe. In dem ungleichen Verhältnis von acht zu eins sei das schon wehrlos am Boden liegende Opfer in menschenverachtender Weise mit Fußtritten und Schlägen gegen Kopf und Rumpf so erheblich verletzt worden, dass es ins Krankenhaus habe eingeliefert werden müssen. Der ihm entgegengebrachten öffentlichen Achtung habe sich der Kläger hiermit als unwürdig erwiesen. Der Wähler könne ihm aber erst nach Ablauf der Wahlperiode das Vertrauen verweigern, so dass bis dahin der Stadtrat selbst die Integrität der politischen Willensbildung sicherzustellen habe. Das Interesse des Klägers, weiterhin an der demokratischen und rechtsstaatlichen Willensbildung im Stadtrat teilzunehmen, sei in Anbetracht der begangenen Tat nicht schutzwürdig. Die sofortige Vollziehung des Ausschlusses sei erforderlich um sicherzustellen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Lauterkeit der Stadtratsmitglieder und damit der politischen Willensbildung in den Gemeindeorganen keinen Schaden nehme. Es sei geradezu unerträglich, wenn der Kläger, der sich mit Gewalt über das Recht und den Achtungsanspruch des Menschen hinweggesetzt habe, weiterhin an Entscheidungen im Stadtrat mitwirke, die ihrerseits für den Bürger verbindlich seien.

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Der Kläger hat am 29. September 2011 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, § 31 GemO sei verfassungswidrig. Die Norm verletze den in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz - GG - garantierten Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl. Die in Streit stehende Bestimmung gebe der Gemeindevertretung das Recht, sich nach der Wahl zwischen Wähler und Wahlbewerber zu schieben und den Wählerwillen zu verfälschen. Damit hätten nicht mehr die Wähler das letzte Wort, sondern die Mitglieder des Gemeinderates. Ferner sei § 31 GemO vom unzuständigen Gesetzgeber erlassen worden. Die Bestimmung knüpfe die Sanktion des Ausschlusses aus dem Gemeinderat an das Vorliegen einer Straftat. Das Strafrecht aber sei nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung und der Bund habe die Materie abschließend geregelt. Insbesondere sehe § 45 StGB bei Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr den zwingenden Verlust der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit für fünf Jahre und in weiteren gesetzlich bestimmten Fällen die Möglichkeit der Aberkennung derselben durch den Strafrichter vor. Hierbei handle es sich um Nebenstrafen. Dem Landesgesetzgeber stehe es daher nicht zu, weitergehende Strafen einzuführen. Erst recht dürfe er nicht dem Gemeinderat die Möglichkeit eröffnen, neben der durch ein Gericht verhängten Strafe und über diese hinaus eine weitere, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende Strafe zu verhängen. Hierin liege zugleich ein Verstoß gegen den in Art. 103 Abs. 3 GG normierten Grundsatz, dass niemand wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden dürfe. Auch der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl werde insofern, als von ihm das passive Wahlrecht umfasst sei, durch die angegriffene Bestimmung verletzt. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht Einschränkungen des Allgemeinheitsprinzips aus zwingenden Gründen für zulässig erachtet. Auch habe es die bürgerlichen Ehrenrechte als Wählbarkeitsvoraussetzung anerkannt. Es sei im Fall einer strafrechtlichen Verurteilung aber nicht erkennbar und vom Bundesverfassungsgericht auch bisher nicht dargetan, inwiefern daraus ein zwingender Grund für die Einschränkung der Allgemeinheit der Wahl resultiere.

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Weiter führt der Kläger aus, dass § 31 GemO, verstehe man ihn nicht als Strafgesetz, jedenfalls eine unverhältnismäßige Disziplinarmaßnahme vorsehe. Die Bestimmung sei auch darüber hinaus unverhältnismäßig. Dies zeige sich schon darin, dass sie die Aberkennung des Mandats auch dann zulasse, wenn der Strafrichter sie abgelehnt habe, sowie unter Voraussetzungen, die für eine strafrichterliche Aberkennung nicht genügten. Statt eines neutralen Richters entschieden dann politische Konkurrenten. Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widerspreche auch, dass der Ausschluss mit einfacher Mehrheit beschlossen werden könne. Dies zeige ein Vergleich mit der Abwahl des Bürgermeisters, für welche die Gemeindeordnung ein mehrstufiges Verfahren vorschreibe, bei dem mehrere Sicherungsmaßnahmen Missbrauch vorbeugten. Auch habe der Gesetzgeber im Hinblick auf ehrenamtliche Bürgermeister und Beigeordnete von einer Abwahlmöglichkeit gerade abgesehen, um die Bereitschaft zur Übernahme eines solchen Amtes nicht unnötig zu erschweren.

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Die Voraussetzung, dass der Verurteilte "die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit" verloren haben müsse, sei kaum definierbar und liefe auf Verurteilungs- und Vorstrafenfreiheit hinaus. Es gebe keine spezifischen Standesregeln und Sitten, durch deren Beachtung sich Gemeinderatsmitglieder von der übrigen Bevölkerung unterschieden. Demgemäß gebe es auch keine gemeinderatsspezifische Unbescholtenheit. Andere Bundesländer kämen daher auch ohne eine solche Regelung aus.

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Schließlich verletze es das Demokratieprinzip, dass die Klage eines ausgeschlossenen Gemeinderatsmitglieds keine aufschiebende Wirkung habe und somit das Ratsmitglied bis zum Abschluss des Verfahrens seine Mitgliedsrechte nicht ausüben könne. Eine Verletzung der in Art. 20 Abs. 2 GG garantierten Volkssouveränität sei ferner darin zu sehen, dass einem gewählten Volksvertreter in Rheinland-Pfalz aus Gründen das Mandat entzogen werde, die in keinem anderen Bundesland eine vergleichbare Folge nach sich zögen. Auch für rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete existiere eine solche Regelung nicht.

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Im Hinblick auf die konkrete Entscheidung vom 22. September 2012 erweise sich bereits das Verfahren seines Ausschlusses aus dem Trierer Stadtrat als fehlerhaft. Die Beschlussfassung in nicht-öffentlicher Sitzung verstoße gegen das Gesetz, die getroffene Entscheidung sei daher ungültig. Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO setze der Ausschluss der Öffentlichkeit das Vorliegen besonderer Gründe voraus, welche schwerer wögen als das demokratische Interesse an der Sitzungsöffentlichkeit. An solchen Gründen fehle es hier. § 6 Abs. 2 Nr. 5 der Geschäftsordnung des Rates der Stadt Trier, der einen generellen Ausschluss der Öffentlichkeit von der Beratung und Entscheidung nach § 31 GemO vorsehe, sei daher rechtswidrig und nichtig. Des Weiteren habe die Beklagte ihn nach § 22 Abs. 3 GemO nicht wegen Befangenheit von der Beratung und Entscheidung ausschließen dürfen, da sein Ausschluss eine Abwahl darstelle und die Befangenheitsregeln auf Wahlen keine Anwendung fänden. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seinen Vortag dahingehend ergänzt, dass jedenfalls, sollte er zu Recht ausgeschlossen worden sein, die Beschlussfassung nach § 22 Abs. 6 Satz 1 GemO unwirksam sei, da er durch seine mündliche Stellungnahme an der Beratung mitgewirkt habe. Dies habe der Oberbürgermeister selbst zu erkennen gegeben, indem er ihm nach der Abstimmung über seine Befangenheit mitgeteilt habe, dass er "von der weiteren Beratung ausgeschlossen" sei.

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Sein Ausschluss aus dem Stadtrat sei schließlich auch deshalb rechtswidrig, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 GemO nicht erfüllt seien. Dies folge zum einen daraus, dass nur die von einem Ratsmitglied in gerade dieser Eigenschaft begangenen Taten überhaupt geeignet seien, die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit zu verwirken. Im seinem Fall weise die Tat, wegen derer er verurteilt worden sei, jedoch keinen Bezug zu seiner Amtsführung auf. Zum anderen mache das Gesetz deutlich, dass die Unbescholtenheit nicht durch die Verurteilung, sondern durch die Straftat verwirkt worden sein müsse. Da man nicht verwirken könne, was man nicht besitze, setze § 31 Abs. 1 GemO voraus, dass die Tatbegehung zeitlich nach der Wahl liege. Der ihm zur Last gelegte Sachverhalt habe sich aber vor der Wahl ereignet. Soweit die Vorschrift ferner verlange, dass das Ratsmitglied seine Unbescholtenheit durch die Straftat verwirkt habe, müsse der zur Verurteilung führende Sachverhalt im Ausschlussverfahren nach § 31 Abs. 1 GemO unabhängig aufgeklärt werden. Das Strafurteil gegen ihn sei zu Unrecht, insbesondere unter fehlerhafter Beweiswürdigung ergangen. Darüber hinaus müsse in seinem Fall berücksichtigt werden, dass der Wähler im Zeitpunkt der Wahl von der Tat gewusst habe. Die Presse habe umfassend und in einer die Unschuldsvermutung ignorierenden Art und Weise über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe berichtet. Insofern sei die Mehrheit der Bevölkerung schon im Zeitpunkt der Wahl davon ausgegangen, dass er sich wegen Körperverletzung strafbar gemacht habe. Dass er dennoch gewählt worden sei, zeige, dass die Wähler ihm vertrauten. Dieser Wählerwille dürfe nicht ignoriert werden.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 22. September 2011 über seinen Ausschluss aus dem Stadtrat der Stadt Trier aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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In Ergänzung zu ihren bereits im Verwaltungsverfahren getätigten Ausführungen legt sie insbesondere dar, dass § 31 GemO mit verfassungsrechtlichen Vorgaben in Einklang stehe. Insofern als er den Ausschluss eines gewählten Gemeinderatsmitglieds unter bestimmten Voraussetzungen ermögliche, beeinflusse § 31 Abs. 1 GemO die Unmittelbarkeit der Wahl nicht. Die Wahl selbst sei im Zeitpunkt eines Ausschlusses bereits erfolgt. Außerdem habe die Norm keinen strafenden oder erzieherischen Charakter, sondern ziele darauf ab, die Unbescholtenheit des Gemeinderats als Organ zu schützen. Dies zeige sich schon daran, dass der Gemeinderatsausschluss nicht mit einem Verlust der Wählbarkeit oder Amtsfähigkeit verbunden sei, sondern nur den Entzug des konkreten Mandats für die Dauer der Wahlperiode zum Gegenstand habe. Insofern verletze § 31 GemO weder die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Rahmen der Gesetzgebung, noch das Verbot der Doppelbestrafung gem. Art. 103 Abs. 3 GG. Dem Verhältnismäßigkeitsprinzip trage die Bestimmung dadurch Rechnung, dass sie hohe materielle Anforderungen an einen Ausschluss stelle. Einem Missbrauch der Ausschlussmöglichkeit zu politischen Zwecken werde hierdurch vorgebeugt. Bei der Abwahl hauptamtlicher Bürgermeister und Beigeordneter hingegen bestehe lediglich ein Verbot der Willkür und der Verfolgung zweckwidriger Erwägungen. Überdies sei die Entscheidung nach § 31 Abs. 1 GemO in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar, auch Eilrechtsschutz könne gewährt werden.

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Die Voraussetzungen für den Ausschluss des Klägers nach § 31 Abs. 1 GemO seien auch erfüllt. Insbesondere habe der Kläger die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit verwirkt. Hierfür sei nicht erforderlich, dass die Verurteilung auf einer gerade in der Eigenschaft als Ratsmitglied begangenen Tat beruhe. Vielmehr gehe es um die Wirkung des strafbaren Verhaltens auf den Bürger und darum, dass dieser nach der Wahl keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Gemeinderates mehr nehmen könne. Vorliegend habe der Kläger die Grenze des für einen Mandatsträger noch hinnehmbaren Verhaltens überschritten, indem er sich über wesentliche Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats hinweggesetzt habe. Trotz der breiten Berichterstattung an den Medien könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Wähler sich des vollen Umfangs der Tat und des Ausmaßes der Beteiligung des Klägers hieran bewusst gewesen sei. Da die Grundlagen, auf denen die Wähler ihre Wahlentscheidung getroffen hätten, nachträglich ohnehin nicht mehr ermittelt werden könnten, müsse praktisch auf das durchschnittliche Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Mandatsträger abgestellt und davon ausgegangen werden, dass der Wähler erst nach einer rechtskräftigen Verurteilung und Offenlegung des gerichtlich festgestellten Sachverhalts eine endgültige Entscheidung treffe. Vorliegend sei aufgrund der Verurteilung des Klägers das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Wähler nachhaltig gestört, was sich auf das Ansehen des gesamten Rates negativ auswirke, so dass auch das Vertrauen des Bürgers in die Kommunalvertretung als solche beeinträchtigt sei. Es liege somit hier einer der besonderen Ausnahmefälle vor, in denen die Wählerentscheidung auf Grundlage unzureichender Informationen getroffen worden sei. Ferner dürfe der Rat bei der Prüfung, ob ein Ratsmitglied seine Unbescholtenheit verwirkt habe, von den Feststellungen des Strafrichters und dem von diesem gesprochenen Unwerturteil ausgehen, ohne selbst eine erneute Strafbarkeitsprüfung vornehmen zu müssen. Die Entscheidung, den Kläger auszuschließen, sei ermessenfehlerfrei ergangen, insbesondere habe dieser vor der Beratung und Abstimmung ausführlich Stellung nehmen können.

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In formeller Hinsicht habe der Beschluss ebenfalls Bestand. Der Ausschluss der Öffentlichkeit sei aufgrund von § 6 Abs. 2 Nr. 5 der Geschäftsordnung des Rates der Stadt Trier erfolgt und im Hinblick auf § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO nicht zu beanstanden. Der besondere Grund für die Behandlung von Entscheidungen nach § 31 Abs. 1 GemO in nicht-öffentlicher Sitzung bestehe darin, dass die Umstände der Verurteilung und die Gründe für die Verwirkung der Unbescholtenheit des Ratsmitglieds - also auch dessen Charakterzüge und Wesensmerkmale - in der Sitzung erörtert würden, so dass Persönlichkeitsrechte besonders betroffen seien. Das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit überwiege nicht das Interesse des Betroffenen an der Vertraulichkeit im Hinblick auf die gegenüber seiner Person geäußerten Bedenken. Eine öffentliche Erörterung könne für das Ratsmitglied negative Auswirkungen bis in den Bereich privater Lebensführung hinein haben. Daher rechtfertige auch die Natur des Beratungsgegenstands nach § 35 Abs. 1 2. Alt. GemO den Ausschluss der Öffentlichkeit. Schließlich liege Sinn und Zweck des Ausschlusses der Öffentlichkeit auch darin, eine objektive und unbeeinflusste Amtsausübung der Ratsmitglieder zu gewährleisten. Im Fall des Klägers sei aber mit einer massiven Einflussnahme von außen und mit Störungen des Sitzungsablaufs bei Zulassung der Öffentlichkeit zu rechnen gewesen. Der Ausschluss des Klägers selbst von der Entscheidung habe seine Grundlage in § 22 Abs. 1 Nr. 1 GemO, denn der Verlust des Mandats habe ihm einen unmittelbaren Nachteil gebracht. Der Ausschluss aus dem Gemeinderat sei keine Wahl im Sinne von § 22 Abs. 3 GemO. Hierunter fielen nur personenbezogene Auswahlentscheidungen. Der Kläger habe auch nicht trotz Befangenheit an der Entscheidung mitgewirkt. Er sei lediglich zu seinem Ausschluss angehört worden.

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Den Antrag des Klägers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Stadtratsausschluss wiederherzustellen, hat das erkennende Gericht mit Beschluss vom 29. September 2011 (1 L 1304/11.TR) abgelehnt Die hiergegen beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz eingelegte Beschwerde (2 B 11158/11.OVG) wurde zurückgewiesen.

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Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten, den Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände, 1 Heftung) sowie den Gerichtsakten 1 L 1304/11.TR und 1 L 454/12.TR. Diese lagen dem Gericht vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Beschluss der Beklagten vom 22. September 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.

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Die Klage ist zulässig. Die Entscheidung des Stadtrats nach § 31 Gemeindeordnung - GemO - in der Fassung vom 31. Januar 1994 (GVBI. S. 153) über den Ausschluss eines Ratsmitglieds ist ein im Wege der Anfechtungsklage angreifbarer Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - i. V. m. § 1 Abs. 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz. Der dahingehende Beschluss des Gemeinderats ergeht gegenüber dem ausgeschlossenen Mitglied als hoheitliche Maßnahme mit Regelungscharakter. Der Betroffene verliert damit seine Stellung als Gemeinderatsmitglied. Statthafte Klageart gegen den Ausschluss ist mithin die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO und nicht das zur Klärung von Rechtsstreitigkeiten betreffend die Innenbeziehungen einzelner Organe, Organvertreter oder Organteile einer Körperschaft zur Verfügung stehende Kommunalverfassungsstreitverfahren. Dies indizieren auch die in § 31 Abs. 3 Satz 3 GemO verwandte Terminologie der Unanfechtbarkeit des Ausschlusses und die Bestimmung des § 31 Abs. 4 Satz 2 GemO, wonach das Vorverfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung entfällt.

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Der vom Kläger angegriffene Beschluss des Trierer Stadtrats vom 22. September 2011 hält rechtlicher Überprüfung Stand. Die Klage ist daher unbegründet.

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Die Beklagte durfte von der Ausschlussmöglichkeit des § 31 Abs. 1 GemO Gebrauch machen. Danach kann ein Ratsmitglied, das nach seiner Wahl durch Urteil eines deutschen Strafgerichts rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurteilt wird, durch Beschluss des Gemeinderats aus dem Gemeinderat ausgeschlossen werden, wenn es durch die Straftat die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit verwirkt hat. Die Norm steht mit verfassungsrechtlichen Vorgaben in Einklang (1.) und ihre Voraussetzungen sind im Fall des Klägers formell (2.) und materiell (3.) erfüllt.

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1. § 31 Abs. 1 GemO ist verfassungskonform und durfte daher von der Beklagten als Rechtsgrundlage für den Ausschluss des Klägers aus dem Stadtrat herangezogen werden.

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Dies gilt zunächst in formeller Hinsicht. Der Landesgesetzgeber war nach den Regeln föderaler Kompetenzverteilung zur Schaffung des § 31 GemO befugt. Der Kläger zieht dies in Zweifel, da § 45 Abs. 1 und 4 Strafgesetzbuch - StGB - bereits vorsehen, dass die Verurteilung wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr für die Dauer von fünf Jahren zum Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, führt. Dies gilt auch, wenn die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird (Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch Kommentar, 28. Aufl. 2010, § 45 Rn. 3). Ferner bestimmt § 45 Abs. 2 StGB, dass das Strafgericht dem Verurteilten die Amtsfähigkeit und das passive Wahlrecht für die Dauer von zwei bis zu fünf Jahren aberkennen kann, soweit das Gesetz dies besonders vorsieht. Diese Möglichkeit eröffnen beispielsweise §§ 92 a, 101, 102 Abs. 2, 109 i, 129 a Abs. 8, 264 Abs. 6 Satz 1 StGB im Hinblick auf u. a. staatsgefährdende Straftaten sowie Subventionsbetrug jeweils neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten, teilweise auch einem Jahr. Bei bestimmten Amtsdelikten kann der Strafrichter nach § 358 StGB neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten die Amtsfähigkeit, jedoch nicht das passive Wahlrecht aberkennen. Bei Wahlfälschung, Wahlbehinderung, Wählernötigung und Wähler- oder Abgeordnetenbestechung können nach §§ 108 c, 108 e Abs. 2 StGB - ebenfalls neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten - das aktive und das passive Wahlrecht aberkannt werden.

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Wie der Kläger zutreffend ausführt, hat der Bundesgesetzgeber bei Schaffung der genannten Bestimmungen seine Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ausgeübt. Danach ist das Strafrecht Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung mit der Folge, dass die Länder gemäß Art. 72 Abs. 1 GG nicht zur Regelung befugt sind, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit in diesem Bereich Gebrauch gemacht hat. Dabei umfasst eine zugewiesene Kompetenzmaterie auch nicht ausdrücklich hierunter zu fassende Regelungsgegenstände, wenn diese zur Hauptmaterie in einer funktionalen, deren Vorbereitung und Durchführung dienenden Beziehung stehen (Annexkompetenz) oder wenn ein Übergreifen unerlässlich ist, weil die Hauptmaterie andernfalls verständigerweise nicht geregelt werden kann (Kompetenz kraft Sachzusammenhangs; siehe zum Ganzen Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007). Die oben genannten Vorschriften sehen die zwingende oder fakultative Aberkennung der Amtsfähigkeit und Wählbarkeit als Nebenfolge einer strafrechtlichen Verurteilung vor. Nebenfolgen sind zwar nicht Teil der Strafe, haben jedoch - jedenfalls überwiegend - strafähnlichen Charakter. Hierfür spricht die systematische Stellung der Nebenfolgen innerhalb des Strafgesetzbuchs im Titel "Strafen" und vor dem Titel "Strafbemessung". Die Dauer der Aberkennung hat sich daher nach überwiegender Ansicht nach den allgemeinen Strafzumessungsregeln des § 46 StGB zu bestimmen (für die h. M.: Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch Kommentar, 28. Aufl. 2010, § 45 Rn. 4; von Heintschel-Heinegg, in: von Heintschel-Heinegg, BeckOK StGB, Stand: 15.03.2012, § 45 Rn. 4).

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§ 31 Abs. 1 GemO hat hingegen keinen pönalen, sondern einen auf Gestaltung der kommunalen Selbstverwaltung gerichteten Charakter. Daher stand dem Land die Gesetzgebungskompetenz für das Kommunalrecht auch in Ansehung dieser Bestimmung zu. Ehe sie 1954 als § 28 Eingang in das damalige Selbstverwaltungsgesetz für Rheinland-Pfalz fand, war eine im Wesentlichen gleichlautende Regelung in § 39 a des Gemeindewahlgesetzes vom 13. September 1952 enthalten Dessen Schaffung diente ausweislich der Begründung der Regierungsvorlage (LT-Drucks. II-343 v. 7. Juli 1952) dazu, die Achtung vor der Gemeindevertretung und ihr Ansehen zu stärken. Die Aufnahme der Regelung in das Selbstverwaltungsgesetz erfolgte wegen des näheren Sachbezugs, da Bestimmungen über den Ausschluss von Ratsmitgliedern dogmatisch nicht dem Wahlrecht zuzuordnen sind (Protokoll über die 63. Sitzung des Hauptausschusses am 19. Mai 1954, S. 9). § 31 GemO verfolgt somit weder repressive und jedenfalls nicht in erster Linie strafpräventive Ziele, sondern will das Organ Gemeinderat und damit im weitesten Sinne die Funktionsfähigkeit der gemeindlichen Selbstverwaltung schützen. Er dient dem Schutz der Lauterkeit und des Ansehens des Gemeinderats als Organ kommunaler politischer Willensbildung (Gabler/Höhlein/Klöckner u. a., PdK Rheinland-Pfalz, GemO § 31, Ziffer 2).

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Die Gesetzgebung betreffend die Selbstverwaltung der Kommunen und das kommunale Wahlrecht war zur Zeit der Schaffung der Vorgängerbestimmungen des § 31 GemO insgesamt von dem Bestreben getragen, demokratische Strukturen zu schaffen und zu stärken, deren Ansehen und Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen und Verfassungsfeinden den Missbrauch und die Diskreditierung demokratischer Institutionen und Organe zu erschweren. Dies wird in den Gesetzesmaterialien an verschiedenen Stellen erkennbar (siehe beispielsweise LT-Prot. vom 9. September 1952, S. 833 ff., 858 ff.; LT-Prot. vom 12. Juli 1954, S. 2112 ff.; 2119 ff.). Diese Zielsetzung wirkt unverändert fort.

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Dementsprechend ist auch entgegen dem klägerischen Vorbringen der in Art. 103 Abs. 3 GG normierte Rechtsgrundsatz "ne bis in idem", dass niemand wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden darf, nicht berührt. Das Verbot der Doppelbestrafung bezieht sich, wie aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf die allgemeinen Strafgesetze folgt, allein auf Sanktionen nach dem Kriminalstrafrecht (Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. 103 Rn. 80) und nicht auf solche des Ordnungswidrigkeitenrechts, des Berufsstrafrechts und des Disziplinarrechts. Erst recht sind hiervon nicht präventive oder sonstige neben der Strafe von der Verwaltung aus Anlass einer strafrechtlichen Verurteilung verhängte Maßnahmen umfasst (Radtke/Hagemeier, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand: 1.4.2012, Art. 103 Rn. 47).

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Eine Verletzung von Wahlgrundsätzen, wie vom Kläger gerügt, liegt ebenfalls nicht vor. Die Beachtung der Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl wird, u. a. für die Wahl der Gemeindevertretungen, durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG sowie Art. 50 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 76 der Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV - verfassungsrechtlich garantiert.

35

Dies gilt zunächst mit Blick auf den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl. Ihm ist genüge getan, wenn "von Beginn der Stimmabgabe an das Wahlergebnis nur noch von einer einzigen Willensentscheidung, nämlich derjenigen der Wähler selbst abhängt, abgesehen allein von Nichtannahme, späterem Rücktritt oder ähnlichen Handlungen der Gewählten selbst" (BVerfG, Beschluss vom 11. November 1953 - 1 BvL 67/52 -, BVerfGE 3, 45). Das Wahlverfahren muss also so gestaltet sein, dass jede abgegebene Stimme automatisch bestimmten oder bestimmbaren Wahlbewerbern zugerechnet werden kann, ohne dass erst nach der Stimmabgabe eine Zwischeninstanz nach ihrem Ermessen die Abgeordneten endgültig auswählt (BVerfG, Entscheidung vom 3. Juli 1957 - 2 BvR 9/56 -, BVerfGE 7, 63; Beschluss vom 9. Juli 1957-2 BvL 30/56 BVerfGE 7, 77; Beschluss vom 15. Februar 1978 - 2 BvR 134/76, 2 BvR 268/76 BVerfGE 47, 253). Der Unmittelbarkeitsgrundsatz hat folglich die Art und Weise der Zuteilung der Mandate zum Gegenstand.

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Eine Einschränkung erfährt dieser Grundsatz durch § 31 Abs. 1 GemO nicht. Die Mitgliedschaft des ausgeschlossenen Gemeinderatsmitglieds ist bis zum Zeitpunkt seines Ausschlusses wirksam und rechtmäßig. Entscheidungen, an denen der Betroffene mitgewirkt hat, haben Bestand. Seine eigene Legitimation ist - ebenso wie die der nach § 31 Abs. 3 GemO zu bestimmenden Ersatzperson - unmittelbar auf den Wählerwillen zurückzuführen. Der Gemeinderat schiebt sich also nicht als Auswahlinstanz zwischen Wähler und Gewählten. Freilich liegt im Fall des Ausschlusses auch kein autonomer Rücktritt oder Verzicht im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung vor, sondern vielmehr ein erzwungenes Ausscheiden. Die vom Strafgericht festgestellten Tatsachen, die hierzu geführt haben, hat der Betroffene aber eigenverantwortlich und in Kenntnis der möglichen Folgen geschaffen.

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Die angegriffene Regelung bewirkt jedoch einen Eingriff in die Allgemeinheit der Wahl und die Wahlrechtsgleichheit. Beide Grundsätze beinhalten gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG spezielle Gleichheitsgewährleistungen (BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 1998 - 2 BvR 1953/95 -, BVerfGE 99, 1).

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Das verfassungsrechtliche Prinzip der allgemeinen Wahl erfordert grundsätzlich, dass jedermann an Wahlen teilnehmen kann. Es schützt damit das aktive und passive Wahlrecht als das Recht zu wählen und gewählt zu werden. Mithin verbietet es dem Gesetzgeber, bestimmte Bevölkerungsgruppen aus politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Gründen von der Ausübung des Wahlrechts auszuschließen (BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 1973 - 2 BvC 3/73 -, BVerfGE 36, 139; Beschluss vom 7. Oktober 1981 - 2 BvC 2/81 -, BVerfGE 58, 202). Im Bereich des Wahlrechts verbleibt dem Gesetzgeber daher nur ein eng bemessener Spielraum für Differenzierungen. So ist anerkannt, dass bestimmte Einschränkungen wie Mindestalter, Wohnsitzerfordernis usw. sachlich begründet und daher zulässig sind (BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1973 - 2 BvC 3/73 -, BVerGE 36, 139; Beschluss vom 7. Oktober 1981 - 2 BvC 2/81 BVerfGE 58, 202). Dies gilt in erhöhtem Maße für Beschränkungen des passiven Wahlrechts, da an die Persönlichkeit der Mitglieder der Vertretungsorgane qualitativ höhere Anforderungen gestellt werden können als an die Wahlberechtigten (Schuck/Unglaub/Lehmler, PdK Rheinland-Pfalz, Kommunalwahlrecht, Stand: Mai 2009, Ziffer 1.1.1; vgl. auch EGMR, Urteil vom 11. Juni 2009 - 77568/01, 178/02 u. 505/02 Petkov u.a./Bulgarien, NVwZ 2010, 1479: danach darf das vom Schutz des Art. 3 ZP I EMRK umfasste passive Wahlrecht auch ohne ausdrückliche Regelung eingeschränkt, aber nicht in seinem Wesensgehalt angetastet werden und nicht seine Wirksamkeit verlieren. Einschränkungen müssen mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit vereinbar und mit ausreichenden Sicherungen gegen Willkür versehen sein). Demzufolge bestimmen Art. 76 Abs. 1 und 2 LV, §§ 2 und 4 Kommunalwahlgesetz - KWG -, dass zum Gemeinderat jeder Volljährige gewählt werden kann, der seit mindestens drei Monaten in der Gemeinde eine Wohnung bzw. seine Hauptwohnung hat und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen ist oder infolge Richterspruchs oder nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt die Wählbarkeit oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt. Vergleichbare Regelungen enthalten § 15 Bundeswahlgesetz und § 32 Landeswahlgesetz.

39

Der Ausschluss aus dem Gemeinderat nach § 31 GemO bewirkt zwar nicht den Verlust der Wählbarkeit im Sinne von §§ 2, 4 Abs. 2 KWG. Der Betroffene kann ungeachtet seines Ausschlusses weiterhin für Ämter kandidieren und an der nächsten Gemeinderatswahl erneut teilnehmen (Gabler/Höhlein/Klöckner u. a., PdK Rheinland-Pfalz, GemO § 31, Ziffer 4). Vom Recht eines jeden Gemeindebürgers, der die o. g. Grundvoraussetzungen der Wählbarkeit erfüllt, sich in die kommunalen Vertretungskörperschaften wählen zu lassen, ist jedoch, damit dieses Recht keine leere Hülle bleibt, auch das Recht umfasst, ein einmal erworbenes Mandat bis zum Ende der Wahlperiode innezuhaben und auszuüben (vgl. zur Beschränkung der Wählbarkeit von Angehörigen des Öffentlichen Dienstes gem. Art. 137 GG: BVerfG, Beschluss vom 21. Januar 1975 - 2 BvR 193/74 -, BVerfGE 38, 326). Dieses Recht schränkt die angegriffene Regelung ein, indem sie es ermöglicht, einem gewählten Gemeindevertreter aus den in § 31 Abs. 1 GemO genannten Gründen sein Mandat zu entziehen.

40

Nach dem Grundsatz der gleichen Wahl muss darüber hinaus jedermann sein passives und aktives Wahlrecht in formal gleicherweise ausüben können (Magiera, in: Sachs: Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. 38 Rn. 90; BVerfG, Entscheidung vom 11. Oktober 1972 -2 BvR 912/71 - BVerfGE 34, 81). Die Ausgestaltung des passiven Wahlrechts wird daher maßgeblich durch diesen Grundsatz geprägt (BVerfG, Beschluss vom 4. April 1978 - 2 BvR 1108/77 -, BVerfGE 48, 64). Er verleiht dem gewählten Bewerber insbesondere das Recht, ein errungenes Mandat anzunehmen und auszuüben (BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 1996 - 2 BvL 4/95 -, BVerfGE 93, 373). Im Fall eines Ausschlusses aus dem Gemeinderat wird dieses Recht beschnitten.

41

Von der Garantie formaler Wahlgleichheit ist außerdem umfasst, dass jeder abgegebenen Stimme der gleiche Zähl- und bei der Verhältniswahl oder gemischten Wahlsystemen - zumindest grundsätzlich - auch der gleiche Erfolgswert zukommt (BVerfG, Urteil vom 30. Juni 2009 - 2 BvE 2/08 u. a. BVerfGE 123, 267; siehe auch zu Art. 3 des 1. Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK -: EGMR, Urteil vom 2. März 1987 - Nr. 9267/81, Mathieu-Mohin und Clerfayt/Belgien -, EGMRE 3, 376). Letzteres ist beim Ausschluss eines rechtmäßig gewählten Gemeinderatsmitglieds nicht in letzter Konsequenz der Fall. Zwar bleibt der nach den Grundsätzen der Verhältniswahl errungene Sitz, welcher auf die Liste des Ausgeschlossenen entfallen ist, erhalten. Das Kommunalwahlrecht enthält jedoch mit der Möglichkeit des Kumulierens (Stimmenhäufung auf einen Bewerber) und des Panaschierens (Auswahl von Bewerbern verschiedener Listen) ein stark personalisiertes Element. Das ausscheidende Mitglied wird daher in aller Regel mehr Stimmen auf sich vereint haben als die nachrückende Ersatzperson. Insofern ist der Erfolgswert der Wählerstimmen, die auf ihn entfallen sind, nach seinem Ausscheiden geringer als der Erfolgswert anderer abgegebener Stimmen. Es ist aber gerade Sinn und Zweck der - personalisierten - Verhältniswahl, den politischen Willen der Wählerschaft im Parlament möglichst wirklichkeitsnah abzubilden.

42

Die Wahlrechtsgrundsätze sind Ausfluss des in Art. 20 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 74 Abs. 1 und 2 LV verfassungsrechtlich verankerten Demokratieprinzips und durch dieses geprägt (BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 1978 - 2 BvR 373/60, 2 BvR 442/60 - BVerfGE 47, 253; Urteil vom 26. Oktober 2004 - 2 BvE 1/02, 2 BvE 2/02 -, BVerfGE 111, 382). Der Kern dieses Prinzips besteht darin, dass alle staatliche Gewalt vom Volke ausgeht. Es ist Träger der Staatsgewalt und übt diese selbst in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung aus (Sachs, in: Sachs: Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. 20 Rn. 12). Dies gilt gem. Art. 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG auch für die Organe und Vertretungen der Gemeinden (BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 1978 - 2 BvR 134/76, 2 BvR 268/76 -, BVerfGE 47, 253). Fordert das demokratische Prinzip der Volkssouveränität mithin die Legitimation aller staatlichen Gewalt durch das Volk, so verlangt es im Umkehrschluss die Repräsentanz der gewählten Volksvertreter in den Vertretungsgremien (Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 8. Aufl. 2011, Rn. 181). Es verbietet also grundsätzlich Behinderungen im Zugang zum Mandat und in der Ausübung des Mandats (BVerfG, Beschluss vom 21. September 1976 - 2 BvR 350/75 -, BVerfGE 42, 312). Die demokratische Legitimation der Gemeinderäte ist dabei, soweit das Verfahren der personalisierten Verhältniswahl Anwendung findet, besonders groß, da - wie oben bereits erwähnt - das Kommunalwahlrecht durch die in § 32 Abs. 1 KWG vorgesehenen Möglichkeiten des Kumulierens und Panaschierens gegenüber Landtags- oder Bundestagswahlen eine stärkere Personalisierung der Wahlentscheidung ermöglicht. Es trägt damit dem Gedanken Rechnung, dass auf kommunaler Ebene Parteizugehörigkeit und Parteipolitik unter Umständen eine geringere Rolle spielen als persönliches Ansehen, ggf. auch persönliche Bekanntschaft und gleiche Interessenlage im Hinblick auf Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Diese im Kommunalwahlrecht angelegte Personalisierung verstärkt mithin den durch den Ausschluss eines Gemeinderatsmitglieds bewirkten Eingriff in die im Wahlakt zum Ausdruck kommende Ausübung der Volkssouveränität.

43

Dieser Eingriff erweist sich jedoch im Hinblick auf die mit § 31 Abs. 1 GemO verfolgten - legitimen - Ziele als gerechtfertigt. Begrenzungen des Demokratieprinzips und der aus ihm fließenden Prinzipien der Allgemeinheit und der Gleichheit der Wahl sind verfassungsrechtlich zulässig, sofern für sie ein zwingender Grund besteht (BVerfG, Urteil vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 BVerfGE 1, 208; Beschluss vom 6. Mai 1970 - 2 BvR 158/70 -, BVerfGE 28, 220; Entscheidung vom 11. Oktober 1972 -2 BvR 912/71 -, BVerfGE 34, 81; Beschluss vom 9. März 1976 - 2 BvR 89/74, BVerfGE 41, 399; Beschluss vom 21. September 1976 - 2 BvR 350/75 -, BVerfGE 42, 312). Zu verlangen ist dabei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber nicht, dass sich die vom Gesetzgeber vorgenommenen Differenzierungen von Verfassungs wegen als zwangsläufig oder notwendig darstellen, wie dies etwa in Fällen der Kollision der Wahlrechtsgleichheit mit den übrigen Wahlrechtsgrundsätzen oder anderen Grundrechten der Fall sein kann. Vielmehr bedürfen die Wahlrechtsgleichheit und -allgemeinheit einschränkende Regelungen verfassungsrechtlicher Legitimation, sie müssen ein den Wahlrechtsgrundsätzen jedenfalls entsprechendes Gewicht aufweisen und zur Erreichung ihrer Ziele geeignet, erforderlich und angemessen, also verhältnismäßig sein (BVerfG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408; BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1979 - 2 BvR 193/79, 2 BvR 197/79 - BVerfGE 51, 222). Dabei ist auch nicht erforderlich, dass die Verfassung diese Zwecke zu verwirklichen gebietet (BVerfG, a. a. O.). Es genügen vielmehr zureichende, aus der Natur der Sache sich ergebende Gründe (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 -, BVerfGE 1, 208; Urteil vom 23. Januar 1975 - 2 BvE 2/56 -, BVerfGE 6, 84). Hierzu zählen insbesondere die Verwirklichung der mit der Parlamentswahl verfolgten Ziele, die Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes und die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung (BVerfG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408, m. w. N.). Dies beruht auf der Überlegung, dass die Wahl nicht nur das Ziel hat, eine Volksrepräsentation zu schaffen, die ein Spiegelbild der im Volk vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern auch ein Parlament als funktionsfähiges Staatsorgan hervorzubringen (BVerfG, Urteil vom 23. Januar 1975 -2 BvE 2/56 -, BVerfGE 6, 84).

44

Ferner hat das Bundesverfassungsgericht die Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Parlaments sowie dessen Integrität und politische Vertrauenswürdigkeit als Rechtsgüter von Verfassungsrang und legitime Zwecke im Hinblick auf Eingriffe in den verfassungsrechtlich geschützten Abgeordnetenstatus anerkannt (BVerfG, Beschluss vom 21. Mai 1996 -2 BvE 1/95 -, BVerfGE 94, 351; Beschluss vom 20. Juli 1998 -2 BvE 2/98 -, BVerfGE 99, 19).

45

Mit Blick auf die Wahl der Kommunalvertretungen hat das Bundesverfassungsgericht zur Definition dessen, was ein zwingender Grund für eine die wahlrechtlichen Gleichheitssätze durchbrechende Regelung sein kann, insbesondere auf deren Aufgabe, als Selbstverwaltungsorgan und alleiniger Träger der öffentlichen Verwaltung in ihrem Gebiet eigenverantwortlich über Gemeindeangelegenheiten Beschluss zu fassen und die notwendigen Wahlen ( beispielsweise des Bürgermeisters, Gemeindedirektors, der Ausschüsse) vorzunehmen, sowie auf die Funktionsfähigkeit der gemeindlichen Selbstverwaltung abgestellt (vgl. BVerfG, Urteil vom 23. Januar 1957 - 2 BvF 3/56 -, BVerfGE 6, 104; Entscheidung vom 12. Juli 1960 - 2 BvR 373/60, 2 BvR 442/60 -, BVerfGE 11, 266; Beschluss vom 6. Dezember 1961 -2 BvR 399/61 -, BVerfGE 13, 243).

46

Der Gesetzgeber verfolgt danach mit § 31 GemO einen verfassungsrechtlich geschützten Zweck. Die Norm dient, wie oben dargelegt, dem Schutz von Ansehen und Akzeptanz des Organs Gemeinderat und damit im weitesten Sinne der Funktionsfähigkeit der in Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 49 Abs. 1 bis 3 LV gewährleisteten kommunalen Selbstverwaltung. Dieses Schutzgut kann verfassungsimmanente Schranke der Wahlgrundsätze sein. Die kommunale Selbstverwaltung ist ein tragender Pfeiler des demokratischen Rechtsstaats, da der Bürger hier der politischen Willensbildung am nächsten ist. Er nimmt an den Entscheidungen der kommunalen Organe besonderen Anteil, so dass sein Vertrauen in diese und die darin tätigen Persönlichkeiten besonderen Schutz genießt (VG Leipzig, Urteil vom 1. Dezember 1995 - 1 K 437/95 -, juris).

47

Dabei muss dahingestellt bleiben, ob kommunale Selbstverwaltung auch ohne eine solche Regelung funktionsfähig wäre, was in Anbetracht des Umstands, dass andere Gemeindeordnungen ohne vergleichbare Bestimmungen auskommen, nahe liegt. Der Gesetzgeber verfügt nämlich über einen weiten Gestaltungsspielraum dahingehend, welche gesellschaftspolitischen Ziele er verfolgt und welcher Mittel zu deren Erreichung er sich bedient, solange Verfassungsgrundsätze dabei nicht verletzt werden (BVerfG, Entscheidung vom 25. Februar 1960 - 1 BvR 239/52, BVerfGE 10, 354).

48

Dies vorangestellt, erweist sich die Möglichkeit, ein Gemeinderatsmitglied unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 GemO auszuschließen, auch im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums als verhältnismäßig. Der Gesetzgeber ging vorliegend erkennbar von der weder willkürlichen, noch offensichtlich unzutreffenden Prämisse aus, dass das Ansehen des gewählten Gremiums Gemeinderat Einbußen erleidet, wenn ihm ein Mitglied angehört, das rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurteilt wurde und an dessen Eignung zur Repräsentation des Wahlvolks aufgrund der Tatbegehung erhebliche Zweifel angebracht sind. Um das Ansehen des Gemeinderats in seiner konkreten Zusammensetzung und das Vertrauen der Wahlbevölkerung in ebenjenen zu schützen, ist der Ausschluss eines strafrechtlich verurteilten Gemeinderatsmitglieds geeignet. Ein milderes und in gleichem Umfang Erfolg versprechendes Mittel - etwa ein Ausschluss auf Zeit - steht nicht zur Verfügung. Nur ein Ausschluss für den Rest der Amtszeit ermöglicht es, eine Ersatzperson nachrücken zu lassen und auf diese Weise die Weiterführung des Mandats zu gewährleisten sowie das Ansehen des Gemeinderats wieder herzustellen.

49

Schließlich ist die Bestimmung auch im Hinblick auf die mit ihr verfolgten Ziele angemessen. Ein Überwiegen der oben genannten Schutzgüter des § 31 Abs. 1 GemO ist in den im Gesetz genannten Fällen und unter sorgfältiger Abwägung der betroffenen Rechtsgüter im Einzelfall denkbar. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Gemeinderat trotz des Bestehens gewisser parlamentstypischer Merkmale kein Parlament im Sinne der Gewaltenteilungslehre, sondern - wie sich aus § 28 Abs. 1 Satz 2 GemO ergibt - ein Verwaltungsorgan ist. Aus diesem Grund steht seinen Mitgliedern weder Immunität noch Indemnität zu, noch finden sonstige Grundsätze des Parlamentsrechts auf den Gemeinderat Anwendung (OVG Koblenz, DÖV 1996, 479; Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, Rn. 314).

50

Zwar steht die Regelung der zur Zeit ihrer Schaffung noch existierenden Vorstellung vom Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte inhaltlich nahe. So hatten die Vorgängernormen des § 45 StGB, welche als §§ 32 ff. bereits in der Ursprungsfassung des Strafgesetzbuchs vom 15. Mai 1871 (RGBl. S. 127) enthalten waren, noch den Verlust oder die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bei Verurteilung zur Zuchthaus- oder mindestens dreimonatigen Freiheitsstrafe zum Gegenstand. Sie wurden mit Art. 8 des Ersten Strafrechtsreformgesetzes vom 25. Juni 1969 (BGBl. I S. 645) außer Kraft gesetzt. Nach dem BGH setzte deren Anwendung stets voraus, dass die Tat aus ehrloser Gesinnung heraus begangen wurde (Urteil vom 5. Januar 1954 - 2 StR 462/53 -, NJW 1954, 359). Auch ist nicht zu verkennen, dass für die strafrichterliche Aberkennung der Amtsfähigkeit nach § 45 Abs. 2 StGB, insbesondere bei Wahl- und Amtsdelikten (§§ 358 und 108c, 108 e StGB), stets eine Verurteilung zu mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe Voraussetzung ist.

51

Dem steht aber gegenüber, dass § 31 Abs. 1 GemO im Gegensatz zu den genannten strafrechtlichen Bestimmungen nicht zum allgemeinen Verlust der Amtsfähigkeit und bzw. oder der Wählbarkeit für eine bestimmte Zeitdauer führt, sondern ausschließlich zum Verlust des im Zeitpunkt der Verurteilung innegehabten Gemeinderatsmandats. Ferner zielt die Norm auch nicht darauf ab, begangenes Unrecht zu sühnen oder dem ausgeschlossenen Ratsmitglied wegen eines unterstellten Ehrverlusts auf Dauer demokratische Mitwirkungsrechte abzuerkennen. Vielmehr setzt sie erkennbar gerade auch einen Ansehens- und Vertrauensverlust der Kommunalvertretung voraus, dessen Auslöser die Straftat des ausgeschlossenen Gemeinderatsmitglieds war. Diese allein kann nicht losgelöst von ihrer Wirkung auf die Öffentlichkeit und das kommunale Gemeinwesen zum Anlass genommen werden, ein Ratsmitglied auszuschließen. Insofern ist auch nicht die - in § 31 Abs. 1 GemO relativ niedrig angesetzte Mindestdauer der Freiheitsstrafe - maßgebend, sondern die unabhängig davon zu bewertenden Folgen der Tat für die Arbeit der Gemeindevertretung. Indem ferner tatbestandlich kumulativ zur Verurteilung zu einer mindestens dreimonatigen Freiheitsstrafe die Verwirkung der für ein Ratsmitglied erforderlichen Unbescholtenheit durch die Straftat gefordert wird und dem Gemeinderat ein Ermessensspielraum eingeräumt ist, gewährleistet § 31 Abs. 1 GemO, dass im Einzelfall ein Ausschluss nur beschlossen werden kann, wenn dem Gemeinderat ein Ansehens- und Vertrauensverlust erheblichen Ausmaßes droht, mithin das in der Selbstverwaltungsgarantie und im Demokratieprinzip wurzelnde Interesse an der Funktionsfähigkeit des Organs Gemeinderat eine Einschränkung des in der Wahlentscheidung zum Ausdruck gekommenen Wählerwillens überwiegt.

52

Die Angemessenheit der Bestimmung ist auch im Hinblick auf ihre verfahrensmäßige Ausgestaltung gegeben.

53

Soweit der Kläger rügt, § 31 Abs. 1 GemO sei unverhältnismäßig, da die Ausschlussentscheidung von politischen Konkurrenten des auszuschließenden Mitglieds und überdies mit einfacher Mehrheit getroffen werden könne, vermag er damit nicht durchzudringen. Insofern verweist der Kläger auch darauf, dass das Verfahren der Abwahl der hauptamtlichen Bürgermeister und Beigeordneten nach § 55 GemO wesentlich höhere Hürden aufstelle, indem dort ein von mindestens der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Gemeinderats gestellter Antrag und ein mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder gefasster Beschluss nach namentlicher Abstimmung verlangt werde, § 55 Abs. 1 Sätze 2 und 3 GemO. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass die Abwahl nach § 55 GemO in der Regel aus politischen Gründen erfolgen wird. Sie setzt keine Verfehlungen des Bürgermeisters voraus und ist auch im Übrigen - im Gegensatz zur Ausschlussentscheidung nach § 31 Abs. 1 GemO - materiell nicht an bestimmte Voraussetzungen geknüpft (Gabler/Höhlein/Klöckner u. a., PdK Rheinland-Pfalz, Stand: April 2005, GemO § 55, Ziffer 1). Allein die Frage, ob die Abberufung eines Bürgermeisters auf einem "offenkundigen eklatanten Missbrauch" beruht, der Rat also im Rahmen der Einleitung des Abwahlverfahrens die äußerste Grenze der Ermessensausübung überschritten hat, kann von den Gerichten überprüft werden (OVG Lüneburg, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 10 L 231/89 -, DVBl. 1992, 982).

54

Im Rahmen des § 31 GemO ist demgegenüber politischem Missbrauch bereits dadurch vorgebeugt, dass der Ausschluss eines Gemeinderatsmitglieds an gesetzliche Anforderungen geknüpft ist, die objektiv vorliegen müssen und nicht von Dritten, beispielsweise politischen Widersachern, herbeigeführt werden können. Mit der Forderung einer durch ein deutsches Strafgericht verhängten mindestens dreimonatigen Freiheitsstrafe und der Verwirkung der für ein Ratsmitglied erforderlichen Unbescholtenheit durch die Straftat stellt das Gesetz bereits eine hohe Hürde auf, ehe überhaupt ein Ausschluss in Frage kommt. Überdies muss die Tat in einer Weise negativ auf das Ansehen des Rates insgesamt reflektieren, dass dessen Schutz im Einzelfall die Einschränkung der betroffenen Rechte rechtfertigt. Die Entscheidung des Gemeinderats in dieser Frage ist schließlich in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar. Ein willkürlicher Ausschluss aus politischen Gründen ist mithin aufgrund der gesetzlichen Ausgestaltung ausgeschlossen.

55

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, dass alle anderen Bestimmungen, welche eine dauerhafte oder vorübergehende Entziehung des aktiven oder passiven Wahlrechts ermöglichen, einen Richterspruch voraussetzen. Auch der von der "European Commission for Democracy through Law (Venice Commission)" der Parlamentarischen Versammlung des Europarats am 6. November 2002 vorgelegte "Code of Good Practice in Electoral Matters" verlangt, dass die Entziehung des aktiven oder passiven Wahlrechts nur durch ausdrückliche gerichtliche Entscheidung erfolgen darf ("the withdrawal of political rights or finding of mental incapacity may only be imposed by express decision of a court of law.").

56

Ungeachtet seines etwas anders gelagerten Anwendungsbereichs entspricht § 31 Abs. 1 GemO dem insofern, als dem von einem Ausschluss Betroffenen der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist und er insbesondere im Wege des gerichtlichen Eilrechtsschutzes eine sofortige Überprüfung der vom Gemeinderat getroffenen Entscheidung erreichen kann. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO wird angesichts der Bedeutung der betroffenen Rechte bei geringsten Zweifeln an der Rechtsmäßigkeit der Ausschlussentscheidung die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen sein.

57

§ 31 GemO erweist sich auch nicht mit Blick auf das Demokratieprinzip wegen der nach seinem Abs. 3 eintretenden Folge einer Ausschlussentscheidung als unverhältnismäßig. Nach dessen Satz 1 scheidet das ausgeschlossene Gemeinderatsmitglied mit dem Beschluss nach Abs. 1 vorläufig aus. Die nach dem Kommunalwahlgesetz zu bestimmende Ersatzperson tritt nach § 31 Abs. 3 Satz 3 GemO ihr Amt erst an, wenn der Ausschluss unanfechtbar geworden ist. Schließt sich der Ausschlussentscheidung ein langwieriger Rechtsstreit durch mehrere Instanzen an, kann der Ausschluss eines Ratsmitglieds danach zur Konsequenz haben, dass dessen Position für den Rest der Wahlperiode unbesetzt bleibt. Damit verbleibt aber ein Teil der Wählerschaft für einen beachtlichen Zeitraum ohne die ihm nach dem Kommunalwahlrecht an sich zustehende Vertretung in der kommunalen Volksvertretung. Dass im Fall nachträglicher Veränderungen der Zusammensetzung eines demokratisch gewählten Gremiums ein Sitz unbesetzt bleibt, ist zwar kein dem Recht grundsätzlich unbekanntes Phänomen. So sieht beispielsweise § 46 Abs. 4 Satz 3 Bundeswahlgesetz - BWG - vor, dass die Sitze von Abgeordneten einer nach der Wahl gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 GG für verfassungswidrig erklärten Partei, die nach einer Landesliste der für verfassungswidrig erklärten Partei oder Teilorganisation der Partei gewählt waren, unbesetzt bleiben. Ferner bestimmt § 48 Abs. 1 BWG, dass der Sitz eines Abgeordneten, der stirbt oder sonst nachträglich aus dem Deutschen Bundestag ausscheidet, unbesetzt bleibt, wenn die Landesliste seiner Partei erschöpft ist. Unter ähnlichen Prämissen nehmen auch §§ 22 Abs. 4 GemO und 46 Abs. 3 KWG grundsätzlich in Kauf, dass aufgrund des Ausscheidens von Mitgliedern Sitze im Gemeinderat unbesetzt bleiben. All diese Bestimmungen beziehen sich jedoch auf Konstellationen, in denen ein Nachrücken unter Beachtung wahlrechtlicher Grundsätze nicht möglich wäre, so dass als Alternative zu der Nichtbesetzung nur Neuwahlen in Betracht kämen. Vorliegend wäre aber eine Nachbesetzung aus der Wahlliste der Partei des Klägers möglich. Diese könnte hier allerdings nur vorläufig erfolgen, da im Fall der gerichtlichen Aufhebung des Ausschlusses das ausgeschlossene Mitglied sein Mandat wieder wahrnehmen dürfte. Eine vorläufige Mitgliedschaft ist dem Recht der Gemeindevertretung jedoch unbekannt. Sie scheidet daher aus. Somit ist die vorübergehende Vakanz quasi zwingend, wenn der für sofort vollziehbar erklärte Ausschluss angefochten wird. Diese Folge ist hinzunehmen, da sie nur eintreten wird, wenn um vorläufigen Rechtsschutz entweder nicht ersucht wird oder das Gericht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die aufschiebende Wirkung nicht wiederherstellt, was nur dann der Fall ist, wenn der Ausschluss offensichtlich rechtmäßig ist. In diesen Fällen hat der Ausgeschlossene es in der Hand, durch Verzicht auf sein Mandat den Weg für die Ersatzperson frei zu machen.

58

Zwar ergibt sich aus Vorstehendem vordergründig ein Wertungswiderspruch zu § 46 Abs. 1 Sätze 2 und 3 KWG. Die genannte Bestimmung sieht für den Fall, dass die Verwaltungsbehörde feststellt, dass eine Partei oder ein Verein oder jeweils ein Teil davon eine Ersatzorganisation einer verbotenen Partei im Sinne von § 33 Abs. 3 des Parteiengesetzes ist, vor, dass die Ratsmitglieder und Ersatzleute, die dieser Ersatzorganisation zu irgendeiner Zeit zwischen der Zustellung des Verwaltungsakts und dem Eintritt der Unanfechtbarkeit desselben angehört haben, mit dem zuletzt genannten Zeitpunkt - also erst mit der Unanfechtbarkeit der Feststellung nach § 8 Abs. 2 Vereinsgesetz - ihre Mitgliedschaft oder Anwartschaft verlieren. Dasselbe gilt im Fall eines Vereinsverbots, sofern die Mitgliedschaft im Gemeinderat oder Anwartschaft hierauf auf einem Wahlvorschlag des betroffenen Vereins oder Teilvereins beruht. Partei- und Vereinsverbote setzen verfassungswidrige Bestrebungen im Sinne von Art. 21 Abs. 2 und 9 Abs. 2 GG voraus.

59

Es besteht jedoch ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung beider Sachverhalte. Dieser liegt im Kern darin begründet, dass der von einem Ausschluss nach § 31 Abs. 1 GemO Betroffene, gegen den Ausschluss ein Rechtsmittel einlegen und damit - grundsätzlich - dessen Wirksamkeit hemmen kann. Gegen ein Vereinsverbot hingegen kann der Einzelne nicht um einstweiligen Rechtsschutz ersuchen, sondern nur der Verein selbst (HambOVG, Beschluss vom 6. Oktober 2000 - 4 Bs 269/00 -, NordÖR 2001, 108). Der Mandatsverlust nach § 46 Abs. 1 KWG tritt aber eo ipso mit dem Partei- oder Vereinsverbot ein, die Aufsichtsbehörde stellt diesen Verlust lediglich fest, § 46 Abs. 2 KWG. Dementsprechend hat der Einzelne hier keine Möglichkeit, den Verlust seines Mandats durch Einlegen eines Rechtsmittels zu hemmen. Ferner tritt in den Fällen eines Partei- oder Vereinsverbots der Mandatsverlust ggf. unabhängig von individuell vorwerfbarem Verhalten aufgrund des Verhaltens einer organisierten Personengesamtheit ein, dessen Nachweis die Behörde zu erbringen hat, wohingegen in den Fällen des § 31 GemO der Nachweis eines Fehlverhaltens schon durch das Strafurteil und die dem zugrunde liegenden strafrichterlichen Feststellungen erbracht ist. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass § 31 Abs. 1 GemO leer liefe, wenn das ausgeschlossene Ratsmitglied bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Ausschluss trotz dessen offensichtlicher Rechtmäßigkeit sein Mandat weiter ausüben könnte, da bis zum Ergehen einer letztinstanzlichen Entscheidung mehrere Jahre vergehen können, so dass die jeweilige Wahlperiode bis dahin möglicherweise endet.

60

Schließlich handelt es sich bei dem Ausschluss aus dem Gemeinderat auch nicht, wie vom Kläger behauptet, um eine unverhältnismäßige Disziplinarmaßnahme. Dies folgt schon daraus, dass die Mitgliedschaft im Gemeinderat ehrenamtlich erfolgt, so dass das beamtenrechtliche Instrumentarium des Disziplinarrechts auf Gemeinderäte keine Anwendung finden kann. Darüber hinaus verfolgt § 31 Abs. 1 GemO aber auch nicht denselben Zweck wie das Disziplinarrecht. Die Ausschlussmöglichkeit dient nicht dem Ziel, das einzelne Gemeinderatsmitglied zu zukünftig ordnungsgemäßer Amtsausübung anzuhalten. Im Rahmen des § 31 Abs. 1 GemO kommt es auf die Amtsausübung des ausgeschlossenen Ratsmitglieds ebenso wenig an wie darauf, erzieherisch auf dieses einzuwirken. Vielmehr sollen, wie bereits mehrfach erwähnt, insbesondere das Ansehen des Rates und das Vertrauen des Wahlvolks in seine kommunale Vertretung geschützt werden.

61

Gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG fließende Bestimmtheitsgebot verstößt § 31 Abs. 1 GemO ebenfalls nicht. Zwar handelt es sich bei dem Tatbestandsmerkmal der Verwirkung "der für ein Ratsmitglied erforderlichen Unbescholtenheit" um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Dies entzieht ihn jedoch nicht rechtlicher Beurteilung. Vielmehr handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung gerichtlicher Überprüfung zugänglich ist. Dass eine Norm auslegungsbedürftig ist, schließt nämlich ihre Bestimmtheit nicht aus (Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. 103 Rn. 68). Der unbestimmte Rechtsbegriff muss allein mit herkömmlichen Methoden - der literarischen, teleologischen, systematischen und historischen Auslegung - präzisiert werden können (BVerfG, Beschluss vom 9. November 1988 - 1 BvR 243/86 -, BVerfGE 79, 106).

62

Dies ist vorliegend der Fall. Nach dem allgemeinen Begriffsverständnis ist etwas verwirkt, wenn es durch eigene Schuld eingebüßt wurde (www.duden.de). Im Gegensatz zum bloßen Verlust, ist hier die Einbuße also auf ein eigenes Verhalten des Betroffenen zurückzuführen, das dieser hätte steuern können. In rechtlichem Kontext spielt der Begriff beispielsweise betr. der Verwirkung von Grundrechten gemäß Art. 18 GG eine Rolle. Hier setzt die Verwirkung ebenfalls ein aktives Tun des Betroffenen in Form des Missbrauchs der verwirkten Rechte voraus. Verschiedentlich hat das Bundesverfassungsgericht die Wurzel des Instituts der Verwirkung im Rechtsgedanken von Treu und Glauben (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 1984/06 u. a. -, FamRZ 2008, 853) bzw. im Vertrauensgrundsatz (Beschluss vom 19. Juli 1967 - 1 BvR 99/67 -, juris) verankert.

63

Verwirkung tritt folglich zum einen nicht ohne eigenes Zutun ein. Hieraus ist abzuleiten, dass § 31 Abs. 1 GemO nur Anwendung finden kann, wenn die Anlass zum Ausschluss gebende Straftat vorsätzlich begangen wurde (a. A. Gabler/Höhlein/Klöckner u. a., PdK Rheinland-Pfalz, GemO § 31, Ziffer 2.).

64

Zum anderen setzt die Verwirkung eine Vertrauensverletzung gegenüber dem Wähler voraus. Dabei ist bedeutsam, dass § 31 Abs. 1 GemO gerade die Verwirkung der für ein Ratsmitglied erforderlichen Unbescholtenheit verlangt. Auf die Unbescholtenheit muss das verspielte Vertrauen also gerichtet sein.

65

Bei rein literarischer Betrachtung reicht der Begriff der Unbescholtenheit sehr weit. Danach ist eine Person unbescholten, die "aufgrund eines einwandfreien Lebenswandels frei von öffentlichem, herabsetzendem Tadel", also "integer" ist (www.duden.de) ist. So wird auch in der Rechtsprechung der Begriff teilweise mit Vorstrafen- oder Beanstandungsfreiheit gleichgesetzt (siehe z. B. BayVGH, Urteil vom 17. November 2011 - 16a D 10.2504 -, Juris; BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2008 - 2 WD 5/07 , DokBer 2008, 21).

66

Unbescholtenheit wird auch im Staatsangehörigkeitsrecht verlangt als Voraussetzung für einen Einbürgerungsanspruch nach § 10 Abs. 1 Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG - (vgl. VG Saarland, Urteil vom 14. Dezember 2010 - 2 K 495/09 -; InfAusIR 2011, 211; Urteil vom 26. Februar 2008 - 2 K 369/07 -, juris). Nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG setzt die Einbürgerung nämlich voraus, dass der Antragsteller weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt, noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist. Nach § 12a Abs. 1 StAG haben dabei Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel nach dem Jugendgerichtsgesetz, Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist, außer Betracht zu bleiben. Auch hier wird also die Grenze zum Bagatellbereich bei der dreimonatigen Freiheitsstrafe gezogen.

67

Darüber hinaus aber ist der Unbescholtenheitsbegriff des § 31 Abs. 1 GemO enger zu verstehen als im vorgenannten Kontext, da er gerade auf die Ratsmitgliedschaft abhebt. Einen solch hohen Integritätsmaßstab anzusetzen, ginge über die berechtigte Erwartung hinaus, die an ein durchschnittliches Ratsmitglied zu stellen ist. Ein Gemeinderatsmitglied übt zwar eine gewisse Vorbildfunktion aus, muss sich zugleich aber als Repräsentant des Volkes nicht an wesentlich höheren Moralanforderungen messen lassen als die Durchschnittsbevölkerung.

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Anhaltspunkte dafür, wodurch ein gewählter Volksvertreter seine Unbescholtenheit verlieren kann, liefern die Fälle der richterlichen Aberkennung des passiven Wahlrechts und der Amtsfähigkeit, welche stets zugleich mit dem Verlust eines innegehabten Mandats einhergehen. Eine solche Aberkennung ist möglich beispielsweise durch das Bundesverfassungsgericht im Fall der Verwirkung von Grundrechten nach Art. 18 GG; ferner durch den Strafrichter im Fall der Verurteilung zu einer mindestens einjährigen Freiheitsstrafe sowie den weiteren, im StGB besonders vorgesehenen, bereits zuvor genannten Fällen. Die genannten Vorschriften setzen im Kern ganz überwiegend gegen das Gemeinwesen gerichtete oder dieses zumindest erheblich schädigende Aktivitäten voraus. In dieser Hinsicht muss im Rahmen des § 31 Abs. 1 GemO also eine gewisse Vergleichbarkeit, wegen der unterschiedlichen Zielsetzung und geringfügigeren Rechtsfolge aber keine Identität der Voraussetzungen gegeben sein.

69

Nach alldem ist im Rahmen des § 31 Abs. 1 GemO daher zu fragen, ob das Strafurteil und die ihm zugrunde liegenden tatrichterlichen Feststellungen Anlass zu der Annahme bieten, dass ein durchschnittlicher Bürger dem Betroffenen sein Vertrauen entziehen würde, weil er sich objektiv durch seine Tat als ungeeignet erwiesen hat, für das Gemeinwesen einzutreten und dieses glaubhaft zu vertreten. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Betroffene durch die Tat als solche oder die Art und Weise ihrer Begehung gezeigt hat, dass er Grundwerte staatlichen Zusammenlebens im demokratisch verfassten Gemeinwesen missachtet. Zu diesen Grundwerten zählen die von der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG umfassten Grundsätze der Art. 1 und 20 GG.

70

Freilich kann nicht im Einzelfall gemessen werden, in welchem Maß dem Betroffenen tatsächlich Vertrauen entgegen gebracht und inwieweit dieses durch die Verurteilung erschüttert wurde. Es kann jedoch vernünftigerweise im Rahmen der Anwendung des § 31 GemO die Annahme zugrunde gelegt werden, dass der Wähler sein Vertrauen nur einer Person schenken wird, die die Grundregeln menschlichen Zusammenlebens im demokratischen Rechtsstaat achtet und würdigt.

71

2. Der vorliegend angegriffene Beschluss ist formell rechtmäßig.

72

Beratung und Entscheidung über den Ausschluss des Klägers aus dem Stadtrat durften in nichtöffentlicher Sitzung erfolgen. Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 5 der Geschäftsordnung des Stadtrats der Stadt Trier vom 1. März 2011 ist die Öffentlichkeit bei der Beratung und Entscheidung über den Ausschluss aus dem Rat (§ 31 GemO) ausgeschlossen. Diese Geschäftsordnungsbestimmung und ihre Anwendung im vorliegenden Fall stehen mit den Vorgaben des § 35 GemO über die Sitzungsöffentlichkeit im Einklang. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 sind Sitzungen des Gemeinderats öffentlich, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt oder die Beratung in nichtöffentlicher Sitzung der Natur des Beratungsgegenstandes nach erforderlich ist. § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO sieht vor, dass die Geschäftsordnung allgemein bestimmen kann, dass aus besonderen Gründen auch andere Angelegenheiten in nichtöffentlicher Sitzung behandelt werden, sofern es sich nicht um die in § 32 Abs. 2 Nr. 1 bis 11 und 14 bis 16 GemO bezeichneten Gegenstände handelt. Damit hat der Gesetzgeber bereits dafür Sorge getragen, dass ein Großteil wichtiger Angelegenheiten im Regelfall nicht ohne Öffentlichkeitsbeteiligung abschließend entschieden werden kann (OVG RP, Urteil vom 13. Juni 1995 - 7 A 12186/94 -, NVwZ-RR 1996, 685). Um einen dieser ausnahmslos öffentlich zu behandelnden Gegenstände handelt es sich beim Ausschluss aus dem Gemeinderat nicht. Vielmehr liegen hier besondere Gründe vor, die eine Beratung und Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung erforderlich machen.

73

Bei der Beurteilung, ob ein besonderer Grund vorliegt, ist dem Gemeinderat grundsätzlich ein weiter Beurteilungsspielraum zuzugestehen. Es muss dabei aber im Einzelfall stets gewährleistet sein, dass diese Gründe schwerer wiegen als der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit. Dieser dient in erster Linie dazu, die Tätigkeit des Gemeinderats der Kontrolle, Kritik und Beurteilung der Öffentlichkeit zu unterwerfen. Hierdurch soll zugleich der unzulässigen Einwirkung persönlicher Beziehungen, Einflüsse und Interessen auf die Beschlussfassung vorgebeugt und bereits der böse Schein unsachlicher Motive für die getroffenen Entscheidungen vermieden werden (Gabler/Höhlein/Klöckner u. a., PdK Rheinland-Pfalz, Stand: Dezember 2010, GemO § 35, Ziffer 2.1 m. w. N.).

74

Solche besonderen Gründe, die ausnahmsweise den Ausschluss der Sitzungsöffentlichkeit rechtfertigen, sind bei einer Entscheidung nach § 31 GemO gegeben.

75

Sie sind zugleich der Natur des Beratungsgegenstandes geschuldet. So sind vor einer Beschlussfassung über den Ausschluss eines Ratsmitglieds der Inhalt des gegen dieses Mitglied ergangenen Strafurteils und dessen Folgen für die Beurteilung seiner politischen Unbescholtenheit zu erörtern. Thema sind also persönlichkeitsbezogene Umstände und Wertungen, die dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG unterliegen. Zwar wird ein Strafurteil öffentlich verkündet, so dass auch unabhängig von der betreffenden Gemeinderatssitzung jedermann Kenntnis von dessen Inhalt erlangen kann. Ferner gab es im vorliegenden Fall auch eine umfassende Presseberichterstattung. Gleichwohl genießt der Verurteilte nach der Urteilsverkündung zumindest in gewissem Umfang im Hinblick auf seine Resozialisierungschancen Persönlichkeitsschutz, der im Einzelfall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegen kann. Dies gilt umso mehr, je länger die Verurteilung zurückliegt. So ist § 475 StPO, wonach Privatpersonen nur bei berechtigtem Interesse Auskünfte aus oder Einsicht in Akten des Strafgerichts zu gewähren ist, der allgemeine Rechtsgedanke zu entnehmen, dass nach Abschluss der Hauptverhandlung der Inhalt eines Strafurteils nicht mehr öffentlich zugänglich sein, sondern nur noch Personen mit berechtigtem Interesse zugänglich gemacht werden soll (siehe beispielsweise LG Bochum, Beschluss vom 10. November 2004, NJW 2005, 999).

76

Darüber hinaus besteht der besondere Grund im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO darin, dass der Gemeinderat bei der Beschlussfassung nach § 31 Abs. 1 GemO eine im Hinblick auf die oben genannten verfassungsrechtlichen Probleme weitreichende Entscheidung zu treffen hat, die er möglichst unabhängig und ohne Störungen und Einflussnahme von außen treffen können soll. Wegen der politischen Dimension einer solchen Entscheidung sind Störungen im Sitzungsablauf durch Unterstützer wie Gegner des Gemeinderatsmitglieds, über dessen Ausschluss zu befinden ist, zu befürchten. Derlei Störungen werden durch den Ausschluss der Öffentlichkeit verhindert. Außerdem unterliegen Meinungsäußerungen und Abstimmungsverhalten der Gemeinderatsmitglieder in nichtöffentlichen Sitzungen gemäß § 20 Abs. 1 Satz 4 GemO der Geheimhaltung. Durch den Ausschluss der Öffentlichkeit wird also in besonderer Weise gewährleistet, dass das einzelne Gemeinderatsmitglied die Entscheidung nach § 31 Abs. 1 GemO allein aufgrund seiner inneren Überzeugung und frei von äußerem Druck und eventueller Furcht vor Repressalien treffen kann.

77

Ferner durfte der Stadtrat vorliegend den Kläger nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GemO von der Mitwirkung an Beratung und Entscheidung über seinen Ausschluss aus dem Gemeinderat ausschließen. Danach dürfen Bürger und Einwohner, die ein Ehrenamt oder eine ehrenamtliche Tätigkeit ausüben, sowie Bürgermeister und Beigeordnete nicht beratend oder entscheidend mitwirken, wenn eine Entscheidung ihnen einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen kann. Für den Kläger konnte die zu treffende Entscheidung den Ausschluss aus dem Stadtrat und damit verbunden einen Verlust von Einfluss und Ansehen unmittelbar, d. h. ohne dass weitere Entscheidungen oder Umsetzungsakte erforderlich waren, bewirken.

78

Da die Beschlussfassung nach § 31 Abs. 1 GemO auch keine Wahl darstellt, greift § 22 Abs. 3 GemO nicht, der die Anwendung der Befangenheitsregeln für Wahlen ausschließt. Eine Wahl ist eine Abstimmung, durch die eine oder mehrere Personen aus einem größeren Personenkreis ausgelesen werden (Butzer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 38 Rn. 38; vgl. auch Verwaltungsvorschrift zu § 40 GemO, Ziffer 2). Selbst eine Abwahl fiele also schon hierunter nicht, da es an der Auswahl zwischen mehreren Personen fehlte. Vorliegend handelt es sich aber auch nicht um eine solche, da nicht - wie für eine Wahl typisch - Momente des Dafürhaltens und der subjektiven Einschätzung ausschlaggebend sind, sondern die Frage, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 1 GemO in der Person des Klägers erfüllt sind, ob also die gesetzlichen Voraussetzungen für den Ausschluss vorliegen.

79

Anhaltspunkte dafür, dass weitere Mitglieder nach § 22 GemO hätten ausgeschlossen werden müssen, liegen nicht vor. Insbesondere brachte der Ausschluss des Klägers den übrigen Gemeinderäten keinen unmittelbaren Vorteil, da Sitz- und Kräfteverhältnis im Rat sich hierdurch nicht ändern. Dies gilt jedenfalls, sobald gem. § 31 Abs. 3 Satz 2 GemO eine Ersatzperson für das ausgeschlossene Mitglied bestimmt ist. Auch steht dem Ansehensverlust des Klägers kein relevanter Ansehensgewinn der übrigen Gemeinderatsmitglieder gegenüber.

80

Schließlich steht der Wirksamkeit des angegriffenen Beschlusses auch nicht entgegen, dass der Kläger im Rahmen der Stadtratssitzung vom 22. September 2011 zu der Beschlussvorlage Nr. 382/2011 angehört wurde. Die ausführliche, vom Kläger abgegebene Stellungnahme führt nicht etwa, wie er vorgetragen hat, zu seiner Mitwirkung an der getroffenen Entscheidung, so dass letztere nach § 22 Abs. 6 Satz 1 GemO unwirksam wäre. Der Kläger war vielmehr gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG vor seinem Ausschluss anzuhören, da die nach § 31 Abs. 1 GemO zu treffende Entscheidung einen ihn belastenden Verwaltungsakt darstellt. Zwar war er bereits schriftlich angehört worden. Seine - erst wenige Stunden vor der Sitzung abgegebene - schriftliche Stellungnahme hätte aber auf jeden Fall im Rahmen der Sitzung verlesen werden müssen. Dieser Vorgang wurde dadurch substituiert, dass dem Kläger Gelegenheit gegeben wurde, seine Auffassung mündlich vorzutragen. Im Hinblick auf die unter rechtsstaatlichen und demokratischen Gesichtspunkten hohe Bedeutung der zu treffenden Entscheidung und deren gravierenden Folgen für den Kläger begegnet die überobligatorische Einräumung einer zusätzlichen Gehörsmöglichkeit für den Kläger keinerlei Bedenken. Zu seinen Gunsten wurde ihm dadurch die Möglichkeit eröffnet, Einfluss auf die zu treffende Ermessensentscheidung der Gemeindevertreter zu nehmen, beispielsweise sein Bedauern über die Tat zum Ausdruck zu bringen oder sich zu entschuldigen. Da er diese Möglichkeit zuvor auch selbst eingefordert hatte, stellt seine - im Übrigen erst in der mündlichen Verhandlung vorgetragene - Einlassung, der Beschluss sei hierdurch unwirksam geworden, auch ein rechtsmissbräuchliches, widersprüchliches Verhalten (venire contra factum prorium) dar. Darüber hinaus kann denknotwendig die Abgabe einer Stellungnahme in eigener Sache vor dem zu erwartenden Ausschluss wegen Befangenheit nicht mit einer Mitwirkung im Sinne des § 22 Abs. 6 Satz 1 GemO gleichgesetzt werden. Aus dem Sitzungsprotokoll geht vielmehr hinreichend klar hervor, dass erst nachdem dieser den Sitzungssaal verlassen hatte, die eigentliche Beratung begann, auch wenn diese wegen der bestehenden Einigkeit der Beteiligten wesentlich weniger Zeit in Anspruch nahm als die vorherige Anhörung des Klägers.

81

Die Frist des § 31 Abs. 1 Satz 2 GemO wurde gewahrt. Danach kann der Gemeinderat den Beschluss nur innerhalb eines Monats treffen, nachdem er von der Verurteilung Kenntnis erhalten hat. Hierbei kommt es auf die Kenntnis des Organs Gemeinderat an. Diese erlangt der Rat im Wege der Unterrichtung durch den Bürgermeister gemäß § 31 Abs. 1 Satz 3 GemO, die im Rahmen einer Gemeinderatssitzung zu erfolgen hat (Gabler/Höhlein/Klöckner u. a., PdK Rheinland-Pfalz, GemO § 31, Ziffer 2). Da ferner § 31 Abs. 1 Satz 1 GemO eine rechtskräftige Verurteilung voraussetzt, kann es auch im Rahmen des Satzes 3 nur auf die Kenntnis von der Rechtskraft und nicht der erstinstanzlichen Verurteilung ankommen. Das gegen den Kläger ergangene Strafurteil erlangte Rechtskraft mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 3. August 2011, da hiergegen keine weiteren Rechtsmittel gegeben waren. Die Bescheinigung über die Rechtskraft ging der Beklagten am 25. August 2011 zu. Hierüber setzte der Oberbürgermeister den Stadtrat am 1. September 2011 in Kenntnis.

82

3. Auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 GemO sind vorliegend erfüllt. Der Kläger wurde nach seiner Wahl in den Stadtrat vom Landgericht Trier rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Die Rechtskraft dieses Urteils trat bereits mit seiner Bestätigung durch den BGH am 3. August 2011 und unabhängig davon ein, dass der Kläger Verfassungsbeschwerde dagegen erhoben hatte. Die Verfassungsbeschwerde ist kein Rechtsmittel, sondern ein außerordentlicher Rechtsbehelf. Dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, ändert an ihrem Charakter als Freiheitsstrafe und am Strafmaß nichts, sondern bezieht sich allein auf die Art und Weise ihrer Vollstreckung.

83

Dass der Kläger die in Rede stehende Straftat nicht in seiner Eigenschaft als Ratsmitglied begangen hat, ist unbeachtlich. Für eine dahingehende Einschränkung enthält § 31 GemO keinerlei Anhaltspunkte. Sie wäre auch mit seinem Sinn und Zweck nicht vereinbar, da der Gemeinderat aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung eines seiner Mitglieder einen Ansehens- und Vertrauensverlust unabhängig davon erleiden kann, ob die Straftat einen unmittelbaren Bezug zur ehrenamtlichen Tätigkeit als Gemeinderatsmitglied aufweist oder nicht. Dadurch, dass, wie oben dargelegt, im Rahmen des § 31 Abs. 1 GemO zu verlangen ist, dass die Tat eine Missachtung rechtsstaatlicher Grundwerte zum Ausdruck bringen muss, ist jedenfalls ein abstrakter Bezug zur Amtsausübung stets gegeben.

84

§ 31 Abs. 1 GemO verlangt außerdem nicht, dass die den Ausschluss begründende Straftat nach der Wahl in den Gemeinderat begangen worden sein muss. Dies legt bereits der Wortlaut der genannten Bestimmung nahe, wonach das Ratsmitglied "nach seiner Wahl (...) verurteilt" worden sein muss. Darüber hinaus folgt aus Sinn und Zweck der Vorschrift in Verbindung mit der aus dem Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 GG resultierenden Unschuldsvermutung (BVerfG, Beschluss vom 26. März 1987 - 2 BvR 589/79 u. a. -, BVerfGE 74, 358), dass es für die Ausschlussentscheidung allein auf den Zeitpunkt der rechtskräftigen Verurteilung und nicht der Tatbegehung ankommen kann. Das gegen den Kläger gesprochene Strafurteil erging zeitlich nach der Kommunalwahl vom 7. Juni 2009. Dass er die Tat bereits vor der Wahl begangen hat, hindert nach Vorstehendem seinem Ausschluss nicht. Zwar ist dem Kläger darin zuzustimmen, dass im Fall der Tatbegehung vor der Wahl das später ausgeschlossene Ratsmitglied die erforderliche Unbescholtenheit möglicherweise von vornherein nicht besaß. Jedoch schafft erst die Aufklärung eines Geschehens und dessen Einordnung als Straftat durch das Strafgericht eine verlässliche Beurteilungsgrundlage für die nach § 31 Abs. 1 GemO vorzunehmende Bewertung. Die Vermutung der Unschuld endet nämlich erst mit der Rechtskraft der Verurteilung (BVerfG, Urteil vom 5. Juni 1973 - 1 BvR 536/72 -, BVerfGE 35, 202). Ferner kann auch das Verhalten nach der Tat, namentlich im Strafverfahren selbst, Einfluss darauf üben, ob es zu einer Verurteilung kommt und wie hoch das Strafmaß ausfällt. Ein Geständnis, tätige Reue, Wiedergutmachung und andere bei der Strafzumessung zu berücksichtigende Umstände beeinflussen das Strafmaß und im Rahmen der nach § 31 Abs. 1 GemO zu treffenden Ermessensentscheidung auch die Frage, wie groß der drohende Ansehens- und Vertrauensverlust für den Gemeinderat tatsächlich ist.

85

Wie die erkennende Kammer und das Oberverwaltungsgericht Koblenz im Eilverfahren (VG Trier, Beschluss vom 29. September 2011 - 1 L 1304/11.TR; OVG Koblenz, Beschluss vom 29. September 2011 - 2 B 11158/11.OVG) bereits dargelegt haben, hat der Kläger auch durch die Tat die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit verwirkt. Die Auslegung und Anwendung der in § 31 Abs. 1 GemO enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe durch die Beklagte ist nicht zu beanstanden.

86

Der Kläger hat, das Gewaltmonopol des Staates und die Strafverfolgungszuständigkeit der staatlichen Behörden negierend, zum Mittel der Gewalt gegen den politischen Gegner gegriffen. Anlass der Tat war, dass das spätere Opfer vor der Tat Wahlplakate der NPD abgerissen hatte. Ausweislich der strafrichterlichen Feststellungen war dem Kläger und den übrigen Angehörigen der von ihm geführten Gruppe auch bekannt, dass das Opfer und zwei weitere Plakatabreißer bereits von der Polizei festgenommen und in der Polizeiinspektion … zur Tat vernommen worden waren. Der Kläger hat folglich Selbstjustiz geübt und dadurch seine Missbilligung gegenüber den staatlichen Strafverfolgungsorganen zum Ausdruck gebracht. Ferner hat er - als Mittäter - körperliche Gewalt gegen einen politischen Opponenten angewandt und damit das Feld des zulässigen politischen Meinungskampfes verlassen.

87

In der Tat manifestiert sich somit eine staatlichen Ermittlungs- und Sanktionsmechanismen zumindest gleichgültig gegenüber stehende Grundhaltung. Die Anwendung körperlicher Gewalt im ungleichen Verhältnis von mehreren Tätern gegenüber einem Opfer zeigt überdies, dass der Kläger den Achtungsanspruch des Einzelnen und dessen Recht auf körperliche Integrität in der seiner Verurteilung zugrunde liegenden Situation negiert hat. Durch die Tat hat der Kläger folglich Grundwerte staatlichen Zusammenlebens verletzt. Unter objektiven Gesichtspunkten hat er sich damit als ungeeignet erwiesen, als Volksvertreter die Interessen der kommunalen Gemeinschaft zu vertreten und für diese verbindliche Beschlüsse zu fassen. Das ihm von seinen Wählern entgegen gebrachte Vertrauen hat er somit verwirkt und zugleich das Ansehen des Rates als Organ beschädigt. "Als Ratsmitglied ist er damit untragbar geworden", so bereits das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Beschluss vom 29. September 2011 - 2 B 11158/11.OVG -).

88

Die Prüfung dieser Frage bedurfte keiner eigenständigen, neben die strafrichterlichen Feststellungen tretenden Aufklärung des Tathergangs und der Strafbarkeit des Betroffenen. Vielmehr erlangt der durch das Strafgericht nach umfassender Beweiserhebung und -Würdigung festgestellte Sachverhalt mit Rechtskraft des Strafurteils Verbindlichkeit auch im Hinblick auf ein verwaltungsrechtliches Verfahren, das an diese Straftat tatbestandlich anknüpft, jedenfalls insoweit, als die tatrichterlichen Feststellungen den Tenorausspruch im Hinblick auf die Täterschaft des Klägers tragen. Zwar enthält die Verwaltungsgerichtsordnung hierzu keine explizite Regelung (anders zum Beispiel § 16 Abs. 1 Landesdisziplinargesetz - LDG -, wonach die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren oder im Bußgeldverfahren für ein Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, bindend sind, es sei denn deren Richtigkeit wird von einer Mehrheit der zur Entscheidung berufenen Richter bezweifelt; siehe ferner §§ 3 Abs. 4 und 4 Abs. 3 StVG).

89

Vorliegend ergibt sich die Bindung an die tatrichterlichen Feststellungen aber daraus, dass § 31 Abs. 1 GemO die Verurteilung durch ein Strafgericht als solche voraussetzt. In solchen Fällen ist das Verwaltungsgericht, wie etwa im Ausländerrecht, an die Feststellungen des Strafgerichts gebunden (BVerwG, Beschluss vom 24. Februar 1998 - 1 B 21/98 -, InfAusIR 1998, 221; Beschluss vom 16. Oktober 1986 - 3 B 11/86 -, NJW 1987, 1501). Es wäre in sich widersprüchlich, einerseits die Verurteilung zum Anlass der Ausschlussentscheidung nach § 31 Abs. 1 GemO zu nehmen, andererseits die tatrichterlichen Feststellungen, die der Verurteilung zugrunde liegen, in Frage zu stellen.

90

Das gleiche Ergebnis folgt aus der Überlegung, dass der materiellen Rechtskraft im Strafprozess gerade auch die Funktion zukommt, nachträgliche Sachverhaltsermittlungen auszuschließen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem im Strafprozess Angeklagten umfassende Verteidigungsmöglichkeiten, der Amtsaufklärungsgrundsatz und die Unschuldsvermutung zu Gute kommen. Wenn also selbst unter diesen Verfahrensbedingungen ein den Schuldspruch tragender Sachverhalt festgestellt werden kann, steht seiner Zugrundelegung im Rahmen einer Verwaltungs(gerichts)entscheidung grundsätzlich nichts entgegen (VGH BW, Beschluss vom 16. Juni 2010- 9 S 2530/09 -, VBIBW 2010, 480, m. w. N.).

91

Überdies entspricht es höchstrichterlicher Rechtsprechung zu Approbations-Widerrufen, dass die in einem rechtskräftigen Strafurteil und sogar in einem - ohne Hauptverhandlung ergehenden - Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen und bzw. oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Person gemacht werden dürfen, soweit sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit solcher Feststellungen ergeben (BVerwG, Beschluss vom 6. März 2003 - 3 B 10/03 -, juris; Urteil vom 26. September 2002 - 3 C 37/01 -, NJW 2003, 913; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 86 Rn. 6a).

92

Solcherlei gewichtige Anhaltspunkte hat der Kläger weder substantiiert vorgetragen, noch sind sie sonst ersichtlich. Zwar trägt der Kläger in seiner Klageschrift vom 2. Dezember 2011 umfassend dazu vor, aus welchen Gründen er das gegen ihn ergangene Strafurteil des Landgerichts Trier vom 22. Dezember 2010 für unrichtig hält. Dabei bezieht er sich jedoch im Wesentlichen auf die seiner Ansicht nach unrichtige Beweiswürdigung durch das Strafgericht. Objektiv erkennbare Fehler oder offen zutage tretende Widersprüche des Urteils macht er nicht geltend. Ohne letztlich einen förmlichen Beweisantrag zu stellen, hat der Kläger in der Klageschrift Zeugen dafür benannt, dass am Tatabend politische Gegner der NPD zahlreiche Wahlplakate derselben zerstört hätten und er am gleichen Abend Wahlkamphelfer der NPD kontaktiert habe, um sich zum gemeinsamen Plakatieren zu verabreden, ohne dass von der Verfolgung der "Plakatzerstörer" oder deren Bestrafung die Rede gewesen sei. Den Beweisanregungen war nicht nachzugehen. Die angegebenen Zeugen wurden sämtlich bereits im Strafverfahren vernommen. Ausweislich der Urteilsbegründung stellte das Landgericht den Umstand, dass am Tatabend Plakate der NPD - auch durch das spätere Opfer - abgerissen wurden, nicht in Frage. Ferner legte es der Verurteilung des Klägers wegen Mittäterschaft an einer gemeinschaftlich begangenen gefährlichen Körperverletzung die Annahme eines jedenfalls konkludent vereinbarten gemeinsamen Tatplans zugrunde. Auf die Frage, wann dieser zwischen den Beteiligten verabredet wurde und ob dies ausdrücklich oder stillschweigend geschah, kam es nicht an, da er jedenfalls im Zeitpunkt der Tatbegehung vorlag. Beide Tatsachen waren mithin im Hinblick auf die Verurteilung des Klägers nicht erheblich.

93

Schließlich ist die von der Beklagten getroffene Entscheidung, den Kläger auszuschließen, angesichts der Umstände des vorliegenden Falles auch verhältnismäßig. Die Wahlperiode hatte, als das gegen den Kläger gefällte Strafurteil rechtskräftig wurde, noch eine Restdauer von über zwei Jahren. Eine weitere Mitwirkung des Klägers im Stadtrat über diesen beachtlichen Zeitraum hinweg wären Ansehen und Funktionsfähigkeit des Rates folglich abträglich gewesen. Der Beschluss erweist sich auch nicht vor dem Hintergrund als unverhältnismäßig, dass über den gegen den Kläger bestehenden Verdacht schon vor der Kommunalwahl 2009 umfassend berichtet wurde und davon ausgegangen werden kann, dass ein Teil der Wähler aufgrund dieser Berichterstattung über den Vorfall vom 18. Mai 2009 und die mögliche Beteiligung des Klägers hieran informiert war. Dies hat nicht zur Folge, dass vorliegend der Eingriff in die in der Wahlentscheidung zum Ausdruck gekommene Volkssouveränität schwerer wiegt als der dem Stadtrat drohende Ansehens- und Vertrauensverlust.

94

Zwischen Tatbegehung und Kommunalwahl lagen nämlich nur knapp drei Wochen. Die den lokalen Medien zu entnehmenden ungesicherten Informationen boten kein hinreichendes Bild, um sich als Wähler ein abschließendes und verlässliches Bild über Art und Umfang der Tatbeteiligung des Klägers zu machen (so auch OVG RP, Beschluss vom 29. September 2011 - 2 B 11158/11.OVG -). Dieser hat die Tat auch nicht eingeräumt, sondern beruft sich bis heute darauf, er habe von einem ihm vermeintlich zustehenden Festnahmerecht Gebrauch machen wollen. Demgegenüber drohten das Ansehen und die Glaubwürdigkeit des Stadtrats sowie die Überzeugungs- und Bindekraft seiner Entscheidungen im Falle der weiteren Mitwirkung des Klägers Schaden zu nehmen.

95

Auch den Beweisanregungen des Klägers bezüglich Inhalt und Reichweite der vor der Kommunalwahl erfolgten Presseberichterstattung über die Tat vom 18. Mai 2009 war folglich mangels Entscheidungserheblichkeit nicht weiter nachzugehen.

96

Die Ermessensausübung durch die Beklagte weist, soweit sie gemäß § 114 Satz 1 VwGO gerichtlicher Überprüfung zugänglich ist, keine Fehler auf. Insbesondere hat sie alle objektiv zugänglichen Tatsachen ermittelt und in ihre Erwägungen eingestellt.

97

Bleibt die Klage nach alldem ohne Erfolg, hat der Kläger als unterliegender Teil gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

98

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf §§ 167 Abs. 1 und 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

99

Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 VwGO, denn die Auslegung des § 31 Abs. 1 GemO hat grundsätzliche Bedeutung.

100

Beschluss

101

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000,- € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG -).

102

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden.

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