Urteil vom Landgericht Flensburg (1. Zivilkammer) - 1 S 26/10

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Husum vom 22.02.2010, Az.: 2 C 682/08, wird auf seine Kosten nach einem Streitwert von 2.470,83 €

zurückgewiesen.

Das Urteil ist für die Beklagte wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein Bestattungsunternehmer, verlangt von der Beklagten die Zahlung von Bestattungskosten in Höhe von 2.470,83 €. Die Beklagte ist die Witwe des am 31.10.2006 durch Suizid verstorbenen K. M., von dem sie seit dem 01.09.2005 getrennt lebte. Der Verstorbene hat aus einer vorangegangenen Ehe noch zwei Töchter und er hatte aus dieser Ehe noch einen Sohn, der nach seinem Tod ebenfalls Selbstmord beging. Nachlass ist nicht vorhanden. Der Verstorbene hat kein Testament hinterlassen, erbrechtliche Vorgänge beim Nachlassgericht des Amtsgerichts H. gibt es nicht.

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Zu Lebzeiten bestand keine Unterhaltspflicht der Beklagten gegenüber dem Verstorbenen in Anbetracht eines eigenen monatlichen Nettoeinkommens in Höhe von 805,29 € und einer eigenen Unterhaltspflicht gegenüber ihrem am 08.07.1995 geborenen Sohn A.. Auch die beiden noch lebenden Kinder des Verstorbenen sind nicht leistungsfähig im Sinne des Unterhaltsrechts.

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Nach einem ersten Kontakt des Sohnes des Verstorbenen mit dem Kläger und der Überführung des Verstorbenen in die Halle des Klägers suchten infolge des zwischenzeitlichen Todes des Sohnes die Beklagte und die Tochter N. N. des Verstorbenen den Kläger auf. Ob sich die Beklagte an dem Gespräch über eine mögliche Bestattung beteiligte, ist zwischen den Parteien streitig. Unstreitig erklärten jedoch sowohl die N. N. als auch die Beklagte zu einer Kostentragung einer Bestattung nicht in der Lage zu sein. Der Mitarbeiter des Klägers P. verwies auf die Möglichkeit nach § 74 SGB XII, wonach ein Bestattungspflichtiger berechtigt ist, Mittel für eine Sozialbestattung vom Sozialamt zu erhalten, wenn nach den wirtschaftlichen Verhältnissen eine Kostentragung nicht zumutbar ist. Die Gespräche über eine Bestattung blieben letztlich ohne Ergebnis, der Kläger erwartete, dass er von der Beklagten oder der N. N. über eine Kostenübernahme durch das Sozialamt informiert werde. Als dies nicht geschah, unterschrieb die N. N. jedenfalls eine Vollmacht zur Einäscherung des Verstorbenen, ohne dass sie sich damit verpflichten wollte, auch für die Kosten einzutreten, zumal sie die Beklagte hierfür eher in der Pflicht sah. Der Kläger führte eine Einäscherung und Bestattung durch. Ein entsprechender Kostenvoranschlag ist beim Kreis Nordfriesland eingereicht worden. Die Kosten über 2.470,83 € machte der Kläger gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 29.11.2006 geltend. Die Beklagte stellte insoweit beim Sozialamt einen Antrag nach § 74 SGB XII, eine Kostenübernahme durch das Sozialzentrum erfolgte indessen nicht. Nach Widerspruch der Beklagten gegen den Ablehnungsbescheid erging ein Widerspruchsbescheid des Kreises N. vom 19.05.2008. In dessen Sachverhalt heißt es, die Beklagte habe zwar Nachweise geführt, dass sie nicht in der Lage sei, die Kosten einer Bestattung aufzubringen; sie sei jedoch ihren Mitwirkungspflichten auf Nachweis auch einer fehlenden Leistungsfähigkeit der Töchter des Verstorbenen nicht nachgekommen. Insoweit ist ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Schleswig zum Aktenzeichen S 11 SO 141/08 rechtshängig, das bis zur Entscheidung dieses Rechtsstreits ausgesetzt ist.

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Der Kläger hat vorgetragen:

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Die Beklagte sei gemäß §§ 13, 2 Nr.12 a Bestattungsgesetz Schleswig-Holstein als Ehefrau des Verstorbenen in erster Linie bestattungspflichtig gewesen. Eine Durchführung der Sozialbestattung sei zur Verhinderung einer Zwangsbeisetzung durch die Gemeinde, bei der die Einäscherung des Verstorbenen ohne Feier und mit anonymer Beisetzung erfolgt wäre, notwendig gewesen. Deshalb habe die Durchführung einer Sozialbestattung auch dem Wunsch der Beklagten entsprochen und habe sie einen Antrag gemäß § 74 SGB XII beim Sozialzentrum gestellt. Die Beklagte habe einen Anspruch auf Kostenübernahme durch das Sozialamt mindestens darlehensweise und vorläufig. Sie sei ihm, dem Kläger, gegenüber persönlich haftbar, wenn sich bei einer Abweisung der Klage vor dem Sozialgericht ergebe, dass ihr persönlich im Sinne von § 74 SGB XII eine Kostenübernahme möglich sei, ohne Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen, oder wenn sie sich schuldhaft um die Angelegenheit nicht gekümmert habe. Sie hafte ihm aber aus § 679 BGB völlig unabhängig davon, ob sie leistungsfähig sei oder nicht. Dies sei lediglich eine Frage der Zwangsvollstreckung. Denn er, der Kläger, sei für sie als Bestattungspflichtige tätig geworden und die Durchführung der Bestattung habe im öffentlichen Interesse gelegen.

6

Der Kläger hat beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.470,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit dem 21.03.2008 zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat behauptet:

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Zum Zeitpunkt des Todes des K. M. sei ein von ihm angestrengtes Scheidungsverfahren anhängig gewesen.

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Nach dem Gespräch mit dem Mitarbeiter P. seien sie und die Tochter N. N. in das Sozialzentrum in H. gegangen und hätten dort die Auskunft erhalten, dass das Sozialzentrum für die Bestattung nichts leisten werde. Sie habe die Angelegenheit zunächst auf sich beruhen lassen und erst, als sie von dem Kläger in Anspruch genommen worden sei, den Antrag nach § 74 SGB XII gestellt.

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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt:

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Ein Zahlungsanspruch ergebe sich nicht aus Vertrag, weil nach dem eigenen Vorbringen des Klägers eine Einigung an der offengelegten Zahlungsunfähigkeit der Beklagten und der N. N. gescheitert sei. Die Bestattung sei ohne Auftrag erfolgt, weder durch die Beklagte noch durch die Ordnungsbehörde.

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Der Kläger habe weiter keinen Anspruch gegen die Beklagte aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 670, 677, 679, 683 BGB. Denn jedenfalls sei nach dem Ergebnis der geführten Gespräche auch ihm deutlich geworden, dass ohne gesicherte Zahlungsfähigkeit gerade kein Auftrag erteilt und keine Bestattung habe durchgeführt werden sollen. Wenn er gleichwohl die Bestattung eigenmächtig vorgenommen habe, habe er dabei gegen den erkennbar gewordenen Willen der Beklagten und gegen ihr Interesse gehandelt. Das Handeln habe auch nicht im öffentlichen Interesse gelegen, weil insoweit nach dem Schleswig-Holsteinischen Bestattungsgesetz die Gemeinde verantwortlich sei. Ob die Beklagte gegenüber der Gemeinde zu einer Kostenerstattung verpflichtet gewesen wäre, müsse hier nicht entschieden werden.

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Schließlich bestehe kein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 ff. BGB. Bei unterstellter Bestattungspflicht der Beklagten liege aufgrund des eigenmächtigen Eingriffs des Klägers in das Selbstbestimmungsrecht der Beklagten eine aufgedrängte Bereicherung vor.

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Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Berufung macht der Kläger geltend:

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Das Amtsgericht habe nicht dahinstehen lassen können, ob die Bestattung des verstorbenen Ehemannes eine Pflicht der Beklagten dargestellt habe und die Erfüllung dieser Tätigkeit im öffentlichen Interesse gelegen habe. Die Beklagte habe nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 2 und § 2 Nr. 12 a des Schleswig-Holsteinischen Bestattungsgesetzes einer eindeutig im öffentlichen Interesse liegenden Bestattungsverpflichtung unterlegen, die ohne das klägerischer Einschreiten nicht rechtzeitig hätte erfüllt werden können. Die Beklagte hafte deshalb aus § 679 BGB, der gerade den Fall einer Bestattung durch Dritte regele.

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Das Amtsgericht habe auch geirrt, wenn es einen Zahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint habe. Wäre er, der Kläger, nicht tätig geworden, hätte wegen offenkundiger Pflichtverletzung durch die Beklagte das Ordnungsamt bzw. die Gemeinde tätig werden müssen, die dann einen Regressanspruch gegen die Beklagte gehabt hätte. Durch seine Tätigkeit habe er, der Kläger, die Beklagte deshalb von einer Inanspruchnahme freigestellt und sie unmittelbar einen Vermögensvorteil erlangt. Eine Bereicherung sei auch nicht aufgedrängt, weil die Beklagte überhaupt keine andere Wahl gehabt habe, als ihren verstorbenen Ehemann zu bestatten.

20

Die Beklagte habe auch einen Anspruch jedenfalls auf eine darlehensweise Übernahme der Bestattungskosten gehabt, den sie im Wege eines einstweiligen Rechtsstreits hätte durchsetzen können. Bei der anschließenden Prüfung, ob das Darlehen zurückverlangt werden könne, wäre die zunächst darlehensweise gewährte Hilfe umgewandelt worden in einen Zuschuss nach § 74 SGB XII.

21

Der Wunsch der Beklagten sei auch dahin gegangen, dass dem verstorbenen Ehemann eine Sozialbestattung habe zukommen sollen, gerade deshalb habe sie den Antrag nach § 74 SGB XII unterschrieben. Deshalb liege letztlich sogar eine Auftragshaftung der Beklagten ihm, dem Kläger, gegenüber vor.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Amtsgerichts Husum vom 22.02.2010 dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an ihn 2.470,83 € nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit dem 21.03.2008 zu zahlen.

24

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

26

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II.

27

Die Berufung hat keinen Erfolg.

28

Das Amtsgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung der von ihm geltend gemachten Bestattungskosten in Höhe von 2.470,83 € ausgeschlossen.

29

In dem angegriffenen Urteil, dessen Gründen die Kammer uneingeschränkt folgt, ist insbesondere zutreffend dargelegt, dass die Beklagte dem Kläger keinen Auftrag zur Bestattung ihres verstorbenen Ehemannes gegeben hat. Die Klägerseite selbst hat mit Schriftsatz vom 15.03.2009 (Blatt 56 d. A.) ausgeführt, dass die Beklagte wegen des deutlichen Hinweises auf ihre fehlende Zahlungsfähigkeit keinen Vertrag zur Bestattung geschlossen hat (ebenso LG Itzehoe, Urt. v. 29.11.2001, 4 S 161/01). Die Beklagte hat nicht einmal die für die Einäscherung erforderliche Erklärung unterzeichnet, letzteres erfolgte durch die Tochter des Verstorbenen N. N..

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Richtigerweise hat das Amtsgericht ebenso einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag aus den §§ 670, 677 und 683 BGB wegen des unmissverständlich entgegenstehenden Willens der Beklagten verneint.

31

Zutreffend hat das Amtsgericht schließlich einen solchen Anspruch aus § 679 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kommt ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn nicht in Betracht, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, nicht rechtzeitig erfüllt werden würde.

32

Allerdings führt die Berufung zutreffend aus, dass die Vorschrift des § 679 BGB dem Gedanken des römischen Rechts entsprungen ist, dass demjenigen, der eine Leiche beigesetzt hatte, ein Anspruch gegen die Erben zustehen soll - actio funeraria - (vgl. Erdmann in Staudinger-Erdmann, Kommentar zum BGB, Buch 2, Neubearbeitung 2006, § 679 Randziffer 1).

33

Die Voraussetzung eines solchen Erstattungsanspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß den §§ 670, 677, 679 und 683 BGB in Verbindung mit den §§ 1922, 1968 BGB werden indessen trotz gerichtlicher Hinweise mit prozessleitender Verfügung vom 20.01.2009 (Blatt 26 d. A.) nicht dargelegt. Der Kläger trägt ausdrücklich vor, dass ein Testament des Verstorbenen nicht vorliegt und zwei Kinder des Verstorbenen vorhanden sind. Deshalb scheidet es aus, dass die Beklagte entgegen der gesetzlichen Regelung (§§ 1924 Abs. 1, 1931 Abs. 1, 1371 Abs. 1 BGB) Alleinerbin geworden ist und kommt es nicht darauf an, ob ein Erbrecht der Beklagten wegen einer von ihrem verstorbenen Mann angestrengten Scheidung gemäß § 1933 BGB gänzlich ausgeschlossen war.

34

Ebenso wenig hat der Kläger trotz eines weiteren gerichtlichen Hinweises mit prozessleitender Verfügung vom 19.02.2009 (Blatt 31 I d. A.) eine mögliche Haftung der Beklagten als Unterhaltsverpflichtete gemäß den §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360 a Abs. 3, 1615 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 683 BGB dargelegt. Die Beklagte war unstreitig wegen ihres geringen Einkommens von etwa 800 Euro monatlich, das unterhalb des Selbstbehalts gegenüber dem verstorbenen Ehemann lag, diesem gegenüber nicht im Sinne § 1600 BGB unterhaltspflichtig.

35

Ein Anspruch aus § 679 BGB ergibt sich ferner nicht aus der vom Kläger angenommenen Bestattungspflicht der Beklagten gemäß § 13 Abs. 2 in Verbindung mit § 2 Nr. 12 a des Bestattungsgesetzes Schleswig-Holstein. Denn die öffentlich-rechtliche, vornehmlich aus Gründen der Gefahrenabwehr bestehende Pflicht, für die Beerdigung eines Verstorbenen zu sorgen, beruht auf einem vom Zivilrecht völlig unabhängigen eigenständigen öffentlich-rechtlichen Rechtsgrund. Sie wird von im Zivilrecht vorhandenen Beziehungen nicht berührt, wie auch die zivilrechtlichen Regelungen über die Erbenstellung sowie darüber, wer die Kosten für die Beerdigung zu tragen hat, keine rechtlichen Vorgaben für den Kreis der öffentlich-rechtlichen Bestattungspflichtigen beinhalten (VG Köln, Urteil vom 20.03.2009 - 27 K 2642/08, zit. bei Beck RS 2009, 33426 und Urteil vom selben Tage - 27 K 183/08, zit. bei Beck RS 2009, 33255, jeweils m. w. N.; vgl. Gaedke, Handbuch des Friedhofs - und Bestattungsrechts, 2000, S. 117; Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl., 2008, Rdnr. 15 und 24). Deshalb bestimmt § 27 Abs. 2 Bestattungsgesetz Schleswig-Holstein ausdrücklich, dass die gemeindlichen Aufgaben im Rahmen einer Ersatzbestattung als Selbstverwaltungsaufgaben wahrgenommen werden, bei denen die Gemeinden nach pflichtgemäßen Ermessen die notwendigen Maßnahmen zur Abwehr von Zuwiderhandlungen treffen und darum hat nach § 13 Abs. 2 Satz 2 Bestattungsgesetz Schleswig-Holstein die für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständigen Gemeinde entsprechend den §§ 230 und 238 des Landesverwaltungsgesetzes für eine Bestattung zu sorgen. Daraus ergibt sich, dass es zum einen nach § 13 Abs. 2 Satz 3 des Bestattungsgesetzes Schleswig-Holstein allein Sache der für den Sterbe- und Auffindungsort zuständigen Gemeinde ist, im Wege der öffentlich-rechtlichen Ersatzvornahme eine Bestattung vorzunehmen, wenn es die Bestattungspflichtigen nicht tun und dass zum anderen anschließend nur durch Verwaltungsakt die Haftung bestattungspflichtiger Hinterbliebener geltend gemacht werden kann. Diese Pflicht zur Kostentragung kann auch deshalb erst und nur durch einen gemeindlichen Leistungsbescheid festgesetzt werden, weil die Gemeinde nicht allein die Voraussetzungen einer grundsätzlichen Bestattungspflichtigkeit als Hinterbliebene gemäß §§ 13 Abs. 2 Satz 1, 2 Nr. 12 des Bestattungsgesetzes Schleswig-Holstein zu prüfen, sondern auch zu beachten hat, dass der kostengünstigste Bestatter beauftragt wird (vgl. Widmann, Der Bestattungsvertrag, 4. Aufl., 2003,S. 75 ff) und zu berücksichtigen hat, ob eine Kostentragung im Hinblick auf eine fehlende Leistungsfähigkeit und die Vorschrift des § 74 XII SGB, oder aus besonderen Gründen des Vollstreckungsrechts nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.2009, Az.: B 8 SO 23/08 R, FamRZ 2010, 292; OVG Münster, Urteil vom 30.07.2009, Az.: 19 A 448/07, FamRZ 2010, 681; VG Köln, Urt. v. 20.03.2007, 27 K 5617/07, zit. bei Beck RS 2009, 33427; VG Halle, Urt. v. 20.11. 2009, 4 A 318/09, zit. bei Beck RS 2010, 47207; ähnlich LG Bonn, Urteil vom 12.08.2009, Az.: 5 S 43/09, MDR 2009, 1347, das eine Zahlung vom Konto des Erblassers an die Stadt, die nach dem Nordrhein-Westfälischen Bestattungsgesetz tätig geworden war, als nicht berechtigt sogar gegenüber den -noch unbekannten- Erben ansah, solange die Kosten nicht durch Verwaltungsakt festgesetzt waren; vgl. Schellhorn/Schellhorn/Holm, SGB XII, 17. Aufl., 2006, Rdnr. 10 - 12; Grube/Wahrendorf, a.a.O., Rdnr. 34 - 36).

36

Dass ein Bestattungsunternehmen nicht einfach durch eine weder mit dem Bestattungspflichtigen noch der Gemeinde abgesprochenen Bestattung diese gemeindliche Entschließung ersetzen und vermutete Bestattungspflichtige dann zivilrechtlich unbeschränkt auf Kostenerstattung in Anspruch nehmen kann, zeigt gerade der vorliegende Fall. Denn die Beklagte macht geltend, wegen eines Scheidungsverfahrens nicht bestattungspflichtig gewesen zu sein und der Kläger selbst trägt vor, dass die Beklagte und die Kinder des Verstorbenen nicht leistungsfähig gewesen und ihnen die Bestattungskosten deshalb nicht zumutbar gewesen seien. Gerade bei fehlender Leistungsfähigkeit kann nicht ein zivilrechtlicher uneingeschränkter Titel herbeigeführt werden, der allenfalls im Vollstreckungsverfahren für den Gläubiger nicht durchsetzbar ist, wie es die Klägerseite annimmt. Dass ein Bestatter weder von dem "Auftraggeber" der von vornherein auf seine Vermögenslosigkeit hingewiesen hat, noch von der Gemeinde für seine Leistung eine Vergütung erhält, ist wegen seiner Eigenmächtigkeit gerade kein "zutiefst ungerechtes Ergebnis", das allerdings dem geltenden Gesetz entspreche, wie es der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seiner Monographie annimmt (Widmann, a.a.O., 2003, S. 61 f und 78 f).

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Geht man davon aus, dass es nicht der öffentlichen Verwaltung vorbehalten ist, eine Bestattungspflicht festzustellen und durchzusetzen, müsste deshalb jedenfalls bei einer offensichtlich fehlenden Leistungsfähigkeit wie der der Beklagten eine Bestattungspflichtigkeit und damit eine Pflicht i. S. d. § 679 BGB, die ein Dritter übernehmen kann, verneint werden.

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Schließlich scheidet auch ein (teilweiser) Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erstattung der angefallenen Beerdigungskosten jedenfalls im Umfang des unbedingt Notwendigen aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB aus. Denn die Beklagte hat durch die vom Kläger vorgenommene Bestattung "nichts erlangt". Der Kläger selbst geht schließlich davon aus, dass es der Beklagten gemäß § 74 SGB XII nicht zumutbar gewesen wäre, die Beerdigungskosten des verstorbenen Ehemannes zu tragen. Insoweit ist sie durch das eigenmächtige Handeln des Klägers nicht von einer Verbindlichkeit befreit worden.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, jene über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

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Die Revision ist zuzulassen, weil, soweit ersichtlich, bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, ob die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht nach Landesrecht genau wie die zivilrechtliche Stellung als Erbe oder Unterhaltspflichtiger in den Anwendungsbereich des § 679 BGB - actio funeraria - fällt und ob und wie diese Pflicht gegebenenfalls durch die Zivilgerichte festzustellen ist. Deshalb hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Weil die landesgesetzlichen Regelungen hinsichtlich der hier zu entscheidenden Rechtsfrage ähnlich sind, erfordert auch die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).


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