1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31.05.2022 hinaus fortbesteht.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 5.191,92 EUR festgesetzt.
4. Die Berufung wird gesondert zugelassen.
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| Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit eines am 18.02.2022 geschlossenen Aufhebungsvertrages, welcher das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis zum 31.05.2022 beenden soll. |
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| Der am 0.0.1966 geborene Kläger ist ledig, hat keine Kinder und ist bei der Beklagten seit dem 26.08.1985 als Mitarbeiter mit dem Trennen von Kabeln bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von zuletzt 30,00 Stunden beschäftigt. Der Kläger besuchte lediglich die Sonderschule. Eine Ausbildung konnte er nicht abschließen. Auch besitzt er keinen Führerschein. Der Intelligenzquotient des Klägers ist weit unterdurchschnittlich. Bei der durch den Kläger auszuführenden Tätigkeit handelt es sich um eine einfache Tätigkeit, bei welcher lediglich ein Schneidemesser zum Einsatz kommt. Maschinen bedient der Kläger nicht. Der Arbeitsplatz des Klägers befindet sich im Freien und ist überdacht. Sein Bruttomonatsgehalt belief sich zuletzt auf 1.730,64 EUR. Das Arbeitsverhältnis bestand zunächst als Vollzeitarbeitsverhältnis. Da die Arbeitsleistung des Klägers in den letzten Jahren allerdings kontinuierlich abnahm, wies das Arbeitszeitkonto des Klägers am 30.09.2021 ein Minussaldo in Höhe von 51,25 Stunden auf. Mit Änderungsvereinbarung vom 11./15. Oktober 2021 einigten sich die Parteien auf eine Reduzierung der Arbeitszeit. Mit Wirkung zum 01.11.2021 betrug die Arbeitszeit des Klägers dann 30,00 Stunden in der Woche. Wegen der Einzelheiten des streitgegenständlichen Nachtrags zum Arbeitsvertrag wird auf Anlage B2 des Schriftsatzes der Beklagten vom 11.04.2022 entsprechend Bl. 38 f. d.A., Bezug genommen. Unternehmensgegenstand der Beklagten ist das komplette Recycling von Stahl- und Metallschrott sowie die Erbringung entsorgungsnaher Industriedienstleistungen. Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit ausschließlich der Auszubildenden. Die Beklagte ist betrieblich nicht verfasst. |
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| Am 18.02.2022 suchte Herr L., Prokurist und Betriebsleiter der Beklagten am Standort in F., den Kläger um kurz vor 11:00 Uhr an seinem Arbeitsplatz auf und bat ihn, in einer Viertelstunde in das Büro zu kommen („R., in ¼ Stund‘ komsch nuff“). Gründe nannte Herr L. nicht. Der Kläger suchte daraufhin eine Viertelstunde später die Büroräume der Beklagten im Betrieb in F. auf und setzte sich auf Hinweis des Herrn L. an den Tisch eines Nebenraums des Betriebsbüros. Kurze Zeit später setzte sich auch Herr L. an die gegenüberliegende Seite des Tisches. Zu diesem Zeitpunkt hielt Herr L. zwei Schriftstücke, eine durch die Beklagte bereits unterschriebene Abmahnung datierend auf den 15.02.2022 und einen durch die Beklagte ebenfalls bereits unterschriebenen Aufhebungsvertrag datierend auf den 18.02.2022, in der Hand. Wegen der Einzelheiten der streitgegenständlichen Abmahnung und des streitgegenständlichen Aufhebungsvertrags wird auf die Anlagen K2 und K3 der Klageschrift vom 01.03.2022 entsprechend Bl. 5 ff. d.A., Bezug genommen. Das folgende Gespräch dauerte ca. eine halbe Stunde. Die weiteren Einzelheiten und Umstände des Gesprächs sind zwischen den Parteien des Rechtsstreits streitig. Zum Ende des Gesprächs übergab Herr L. dem Kläger einen Kugelschreiber, woraufhin der Kläger die Empfangsbestätigung betreffend die streitgegenständliche Abmahnung und den Aufhebungsvertrag vom 18.02.2022 unterzeichnete. Das Datum des Aufhebungsvertrages stammte nicht vom Kläger. Zuvor las der Kläger die Schriftstücke nicht durch, da er bis zum regulären Ende der Arbeitszeit weiterarbeiten wollte. Die Abmahnung betraf dabei zwei Vorfälle vom 21.01.2022 und 28.02.2022. An beiden Tagen war der Kläger nicht zur Arbeit erschienen, wobei er sich am 28.01.2022 auch nicht abmeldete. Die weiteren Einzelheiten betreffend diese Vorfälle sind zwischen den Parteien des Rechtsstreits streitig. Gemäß dem streitgegenständlichen Aufhebungsvertrag sollte das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2022 enden. Eine Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung enthielt der Aufhebungsvertrag nicht. Nach der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages arbeitete der Kläger noch bis 12:00 Uhr (reguläres Ende der Arbeitszeit an einem Freitag) weiter. |
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| Noch am gleichen Tag (18.02.2022) erklärte der Kläger seiner Schwester, welche im gleichen Haus wohnt, dass er eine Kündigung erhalten habe. Die Schwester stellte nach Durchsicht der Unterlagen fest, dass der Kläger keine Kündigung erhalten hat, sondern einen Aufhebungsvertrag unterschrieben hat. Daraufhin vereinbarte die Schwester einen Anwaltstermin für den 24.02.2022, welchen der Kläger abends nach Beendigung seiner Arbeit wahrnahm. Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.02.2022, welches die Beklagte per Fax am 25.02.2022 erhielt, focht der Kläger den Aufhebungsvertrag unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten an. Wegen der Einzelheiten dieses Anfechtungsschreibens wird auf die Anlage K4 der Klageschrift vom 01.03.2022 entsprechend Bl. 9 f. d.A., Bezug genommen. |
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| Der Kläger hält den Aufhebungsvertrag vom 18.02.2022 für rechtsunwirksam. Er greift den Aufhebungsvertrag deshalb mit der am 01.03.2022 beim Arbeitsgericht Heilbronn – Kammern Crailsheim – eingegangenen Klage an. |
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| nachdem man sich gesetzt habe, habe Herr L. ihm die Schriftstücke, die Abmahnung datierend auf den 15.02.2022 und den Aufhebungsvertrag vom 18.02.2022 vorgehalten und gesagt: „Da hasch dei Kündigung. Am 31.05. isch Schluss. So lang kansch noch schaffe“. Danach habe ihm Herr L. einen Kugelschreiber überreicht und gesagt: „Da unterschreib.“ Der Kläger behauptet weiter, dass Herr L. ihn nicht gefragt habe, ob er alles verstanden habe. Auch seien ihm weder die Abmahnung noch der Aufhebungsvertrag vorgelesen worden. Schließlich behauptet der Kläger, er sei aufgrund seiner verminderten intellektuellen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen, zu erkennen, dass man ihm einen Aufhebungsvertrag zur Unterschrift vorgelegt habe. |
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| Der Kläger ist der Ansicht, |
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| die Beklagte habe seine mangelnden intellektuellen Fähigkeiten willentlich und wissentlich ausgenutzt, um ihm zu verstehen zu geben, dass es sich vorliegend nicht um einen Aufhebungsvertrag, sondern um eine Kündigung handele. Er sei davon ausgegangen, dass man ihn wegen eines Vorgangs am 28.01.2022 abmahnen wollte und man ihm gleichzeitig eine Kündigung ausgehändigt habe. Mit dieser Vorgehensweise habe die Beklagte gegen das vom Bundesarbeitsgericht aufgestellte Gebot des fairen Verhandelns verstoßen. Man hätte ihn darauf hinweisen müssen, dass es sich vorliegend um einen Aufhebungsvertrag handelt. Auch hätte ihm aufgrund seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit und der auch sozialrechtlich relevanten Verkürzung der Kündigungsfrist eine Bedenkzeit eingeräumt werden müssen. Insbesondere die Überreichung von zwei Schriftstücken, Abmahnung und Aufhebungsvertrag, und die Aufforderung zu Unterschriften mit verschiedenen Rechtsfolgen würden den Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns begründen. |
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| Mit Klageschrift vom 01.03.2022 hat der Kläger zunächst beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch Aufhebungsvereinbarung der Beklagten vom 18.02.2022 zum 31.05.2022 endet, sondern über den 31.05.2022 fortbesteht. Nach Hinweis des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung vom 18.05.2022 hat der Kläger seinen Antrag neu gefasst. |
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| Der Kläger beantragt nunmehr zuletzt, |
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| festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31.05.2022 hinaus fortbesteht. |
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| mit dem Kläger sei am 18.02.2022 ein ruhiges und ausgeglichenes Gespräch geführt worden, welches ca. eine halbe Stunde gedauert habe. Herr L. habe dem Kläger den Inhalt des Aufhebungsvertrages erläutert und auch darauf hingewiesen, dass es sich um einen Aufhebungsvertrag handele. Herr L. habe dem Kläger nicht mitgeteilt, dass es sich um eine Kündigung handele. Auch habe Herr L. den Kläger nicht mit den Worten: „da unterschreib“ dazu aufgefordert, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Vielmehr habe man den Kläger gefragt, ob er den Inhalt des Vertrages verstanden habe. Nachdem dieser dies bejaht habe, kam es zur Leistung der Unterschrift. |
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| Die Beklagte ist der Ansicht, |
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| dass vorliegend keine unfaire Verhandlungssituation vorgelegen habe, da auf den Kläger kein Druck ausgeübt worden sei, die Aufhebungsvereinbarung zu unterschreiben. |
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| Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird im Übrigen gemäß § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen Bezug genommen. Eine Beweisaufnahme fand nicht statt. |
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| Die Klage ist zulässig und begründet. |
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| Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ArbGG eröffnet. Unter § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ArbGG fallen auch Klageverfahren, in denen es um die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages geht (Schlewing in Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 9. Auflage 2017, § 2 Rn. 67). |
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| 1. Der Streitgegenstand ist gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt. Gegenstand der begehrten Feststellung ist vorliegend, dass das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis über den 31.05.2022 hinaus fortbesteht und somit durch den streitgegenständlichen Aufhebungsvertrag vom 18.02.2022 nicht zum 31.05.2022 beendet wird. Von der allgemeinen Bestandsklage wird vorliegend somit gemäß dem Vortrag des Klägers der Aufhebungsvertrag vom 18.02.2022 erfasst, sodass ein rechtskräftiges positives Feststellungsurteil eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund dieses Vertrages ausschließen würde (BAG, Urteil vom 26.09.2013 – 2 AZR 682/12, NZA 2014, 443). In dieser Form ist der Antrag des Klägers auch zulässig. Auch der streitgegenständliche Feststellungsantrag ist dabei dem Kündigungsschutzantrag gemäß § 4 Satz 1 KSchG nachgebildet und hat durch die Inbezugnahme des Aufhebungsvertrages in der Klagebegründung einen punktuellen Streitgegenstand. Eine daraus resultierende punktuelle Antragsstellung wäre allerdings nur bei einer Kündigungsschutzklage im direkten Anwendungsbereich der §§ 4, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG zulässig (BAG, Urteil vom 26.09.2013 – 2 AZR 682/12, NJW 2014, 443; BAG, Urteil vom 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348), sodass vorliegend dem Kläger nur die zuletzt gewählte Art der Antragsstellung zur Verfügung steht. |
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| 2. Die Klage weist auch das gemäß § 256 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse auf. Der allgemeine Feststellungsantrag ist bezüglich des in § 256 Abs. 1 ZPO normierten allgemeinen Feststellungsinteresses nur dann zulässig, wenn der Kläger außerhalb des Anwendungsbereichs des § 4 KSchG Beendigungstatbestände in den Rechtsstreit einführt, welche den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährden (BAG, Urteil vom 23.02.2017 – 6 AZR 665/15, NZA 2017, 996; Gallner in Gallner/Mestwerdt/Nägele, KSchG, 7. Auflage 2021, § 4 Rn. 51). Diesen Voraussetzungen wird der Klageantrag des Klägers in seiner letzten Fassung gerecht, da sich der Kläger in seiner Klagebegründung ausdrücklich auf eine mögliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Aufhebungsvereinbarung vom 18.02.2022 bezieht, um seinem rechtlichen Interesse an dem allgemeinen Feststellungsantrag ein punktuelles Gepräge zu geben. |
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| 3. Die aus der Antragsumstellung des Klägers resultierende Klageänderung ist auch zulässig, da sich die Beklagte gemäß § 267 ZPO in der mündlichen Verhandlung vom 18.05.2022 auf die abgeänderte Klage eingelassen hat. Des Weiteren wäre vorliegend auch bei fehlender Einwilligung die gemäß § 263 Alt. 2 ZPO geforderte Sachdienlichkeit gegeben, da der bisherige Prozessstoff verwertbar gewesen wäre, wodurch ein weiterer Rechtsstreit letztlich vermieden worden wäre. |
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| Das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis ist durch den Aufhebungsvertrag vom 18.02.2022 nicht zum 31.05.2022 beendet worden. Vorliegend liegt ein schuldhafter Verstoß der Beklagten gegen das Gebot des fairen Verhandelns vor, was zu einer Rechtsunwirksamkeit des Aufhebungsvertrages und damit zu einer Fortsetzung des ursprünglichen Arbeitsvertrages zu unveränderten Bedingungen führt. |
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| 1. Das Zustandekommen des Aufhebungsvertrages vom 18.02.2022 verstößt gegen das vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Gebot des fairen Verhandelns, welches in den §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB in der Gestalt einer bei der Aufnahme von Vertragsverhandlungen bestehenden Nebenpflicht seine gesetzliche Normierung gefunden hat (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688). |
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| a) Das Gebot des fairen Verhandelns ist gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine im Zusammenhang mit der Verhandlung eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründete Nebenpflicht gemäß §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688; LAG Hamm, Urteil vom 17.05.2021 – 18 Sa 1124/20, NZA-RR 2021, 531; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.05.2021 – 7 Sa 377/20, BeckRS 2021, 30024), weil der Aufhebungsvertrag gerade ein eigenständiges Rechtsgeschäft ist. Bei der Bestimmung der Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB ist allerdings zu beachten, dass die Parteien eines Aufhebungsvertrages zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen bereits durch ein Schuldverhältnis, das Arbeitsverhältnis, rechtsgeschäftlich verbunden sind, wodurch die aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Verpflichtungen zur wechselseitigen Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 BGB auf die Verhandlungen bezüglich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausstrahlen. Dabei kann der Inhalt der Rücksichtnahmepflichten nicht in einem abschließenden Katalog benannt werden, sondern ist vielmehr anhand der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688; BAG, Urteil vom 24.10.2018 – 10 AZR 69/18, NZA 2019, 161; BAG, Urteil vom 27.06.2017 – 9 AZR 576/15, BeckRS 2017, 123124). § 241 Abs. 2 BGB zwingt nicht zu einer Verleugnung der eigenen Interessen, sondern lediglich zu einer angemessenen Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen des Vertragspartners (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688). Das Gebot des fairen Verhandelns schützt dabei unterhalb der Schwelle der von den §§ 105, 119 ff. BGB erfassten Willensmängel die Entscheidungsfreiheit bei Vertragsverhandlungen (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688; LAG Hamm, Urteil vom 17.05.2021 – 18 Sa 1124/20, NZA-RR 2021, 531; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.05.2021 – 7 Sa 377/20, BeckRS 2021, 30024). |
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| b) Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages kann eine Seite gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, wenn sie eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire Behandlung des Vertragspartners darstellt. Das Gebot fairen Verhandelns wird missachtet, wenn die Entscheidungsfreiheit des anderen Vertragspartners in zu missbilligender Weise beeinflusst wird. Es geht dabei nicht um ein Erfordernis der Schaffung einer für den Vertragspartner besonders angenehmen Verhandlungssituation, sondern um das Gebot eines Mindestmaßes an Fairness im Vorfeld von Vertragsverhandlungen. Eine Verhandlungssituation ist dann als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Dies kann durch die Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen, die erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken, geschehen. Denkbar ist auch das Ausnutzen einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse. Die Nutzung eines Überraschungsmoments kann ebenfalls die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigen. Letztlich ist die konkrete Situation im jeweiligen Einzelfall am Maßstab des § 241 Abs. 2 BGB zu bewerten und von einer bloßen Vertragsreue abzugrenzen (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688; LAG Hamm, Urteil vom 17.05.2021 – 18 Sa 1124/20, NZA-RR 2021, 531; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.05.2021 – 7 Sa 377/20, BeckRS 2021, 30024; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26.06.2019 – 5 Sa 173/19, NZA-RR 2020, 520). Entgegen der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 24.02.2022 – 6 AZR 333/21, FD-ArbR 2022, 446802; BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688) und des Landesarbeitsgerichts Hamm (LAG Hamm, Urteil vom 17.05.2021 – 18 Sa 1124/20, NZA-RR 2021, 531) ist die erkennende Kammer allerdings zu der Auffassung gelangt, dass der Arbeitgeber in besonderen Fallkonstellationen gehalten sein kann, dem Arbeitnehmer nach der Unterbreitung eines Aufhebungsvertrages eine Bedenkzeit einzuräumen, um nicht gegen das Gebot des fairen Verhandelns zu verstoßen. Mit der Einräumung einer Bedenkzeit korreliert auch eine entsprechende Hinweispflicht des Arbeitgebers. Diese Schlussfolgerung ergibt sich aus der engen Verknüpfung der aus der Aufnahme von Vertragsverhandlungen resultierenden Nebenpflicht (§§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB) mit den fortwirkenden Rücksichtnahmepflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis (241 Abs. 2 BGB). Diese sind denklogisch miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig. Da die fortwirkenden Rücksichtnahmepflichten auf die nach §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB bestehenden Pflichten bei der Verhandlung eines Aufhebungsvertrages ausstrahlen, erfolgt letztlich durch diese eine inhaltliche Konkretisierung der bestehenden Pflichten bei der Verhandlung eines Aufhebungsvertrages. Die im Arbeitsverhältnis gemäß § 241 Abs. 2 BGB existierenden Rücksichtnahmepflichten werden wiederum vor allem durch die Sozialdaten des Arbeitnehmers und im Hinblick auf eine im Arbeitsverhältnis fortwährend bestehende Wechselwirkung der jeweiligen Pflichten durch das „vorvertragliche“ Verhalten des Arbeitnehmers selbst geprägt. Durch diese Wirkungskette kann somit gewährleistet werden, dass eine einzelfallbezogene Konkretisierung der Pflichten des Arbeitgebers bei der Verhandlung von Aufhebungsverträgen erfolgt. Neben den vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Kriterien ist nach Ansicht der Kammer somit insbesondere auch zu berücksichtigen, ob die Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag durch ein vermeintliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers ausgelöst worden sind und ob ein solches Verhalten zumindest ansatzweise eine Kündigung hätte rechtfertigen können. Weiterhin ist die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers, die Dauer eines störungsfreien Verlaufs des Arbeitsverhältnisses sowie die psychische und körperliche Konstitution des Arbeitnehmers zu beachten. Bei Beachtung dieser Kriterien kann es nach Ansicht der Kammer dem Arbeitgeber in Ausnahmefällen zugemutet werden, den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass man ihm bezüglich des Abschlusses des Aufhebungsvertrages eine gewisse Bedenkzeit einräume, um nicht gegen das Gebot des fairen Verhandelns zu verstoßen. |
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| c) Unter Anwendung der vorbezeichneten Grundsätze erweist sich das streitgegenständliche Zustandekommen des Aufhebungsvertrages vom 18.02.2022 als Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass man den Kläger darauf hingewiesen habe, dass es sich vorliegend um einen Aufhebungsvertrag handele und dem Kläger den Inhalt erläutert habe. Die Kammer ist der Auffassung, dass die Beklagte vorliegend die psychische Schwäche des Klägers ausgenutzt hat, um zum Abschluss des Aufhebungsvertrages zu gelangen. Dabei ist es auch nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger intellektuell in der Lage gewesen ist, den Sinn der streitgegenständlichen Aufhebungsvereinbarung zu erfassen. Die den Abschluss des Aufhebungsvertrags begleitenden Umstände, die Sozialdaten des Klägers und seine psychische Konstitution führen vielmehr dazu, dass die Beklagte in der vorliegenden Konstellation den Kläger zumindest hätte darauf hinweisen müssen, dass er berechtigt ist, den Abschluss des Aufhebungsvertrages außerhalb der Räumlichkeiten der Beklagten für eine gewisse Zeit nochmals zu überdenken. Dies hätte dem Kläger auch die Möglichkeit eröffnet, ihm nahestehende Außenstehende bezüglich des Entwurfs und seiner Unterzeichnung um Hilfe zu bitten. Dabei hat die Kammer zuvorderst die psychische Konstitution des Klägers berücksichtigt. Zwischen den Parteien des Rechtsstreits ist unstreitig, dass der Kläger lediglich die Sonderschule besucht hat, eine Ausbildung nicht abschließen konnte und einen weit unterdurchschnittlichen Intelligenzquotienten aufweist. Die Beklagte bestreitet lediglich die Behauptung des Klägers, dass dieser nicht in der Lage gewesen sei, den Sinn der Aufhebungsvereinbarung zu erfassen. Auch das Gericht geht dabei unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung nach seiner freien Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO davon aus, dass der Kläger einen unterdurchschnittlichen Intelligenzquotienten aufweist und mit einem durchschnittlichen Arbeitnehmer nicht verglichen werden kann. Dem Kläger war es ohne die Hilfe seines Prozessbevollmächtigten nicht möglich, einfachste Fragen des Vorsitzenden zu beantworten. Die Fähigkeit des Klägers, mit dem Gericht, der gegnerischen Partei oder seinem eigenen Prozessbevollmächtigten zu kommunizieren, war sehr stark eingeschränkt. Eine Beweisaufnahme durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens musste vorliegend nicht erfolgen, da diese Tatsache zwischen den Parteien des Rechtsstreits nicht streitig ist und es dem Tatrichter gemäß § 286 ZPO grundsätzlich auch gestattet ist, allein aufgrund des Vortrags der Parteien und ohne Beweiserhebung festzustellen, was für wahr und was für nicht wahr zu erachten ist. Er kann dabei im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses den Behauptungen und Angaben einer Partei unter Umständen auch dann glauben, wenn diese ihre Richtigkeit sonst nicht beweisen kann (BGH, Beschluss vom 27.09.2017 – XII ZR 48/17, NJW-RR 2018, 249; BGH, Urteil vom 06.10.1981 – X ZR 57/80, NJW 1982, 940; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.06.2021 – 3 Sa 28/21, BeckRS 2021, 48519). Des Weiteren hat die Kammer aber auch die Begleitumstände des Zustandekommens des streitgegenständlichen Aufhebungsvertrags beachtet. In besonderem Maße wirkt sich dabei für die Beklagte negativ aus, dass dem Kläger zusammen mit dem bereits unterschriebenen Aufhebungsvertrag eine Abmahnung übergeben wurde, deren Empfang der Kläger durch seine Unterschrift bestätigte. Dabei betrifft die Abmahnung, welche auf den 15.02.2022 datiert ist, einen Vorfall vom 21.01.2022 und einen Vorfall vom 28.02.2022. In beiden Fällen soll der Kläger nicht zur Arbeit erschienen sein. Dabei hat die Beklagte durch die Abmahnung der Vorfälle im Januar signalisiert, dass sie diese nicht mehr für kündigungsrechtlich relevant hält. Die Kammer kann somit nicht nachvollziehen, warum sie dem Kläger gemeinsam mit der Abmahnung den Aufhebungsvertrag, welcher die Kündigungsfrist des Klägers zudem noch um vier Monate verkürzt, ausgehändigt hat. Hätte die Beklagte die Vorfälle für kündigungsrechtlich relevant gehalten, wäre das Angebot eines Aufhebungsvertrages, ohne die Aushändigung einer Abmahnung, oder der Ausspruch einer Kündigung die logische Folge gewesen. Das gewählte Verhalten deutet auf ein bewusstes Ausnutzen der fehlenden intellektuellen Fähigkeiten des Klägers hin. Es ist für die Kammer nicht fernliegend, dass die Beklagte hierdurch den Abschluss des Aufhebungsvertrags erreichen wollte. Dabei kann dahinstehen, ob die Schwelle des § 123 Abs. 1 BGB vorliegend durch das Verhalten der Beklagten bereits überschritten worden ist, da die Beklagte zumindest gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen hat. Schließlich hat die Kammer abschließend auch berücksichtigt, dass der Kläger bereits seit dem 26.08.1985 bei der Beklagten bzw. bei ihren Rechtsvorgängern beschäftigt ist und somit zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrages eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von 36,5 Jahren aufweisen konnte. Abgesehen von den Vorfällen im Januar 2021 sind auch keine weiteren Belastungen des Arbeitsverhältnisses bekannt. Es ist somit davon auszugehen, dass dieses über einen langen Zeitraum störungsfrei verlief. Unter Berücksichtigung aller vorherigen Gesichtspunkte hätte die Beklagte den Kläger auf eine gewisse Bedenkzeit hinweisen müssen, um das Gebot des fairen Verhandelns zu wahren. Durch das Unterlassen drängt sich für die Kammer die Vermutung auf, dass die Beklagte die intellektuelle Schwäche des Klägers bewusst ausnutzte, um den Abschluss des Aufhebungsvertrages zu erreichen. Dies führt vorliegend zu einer schuldhaften Verletzung des Gebots des fairen Verhandelns. Das (schuldhafte) Verhalten des Prokuristen Herrn L. muss sich die Beklagte dabei gemäß § 278 Satz 1 BGB zurechnen lassen, da § 278 BGB auch bei Pflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB Anwendung findet (BGH, Urteil vom 03.07.1985 – VIII ZR 102/84, NJW 1985, 2258). |
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| 2. Der Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns führt vorliegend zu einer Rechtsunwirksamkeit des Aufhebungsvertrages und damit zu einer Fortsetzung des ursprünglichen Arbeitsvertrages zu unveränderten Bedingungen. Die Kammer schließt sich diesbezüglich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688) an. Hat der Arbeitgeber bei den Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages das Gebot des fairen Verhandelns schuldhaft verletzt, bewirkt dies keinen Anspruch des Arbeitnehmers auf Neuabschluss des Arbeitsvertrages zu den bisherigen Konditionen. Vielmehr führt der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen einer Missachtung des Gebots des fairen Verhandelns unmittelbar zu einem Entfall der Rechtswirkungen des Aufhebungsvertrages und damit zu einer Fortsetzung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen. Zur Beseitigung des Aufhebungsvertrages im Wege des Schadensersatzes bedarf es keines Neuabschlusses des Arbeitsvertrags (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26.06.2019 – 5 Sa 173/19, NZA-RR 2020, 520). |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Als vollständig unterliegende Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Im Rahmen des nach § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzenden Streitwerts wurde für die Bestandsstreitigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO ein Vierteljahresgehalt (3 x 1.730,64 EUR) in Ansatz gebracht. Eine Bestandsschutzstreitigkeit im Sinne des § 42 Abs. 2 Satz GKG liegt insbesondere bei Streit über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages vor (Müller in Boecken/Düwell/Diller/Hanau, GKG, 1. Auflage 2016, § 42 Rn. 54). Die gesonderte Zulassung der Berufung folgt aus § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG. Die Rechtssache hat grundsätzlich Bedeutung, da es sich um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage handelt. Die Kammer ist mit ihrer Entscheidung von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 24.02.2022 – 6 AZR 333/21, FD-ArbR 2022, 446802; BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688) bezüglich des Gebots des fairen Verhandelns dahingehend abgewichen, dass sie es für notwendig ansieht, in Ausnahmefällen eine gewisse Bedenkzeit, verbunden mit einem Hinweis darauf, einzuräumen. |
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| Die Klage ist zulässig und begründet. |
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| Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ArbGG eröffnet. Unter § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ArbGG fallen auch Klageverfahren, in denen es um die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages geht (Schlewing in Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 9. Auflage 2017, § 2 Rn. 67). |
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| 1. Der Streitgegenstand ist gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt. Gegenstand der begehrten Feststellung ist vorliegend, dass das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis über den 31.05.2022 hinaus fortbesteht und somit durch den streitgegenständlichen Aufhebungsvertrag vom 18.02.2022 nicht zum 31.05.2022 beendet wird. Von der allgemeinen Bestandsklage wird vorliegend somit gemäß dem Vortrag des Klägers der Aufhebungsvertrag vom 18.02.2022 erfasst, sodass ein rechtskräftiges positives Feststellungsurteil eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund dieses Vertrages ausschließen würde (BAG, Urteil vom 26.09.2013 – 2 AZR 682/12, NZA 2014, 443). In dieser Form ist der Antrag des Klägers auch zulässig. Auch der streitgegenständliche Feststellungsantrag ist dabei dem Kündigungsschutzantrag gemäß § 4 Satz 1 KSchG nachgebildet und hat durch die Inbezugnahme des Aufhebungsvertrages in der Klagebegründung einen punktuellen Streitgegenstand. Eine daraus resultierende punktuelle Antragsstellung wäre allerdings nur bei einer Kündigungsschutzklage im direkten Anwendungsbereich der §§ 4, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG zulässig (BAG, Urteil vom 26.09.2013 – 2 AZR 682/12, NJW 2014, 443; BAG, Urteil vom 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348), sodass vorliegend dem Kläger nur die zuletzt gewählte Art der Antragsstellung zur Verfügung steht. |
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| 2. Die Klage weist auch das gemäß § 256 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse auf. Der allgemeine Feststellungsantrag ist bezüglich des in § 256 Abs. 1 ZPO normierten allgemeinen Feststellungsinteresses nur dann zulässig, wenn der Kläger außerhalb des Anwendungsbereichs des § 4 KSchG Beendigungstatbestände in den Rechtsstreit einführt, welche den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährden (BAG, Urteil vom 23.02.2017 – 6 AZR 665/15, NZA 2017, 996; Gallner in Gallner/Mestwerdt/Nägele, KSchG, 7. Auflage 2021, § 4 Rn. 51). Diesen Voraussetzungen wird der Klageantrag des Klägers in seiner letzten Fassung gerecht, da sich der Kläger in seiner Klagebegründung ausdrücklich auf eine mögliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Aufhebungsvereinbarung vom 18.02.2022 bezieht, um seinem rechtlichen Interesse an dem allgemeinen Feststellungsantrag ein punktuelles Gepräge zu geben. |
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| 3. Die aus der Antragsumstellung des Klägers resultierende Klageänderung ist auch zulässig, da sich die Beklagte gemäß § 267 ZPO in der mündlichen Verhandlung vom 18.05.2022 auf die abgeänderte Klage eingelassen hat. Des Weiteren wäre vorliegend auch bei fehlender Einwilligung die gemäß § 263 Alt. 2 ZPO geforderte Sachdienlichkeit gegeben, da der bisherige Prozessstoff verwertbar gewesen wäre, wodurch ein weiterer Rechtsstreit letztlich vermieden worden wäre. |
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| Das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis ist durch den Aufhebungsvertrag vom 18.02.2022 nicht zum 31.05.2022 beendet worden. Vorliegend liegt ein schuldhafter Verstoß der Beklagten gegen das Gebot des fairen Verhandelns vor, was zu einer Rechtsunwirksamkeit des Aufhebungsvertrages und damit zu einer Fortsetzung des ursprünglichen Arbeitsvertrages zu unveränderten Bedingungen führt. |
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| 1. Das Zustandekommen des Aufhebungsvertrages vom 18.02.2022 verstößt gegen das vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Gebot des fairen Verhandelns, welches in den §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB in der Gestalt einer bei der Aufnahme von Vertragsverhandlungen bestehenden Nebenpflicht seine gesetzliche Normierung gefunden hat (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688). |
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| a) Das Gebot des fairen Verhandelns ist gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine im Zusammenhang mit der Verhandlung eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründete Nebenpflicht gemäß §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688; LAG Hamm, Urteil vom 17.05.2021 – 18 Sa 1124/20, NZA-RR 2021, 531; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.05.2021 – 7 Sa 377/20, BeckRS 2021, 30024), weil der Aufhebungsvertrag gerade ein eigenständiges Rechtsgeschäft ist. Bei der Bestimmung der Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB ist allerdings zu beachten, dass die Parteien eines Aufhebungsvertrages zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen bereits durch ein Schuldverhältnis, das Arbeitsverhältnis, rechtsgeschäftlich verbunden sind, wodurch die aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Verpflichtungen zur wechselseitigen Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 BGB auf die Verhandlungen bezüglich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausstrahlen. Dabei kann der Inhalt der Rücksichtnahmepflichten nicht in einem abschließenden Katalog benannt werden, sondern ist vielmehr anhand der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688; BAG, Urteil vom 24.10.2018 – 10 AZR 69/18, NZA 2019, 161; BAG, Urteil vom 27.06.2017 – 9 AZR 576/15, BeckRS 2017, 123124). § 241 Abs. 2 BGB zwingt nicht zu einer Verleugnung der eigenen Interessen, sondern lediglich zu einer angemessenen Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen des Vertragspartners (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688). Das Gebot des fairen Verhandelns schützt dabei unterhalb der Schwelle der von den §§ 105, 119 ff. BGB erfassten Willensmängel die Entscheidungsfreiheit bei Vertragsverhandlungen (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688; LAG Hamm, Urteil vom 17.05.2021 – 18 Sa 1124/20, NZA-RR 2021, 531; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.05.2021 – 7 Sa 377/20, BeckRS 2021, 30024). |
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| b) Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages kann eine Seite gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, wenn sie eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire Behandlung des Vertragspartners darstellt. Das Gebot fairen Verhandelns wird missachtet, wenn die Entscheidungsfreiheit des anderen Vertragspartners in zu missbilligender Weise beeinflusst wird. Es geht dabei nicht um ein Erfordernis der Schaffung einer für den Vertragspartner besonders angenehmen Verhandlungssituation, sondern um das Gebot eines Mindestmaßes an Fairness im Vorfeld von Vertragsverhandlungen. Eine Verhandlungssituation ist dann als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Dies kann durch die Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen, die erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken, geschehen. Denkbar ist auch das Ausnutzen einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse. Die Nutzung eines Überraschungsmoments kann ebenfalls die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigen. Letztlich ist die konkrete Situation im jeweiligen Einzelfall am Maßstab des § 241 Abs. 2 BGB zu bewerten und von einer bloßen Vertragsreue abzugrenzen (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688; LAG Hamm, Urteil vom 17.05.2021 – 18 Sa 1124/20, NZA-RR 2021, 531; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.05.2021 – 7 Sa 377/20, BeckRS 2021, 30024; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26.06.2019 – 5 Sa 173/19, NZA-RR 2020, 520). Entgegen der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 24.02.2022 – 6 AZR 333/21, FD-ArbR 2022, 446802; BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688) und des Landesarbeitsgerichts Hamm (LAG Hamm, Urteil vom 17.05.2021 – 18 Sa 1124/20, NZA-RR 2021, 531) ist die erkennende Kammer allerdings zu der Auffassung gelangt, dass der Arbeitgeber in besonderen Fallkonstellationen gehalten sein kann, dem Arbeitnehmer nach der Unterbreitung eines Aufhebungsvertrages eine Bedenkzeit einzuräumen, um nicht gegen das Gebot des fairen Verhandelns zu verstoßen. Mit der Einräumung einer Bedenkzeit korreliert auch eine entsprechende Hinweispflicht des Arbeitgebers. Diese Schlussfolgerung ergibt sich aus der engen Verknüpfung der aus der Aufnahme von Vertragsverhandlungen resultierenden Nebenpflicht (§§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB) mit den fortwirkenden Rücksichtnahmepflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis (241 Abs. 2 BGB). Diese sind denklogisch miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig. Da die fortwirkenden Rücksichtnahmepflichten auf die nach §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB bestehenden Pflichten bei der Verhandlung eines Aufhebungsvertrages ausstrahlen, erfolgt letztlich durch diese eine inhaltliche Konkretisierung der bestehenden Pflichten bei der Verhandlung eines Aufhebungsvertrages. Die im Arbeitsverhältnis gemäß § 241 Abs. 2 BGB existierenden Rücksichtnahmepflichten werden wiederum vor allem durch die Sozialdaten des Arbeitnehmers und im Hinblick auf eine im Arbeitsverhältnis fortwährend bestehende Wechselwirkung der jeweiligen Pflichten durch das „vorvertragliche“ Verhalten des Arbeitnehmers selbst geprägt. Durch diese Wirkungskette kann somit gewährleistet werden, dass eine einzelfallbezogene Konkretisierung der Pflichten des Arbeitgebers bei der Verhandlung von Aufhebungsverträgen erfolgt. Neben den vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Kriterien ist nach Ansicht der Kammer somit insbesondere auch zu berücksichtigen, ob die Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag durch ein vermeintliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers ausgelöst worden sind und ob ein solches Verhalten zumindest ansatzweise eine Kündigung hätte rechtfertigen können. Weiterhin ist die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers, die Dauer eines störungsfreien Verlaufs des Arbeitsverhältnisses sowie die psychische und körperliche Konstitution des Arbeitnehmers zu beachten. Bei Beachtung dieser Kriterien kann es nach Ansicht der Kammer dem Arbeitgeber in Ausnahmefällen zugemutet werden, den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass man ihm bezüglich des Abschlusses des Aufhebungsvertrages eine gewisse Bedenkzeit einräume, um nicht gegen das Gebot des fairen Verhandelns zu verstoßen. |
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| c) Unter Anwendung der vorbezeichneten Grundsätze erweist sich das streitgegenständliche Zustandekommen des Aufhebungsvertrages vom 18.02.2022 als Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass man den Kläger darauf hingewiesen habe, dass es sich vorliegend um einen Aufhebungsvertrag handele und dem Kläger den Inhalt erläutert habe. Die Kammer ist der Auffassung, dass die Beklagte vorliegend die psychische Schwäche des Klägers ausgenutzt hat, um zum Abschluss des Aufhebungsvertrages zu gelangen. Dabei ist es auch nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger intellektuell in der Lage gewesen ist, den Sinn der streitgegenständlichen Aufhebungsvereinbarung zu erfassen. Die den Abschluss des Aufhebungsvertrags begleitenden Umstände, die Sozialdaten des Klägers und seine psychische Konstitution führen vielmehr dazu, dass die Beklagte in der vorliegenden Konstellation den Kläger zumindest hätte darauf hinweisen müssen, dass er berechtigt ist, den Abschluss des Aufhebungsvertrages außerhalb der Räumlichkeiten der Beklagten für eine gewisse Zeit nochmals zu überdenken. Dies hätte dem Kläger auch die Möglichkeit eröffnet, ihm nahestehende Außenstehende bezüglich des Entwurfs und seiner Unterzeichnung um Hilfe zu bitten. Dabei hat die Kammer zuvorderst die psychische Konstitution des Klägers berücksichtigt. Zwischen den Parteien des Rechtsstreits ist unstreitig, dass der Kläger lediglich die Sonderschule besucht hat, eine Ausbildung nicht abschließen konnte und einen weit unterdurchschnittlichen Intelligenzquotienten aufweist. Die Beklagte bestreitet lediglich die Behauptung des Klägers, dass dieser nicht in der Lage gewesen sei, den Sinn der Aufhebungsvereinbarung zu erfassen. Auch das Gericht geht dabei unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung nach seiner freien Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO davon aus, dass der Kläger einen unterdurchschnittlichen Intelligenzquotienten aufweist und mit einem durchschnittlichen Arbeitnehmer nicht verglichen werden kann. Dem Kläger war es ohne die Hilfe seines Prozessbevollmächtigten nicht möglich, einfachste Fragen des Vorsitzenden zu beantworten. Die Fähigkeit des Klägers, mit dem Gericht, der gegnerischen Partei oder seinem eigenen Prozessbevollmächtigten zu kommunizieren, war sehr stark eingeschränkt. Eine Beweisaufnahme durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens musste vorliegend nicht erfolgen, da diese Tatsache zwischen den Parteien des Rechtsstreits nicht streitig ist und es dem Tatrichter gemäß § 286 ZPO grundsätzlich auch gestattet ist, allein aufgrund des Vortrags der Parteien und ohne Beweiserhebung festzustellen, was für wahr und was für nicht wahr zu erachten ist. Er kann dabei im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses den Behauptungen und Angaben einer Partei unter Umständen auch dann glauben, wenn diese ihre Richtigkeit sonst nicht beweisen kann (BGH, Beschluss vom 27.09.2017 – XII ZR 48/17, NJW-RR 2018, 249; BGH, Urteil vom 06.10.1981 – X ZR 57/80, NJW 1982, 940; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.06.2021 – 3 Sa 28/21, BeckRS 2021, 48519). Des Weiteren hat die Kammer aber auch die Begleitumstände des Zustandekommens des streitgegenständlichen Aufhebungsvertrags beachtet. In besonderem Maße wirkt sich dabei für die Beklagte negativ aus, dass dem Kläger zusammen mit dem bereits unterschriebenen Aufhebungsvertrag eine Abmahnung übergeben wurde, deren Empfang der Kläger durch seine Unterschrift bestätigte. Dabei betrifft die Abmahnung, welche auf den 15.02.2022 datiert ist, einen Vorfall vom 21.01.2022 und einen Vorfall vom 28.02.2022. In beiden Fällen soll der Kläger nicht zur Arbeit erschienen sein. Dabei hat die Beklagte durch die Abmahnung der Vorfälle im Januar signalisiert, dass sie diese nicht mehr für kündigungsrechtlich relevant hält. Die Kammer kann somit nicht nachvollziehen, warum sie dem Kläger gemeinsam mit der Abmahnung den Aufhebungsvertrag, welcher die Kündigungsfrist des Klägers zudem noch um vier Monate verkürzt, ausgehändigt hat. Hätte die Beklagte die Vorfälle für kündigungsrechtlich relevant gehalten, wäre das Angebot eines Aufhebungsvertrages, ohne die Aushändigung einer Abmahnung, oder der Ausspruch einer Kündigung die logische Folge gewesen. Das gewählte Verhalten deutet auf ein bewusstes Ausnutzen der fehlenden intellektuellen Fähigkeiten des Klägers hin. Es ist für die Kammer nicht fernliegend, dass die Beklagte hierdurch den Abschluss des Aufhebungsvertrags erreichen wollte. Dabei kann dahinstehen, ob die Schwelle des § 123 Abs. 1 BGB vorliegend durch das Verhalten der Beklagten bereits überschritten worden ist, da die Beklagte zumindest gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen hat. Schließlich hat die Kammer abschließend auch berücksichtigt, dass der Kläger bereits seit dem 26.08.1985 bei der Beklagten bzw. bei ihren Rechtsvorgängern beschäftigt ist und somit zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrages eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von 36,5 Jahren aufweisen konnte. Abgesehen von den Vorfällen im Januar 2021 sind auch keine weiteren Belastungen des Arbeitsverhältnisses bekannt. Es ist somit davon auszugehen, dass dieses über einen langen Zeitraum störungsfrei verlief. Unter Berücksichtigung aller vorherigen Gesichtspunkte hätte die Beklagte den Kläger auf eine gewisse Bedenkzeit hinweisen müssen, um das Gebot des fairen Verhandelns zu wahren. Durch das Unterlassen drängt sich für die Kammer die Vermutung auf, dass die Beklagte die intellektuelle Schwäche des Klägers bewusst ausnutzte, um den Abschluss des Aufhebungsvertrages zu erreichen. Dies führt vorliegend zu einer schuldhaften Verletzung des Gebots des fairen Verhandelns. Das (schuldhafte) Verhalten des Prokuristen Herrn L. muss sich die Beklagte dabei gemäß § 278 Satz 1 BGB zurechnen lassen, da § 278 BGB auch bei Pflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB Anwendung findet (BGH, Urteil vom 03.07.1985 – VIII ZR 102/84, NJW 1985, 2258). |
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| 2. Der Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns führt vorliegend zu einer Rechtsunwirksamkeit des Aufhebungsvertrages und damit zu einer Fortsetzung des ursprünglichen Arbeitsvertrages zu unveränderten Bedingungen. Die Kammer schließt sich diesbezüglich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688) an. Hat der Arbeitgeber bei den Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages das Gebot des fairen Verhandelns schuldhaft verletzt, bewirkt dies keinen Anspruch des Arbeitnehmers auf Neuabschluss des Arbeitsvertrages zu den bisherigen Konditionen. Vielmehr führt der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen einer Missachtung des Gebots des fairen Verhandelns unmittelbar zu einem Entfall der Rechtswirkungen des Aufhebungsvertrages und damit zu einer Fortsetzung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen. Zur Beseitigung des Aufhebungsvertrages im Wege des Schadensersatzes bedarf es keines Neuabschlusses des Arbeitsvertrags (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26.06.2019 – 5 Sa 173/19, NZA-RR 2020, 520). |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Als vollständig unterliegende Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Im Rahmen des nach § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzenden Streitwerts wurde für die Bestandsstreitigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO ein Vierteljahresgehalt (3 x 1.730,64 EUR) in Ansatz gebracht. Eine Bestandsschutzstreitigkeit im Sinne des § 42 Abs. 2 Satz GKG liegt insbesondere bei Streit über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages vor (Müller in Boecken/Düwell/Diller/Hanau, GKG, 1. Auflage 2016, § 42 Rn. 54). Die gesonderte Zulassung der Berufung folgt aus § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG. Die Rechtssache hat grundsätzlich Bedeutung, da es sich um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage handelt. Die Kammer ist mit ihrer Entscheidung von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 24.02.2022 – 6 AZR 333/21, FD-ArbR 2022, 446802; BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 75/18, NZA 2019, 688) bezüglich des Gebots des fairen Verhandelns dahingehend abgewichen, dass sie es für notwendig ansieht, in Ausnahmefällen eine gewisse Bedenkzeit, verbunden mit einem Hinweis darauf, einzuräumen. |
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