Urteil vom Bundessozialgericht (5. Senat) - B 5 R 36/12 R

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens auch in der Revisionsinstanz. Sie trägt außerdem die Kosten der Beigeladenen zu 1. im ersten und dritten Rechtszug. Im Übrigen tragen die Beigeladenen ihre Kosten selbst.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 3743,97 Euro festgesetzt.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin Rente aus übertragenem Recht iHv 3743,97 Euro für die Zeit vom 1.6. bis 27.8.2006 zahlen muss.

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Der 1950 geborene und 2011 verstorbene H.-P. N. (Versicherter) war bei der Klägerin beschäftigt und bei der Beigeladenen zu 1. krankenversichert. Die Beigeladenen zu 2. bis 4. sind die Rechtsnachfolger des Versicherten. Für sein Beschäftigungsverhältnis mit der Klägerin galt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD).

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Die Beigeladene zu 1. gewährte dem Versicherten ab dem 9.1.2006 Krankengeld, und zwar ab dem 1.6.2006 iHv 78,74 Euro kalendertäglich. Gleichzeitig zahlte ihm die Klägerin bis zum 27.8.2006 einen tariflichen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen Krankengeld und früherem Nettoarbeitsentgelt, und zwar im Juni und Juli 2006 iHv jeweils 478,09 Euro und im Folgemonat bis zum 27.8.2006 iHv 341,81 Euro (jeweils inkl. 40,00 Euro vermögenswirksamer Leistungen). Darüber hinaus gewährte sie ihm im Juli 2006 eine tarifliche Einmalleistung von 150,00 Euro sowie im November 2006 eine anteilige tarifliche Sonderzahlung von 2295,98 Euro für den Zeitraum von Juni bis August 2006, insgesamt also 3743,97 Euro (= 2 x 478,09 Euro + 341,81 Euro + 150 Euro + 2295,98 Euro).

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Die Beklagte bewilligte dem Versicherten nachträglich ab dem 1.6.2006 befristet Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum 31.12.2008 und setzte den Wert dieses Rechts auf monatlich 1250,68 Euro fest (Bescheid vom 16.3.2007). Die Beigeladene zu 1. meldete daraufhin für die Zeit vom 1.6. bis 31.8.2006 einen Erstattungsanspruch iHv 3752,04 Euro an (Schreiben vom 26.3. und 7.6.2007). Am 4.4.2007 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten für den Zeitraum vom 1.6. bis 27.8.2006 unter Berufung auf § 22 Abs 4 S 4 TVöD einen Zahlungsanspruch aus übertragenem Recht in Höhe der Klageforderung geltend (Schreiben vom 29.3.2007).

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Für die Zeit vom 1.6. bis 31.8.2006 errechnete die Beklagte einen Nachzahlungsanspruch von 3752,04 Euro (= 1250,68 Euro x 3 Monate), den sie vorläufig einbehielt (Bescheide vom 3.4. und 9.5.2007) und später an die Beigeladene zu 1. komplett auskehrte. Der Klägerin teilte sie mit, die Höhe ihres Erstattungsanspruchs betrage 0,00 Euro (Schreiben vom 10.5.2007), weil der Erstattungsanspruch der Beigeladenen zu 1. vorrangig zu erfüllen gewesen sei. Bei Übertragungen nach § 53 SGB I werde gegenüber dem neuen Gläubiger kein Bescheid erteilt.

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Das SG hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin 3743,97 Euro zu zahlen (Urteil vom 16.11.2010). Das LSG hat dieses Urteil aufgehoben, die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 8.5.2012): Die Klage sei "im Wesentlichen" unzulässig. Die allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) sei für den überwiegenden Teil der Klageforderung unstatthaft. Denn die Beklagte habe nicht durch Verwaltungsakt festgestellt, dass die Abtretung die Voraussetzungen des § 53 Abs 2 Nr 1 oder 2 SGB I erfülle. Lehne es der zuständige Leistungsträger ausdrücklich ab, den erforderlichen Verwaltungsakt zu erlassen, sei allein die Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) richtige Klageart. Hinsichtlich des die Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen übersteigenden Maximalbetrages von 465,20 Euro sei die allgemeine Leistungsklage zwar statthaft, aber unbegründet. Es könne dahinstehen, ob dieser Anspruchsübergang nach § 22 Abs 4 S 4 TVöD über § 53 Abs 3 SGB I wegen der Konkurrenz zum Erstattungsanspruch der Beigeladenen zu 1. erst gar nicht stattgefunden habe, weil die Beklagte einem solchen Anspruch wegen § 107 SGB X jedenfalls über § 404 BGB die Einwendung der Erfüllung (entsprechend § 362 BGB) entgegenhalten könne. Ob das Prioritätsprinzip im Sozialrecht uneingeschränkt gelte, brauche nicht entschieden zu werden, weil der Anspruchsübergang auf die Klägerin und die Entstehung des Erstattungsanspruchs der Beigeladenen zu 1. nach § 103 SGB X zeitgleich mit Bekanntgabe des Rentenbescheides der Beklagten vom 16.3.2007 stattgefunden hätten. Die Verpflichtung der Beigeladenen zu 1. zur Leistung von Krankengeld an den Versicherten sei nachträglich zum Beginn der bewilligten Rente entfallen. Nach der tarifvertraglichen Regelung habe sich auch der Anspruchsübergang zugunsten der Klägerin erst zu diesem Zeitpunkt realisiert. Bei einem zeitgleichen Entstehen dieser Erstattungsansprüche ergebe sich ein systemimmanenter Vorrang zugunsten dieses gesetzlichen Erstattungsanspruchs der Beigeladenen zu 1. Die Rechtsprechung des BSG zur Konkurrenz von Abtretungen/Pfändungen zum Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X sowie die Einführung von § 122a BSHG (bzw § 113 SGB XII) sprächen dafür. Auch durch die Einführung von § 53 Abs 5 SGB I habe der Gesetzgeber Aufrechnungen und Verrechnungen von Leistungsträgern generell Vorrang vor einer Abtretung gegeben. Jedenfalls sei der (teilweise) Übergang des Rentenanspruchs auf die Klägerin von vornherein mit der Einwendung (§ 404 BGB) der Erfüllung (§ 362 BGB) behaftet, und der etwa übergegangene Anspruch damit kraft gesetzlicher Fiktion mit dem gleichzeitigen Entstehen des Erstattungsanspruchs der Beigeladenen zu 1. (nach einer "juristischen Sekunde" des Bestehens) sofort untergegangen. Denn die erfolgten Krankengeldzahlungen seien aufgrund von § 107 Abs 1 SGB X iH des bestehenden Erstattungsanspruchs als Rentenleistungen der Beklagten anzusehen. Damit sei ein etwaiger Anspruch der Klägerin jedenfalls vollständig erfüllt. Ein gutgläubiger einwendungsfreier Erwerb von Rechten durch die Klägerin scheide mangels Rechtsscheintatbestands, an den der gute Glauben anknüpfen könnte, aus.

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Dagegen hat die Klägerin Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 54 Abs 5 SGG; § 53 Abs 2 Nr 1 und Abs 3 SGB I; § 103 Abs 2, § 107 SGB X): Die Leistungsklage sei zulässig. Der Erlass eines Verwaltungsakts und die Durchführung eines Vorverfahrens seien entbehrlich gewesen, weil § 53 Abs 2 Nr 1 SGB I - anders als dessen Nr 2 - keinen Verwaltungsakt erfordere. Der Krankengeldzuschuss sei als zinsloses Darlehen im Vorgriff auf fällige Sozialleistungen zu einer angemessenen Lebensführung des Versicherten gewährt worden. Die Klage sei auch begründet. Denn aus dem anwendbaren Prioritätsprinzip ergebe sich ein vorrangiger Forderungsübergang auf die Klägerin, was aus den unterschiedlichen Entstehungszeitpunkten des Erstattungsanspruchs nach § 103 SGB X und dem Anspruch der Klägerin aus dem Arbeitsrecht iVm den tarifvertraglichen Regelungen resultiere. Der Erstattungsanspruch der Beigeladenen zu 1. sei erst mit dem Entfallen ihrer Leistungspflicht nach dem SGB V und der Rentengewährung durch die Beklagte - mithin am 16.3.2007 - entstanden. Die Vorausabtretung zugunsten der Klägerin sei jedoch bereits mit Abschluss des Arbeitsvertrages und Geltung der tarifvertraglichen Regelungen, mithin im Jahr 1968, erfolgt. Vollendet worden sei dieser Rechtserwerb mit der Entstehung des Rentenanspruchs des Versicherten nach § 99 SGB VI, folglich spätestens zum 1.6.2006. Dieser erworbene Anspruch gehe dem zeitlich späteren Erstattungsanspruch der Beigeladenen zu 1. vor, da es keinen systemimmanenten Vorrang dieses gesetzlichen Erstattungsanspruchs vor dem vertraglichen gebe. Es sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber es bewusst unterlassen habe, eine entsprechende Prioritätenregelung, vergleichbar § 113 SGB XII, zu treffen. Eine unbewusste Regelungslücke, die eine Analogie zulasse, bestehe daher nicht.

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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Mai 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16. November 2010 zurückzuweisen.

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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie sei verpflichtet gewesen, den Erstattungsanspruch der Beigeladenen zu 1. vorrangig zu erfüllen, weshalb der Abtretungsanspruch, den die Klägerin geltend mache, ins Leere gehe. Zwar bestünden keine Zweifel daran, dass hinsichtlich der von der Klägerin an den Versicherten geleisteten Überzahlungen aus Tarifvertrag ein Forderungsübergang nach § 53 Abs 2 Nr 1 SGB I bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages zwischen der Klägerin und dem Versicherten vorgelegen habe, jedoch finde bei einer Konkurrenz von Erstattungsansprüchen nach § 103 SGB X zu Leistungsansprüchen aufgrund einer Verfügung nach § 53 SGB I das Prioritätsprinzip keine Anwendung. Die Rechtsprechung des BSG, die auf das Prioritätsprinzip abstelle, bezöge sich nicht auf Erstattungsansprüche nach § 103 SGB X für die Vergangenheit, sondern auf laufende Geldleistungen. Durch den Hinzutritt der Rente des Versicherten sei dessen Anspruch auf Krankengeld gegenüber der Beigeladenen gemäß § 50 SGB V rückwirkend entfallen und der Erstattungsanspruch der Beigeladenen zu 1. entstanden. § 103 SGB X entlaste damit den Leistungsträger, der aufgrund der für ihn geltenden Vorschriften verpflichtet gewesen sei, Leistungen zu erbringen, auf die ein Anspruch bei rechtzeitiger Erbringung der Leistung durch den anderen Leistungsträger nicht bestanden hätte. Diese Konsequenz ergebe sich aus dem gegliederten System der sozialen Sicherung, wonach die Leistungen mehrerer Leistungsträger vielfach ihrer Art nach demselben Ziel dienten und daher entweder die eine auf die andere angerechnet würde oder bei Hinzutreten einer anderen Leistung entfalle. Entsprechend gelte der Anspruch aller Berechtigten gegen den endgültig verpflichteten Träger mit der Berechtigung zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nach § 103 SGB X gemäß § 107 SGB X als erfüllt, dessen Sinn es zudem sei, den erstattungspflichtigen Träger vor Mehrbelastungen zu schützen. Im Rahmen des § 107 SGB X sei nicht zwischen Alt- und Neugläubigern zu unterscheiden. Diese Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X gelte vielmehr auch gegenüber Dritten, die aufgrund der Regelungen der §§ 48, 51 bis 54 SGB I die Sozialleistung des Berechtigten in Anspruch nehmen könnten. Dadurch werde verhindert, dass der Leistungsberechtigte über seinen gegenüber dem letztlich verpflichteten Leistungsträger bestehenden Anspruch im Rahmen der Abtretung zum Nachteil des Vorleistenden anderweitig verfügen könne oder der Anspruch gemäß § 54 SGB I gepfändet werde. Da Krankengeldbescheide nach späterer Gewährung einer Rente nicht rückwirkend aufgehoben werden könnten, ginge die Krankenkasse andernfalls leer aus. Die vorrangige Erstattungspflicht gegenüber einem vorleistenden Sozialleistungsträger entspreche schließlich auch der sich aus § 86 SGB X ergebenden Verpflichtung zur engen Zusammenarbeit der Leistungsträger.

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Die Beigeladene zu 1., die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Die Beigeladenen zu 2. bis 4. waren im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

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Das LSG hat im Ergebnis zu Recht die allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) - soweit Beträge unterhalb der Pfändungsgrenze für Arbeitseinkommen (§ 850c ZPO) betroffen sind (§ 53 Abs 3 SGB I) - als unzulässig (A.) und im Übrigen als unbegründet (B.) abgewiesen.

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A. Der statthaften allgemeinen Leistungsklage (I.) fehlt das Rechtschutzbedürfnis (II.), soweit die Klägerin mit ihr die Auszahlung der unpfändbaren (Rentenzahl-)Beträge begehrt, die für Arbeitseinkommen gelten (§ 850c ZPO iVm § 53 Abs 3 SGB I).

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I. Auch insofern hätte die Klägerin - entgegen der Auffassung des LSG - den geltend gemachten Zahlungsanspruch aus übertragenem Recht im Wege der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) als statthafter Klageart verfolgen können. Denn mit ihr kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) nicht zu ergehen hatte. Nachdem die Beklagte das Recht auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs 2 SGB VI) und den (Höchst-)Wert dieses Rechts im Rentenbescheid vom 16.3.2007 gegenüber dem Versicherten bindend (§ 77 SGG) festgestellt hatte, waren die daraus resultierenden - hier nach Grund und Höhe unstreitigen - Rentenauszahlungsansprüche jedenfalls gegenüber der klagenden Zessionarin nicht durch feststellenden Verwaltungsakt (erneut) zu regeln (BSG Urteile vom 22.2.1990 - 4 RA 19/89 - Die Leistungen 1992, 306 ff, vom 12.7.1990 - 4 RA 47/88 - BSGE 67, 143, 145 = SozR 3-1200 § 52 Nr 1 S 4, vom 23.10.2003 - B 4 RA 25/03 R - SozR 4-1200 § 53 Nr 1 RdNr 24 und vom 15.6.2010 - B 2 U 26/09 R - SozR 4-1200 § 53 Nr 3 RdNr 16). Ein entsprechender Verwaltungsakt ist auch nicht ergangen. Die Forderungsübertragung verändert im Sozialrecht nur die Rechtszuständigkeit über die Forderung, ohne dass der Zessionar in die Rechtsstellung des Zedenten aus dem Sozialrechtsverhältnis eintritt, wie der erkennende Senat (Urteil vom 30.1.2002 - B 5 RJ 26/01 R - SozR 3-1300 § 50 Nr 25 S 87) im Anschluss an den 13. Senat (Urteil vom 6.2.1991 - 13/5 RJ 18/89 - BSGE 68, 144, 147 = SozR 3-1200 § 53 Nr 1 S 4) bereits entschieden hat. Der Dritte erhält damit "nur das begrenzte, ihm übertragene Recht aus dem Gesamtkomplex der Rechtsbeziehungen, ohne dass sich dessen Inhalt verändert" (BSG, aaO).

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II. Soweit es um Beträge unterhalb der Pfändungsgrenze für Arbeitseinkommen (§ 850c ZPO iVm § 53 Abs 3 SGB I) geht, fehlt der statthaften allgemeinen Leistungsklage allerdings das Rechtschutzbedürfnis, weil die zeitlich vorgängige und rechtlich vorrangige Feststellung des wohlverstandenen Interesses (§ 53 Abs 2 Nr 2 SGB I) nicht getroffen worden ist.

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1. Eine Anwendung des § 53 Abs 2 Nr 1 SGB I scheidet vorliegend bereits deshalb aus, weil nach dem Wortlaut dieser Norm die betroffenen Ansprüche schon bei der Abtretung fällig gewesen sein müssen (BSG Urteil vom 7.9.1988 - 10 RKg 18/87 - SozR 1200 § 53 Nr 8 S 28; einschränkend: BSG Urteil vom 24.10.2013 - B 13 R 31/12 R). Der Vortrag der Klägerin lässt dies nicht wenigstens als möglich erscheinen. Es bedarf daher insbesondere keiner Entscheidung, ob es sich bei den in Frage stehenden Leistungen der Klägerin jeweils um "Darlehen" oder "Aufwendungen" im Vorgriff auf derartige Sozialleistungen gehandelt hat. Ebenso bedarf es hier keiner erneuten Entscheidung, ob es trotz fehlender Textgrundlage auch im Rahmen der Nr 1 einer Feststellung des wohlverstandenen Interesses entsprechend der Nr 2 bedarf (zur bisher ablehnenden Rechtsprechung vgl etwa BSG Urteil vom 14.8.1984 - 10 RKg 19/83 - SozR 1200 § 53 Nr 2).

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2. Jedoch hätte es nach der allein verbleibenden Nr 2 aaO, die ebenfalls tarifrechtlich nicht abdingbar ist (vgl BAG Urteil vom 25.2.1993 - 6 AZR 334/91 - BAGE 72, 290 = NZA 1994, 705, 706), als Wirksamkeitsvoraussetzung der Übertragung notwendig einer gesonderten Feststellung des wohlverstandenen Interesses des Berechtigten durch gestaltenden Verwaltungsakt der Beklagten gegenüber dem Versicherten/seinen Rechtsnachfolgern bzw gegenüber der Klägerin bedurft. Ohne eine derartige Regelung, die insbesondere dem Schutz des Sozialleistungsberechtigten dient (s bereits BSG Urteil vom 25.5.1972 - 5 RKn 24/71 - SozR Nr 5 zu § 119 RVO), ist die Abtretung schwebend unwirksam (BSG Urteil vom 6.4.2000 - B 11 AL 47/99 R - SozR 3-1200 § 53 Nr 9 S 60). Sie kann auch rückwirkend nicht mehr erstritten werden, wenn die Leistung in vollem Umfang bereits an den Berechtigten selbst erbracht worden ist (BSG SozR 3-1200 § 53 Nr 9 S 60) oder - wie hier - schon wegen der schwebenden Unwirksamkeit nicht ersichtlich ist, auf welcher Grundlage die Beklagte die Erfüllung des Erstattungsanspruchs der Beigeladenen zu 1. - mit mittelbarer Erfüllungswirkung gegenüber dem Versicherten/seinen Rechtsnachfolgern (§ 107 Abs 1 SGB X) - auch nur teilweise hätte verweigern können. Fehlt aber die zeitlich vorgängige und rechtlich vorrangige Feststellung des wohlverstandenen Interesses, kommt in Ermangelung des erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses die allgemeine Leistungsklage nicht in Betracht (vgl BSG Urteil vom 8.12.1993 - 10 RKg 1/92 - SozR 3-1200 § 53 Nr 6 S 34). Hiervon könnte schon wegen der drittschützenden Wirkung des Feststellungserfordernisses auch dann nicht etwa zugunsten der Klägerin abgesehen werden, wenn die Beklagte den Erlass eines Verwaltungsakts auch insofern verweigert haben sollte. Dagegen spricht nicht der Gedanke der Prozessökonomie, weil die Notwendigkeit, einen Verwaltungsakt zu erlassen, nicht mit allgemeinen Erwägungen eliminiert werden kann, zumal der Wegfall des Vorverfahrens mit direkter Klagemöglichkeit die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zusätzlich belasten könnte (vgl dazu Stober, JuS 1982, 740, 745).

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B. Die Klage ist unbegründet, soweit Beträge oberhalb der Pfändungsgrenze für Arbeitseinkommen (§ 850c ZPO iVm § 53 Abs 3 SGB I) betroffen sind. Denn insofern ist der Rentenzahlanspruch des Versicherten nicht auf die Klägerin übergegangen. Es liegt weder ein wirksamer gesetzlicher Forderungsübergang noch eine wirksame rechtsgeschäftliche Übertragung (§ 53 Abs 1 SGB I iVm § 398 BGB: "Abtretung") vor.

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I. Als Rechtsgrundlage für den derivativen Rechtserwerb kommt allein § 22 Abs 4 S 2 und 4 TVöD in Betracht, der nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) für das Beschäftigungsverhältnis mit dem Versicherten galt und Bundesrecht (§ 162 SGG) zum Inhalt hat. Eine eigenständige individualvertragliche Grundlage ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Da sich der TVöD evident über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus (vgl § 1 TVöD) auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt (vgl BSG Urteil vom 9.2.2006 - B 7a/7 AL 48/04 R - Juris RdNr 20), waren nähere Darlegungen zur Revisibilität der herangezogenen Tarifnorm entbehrlich (BSG Urteil vom 15.11.1984 - 7 RAr 109/83 - Juris RdNr 18). Sie lautet:

        

(4) (…) 2Krankengeldzuschuss wird zudem nicht über den Zeitpunkt hinaus gezahlt, von dem an Beschäftigte eine Rente oder eine vergleichbare Leistung auf Grund eigener Versicherung aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung oder aus einer sonstigen Versorgungseinrichtung erhalten, die nicht allein aus Mitteln der Beschäftigten finanziert ist. (…) 4Überzahlter Krankengeldzuschuss und sonstige Überzahlungen gelten als Vorschuss auf die in demselben Zeitraum zustehenden Leistungen nach Satz 2; die Ansprüche der Beschäftigten gehen insoweit auf den Arbeitgeber über. (…)

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Der Krankengeldzuschuss war im streitbefangenen Zeitraum vom 1.6. bis 27.8.2006 "überzahlt", weil er nach Satz 2 nicht über den 1.6.2006 hinaus gezahlt werden durfte. Dieser Tag war der "Zeitpunkt …, von dem an [der] Beschäftigte eine Rente … aus der gesetzlichen Rentenversicherung" iS von Satz 2 erhielt. Denn mit Rentenbescheid vom 16.3.2007 hat die Beklagte den Beginn der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf den 1.6.2006 festgesetzt. Unbedeutend ist dabei, welches Datum der Rentenbescheid trägt, wann er dem Beschäftigten zugegangen ist und ob ihm die Rente tatsächlich ausgezahlt worden ist (BAG Urteile vom 29.6.2000 - 6 AZR 50/99 - AP Nr 11 zu § 37 BAT, vom 30.9.1999 - 6 AZR 130/98 - AP Nr 1 zu § 71 BAT und vom 25.2.1993 - 6 AZR 334/91 - BAGE 72, 290, 293 = AP Nr 10 zu § 37 BAT). Den überzahlten Krankengeldzuschuss fingiert Satz 4 Halbs 1 als "Vorschuss" auf die Erwerbsminderungsrente. Dies hat zur Folge, dass der Krankengeldzuschuss seine Eigenschaft als Arbeitsentgelt verliert und der Beschäftigte als Rentenempfänger - wie die Auslegung des Tarifvertrags ergibt - zur Rückzahlung des überzahlten Vorschusses verpflichtet ist, wenn die tariflichen Voraussetzungen der Vorschussfiktion vorliegen (BAG Urteile vom 29.6.2000 - 6 AZR 50/99 - AP Nr 11 zu § 37 BAT, vom 30.9.1999 - 6 AZR 130/98 - AP Nr 1 zu § 71 BAT und vom 25.2.1993 - 6 AZR 334/91 - BAGE 72, 290, 293 = AP Nr 10 zu § 37 BAT). Gleichzeitig ordnet Satz 4 Halbs 2 an, dass die Ansprüche der Beschäftigten auf die Leistungen nach Satz 2, die ihnen in demselben Zeitraum zustehen, insoweit auf den Arbeitgeber übergehen. Diese Formulierung kann im Rahmen eines normwirkenden (§ 4 Abs 1 S 1 TVG) Tarifvertrages, der in seinem normativen Teil (§ 1 Abs 1 Halbs 2 TVG) Gesetz im materiellen Sinne ist (BVerfG Beschlüsse vom 24.5.1977 - 2 BvL 11/74 - BVerfGE 44, 322, 341 und vom 15.7.1980 - 1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79 - BVerfGE 55, 7, 21), nur als Regelung des gesetzlichen Übergangs einer sozialrechtlichen Geldforderung auf Rente (aus der gesetzlichen Rentenversicherung) verstanden werden.

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II. Die Tarifvertragsparteien sind jedoch nicht befugt, in Tarifverträgen mit Wirkung für die Tarifunterworfenen wirksam über unbestimmte (1.) Ansprüche auf Sozialleistungen in Geld, deren Verkehrsfähigkeit § 53 SGB I abschließend und unabdingbar öffentlich-rechtlich regelt (2.), zu verfügen (3.) und damit das Gesamtgefüge der öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüche (§§ 102 ff SGB X) zu umgehen (4.). Nichts anderes gölte, wenn Klägerin und Versicherter den TVöD "nur" durch eine individualrechtliche Bezugnahmeklausel mit schuldrechtlicher Wirkung in das Arbeitsverhältnis inkorporiert hätten (5.). Schließlich steht auch die bisherige Rechtsprechung des BAG diesem Ergebnis nicht entgegen (6.).

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1. Es fehlt bereits an jeder Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit derjenigen Ansprüche, die vorliegend übertragen worden sein könnten. Bestimmtheit und Bestimmbarkeit betreffen die Person des Schuldners, Gegenstand und Umfang der Forderung sowie - bei Verwechslungsgefahr - auch ihren Rechtsgrund (Roth in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl 2012, § 398 RdNr 67). Werden erst künftig entstehende Forderungen im Voraus übertragen, ist besonders bedeutsam, dass Gegenstand und Rechtsgrund der Übertragung bestimmt oder jedenfalls individuell bestimmbar sind (BSG Urteile vom 19.3.1992 - 7 RAr 26/91 - BSGE 70, 186, 191 f = SozR 3-1200 § 53 Nr 4 S 21 f und vom 29.6.1995 - 11 RAr 109/94 - BSGE 76, 184, 187 = SozR 3-1200 § 53 Nr 8 S 49; Roth, aaO, RdNr 79). Dies ist nur dann der Fall, wenn die betreffende Forderung und ihr Rechtsgrund so genau bezeichnet sind, dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Übertragung sein soll. Bereits daran fehlt es. Im Hinblick auf die Vielzahl möglicher Rentenleistungen aus eigener Versicherung, die sich aus den verschiedensten Tatbeständen des SGB VI ergeben können, bleibt bereits der Übertragungsgegenstand ungewiss. Angesichts der vielfältigen Leistungskompetenz des Rentenversicherungsträgers für Rentenleistungen der verschiedensten Art ist es für die Bestimmbarkeit einer übertragenen Forderung völlig unzureichend, den Gegenstand der Übertragung lediglich mit dem Sammelbegriff der "Rente … auf Grund eigener Versicherung aus der gesetzlichen Rentenversicherung" zu kennzeichnen. Sollte damit die Übertragung jedweder in Betracht kommenden Forderung, gleich nach welcher konkreten Rechtsgrundlage, gemeint sein, wäre sie bereits als Pauschalbezeichnung unzulänglich (BSG Urteil vom 12.5.1982 - 7 RAr 20/81 - BSGE 53, 260, 266 = SozR 1200 § 54 Nr 6). Sollte hingegen eine bestimmte Forderung gemeint sein, fehlt es an einer ausreichenden Individualisierung ihres Umfangs, den § 22 Abs 4 S 4 TVöD allenfalls andeutet ("überzahlter Krankengeldzuschuss"), der sich der konkreten Höhe nach aber aus der Tarifnorm weder selbst ergibt noch ergeben kann. Hinzu kommt, dass die Höhe des pfändungsfreien Betrags individuellen Schwankungen unterworfen ist: Wegfallende Unterhaltspflichten senken ihn, während hinzutretende Unterhaltspflichten den pfändungsfreien Betrag erhöhen, so dass sich - abhängig von der Entwicklung etwaiger Unterhaltspflichten - ein höherer oder niedrigerer Betrag ergibt. In dieser Situation kann der Rentenversicherungsträger als Drittschuldner lediglich schlussfolgern, dass Ansprüche auf die gegenwärtig gerade als einzige gewährte Leistung übergegangen sein sollen. Diese Feststellung muss er aber aus anderen Umständen treffen, als sie aus der Tarifnorm selbst ersichtlich sind; für Dritte, insbesondere andere Gläubiger des Schuldners, bliebe sogar völlig unklar, welche Forderungen in welcher Höhe übergegangen sind.

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2. Ungeachtet dessen sind die Tarifvertragsparteien nicht befugt, kraft Tarifvertrags Ansprüche auf Sozialleistungen zu übertragen, die im öffentlichen Recht wurzeln und deren Verkehrsfähigkeit § 53 SGB I abschließend und unabdingbar öffentlich-rechtlich regelt (sog ultra-vires-Akt). Die Normsetzungsbefugnis der Tarifparteien beruht auf § 1 Abs 1, § 4 Abs 1 TVG, also auf einfachem Gesetzesrecht, das die in Art 9 Abs 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Tarifautonomie näher regelt und ausgestaltet. Hierbei ist dem einfachen Gesetzgeber ein weiter Spielraum eröffnet (BVerfG Beschluss vom 19.10.1966 - 1 BvL 24/65 - BVerfGE 20, 312, 317); er tastet den Kernbereich von Art 9 Abs 3 GG erst an, wenn er der Tarifautonomie Schranken setzt, die von der Sache her nicht geboten und deshalb unverhältnismäßig sind (BVerfG Urteile vom 18.11.1954 - 1 BvR 629/52 - BVerfGE 4, 96, 105 und vom 6.5.1964 - 1 BvR 79/62 - BVerfGE 18, 18, 26 f sowie Beschlüsse vom 14.4.1964 - 2 BvR 69/62 - BVerfGE 17, 319, 333 und vom 3.4.2001 - 1 BvL 32/97 -BVerfGE 103, 293; BAG Großer Senat, Beschluss vom 29.11.1967 - GS 1/67 - BAGE 20, 175, 218). Daher müssen alle Rechtsnormen des Tarifvertrags mit höherrangigem Recht vereinbar sein, so dass das überstaatliche und staatliche Recht den Regelungen des Tarifvertrags grundsätzlich vorgeht. Autonomes Recht darf also nicht gegen unmittelbar geltendes Recht der Europäischen Union, Vorschriften der Verfassung (Höfling in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Aufl 2011, Art 9 RdNr 128; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl 2012, Art 9 RdNr 50; Pieroth/Schlink, Grundrechte - Staatsrecht II, 27. Aufl 2011 RdNr 818 ff) oder zwingende allgemeine Gesetze (Parlamentsgesetze, Rechtsverordnungen, Satzungen) verstoßen (ausführlich: BAG Urteil vom 27.5.2004 - 6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8, 15; Loritz, Tarifautonomie und Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers, 1990, S 29; Söllner/Waltermann, Arbeitsrecht, 14. Aufl 2007, RdNr 462 ff; Treber in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 15. Aufl 2013, § 200 RdNr 6). Damit sind gleichzeitig Umfang, Reichweite und Grenzen der tariflichen Normsetzungsbefugnis (Tarifmacht) umschrieben: Die Tarifvertragsparteien sind nicht ermächtigt, durch Tarifvertrag etwas Ungesetzliches zu vereinbaren (BAG Großer Senat, Beschluss vom 29.11.1967 - GS 1/67 - BAGE 20, 175, 218; Scholz in Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 35. Lfg Februar 1999, Art 9 RdNr 270). Denn sie haben zwar ein Normsetzungsrecht, jedoch kein Normsetzungsmonopol (BVerfG Beschlüsse vom 24.4.1996 - 1 BvR 712/86 - BVerfGE 94, 268, 284 und vom 3.4.2001 - 1 BvL 32/97 - BVerfGE 103, 293; BAG Urteil vom 27.5.2004 - 6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8, 15). Zum zwingenden, nicht tarifdispositiven Gesetzesrecht zählen § 53 SGB I und § 1 Abs 1 TVG, die die normative Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien, die aus Art 9 Abs 3 GG folgt, verfassungsgemäß ausgestalten (BAG Urteil vom 25.2.1993 - 6 AZR 334/91 - BAGE 72, 290, 294 = AP Nr 10 zu § 37 BAT; Löwisch/Rieble, TVG, 3. Aufl 2012, § 1 RdNr 135). Art 9 Abs 3 GG gewährleistet das Recht, Vereinigungen (Koalitionen) zu bilden, um die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern. Die aus der Koalitionsfreiheit entspringende Tarifautonomie verfolgt den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, in dem von der staatlichen Rechtsetzung frei gelassenen Raum das Arbeitsleben im Einzelnen durch Tarifverträge sinnvoll zu ordnen (BVerfG Urteil vom 6.5.1964 - 1 BvR 79/62 - BVerfGE 18, 18, 28 und Beschluss vom 24.5.1977 - 2 BvL 11/74 - BVerfGE 44, 322, 340 f; Scholz in Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 35. Lfg Februar 1999, Art 9 RdNr 270). Die mit dem Abschluss normwirkender (§ 4 Abs 1 S 1 TVG) Tarifverträge verbundene "Rechtsetzung durch Private" kraft staatlichen Geltungsbefehls bedarf verfassungsrechtlicher Legitimation, die nur für die Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen erteilt ist (Löwer in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, Bd 1, 6. Aufl 2012, Art 9 RdNr 88). Gesetzlich geregelte Fragen des Sozial- und Steuerrechts gehören indes nicht zu den "Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen" (Löwer, aaO) und damit auch nicht zum Kernbereich von Art 9 Abs 3 GG. Folglich unterliegt der tarifrechtliche Anspruchsübergang den Beschränkungen des § 53 SGB I, wie das BAG bereits zu § 37 Abs 2 Unterabs 5 Buchst b BAT, der Vorgängervorschrift des § 22 Abs 4 S 4 TVöD, entschieden hat (BAG Urteil vom 25.2.1993 - 6 AZR 334/91 - BAGE 72, 290 = AP Nr 10 zu § 37 BAT).

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Als Sozialleistung (§§ 11 S 1, 23 Abs 1 Nr 1 Buchst d SGB I) kann der Anspruch auf Auszahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs 2 SGB VI) nur durch öffentlich-rechtlichen Vertrag iS des § 53 Abs 1 S 1 SGB X und unter den weiteren Voraussetzungen des § 53 SGB I übertragen werden (BSG Urteil vom 27.11.1991 - 4 RA 80/90 - BSGE 70, 37, 39 = SozR 3-1200 § 53 Nr 2 S 9; BSG SozR 4-1200 § 53 Nr 3 RdNr 22). Insofern ist die Verkehrsfähigkeit von Ansprüchen auf Sozialleistungen in Geld öffentlich-rechtlich eingeschränkt. Umgekehrt ermächtigt § 1 Abs 1 Halbs 2 TVG die Tarifvertragsparteien lediglich, Rechtsnormen in Bezug auf "Arbeitsverhältnisse" zu schaffen. "Arbeitsverhältnis" ist die zivilrechtliche Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, insbesondere aufgrund eines Arbeitsvertrages (besonderer Dienstvertrag, §§ 611 ff BGB). Dagegen ist das Sozialrechtsverhältnis zwischen Rentenversicherungsträger und Versichertem ein gesetzliches Schuldverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, das gerade nicht Bestandteil des zivilrechtlichen Arbeitsverhältnisses ist, sondern unabhängig davon existiert und kraft Gesetzes entsteht. Folglich ist das rentenversicherungsrechtliche Sozialrechtsverhältnis der tarifrechtlichen Normsetzungsbefugnis vollständig entzogen, weil sich die Tarifmacht der Tarifvertragsparteien nur auf das privatrechtliche "Arbeitsverhältnis" zwischen den Arbeitsvertragsparteien erstreckt und sozialversicherungsrechtliche Rechtsverhältnisse mit ihren jeweils Beteiligten von vornherein nicht erfasst. Erst recht kann durch einen privatrechtlichen Normenvertrag (Tarifvertrag) kein öffentlich-rechtlicher Vertrag zustande kommen. Denn es hieße die Trennung zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht aufgeben, wenn der zivilrechtliche Normenvertrag das öffentliche Recht unmittelbar gestalten und verändern würde.

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3. Da die "Übertragung" die Rechtszuständigkeit über die Forderung verändert, wirkt sie auf ein Recht ein und ist deshalb - ebenso wie die zivilrechtliche Abtretung nach § 398 BGB - ein Verfügungsgeschäft (vgl dazu BGH Urteile vom 15.3.1951 - IV ZR 9/50 - BGHZ 1, 294, 304, vom 24.10.1979 - VIII ZR 289/78 - BGHZ 75, 221, 226 und vom 4.5.1987 - II ZR 211/86 - BGHZ 101, 24, 26), das von dem schuldrechtlichen Grundgeschäft - hier dem (tarif-)vertraglichen Rückzahlungsanspruch des überzahlten Vorschusses - wegen des Abstraktionsprinzips zu trennen ist (vgl zB BSG Urteil vom 15.6.2010 - B 2 U 26/09 R - SozR 4-1200 § 53 Nr 3 RdNr 22; BGH Urteile vom 22.10.2009 - IX ZR 90/08 - Juris RdNr 10 = NJW-RR 2010, 192, 193 und vom 26.11.1990 - II ZR 92/90 - NJW 1991, 1414). Die Tarifvertragsparteien sind jedoch grundsätzlich nur zur Regelung privatrechtlicher schuldrechtlicher Beziehungen der Arbeitsvertragsparteien durch privatrechtlichen Normenvertrag ermächtigt. Die Zuordnung sozialrechtlicher Ansprüche durch Verfügung ist hiervon nicht erfasst. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass § 22 Abs 4 S 4 Halbs 2 TVöD keine Rechtsnorm ist, "die den Inhalt … von Arbeitsverhältnissen" regelt (§ 1 Abs 1 Halbs 2 TVG). Zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses gehören nur schuldrechtliche Normen (Franzen in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl 2014, § 1 TVG RdNr 42; Löwisch/Rieble, aaO, § 1 TVG RdNr 210; Rieble/Klumpp, Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 3. Aufl 2009, § 171 RdNr 12). Die Tarifvertragsparteien sind daher weder befugt, über Sachen (§ 90 BGB) noch über (wechselseitige) Forderungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern (dinglich) zu verfügen (Löwisch/Rieble, aaO). Folglich kann der Tarifvertrag dem Arbeitnehmer zB kein (Sicherungs-)Eigentum an Betriebsmitteln des Arbeitgebers übertragen, um ihm in der Arbeitgeberinsolvenz ein Absonderungsrecht (§ 50 Abs 1 iVm § 51 Nr 1 InsO) zu verschaffen (Franzen, aaO; Löwisch/Rieble, aaO). Schuldet der Arbeitgeber als Nebenleistung die Übereignung beweglicher Sachen (zB Deputate), kann der Tarifvertrag den (dinglichen) Eigentumsübergang nicht selbst herbeiführen (Löwisch/Rieble, aaO Rieble/Klumpp, aaO). Der Tarifvertrag darf allenfalls die schuldrechtliche Pflicht zur Eigentumsübertragung begründen, dh den Arbeitgeber schuldrechtlich verpflichten, Sicherheit oder Deputate zu gewähren. Keinesfalls dürfen Arbeitnehmer oder Arbeitgeber qua Tarifvertrag unmittelbar enteignet werden. Entsprechendes gilt für die (tarif-)vertragliche Übertragung sozialrechtlicher Geldleistungsansprüche, deren Verkehrsfähigkeit die nicht tarifdispositive und damit zwingende sozialrechtliche Sondervorschrift des § 53 SGB I aus Gründen des sozialen Schutzes zusätzlich einschränkt. Mithin dürfen Tarifverträge ebenfalls nur schuldrechtliche Pflichten zur Übertragung von Forderungen und Anwartschaftsrechten begründen, können diese Pflichten aber nicht selbst - etwa im Wege der cessio legis oder der vorweggenommen (antizipierten) Einigung - vollziehen (Löwisch/Rieble, aaO, § 1 TVG RdNr 211 und 213). Sind die Tarifvertragsparteien damit schon nicht befugt, über wechselseitige Ansprüche von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu verfügen, dürfen sie erst recht nicht verfügend in Ansprüche des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers gegenüber Dritten eingreifen (Löwisch/Rieble, aaO, RdNr 213), zu denen auch der beklagte Rentenversicherungsträger zählt. Hatten die Tarifvertragsparteien für § 22 Abs 4 S 4 Halbs 2 TVöD somit keine sachliche Regelungsmacht, geht diese Tarifbestimmung wegen fehlender Normsetzungsbefugnis ins Leere und kann daher keine Rechtsnormwirkung entfalten (Löwisch/Rieble, aaO, § 1 TVG RdNr 502). Bei gegenseitiger Tarifbindung (§ 3 Abs 1, § 5 TVG) ist der Rentenauszahlungsanspruch somit nicht auf die Klägerin übergegangen.

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4. Für dieses Ergebnis spricht schließlich auch, dass die Tarifvertragsparteien mit einer wirksamen tarifvertraglichen Übertragung das gesamte System der öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüche, das der Zweite Abschnitt des Dritten Kapitels des SGB X detailliert regelt, in Frage stellen würden. Dies zeigt der vorliegende Fall exemplarisch: Denn die Einzelansprüche auf Auszahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung entstanden jeweils am 1.6., 1.7. sowie 1.8.2006 und wurden jeweils am Monatsende fällig. Dagegen entstand der Erstattungsanspruch der Beigeladenen zu 1. im Zeitpunkt der Bewilligung der hinzutretenden Leistung (Böttiger, LPK-SGB X, § 103 RdNr 41; Gmati, juris-PK SGB X, § 103 RdNr 37; Kater in KassKomm, § 107 RdNr 7, ders, § 103 RdNr 21, § 111 RdNr 32), hier also erst im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Rentenbescheids am 16.3.2007. In dieser und vergleichbaren Fallkonstellationen ginge der Erstattungsanspruch des Krankenversicherungsträgers aufgrund des sachenrechtlichen Prioritätsprinzips regelmäßig ins Leere, obwohl ihm § 103 SGB X einen ungekürzten Erstattungsanspruch einräumt.

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5. Nichts anderes gilt, wenn Klägerin und Versicherter nicht unmittelbar tarifgebunden (§ 3 Abs 1, § 5 TVG) gewesen sein sollten, sondern den TVöD "nur" durch eine individualrechtliche Bezugnahmeklausel mit schuldrechtlicher Wirkung in das Arbeitsverhältnis inkorporiert hätten. Zwar sind die Arbeitsvertragsparteien - anders als die Tarifvertragsparteien - grundsätzlich befugt, ihre öffentlich-rechtlichen (Renten-)Ansprüche und Anwartschaften durch öffentlich-rechtlichen Vertrag individualrechtlich zu übertragen, obwohl sie keine Rechtsträger des öffentlichen Rechts sind (BSGE 70, 37, 39 = SozR 3-1200 § 53 Nr 2 S 9). Die Bezugnahmeklauseln auf den TVöD, wie sie mit allen Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes regelmäßig ohne Rücksicht auf deren Tarifbindung vereinbart werden, sind als typische Vertragsklauseln aber dahin auszulegen, dass die in Bezug genommenen Tarifbestimmungen jeweils so auf das Arbeitsverhältnis angewendet werden sollen, wie sie tarifrechtlich wirksam sind (stRspr, BAG Urteile vom 14.2.1973 - 4 AZR 176/72 - BAGE 25, 34, 42 = AP Nr 6 zu § 4 TVG Nachwirkung, vom 29.1.1975 - 4 AZR 218/74 - BAGE 27, 22, 31 = AP Nr 8 zu § 4 TVG Nachwirkung und vom 7.12.1977 - 4 AZR 474/76 - AP Nr 9 zu § 4 TVG Nachwirkung). Die Bezugnahmeklausel soll nur widerspiegeln, was tarifrechtlich gilt, um so eine einheitliche Behandlung der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes sicherzustellen (vgl BAG aaO). Für diesen Schluss spricht insbesondere der bei jeder Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB mit zu berücksichtigende Zweck des Vertragsabschlusses (vgl BAG Urteil vom 10.4.1973 - 4 AZR 270/72 - AP Nr 37 zu § 133 BGB mwN), der bei der Verwendung von Bezugnahmeklauseln auf den TVöD (früher: BAT) allgemein dahin geht, im öffentlichen Dienst grundsätzlich für alle Arbeitnehmer einheitliches Recht gelten zu lassen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es aufgrund der Rechtswirkungen des § 4 Abs 1 S 1 TVG unmittelbar und zwingend oder "nur" aufgrund entsprechender vertraglicher Vereinbarung zur Anwendung kommt (BAGE 27, 22, 31 f = AP Nr 8 zu § 4 TVG Nachwirkung). Unter diesen Umständen ist aufgrund des festgestellten Sachverhalts auszuschließen, dass die Arbeitsvertragsparteien den Willen gehabt haben könnten, die Weitergeltung einer ins Leere gehenden Tarifnorm einzelvertraglich zu vereinbaren.

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6. Mit seiner Entscheidung weicht der Senat nicht von den Urteilen des 6. Senats des BAG vom 25.2.1993 (6 AZR 334/91 - BAGE 72, 290 = AP Nr 10 zu § 37 BAT), vom 30.9.1999 (6 AZR 130/98 - AP Nr 1 zu § 71 BAT) und vom 29.6.2000 (6 AZR 50/99 - AP Nr 11 zu § 37 BAT) ab. In diesen Verfahren hatte das BAG darüber zu entscheiden, ob die jeweils beklagten Arbeitnehmer überzahlte Krankengeldzuschüsse (damals: "Krankenbezüge") aufgrund des § 37 Abs 2 Unterabs 5 Buchst b BAT (idF des 67. und 69. Änderungsvertrags), der im Wesentlichen wort- und inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 22 Abs 4 TVöD (vgl Breier/Dassau/Faber/ Lang/Langenbrinck/Thivessen/Kulok/Reinecke/Wulfers, TVöD Eingruppierung in der Praxis, § 22 RdNr 176), an den klagenden Arbeitgeber zurückzahlen mussten. In allen Fällen hatten die Rentenversicherungsträger dem Arbeitgeber die von ihm an den Versicherten geleisteten und später als Vorschüsse fingierten Krankenbezüge aus dem jeweils aufgelaufenen Rentennachzahlungsbetrag - anders als hier - erstattet, und zwar aufgrund des tarifvertraglichen Forderungsübergangs, den § 37 Abs 2 Unterabs 5 Buchst b S 3 BAT damals normierte und den § 22 Abs 4 S 4 Halbs 2 TVöD unverändert vorsieht. Mit seiner Klage vor den Gerichten für Arbeitssachen forderte der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die jeweils überschießenden Restbeträge. Wenn das BAG in diesem Kontext beiläufig (obiter dictum) ausführt, die Tarifnorm sei insoweit wirksam, als sie den Übergang von Rentenansprüchen anordne, die auf die Zeit entfielen, in der Krankengeldzuschüsse über den tariflich maßgebenden Zeitpunkt hinaus gezahlt wurden, hat es damit nicht tragend über die Gültigkeit der Tarifnorm im vorliegenden Kontext entschieden. Denn in den vom BAG entschiedenen Fällen ging es nicht um öffentlich-rechtliche Sozialversicherungsansprüche auf Rente aus übertragenem Recht, sondern allein um originäre zivilrechtliche Rückerstattungsansprüche aus Tarifvertrag.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG, §§ 154 Abs 1, Abs 3, 162 Abs 3 VwGO. Da die Beigeladene zu 1. im Revisionsverfahren selbst Anträge gestellt und damit ein Kostenrisiko auf sich genommen hat, entsprach es der Billigkeit, der unterlegenen Klägerin jene außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen (§ 154 Abs 3, § 162 Abs 3 VwGO).

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Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 40, § 47 Abs 1 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 63 Abs 2 S 1 GKG.

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