Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 10 O 226/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckbaren Betrages.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Auskunftserteilung und Zahlung in Anspruch.
3Am 29.12.1967 schloss die Klägerin mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der e), einen Ratensparvertrag unter der Kontonummer 83230351/24 ab. In diesem Zusammenhang erhielt sie ein als „Sparbuch“ bezeichnetes Schriftstück. Das Schriftstück enthielt unter der Rubrik „Kündigungsvermerke“ folgenden handschriftlichen Eintrag: „Ratensparvertrag v. 29.12.67 […] DM 300,- fällig 1.7.74“. Die Klägerin nahm in den Jahren 1967 bis 1974 diverse Einzahlungen vor. Am 07.01.1974 wies der Sparvertrag ein Guthaben von 8.820,88 DM (4.510,05 Euro) auf. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts des als „Sparbuch“ bezeichneten Schriftstücks wird auf die Anlage K 1 verwiesen.
4Die Klägerin und ihr Ehemann erwarben 1974 ein Reihenhaus in Ratingen. Das streitgegenständliche Sparguthaben sollte dabei als Rücklage für eventuelle Instandsetzungsarbeiten dienen.
5Bei der Renovierung eines Zimmers in ihrem Haus im Herbst 2013 entdeckte die Klägerin das als „Sparbuch“ bezeichnete streitgegenständliche Schriftstück, welches aus einem Buch herausfiel.
6Die Klägerin erklärte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28.02.2014 die „Kündigung“ des am 29.12.1967 errichteten Sparkontos mit der Nummer 83230351/24. Wegen des Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage K 3 Bezug genommen.
7Die Klägerin behauptet, sie habe die Sparsumme nach dem Fälligkeitstermin am 07.01.1974 bewusst auf dem Sparbuch gelassen, da sie weiterhin Sparwillen gehabt habe und der Betrag Zinsen habe abwerfen sollen. Weder sie noch ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann hätten jemals ein Sparbuch für verloren erklären lassen müssen.
8Die Klägerin beantragt,
91.
10die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft darüber zu erteilen, mit welchen Zinssätzen ein Sparguthaben bei der e) vom 01.07.1974 bis zum 10.05.2009 und vom 11.05.2009 bis zum 30.04.2014 der Beklagten nach den jeweils zugrunde liegenden Geschäftsbedingungen zu verzinsen war;
112.
12an sie einen Teilbetrag in Höhe von 2.220,00 aus ihrem Sparguthaben ihres Sparbuchs mit der Kontonummer 8323051/24, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.04.2014 zu zahlen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie erhebt die Einrede der Verjährung.
16Sie behauptet, die damalige Sachgebietsanweisung habe hinsichtlich befristeter Sparverträge vorgesehen, dass das fällige Guthaben aus dem Sparvertrag auf einem anderen Konto zur Verfügung gestellt und an die Kunden sogenannte „Fälligkeitsbriefe“ versendet worden seien. Mit diesen sei mitgeteilt worden, wann und wie der Anleger über das Guthaben habe verfügen können und auf welches Konto der Guthabenbetrag überwiesen werde (Anlage B 2).
17Das streitgegenständliche Konto existiere bereits seit einem Zeitpunkt vor 1976 nicht mehr, da das Konto nicht in einer sogenannte „Erledigten-Datei“ aufgeführt sei.
18Die Klägerin habe das im Sparvertrag ausgewiesene Guthaben erhalten.
19Die Beklagte ist der Ansicht, dass es sich bei dem Sparvertrag nicht um ein Sparbuch bzw. Inhaberpapier nach § 808 BGB handele, da die Spareinlage nicht unbefristet angelegt gewesen ist. Da der streitgegenständliche Sparvertrag befristet gewesen sei, sei er als Festgeld bzw. Termingeld zu qualifizieren. Es fehle daher bereits an einer Urkunde, die geeignet sei, Beweis für das Bestehen der Guthabenforderung zu erbringen.
20Zudem meint sie, die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche seien verwirkt.
21Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die im Folgenden getroffenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.
22E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
23Die zulässige Klage ist unbegründet.
24I.
25Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung eines Teilbetrages in Höhe von 2.220,00 Euro gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus § 488 Abs. 1 BGB (vgl. zur Anspruchsgrundlage für Sparbuch: Palandt/Sprau, BGB, § 808 Rn. 6, für Termineinlagen: Assies/Beule/Heise/Strube, Bank- und Kapitalmarktrecht, Kapitel 6 Rn. 21), da ein – unterstellter – Anspruch jedenfalls verjährt ist.
26Die Beklagte hat sich auf die Einrede der Verjährung berufen.
27Eine Verjährung ist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 2 EGBGB zum 01.07.2004 eingetreten. Diese Vorschrift findet Anwendung, da die Verjährungsfrist des §§ 195, 198 BGB (jeweils in der Fassung vom 01.01.1964, im Folgenden: a.F.) früher abläuft als die in §§ 199, 195 BGB (jeweils in der Fassung vom 02.01.2002) bestimmte Verjährung.
28Die dreißigjährige Verjährung nach §§ 195, 198 BGB a.F. begann mit der Entstehung des Anspruchs. Entstanden im Sinne von § 198 BGB a.F. ist ein Anspruch, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann (BGH, Urteil vom 17.02.1971, Az. VIII ZR 4/70). Voraussetzung ist dabei grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs (BGH, Urteil vom 12.02.1970, Az. VII ZR 168/67). Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, von dem ab der Gläubiger die Leistung verlangen kann (BGH, Urteil vom 11.12.2012, Az. IV ZR 46/13). Dies war nach Auffassung der Kammer zum 01.07.1974 der Fall. Ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Sparbuchs (Kopie Anlage K 1) war unter der Rubrik „Kündigungsvermerke“ aufgeführt: „Ratenzahlungsvertrag vom 29.12.69 […] fällig 1.7.74“. Eine Fälligkeit des Anspruchs auf Auszahlung des angesparten Betrages, also der Zeitpunkt, ab dem die Klägerin die Auszahlung hätte verlangen können, ist ausweislich vorgenannter Angaben zwischen den Parteien zum 01.07.1974 vereinbart worden, wovon die Klägerin auch selbst ausgeht (vgl. Bl. 51 GA).
29Vor diesem Hintergrund ist für die Frage der Verjährung des geltend gemachten Auszahlungsanspruchs auch ohne Belang, ob die Klägerin nach Ablauf des Fälligkeitsdatums einen sogenannten „Sparwillen“ verfolgte und davon ausgegangen war, dass der Vertrag fortgeführt werde. Mit diesen Behauptungen legt die Klägerin keine anspruchserhaltenden Tatsachen dar. So hat sie mit der Darlegung ihrer Vorstellung zum damaligen Zeitpunkt weder Gründe, die eine Hemmung der Verjährung nach den §§ 202 bis 204 BGB (jeweils in der Fassung vom 01.01.1964) oder den §§ 203 bis 208 BGB (in der Fassung vom 02.01.2002) noch eine Unterbrechung der Verjährung nach den §§ 208 bis 210 (jeweils in der Fassung vom 01.01.1964) oder einen Neubeginn der Verjährung nach § 212 BGB (in der Fassung vom 02.01.2002) rechtfertigen würden, dargelegt. Allein ihrem Schweigen und ihrer Untätigkeit – selbst bei Unterstellung des von ihr behaupteten weiteren Sparwillens - kann dies nicht entnommen werden.
30Da der Anspruch auf Auszahlung des geltend gemachten Betrages bereits am 01.07.1974 entstanden war, begann an diesem Tag gemäß §§ 195, 198 BGB a.F. die Verjährung zu laufen und endete gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 2 EGBGB am 01.07.2004.
31Entgegen der klägerischen Auffassung begann der Lauf der Verjährung auch nicht erst mit der von ihr erklärten „Kündigung“ des Sparvertrages vom 28.02.2014 (Anlage K 3) zu laufen. Zwar ist es richtig, dass Ansprüche, deren Fälligkeit eine Kündigung voraussetzen, erst entstanden sind im Sinne von § 198 BGB a.F., wenn die Kündigung wirksam erklärt worden ist (Palandt/Ellenberger, BGB, § 199 Rn. 4), bzw. gemäß § 199 BGB a.F., mit dem Zeitpunkt, von welchem an die Kündigung zulässig ist. Allerdings war die Fälligkeit des streitbefangenen Betrages aus vorgenannten Gründen im Streitfall nicht von einer Kündigung abhängig, da sie zum 01.07.1974 vereinbart worden war. Insofern wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf obige Ausführungen Bezug genommen. Diesbezüglich beruft sich die Klägerin ohne Erfolg auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 04.06.2002, Az. XI ZR 361/01), der die Anwendbarkeit des § 199 BGB a.F. für ein Sparkonto nicht annimmt und auf die Fälle beschränkt, in denen allein dem Gläubiger ein Kündigungsrecht zusteht. Der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall ist mit dem Streitfall insofern nicht vergleichbar, als der im vorliegenden Fall geltend gemachte Auszahlungsanspruch für seine Fälligkeit nicht von einer Kündigung abhing, sondern stattdessen ein Fälligkeitstermin vereinbart worden war. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs zu der Verjährungsproblematik sind daher auf den Streitfall nicht übertragbar.
32II.
33Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Auskunft hinsichtlich der üblichen Verzinsung von Sparverträgen aus § 242 BGB in Verbindung mit dem Sparvertrag (vgl. zur Anspruchsgrundlage: OLG Frankfurt, Urteil vom 16.02.2011, Az. 19 U 180/10).
34Ein solcher Anspruch steht der Klägerin schon deshalb nicht zu, da der Sparvertrag zum 01.07.1974 beendet worden ist. Die Kammer ist der Überzeugung, dass es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag um einen befristeten Sparvertrag gehandelt hat. Eine Befristung liegt in der durch den Parteiwillen in ein Rechtgeschäft eingeführten Bestimmung, wonach ein zukünftiges gewisses Ereignis für den Beginn der Rechtswirkungen (Anfangstermin) oder – wie hier – deren Ende (Endtermin) maßgebend ist (vgl. dazu Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Auflage, 2015, vor § 158 Rn. 2). Die Kammer geht auf der Grundlage des Parteivorbringens davon aus, dass durch die Anordnung eines Fälligkeitstermins zum 01.07.1974 ein gewisses Ereignis bestimmt wurde, das das Ende des Sparvertrages herbeiführen und keine reine Fälligkeitsregelung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 26.11.1997, Az. XII ZR 308/95) darstellen sollte. So gehen beide Parteien im Grundsatz gleichermaßen davon aus, dass der Vertrag zu diesem Zeitpunkt – jedenfalls zunächst einmal - als beendet angesehen werden sollte, wobei die Klägerin meint, die Parteien hätten durch die von ihr behauptete Tatsache, weiter Sparwillen verfolgt und das Geld auf dem Konto belassen zu haben, den Vertrag verlängert (vgl. dazu Bl. 56 GA). Allein, dass die Klägerin in dem Glauben war, sie führe den Vertrag fort, führt nicht dazu, dass der durch Befristung beendete Vertrag weiterlief. Wenn kein Sparvertrag mehr besteht, hat ein Bankkunde auch keinen Anspruch auf Auskunft über die Zinsentwicklung für den Zeitraum nach der Beendigung.
35III.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
37IV.
38Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
39Der Streitwert wird auf 7.200,00 Euro festgesetzt.
40Dr. Schuster Bellenbaum Rütz
41Rechtsbehelfsbelehrung:
42Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
431. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
442. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
45Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
46Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Düsseldorf zu begründen.
47Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
48Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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