Urteil vom Landgericht Duisburg - 12 O 27/13
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt,
1. an die Klägerin 97.056,90 € zu zahlen,
nebst Zinsen in Höhe von 1,5 % auf 34.650,- € vom 19.01.2007 bis zum 12.04.2012, auf 31.500,- € vom 31.08.2007 bis zum 12.04.2012 und auf 30.906,90 € vom 13.12.2007 bis zum 12.04.2012
und nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Gesamtforderungsbetrag seit dem 13.04.2012 abzüglich erhaltener Ausschüttungen zu einem Betrag von 513,34 € und 634,64 € per 29.08.2012
sowie abzüglich weiterer, folgender
Ausschüttungen:
a. 3.969,- € per 15.04.2013
b. 768,96 € per 01.01.2009
c. 380,10 € per 01.07.2009
d. 392,29 € per 03.03.2010
e. 407,66 € per 11.08.2010
f. 388,93 € per 25.02.2011
g. 380,58 € per 18.07.2011
h. 403,45 € per 02.03.2012
i. 356,52 € per 29.08.2012
j. 325,86 € per 25.02.2013
k. 163,48 € per 17.07.2013,
Zug um Zug gegen Übertragung der Kapitalbeteiligung der Klägerin zu einem Nominalbetrag von 63.000,- € in Form einer Kommanditbeteiligung an der Q, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Hamburg unter HRA 0 sowie mit der Bezeichnung D-Fonds Nr.- 0 – D2 zu einem Nominalbetrag von 43.000,- US-$ (in Form zweier Kommanditbeteiligungen) zu jeweils 50 % der Gesamtbeteiligungssumme an der M und der M2, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Hamburg unter der Registernummer HRA 0 bzw. HRA 0,
2. die Klägerin von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.440,69 € freizustellen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der der im Tenor zu Ziffer 1) benannten Kapitalbeteiligungen (Kommanditbeteiligungen) im Verzug befindet.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von einer möglichen Nachhaftung nach §§ 127 Abs. 4, 171 Abs. 1 HGB bezüglich der im Tenor zu Ziffer 1) benannten Kapitalbeteiligungen (Kommanditbeteiligungen) an der streitgegenständlichen Lebensversicherungsbeteiligung und den streitgegenständlichen Schiffsfonds-Gesellschaften freizustellen.
Auf die Widerklage wird festgestellt, dass sämtliche der Klägerin über die bereits berücksichtigten Ausschüttungen hinaus nach Schluss der mündlichen Verhandlung zufließenden Ausschüttungen, die ihren Grund in den Beteiligungen der Klägerin an der Q GmbH & Co. KG, der M sowie der M2 haben, von der geltend gemachten Zahlungsverpflichtung der Beklagten abzuziehen bzw. soweit die Forderung dann bereits beglichen sein sollte, an die Beklagte zu zahlen sind.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin nimmt die Beklagte, eine Bank, bei der sie seit vielen Jahren Kundin ist, wegen angeblich fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch, nachdem sie bei dieser im Jahre 2007 in einen Schiffsflotten-Fonds und einen Lebensversicherungs-Fonds investiert hatte.
3Der Zeichnung dieser Anlagen lagen jeweils Gespräche mit dem ehemaligen Mitarbeiter der Beklagten Herrn P zugrunde. Dieser führte zunächst am 16.01.2007 ein Gespräch mit der Klägerin, aufgrund dessen diese sich mit einer Kapitaleinlage von 63.000,- € an dem Fonds „Q2 “, einem geschlossenen Lebensversicherungs-Fonds, beteiligte. Dieser hatte ausweislich des Beteiligungsprospekts eine geplante Laufzeit von 15 Jahren. Wegen der Details wird auf die Beitrittserklärung der Klägerin vom 16.01.2007, Bl. 55 d. A., und den Prospekt, Anlage B3 im Zusatzheft I, Bezug genommen.
4Am 12.07.2007 erklärte die Klägerin ebenfalls auf der Grundlage eines Gesprächs mit Herrn P den Beitritt zu dem „D2“ mit einem Anlagebetrag von 43.000,- US-$. Ausweislich des Prospekts war eine Kündigung der Gesellschaftsbeteiligungen frühestens zum 31.12.2031 möglich. Wegen der Details wird auf die Beitrittserklärung der Klägerin, Bl. 52 d. A., und den Prospekt Anlage B 4 im Zusatzheft I, verwiesen.
5Die konkreten Inhalte der Gespräche zwischen der Klägerin und Herrn P sind zwischen den Parteien streitig.
6Mit Schreiben vom 22.03.2012 setzte der Klägervertreter unter dem Angebot der Übertragung der Beteiligungen der Beklagten erfolglos eine Frist zur Rückzahlung des Anlagebetrages nebst Schadensersatz bis zum 12.04.2012, Bl. 56 ff. d. A.
7Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe eine Vielzahl von Beratungspflichten aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Anlageberatungsvertrag verletzt. Insbesondere habe die Klägerin die Anlagebeträge jeweils nur mittelfristig, d. h. über einen Zeitraum von 2 bis 3, maximal 5 Jahren, anlegen wollen, u. a. weil das Geld als Altersvorsorge für einen Umzug in eine Seniorenresidenz vorgesehen gewesen sei. Sämtliche zuvor bei der Beklagten getätigten Anlagen hätten einen derartigen Anlagehorizont aufgewiesen. Herr P habe insofern auch nur gefragt, ob sie „momentan“ bzw. „derzeit“ auf das Geld verzichten könne, was sie bejaht habe. Hätte er sie darüber aufgeklärt, dass mit den Fondsbeitritten die o. g. Anlagedauer einhergehe, hätte sie die Anlagen nie getätigt.
8Die Klägerin hat zunächst beantragt,
91. die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin 97.056,90 € zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 1,5 % auf 34.650,- € seit 19.01.2007 bis 12.04.2012, auf 31.500,- € vom 31.08.2007 bis zum 12.04.2012 und auf 30.906,90 € seit 13.12.2007 bis 12.04.2012 und nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Gesamtforderungsbetrag seit 12.04.2012 abzüglich erhaltener Ausschüttungen zu einem Betrag von 513,34 € per 29.08.2012 und 634,64 € zu einem Betrag von 634,64 € Zug um Zug gegen Aushändigung bzw. Übertragung der Kapitalbeteiligung der Klägerin zu einem Nominalbetrag von 63.000,- € in Form einer Kommanditbeteiligung an der Q, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Hamburg unter HRA 0 sowie mit der Bezeichnung D-Fonds Nr.- 0 – D2 zu einem Nominalbetrag von 43.000,- US-$ (in Form zweier Kommanditbeteiligungen) zu jeweils 50 % der Gesamtbeteiligungssumme an der M und der M2, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Hamburg unter der Registernummer HRA 0 bzw. HRA 0,
102. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.440,69 € freizustellen,
113. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertagung der der im Klageantrag zu Ziffer 1) benannten Kapitalbeteiligungen (Kommanditbeteiligungen) im Verzug befindet,
124. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von einer möglichen Nachhaftung nach §§ 127 Abs. 4, 171 Abs. 1 HGB bezüglich der im Klageantrag zu Ziffer 1) benannten Kapitalbeteiligungen (Kommanditbeteiligungen) an der streitgegenständlichen Lebensversicherungsbeteiligung und den streitgegenständlichen Schiffsfonds-Gesellschaften freizustellen.
13Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihren Klageantrag dahingehend abgeändert, dass auch die von der Beklagten in der Klageerwiderung (Bl. 182, 183 d. A.) dargestellten weiteren Ausschüttungen zu berücksichtigen seien.
14Die Klägerin beantragt nunmehr,
15- 16
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 97.056,90 € zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 1,5 % auf 34.650,- € seit 19.01.2007 bis 12.04.2012, auf 31.500,- € vom 31.08.2007 bis zum 12.04.2012 und auf 30.906,90 € seit 13.12.2007 bis 12.04.2012 und nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Gesamtforderungsbetrag seit 12.04.2012 abzüglich erhaltener Ausschüttungen zu einem Betrag von 513,34 € per 29.08.2012 und 634,64 €
sowie abzüglich folgender Ausschüttungen:
18- 19
a. 3.969,- € per 15.04.2013
- 20
b. 768,96 € per 01.01.2009
- 21
c. 380,10 € per 01.07.2009
- 22
d. 392,29 € per 03.03.2010
- 23
e. 407,66 € per 11.08.2010
- 24
f. 388,93 € per 25.02.2011
- 25
g. 380,58 € per 18.07.2011
- 26
h. 403,45 € per 02.03.2012
- 27
i. 356,52 € per 29.08.2012
- 28
j. 325,86 € per 25.02.2013
- 29
k. 163,48 € per 17.07.2013,
Zug um Zug gegen Aushändigung bzw. Übertragung der Kapitalbeteiligung der Klägerin zu einem Nominalbetrag von 63.000,- € in Form einer Kommanditbeteiligung an der Q, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Hamburg unter HRA 0 sowie mit der Bezeichnung D-Fonds Nr. 0 – D2 zu einem Nominalbetrag von 43.000,- US-$ (in Form zweier Kommanditbeteiligungen) zu jeweils 50 % der Gesamtbeteiligungssumme an der M und der M2, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Hamburg unter der Registernummer HRA 0 bzw. HRA 0,
312. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.440,69 € freizustellen,
323. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertagung der der im Klageantrag zu Ziffer 1) benannten Kapitalbeteiligungen (Kommanditbeteiligungen) im Verzug befindet,
334. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von einer möglichen Nachhaftung nach §§ 127 Abs. 4, 171 Abs. 1 HGB bezüglich der im Klageantrag zu Ziffer 1) benannten Kapitalbeteiligungen (Kommanditbeteiligungen) an der streitgegenständlichen Lebensversicherungsbeteiligung und den streitgegenständlichen Schiffsfonds-Gesellschaften freizustellen.
34Die Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Hilfswiderklagend beantragt die Beklagte,
37festzustellen, dass sämtliche der Klägerin über die bereits berücksichtigten Ausschüttungen hinaus zugeflossenen oder nach Schluss der mündlichen Verhandlung zufließenden Ausschüttungen, die ihren Grund in den Beteiligungen der Klägerin an der Q, der M sowie der M2 haben, von der geltend gemachten Zahlungsverpflichtung der Beklagten abzuziehen bzw. soweit die Forderung dann bereits beglichen sein sollte, an die Beklagte zu zahlen sind.
38Die Klägerin beantragt,
39die Hilfswiderklage abzuweisen.
40Die Beklagte behauptet, es habe zwischen den Parteien kein Anlageberatungs-, sondern lediglich ein Anlagevermittlungsvertrag bestanden. Die Klägerin habe die Prospekte, aus denen sich Funktionsweise und Risiken der Anlagen ergeben würden, rechtzeitig erhalten und sei über alle relevanten Punkte informiert worden.
41Die Beklagte ist der Ansicht, etwaige Ansprüche der Klägerin seien verjährt.
42Es ist Beweis erhoben worden durch Parteivernehmung der Klägerin sowie durch Vernehmung der Zeugen L und P. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.02.2014, Bl. 267 ff. d. A.
43E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
44Die zulässige Klage ist begründet. Die Hilfswiderklage ist teilweise unzulässig, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang jedoch zulässig und begründet.
45Die zulässige Klage ist begründet.
46Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 278 S. 1 BGB i. V. m. dem Anlageberatungsvertrag.
47Voraussetzung für einen derartigen Anspruch ist, dass die Beklagte eine Pflicht aus dem zwischen den Parteien bestehenden Schuldverhältnis, dem Beratungsvertrag, verletzt hat.
48Diese Voraussetzung ist erfüllt. Zwischen den Parteien bestand ein Anlageberatungsvertrag. Ein solcher liegt vor, wenn der Kapitalanleger keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat und daher eine sachkundige Person hinzuzieht (BGH, Urteil vom 13.05.1993, Az. III ZR 25/92, NJW-RR 1993, 1114). Der Anleger erwartet dann nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung und Beurteilung unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Anlegers (BGH, a. a. O.). Ein Anlagevermittler hingegen, der für eine bestimmte Kapitalanlage im Interesse des Kapitalsuchenden und mit Rücksicht auf die von diesem versprochene Provision den Vertrieb übernommen hat, tritt dem Anlageinteressenten selbständiger gegenüber und stellt den werbenden und anpreisenden Charakter seiner Aussagen für den Anleger erkennbar in den Vordergrund (BGH, a. a. O.).
49Nach diesen Grundsätzen besteht zwischen den Parteien ein Beratungs-, nicht nur ein Vermittlungsvertrag. Denn es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte durch ihren ehemaligen Mitarbeiter, den Zeugen P, nicht nur ein bestimmtes, von ihr ausgegebenes Anlageprodukt vertrieben hat, sondern die Beklagte vielmehr über viele Jahre hinweg als Hausbank der Klägerin die Anlage des Vermögens der Klägerin verantwortete. Die Klägerin hat insoweit im Rahmen ihrer Parteivernehmung unwidersprochen vorgetragen, dass sie ihre „gesamte Geldanlage einfach in die Hand der Bank gegeben“ und sich „darauf verlassen habe, dass hier in (ihrem) Interesse gehandelt werde“. Die Beklagte ist demnach dauerhaft und in Bezug auf eine umfassende Anlagestrategie der Klägerin beratend tätig geworden.
50Die Beklagte hat durch ihren Mitarbeiter Herrn P auch ihre Pflichten aus dem geschlossenen Beratungsvertrag verletzt, §§ 280 Abs. 1, 278 S. 1 BGB.
51Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls fest, dass die Beratung nicht den Wünschen und Zielen der Klägerin entsprach und die Fonds, denen sie beigetreten ist, ihr nicht hätten empfohlen werden dürfen. Die Klägerin erläuterte insofern im Rahmen ihrer Parteivernehmung, dass sie lediglich einen mittelfristigen Anlagezeitraum von wenigen Jahren als für sie geeignet ansah, da sie mit einem Alter von über 60 Jahren bereits für den Ruhestand plante und insoweit ggf. das Geld benötigt würde, z. B. für den Einzug in eine Seniorenresidenz. Auch ihre früheren Anlagen hätten sich regelmäßig auf einen derartigen Anlagezeitraum bezogen. Darüber hinaus steht bereits nach der Aussage der Klägerin fest, dass sie von dem Berater P lediglich gefragt worden ist, ob sie „derzeit“ bzw. „im Moment“ auf das Geld verzichten könne. Eine solche Frage kann ein ratsuchender Kapitalanleger nur dahingehend verstehen, dass maximal ein mittelfristiger Anlagezeitraum vorliegt. Damit, dass die Anlagebeträge für 15 oder gar über 20 Jahre festgelegt werden, musste ein verständiger Anleger nicht rechnen. Der Berater hat damit der Klägerin für sie ungeeignete Anlageprodukte empfohlen und sie nicht auf die entsprechende Laufzeit hingewiesen. Hätte die Klägerin bei Zeichnung gewusst, dass derart lange Laufzeiten vorgesehen sind, hätte sie die Beteiligungen nicht erworben.
52Die Aussage der Klägerin im Rahmen ihrer Parteivernehmung ist glaubhaft. Die Klägerin hat schlüssig und gut nachvollziehbar die Beratungssituation dargelegt. Sie war dabei ersichtlich um die Wahrheit bemüht und stellte auch zwanglos sich aus dem schriftsätzlichen Vortrag ergebende Unklarheiten richtig. Des Weiteren zeigte die Klägerin keinerlei Belastungstendenzen, aus denen sich ergeben könnte, dass sie - um ihrer Klage zum Erfolg zu verhelfen - die Unwahrheit sagt. Im Gegenteil wies sie aus eigenem Antrieb darauf hin, dass sie in Bezug auf andere Geldanlagen mit den Beratungen durch die Beklagte äußerst zufrieden gewesen sei und sie dieser vollumfänglich vertraut habe. Auch sei z. B. eine frühere Anlage in einen geschlossenen Immobilienfonds rückblickend zwar unter Verletzung von Beratungspflichten erfolgt, aber dennoch äußerst erfolgreich verlaufen.
53Als die Klägerin Kenntnis von der Laufzeit des Schiffsfonds erhalten habe, sei sie - so ihre anschauliche Darstellung - „fast hinten übergefallen“. Auch diese emotionale Darstellung der Vorgänge spricht für ein tatsächliches Erleben und damit den Wahrheitsgehalt der Aussage der Klägerin.
54Auch nach dem persönlichen Eindruck des Gerichts von der Klägerin ist diese glaubwürdig. Es handelt sich bei der Klägerin um eine beruflich erfahrene, durchaus kritische Anlegerin, die im Beratungsgespräch auch die Frage nach Kosten und Risiken nicht scheut. Auch hat sie nicht bewusst nur im Hinblick auf eine zu erwartende möglichst hohe Rendite die Augen vor jeglichen Nachteilen und Risiken der Anlage verschlossen. Sie durfte aber nach den Angaben des Zeugen P davon ausgehen, dass ihr Vermögen lediglich für wenige Jahre angelegt werde. Mit einem derart langen Anlagezeitraum, den die Fonds tatsächlich aufweisen, musste sie nicht rechnen.
55Dem steht auch die Aussage des Zeugen P nicht entgegen. Er konnte sich an die konkrete Beratungssituation mit der Klägerin schon nicht erinnern. Er behauptete zwar, sogar Personen im Alter von über 80 Jahren teilweise Produkte mit 30-jähriger Laufzeit verkauft zu haben; dass ein derart ungewöhnlicher Sachverhalt, bei dem ein Steuersparmodell der Grund für die gewählte Kapitalanalage sein soll, hier vorliegt, ist allerdings nicht ersichtlich.
56Da bereits nach der Parteivernehmung der Klägerin feststeht, dass die Beklagte ihre Beratungspflichten verletzt hat, indem sie der Klägerin langfristige Anlagen empfohlen hat, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Aussage des Zeugen L nicht mehr an. Auch kann dahin stehen, ob weitere Pflichtverletzungen, z. B. eine fehlende Risikoaufklärung oder eine fehlende Mitteilung von Provisionszahlungen, gegeben sind.
57Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sich die Laufzeiten der Anlagen aus den überreichten Prospekten ergeben hätten und die Beklagte die Klägerin daher hinreichend darüber in Kenntnis gesetzt hätte. Denn nach dem Ergebnis der Parteivernehmung steht ebenfalls fest, dass die Prospekte jedenfalls nach den Beratungsgesprächen übergeben oder übersandt worden sind. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin ihre Anlageentscheidung auf der Grundlage des Beratungsgesprächs aber bereits getroffen. Es trifft sie insoweit keine Obliegenheit, anhand der Prospekte zu überprüfen, ob die Angaben des Beraters zutreffend sind. Sie darf sich vielmehr darauf verlassen, wahrheitsgemäß informiert worden zu sein. Eine Kontrolle des Anlageberaters durch den Anleger ist nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 22.07.2010, III ZR 99/09).
58Rechtsfolge der Pflichtverletzung der Beklagten ist nach § 280 Abs. 1 BGB, dass der Klägerin der ihr entstandene Schaden zu ersetzen ist. Der Schaden besteht zunächst darin, dass die Klägerin ihr Kapital in die empfohlenen, nicht anlegergerechten Anlagen investierte. Sie ist im Wege der Nautralrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als hätte sie die Anlagen nicht getätigt; es hat demnach eine Rückabwicklung stattzufinden. Der Klägerin sind ihre Einlagebeträge zurückzuerstatten, Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligungen. Anrechnen lassen muss sie sich dabei - wie im geänderten Klageantrag auch berücksichtigt - die Ausschüttungen, die sie bereits erhalten hat, da diese ihren Schadensersatzanspruch schmälern. Soweit sie Ausschüttungen in Höhe von 634,64 € bereits in der Klageschrift berücksichtigt hat, fehlt es an einer konkreten Darlegung, wann diese erfolgt sein soll. Der Klageantrag wird daher dahingehend ausgelegt, dass diese Ausschüttung ebenfalls wie die Ausschüttung in Höhe von 513,34 € am 29.08.2012 erfolgte. Im Rahmen der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung ist die Klage zulässigerweise insoweit teilweise zurückgenommen worden, als die Klägerin sich auch die weiteren, von der Beklagten dargestellten Ausschüttungen anrechnen lassen will.
59Steuervorteile hat die Klägerin sich nach der Rechtsprechung des BGH, der sich das Gericht anschließt, nicht anrechnen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2011, Az. XI ZR 96/09), da die Schadensersatzleistung der Besteuerung unterliegt.
60Die Klägerin hat des Weiteren einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen als entgangener Gewinn gemäß § 252 BGB (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 08.05.2012, Az. XI ZR 262/10). Es ist erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass ein Anleger das Anlagekapital nicht ungenutzt gelassen, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz festgelegt hätte (BGH, a. a. O.). Dabei kann das Gericht zur Feststellung der Höhe des allgemein üblichen Zinssatzes von der Möglichkeit der Schätzung Gebrauch machen (BGH, a. a. O.). Das Gericht schätzt den entgangenen Zinsgewinn gemäß § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO auf 1,5 %. Die Klägerin hat insoweit hinreichend dargelegt, dass sie diesen Gewinn nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit einem anderen Anlagegeschäft erzielt hätte. An diese Darlegung sind keine strengen Anforderungen zu stellen, es genügt vielmehr eine gewisse Wahrscheinlichkeit (BGH, a. a. O.).
61Die Forderungen der Klägerin sind nicht verjährt. Die Beklagte kann sich insoweit nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Klägerin bereits mit der Übergabe der Prospekte im Jahre 2007 eine grob fahrlässige Unkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners i. S. d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorzuwerfen wäre. Wie bereits dargestellt, durfte die Klägerin - so auch die bereits zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - nach dem Inhalt des Beratungsgesprächs darauf vertrauen, dass ihre Kapitalanlagen jedenfalls keine längere Laufzeit als 5 Jahre aufweisen. Sie war nicht verpflichtet, die Angaben des Beraters P anhand der Prospekte auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen, sondern durfte darauf vertrauen, dass die Informationen zutreffen. Eine grob fahrlässige Unkenntnis wird insoweit nicht begründet. Es ist nach der Parteivernehmung der Klägerin vielmehr davon auszugehen, dass diese bzgl. des Lebensversicherungsfonds im Jahre 2011 Kenntnis erlangte, bzgl. des Schiffsfonds im Jahre 2010 oder 2011. Die Verjährung begann gemäß § 199 Abs. 1 BGB damit frühestens am Schluss des Jahres 2010. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 195 BGB 3 Jahre. Verjährung hätte somit frühestens am Schluss des Jahres 2013 eintreten können, die Verjährung wurde aber im Mai 2013 durch Klageerhebung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt.
62Die Klägerin hat des Weiteren aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB Ansprüche auf Ersatz von Verzugs und Prozesszinsen sowie auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus § 280 Abs. 1 BGB. Insbesondere kann auch eine 1,5 Geschäftsgebühr verlangt werden. Nach Nr. 2300 VV RVG kann eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.
63Für den Umfang der Tätigkeit ist vor allem der zeitliche Aufwand maßgebend, der für die Besprechung mit dem Auftraggeber, das Aktenstudium und Sichtung von Rechtsprechung und Literatur anfällt (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. A., § 14 RVG, Rn. 41 ff.). Erhöhte Schwierigkeit liegt vor, wenn über den Normalfall hinausgehende Probleme auftreten (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, a. a. O., Rn. 50 ff.).
64Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Dass die Tätigkeit umfangreich war, folgt daraus, dass im Hinblick auf die von der Klägerin erworbenen Anlageprodukte ein komplexer Sachverhalt zu ermitteln war, und wird auch dokumentiert durch die im Vergleich zu anderen Rechtsstreiten äußerst langen Schriftsätze. Schwierig war die Tätigkeit, weil der Klägervertreter sich aus anwaltlicher Vorsicht nicht nur mit der hier bejahten, sondern mit einer Vielzahl weiterer möglicher Beratungsfehler auseinanderzusetzen und das Vorliegen der auch von der Rechtsprechung geprägten Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen hatte.
65Schließlich sind auch die Feststellungsanträge der Klägerin gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Sie sind auch begründet, da die Beklagte sich seit Zugang des Schreibens vom 22.03.2012, mit welchem die Beteiligungen angeboten wurden, in Annahmeverzug befindet, und die Beklagte außerdem die Klägerin aus §§ 280 Abs. 1, 249 BGB von einer möglichen Nachhaftung als Kommanditistin freizustellen hat.
66Die gemäß §§ 33, 256 Abs. 1 ZPO erhobene Feststellungswiderklage ist auch als Eventualwiderklage zulässig (vgl. Zöller, Greger, ZPO, 28. A., § 253, Rn. 1), allerdings nur, soweit sie sich auf zukünftige Ausschüttungen bezieht, die noch nicht von der geltend gemachten Klageforderung abgezogen werden können. Soweit bereits gezahlte Ausschüttungen betroffen sind, besteht kein Feststellungsinteresse, weil die Klage, hätte die Klägerin bereits erfolgte Ausschüttungen nicht im Klageantrag berücksichtigt, im Zahlungsantrag insoweit bereits unbegründet und entsprechend vom Klageabweisungsantrag der Beklagten umfasst wäre. Wollte man die Feststellungswiderklage dennoch als zulässig erachten, so wäre sie jedenfalls unbegründet, weil die Klägerin mit der Teil-Klagerücknahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung die von der Beklagten als nicht berücksichtigt gerügten Ausschüttungen bei der Klageforderung zur Anrechnung gebracht hat, ohne dass die Beklagte daraufhin ihre Widerklage angepasst hätte.
67Die Hilfswiderklage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang, also soweit sie nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgende Ausschüttungen an die Klägerin betrifft, begründet. Die zukünftigen Ausschüttungen hat die Klägerin sich anrechnen zu lassen.
68Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 S. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO.
69Streitwert: Antrag zu 1): 89.120,07 €
70(Antrag zu 2): keine Streitwerterhöhung, weil Nebenforderung, § 4 ZPO)
71(Antrag zu 3): keine Streitwerterhöhung, weil wirtschaftlich identisch mit Zahlungsantrag)
72Antrag zu 4) 3.000,- €
73Widerklage: 3.000,- €
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Referenzen
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- RVG § 14 Rahmengebühren 1x
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
- ZPO § 33 Besonderer Gerichtsstand der Widerklage 1x
- BGB § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes 2x
- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- BGB § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen 2x
- III ZR 25/92 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 5x
- BGB § 204 Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung 1x
- BGB § 291 Prozesszinsen 1x
- ZPO § 4 Wertberechnung; Nebenforderungen 1x
- III ZR 99/09 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 278 Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte 2x
- XI ZR 262/10 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist 1x
- ZPO § 2 Bedeutung des Wertes 1x
- BGB § 252 Entgangener Gewinn 1x
- ZPO § 256 Feststellungsklage 2x
- ZPO § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung 1x
- HGB § 127 3x
- HGB § 171 3x
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- XI ZR 96/09 1x (nicht zugeordnet)