Urteil vom Landgericht Itzehoe (9. Zivilkammer) - 9 S 89/10

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Gaspreiserhöhungen.

2

Die Klägerin ist ein Tochterunternehmen der xxx, eines Energieversorgungsunternehmens, das in xxx, xxx und in Teilen von xxx Kunden mit Strom, Erdgas, Wärme und Trinkwasser versorgt. Die xxx ging im Jahr 2003 aus dem Zusammenschluss der xxx, der xxx xxx xxx und der xxx hervor. Zum 1. September 2008 gliederte die xxx ihr Vertriebsgeschäft Gas auf die Klägerin aus. Offene Forderungen der xxx gingen in diesem Zusammenhang auf die Klägerin über.

3

Die Beklagten schlossen mit der damaligen xxx xxx xxx einen Erdgasbelieferungsvertrag über die Verbrauchsstelle xxx in xxx nach dem Tarif Klassik. Dem lagen die „Allgemeinen Bestimmungen zum Sondervertrag xxx“ zugrunde (Bl. 49 d.A.).

4

Unter Ziffer 4 des schriftlichen Vertrags heißt es:

5

„xxx ist berechtigt, ihre Preise der Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt anzupassen.”

6

Die “Allgemeinen Bestimmungen zum Sondervertrag xxx“ lauten unter Ziff. 1.3.:

7

„Die Gaslieferung erfolgt gemäß der “Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 676) in der jeweils gültigen Fassung. Bei Widersprüchen haben die Bestimmungen dieses Vertrages vor denen der AVBGasV den Vorrang.”

8

Wegen der weiteren Einzelheiten der schriftlichen Vereinbarungen wird auf die beispielhaft eingereichte Kopie eines Mustervertrags (Bl. 34 d. Gerichtsakten) Bezug genommen.

9

Der von den Vertragsparteien vereinbarte Tarif “xxx” sah eine Abrechnung des Erdgasverbrauchs nach einem Grundpreis und einem Arbeitspreis vor. Der Grundpreis war nach der Anzahl der Tage zu bezahlen, an denen der Kunde beliefert wurde. Der Arbeitspreis richtete sich nach der Menge der gelieferten Energie.

10

Der Grundpreis betrug nach einer unwidersprochen gebliebenen Erhöhung durch die Klägerin ab dem 1. Oktober 2004 144,00 Euro je 365 Tage, der Arbeitspreis 0,03584 Euro je kWh. Der Grundpreis blieb in der Folge gleich.

11

Die Klägerin erhöhte den Arbeitspreis zum 1. Februar 2005 auf 0,03684 Euro je kWh. Zum 1. August 2005 wurde der Arbeitspreis auf 0,04264 je kWh erhöht. Zum 1. Januar 2006 wurde der Arbeitspreis auf 0,04774 Euro je kWh erhöht. Zum 1. November 2006 wurde der Arbeitspreis auf 0,05024 Euro je kWh erhöht. Zum 1. März 2007 wurde der Arbeitspreis dann auf 0,04824 Euro je kWh gesenkt. Zum 1. Juni 2007 wurde der Arbeitspreis dann nochmals auf 0,04574 Euro je kWh gesenkt. Zum 1. Januar 2008 wurde der Arbeitspreis auf 0,04874 Euro je kWh erhöht.

12

Die Beklagten widersprachen erstmals mit Schreiben vom 8. April 2005 (Anlage K7, Bl. 59 d.A.) den Preiserhöhungen. Sie akzeptierten nur eine Preiserhöhung um 2 %, solange die Klägerin ihre Preiserhöhung nicht durch Vorlage der Kalkulationsgrundlagen begründet habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Anlage K7 (Bl. 59 d.A.) Bezug genommen.

13

Den Erdgasverbrauch der Beklagten im Zeitraum vom 25. Januar 2005 bis zum 15. Februar 2008 rechnete xxx unter Zugrundelegung der von ihr erklärten Preiserhöhungen ab. Im Einzelnen errechnete sie folgende Verbrauchsbeträge:

14

- Abrechnungszeitraum 25.01.2005 bis 3.2.2006 (Anl. K9, Bl. 61ff. d.A.)   

2.183,54 Euro,

- Abrechnungszeitraum 4.2.2006 bis 2.2.2007 (Anl. K9, Bl. 64 ff. d.A.)

2.403,80 Euro,

- Abrechnungszeitraum 3.2.2007 bis 15.2.2008 (Anl. K9, Bl. 67 ff. d.A.)

2.437,30 Euro.

15

Wegen der Einzelheiten der Verbrauchswerte wird auf die Abrechnungen Anlage K9 (Bl 61, 64, 67 ff. d.A.) Bezug genommen. Die Beklagten leisteten darauf folgende Abschläge (Anlage K10, Bl. 72 d.A.):

16

- im Abrechnungszeitraum 25.01.2005 bis 3.2.2006:      

1.948,14 Euro,

- im Abrechnungszeitraum 4.2.2006 bis 2.2.2007:

2.032,78 Euro,

- im Abrechnungszeitraum 3.2.2007 bis 15.2.2008:

1.782,24 Euro.

17

Insgesamt errechnet die Klägerin folgende Nachzahlungen (Anlage K10, Bl. 72 d.A.):

18

- für den Abrechnungszeitraum 25.01.2005 bis 3.2.2006:      

234,40 Euro,

- für den Abrechnungszeitraum 4.2.2006 bis 2.2.2007:

371,02 Euro,

- im Abrechnungszeitraum 3.2.2007 bis 15.2.2008:

   655,06 Euro,

insgesamt:

1.261,48 Euro.

19

Mit der Klage hat die Klägerin Verurteilung der Beklagten zur Zahlung dieses Betrages nebst Rechtshängigkeitszinsen erstrebt.

20

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

21

Mit ihrer Berufung erstrebt die Klägerin Verurteilung der Beklagten im o.g. Umfang.

22

Sie ist der Ansicht, die in § 4 des zwischen den Parteien geschlossenen Sondervertrages enthaltene “Wärmemarktklausel”, nach der “xxx […] berechtigt [ist], ihre Preise der Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt anzupassen”, sei wirksam. Eine solche Preisanpassungsklausel könne insbesondere vor dem Hintergrund der wettbewerblichen Zwänge, denen die Klägerin unterliege, nicht unangemessen i. S. d. § 307 BGB sei. Dies werde vor allem dadurch deutlich, dass der Gesetzgeber auf eine behördliche Preisgenehmigung verzichtet habe.

23

Im Übrigen sei aufgrund der weiteren Entnahme von Gas durch die Beklagten aus dem Leitungsnetz der Klägerin nach den Preiserhöhungen jeweils ein konkludenter Energielieferungsvertrag zu dem durch die Klägerin geforderten Preis zustande gekommen.

24

Hilfsweise stützt sich die Klägerin auf die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung und trägt vor, im Falle der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel sei die hierdurch entstehende Regelungslücke durch die ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Die hiernach erforderliche Abwägung, was die Parteien vereinbart hätten, wäre ihnen bei Vertragsschluss die Unwirksamkeit der betreffenden Klausel bekannt gewesen, führe vorliegend hierzu, dass sich die Parteien nicht an einem Festpreis hätten festhalten lassen wollen. Für die Klägerin sei es unzumutbar, als Folge einer unwirksamen Preisanpassungsregelung den Kunden zu einem Preis beliefern zu müssen, der nicht den objektiven Wert des vom Kunden bezogenen Gases widerspiegelt. Dies würde letztlich zu einer unzumutbaren Belastung der Klägerin führen. Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund der Fall, dass es sich bei der Haushaltskundenversorgung um ein Massengeschäft handle und der Klägerin bei Rückforderungsansprüchen aller Kunden ein Rückforderungsrisiko i. H. v. ca. 749 Mio. Euro drohe. Dieser Argumentation könne auch nicht die Kündigungsmöglichkeit der Klägerin entgegen gehalten werden, da die Klägerin vor dem Hintergrund zweier Gerichtsentscheidungen – zum einen durch das Landgericht xxx und zum anderen durch das Landgericht Itzehoe –, die die Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln bejaht hätten, keinen Grund zur Kündigung gehabt habe.

25

Ab dem 1.6.2007 seien Preisanpassungen auf der Grundlage des § 5 Abs. 2 GasGVV erfolgt und seien mithin wirksam.

26

Die erfolgten Erhöhungen seien auch nicht unbillig gewesen, denn die Klägerin habe nicht einmal die volle Bezugskostensteigerung an ihre Kunden weitergegeben.

27

Die Klägerin beantragt,

28

das am 30.07.2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts xxx - ab-zuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1.261,48 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

29

Die Beklagten beantragen,

30

die Berufung zurückzuweisen.

31

Sie meint, eine Erhöhung des Gaspreises sei nicht stillschweigend vereinbart worden. Die Beklagten hätten durch den Widerspruch eindeutig zum Ausdruck gebracht, nicht zur Bezahlung des erhöhten Preises bereit zu sein. Im Übrigen sei die “Wärmemarktklausel” wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam. Eine ergänzende Vertragsauslegung komme vorliegend nicht in Betracht. Des Weiteren könnten § 4 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit Gas (im Folgenden: AVBGasV) und § 5 der Gasgrundversorgungsverordnung (im Folgenden: GasGVV) nicht herangezogen werden, da es sich vorliegend um einen Sondervertrag handle.

II.

32

Die nach §§ 511, 519, 520 ZPO zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

33

Die Entscheidung des Amtsgerichts weist weder eine Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) zum Nachteil der Klägerin auf, noch rechtfertigen die von der Kammer nach Maßgabe des § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

34

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Nachzahlungen. Dabei kann dahinstehen, ob die Erhöhung durch die Klägerin zum 1.10.2004 wirksam war, der die Beklagten nicht widersprochen haben. Jedenfalls sind die Preiserhöhungen der Klägerin ab dem 1.2.2005 gegenüber den Beklagten aufgrund ihres Widerspruchs nicht wirksam. Die Beklagten können allenfalls verpflichtet sein, die von ihnen akzeptierte Erhöhung des Arbeitspreises um 2%, bezogen auf die bis 31.2.2005 gültigen Preise der Klägerin, hinzunehmen. Auch wenn dies zugrundegelegt wird, steht der Klägerin keine Nachforderung mehr zu.

35

Die Preiserhöhungen der Klägerin ab dem 1.2.2005 sind gegenüber den Beklagten nicht wirksam.

36

1. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der erhöhten Preise ergibt sich nicht aus der in § 4 des Sondervertrages enthaltenen Preiserhöhungsklausel. Denn diese Klausel hält, wie durch das Amtsgericht in seinem erstinstanzlichen Urteil ausgeführt, einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB nicht stand.

37

a) Die durch die Klägerin verwendete Preisanpassungsklausel ist einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht gemäß § 310 Abs. 2 BGB entzogen. Zwar findet gemäß § 310 Abs. 2 BGB eine Inhaltskontrolle nach §§ 308, 309 BGB bei Sonderverträgen der Gasversorgung grundsätzlich nicht statt, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von der AVBGasV abweichen, an deren Stelle die GasGVV getreten ist (BGH, Urt. v. 14.07.2010 - VIII ZR 246/08, WM 2010, 1762, Rn. 35 [zitiert nach juris]; BGH, Urt. v. 13.01.2010 - VIII ZR 81/08, WM 2010, 481, Rn. 15, 17 [zitiert nach juris]; BGH, Urt. v. 28.10.2009 - VIII ZR 320/07, NJW 2010, 993, Rn. 29 [zitiert nach juris]; BGH, Urt. v. 15.07.2009 - VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59, Rn. 18 [zitiert nach juris]). Allerdings unterliegt die hier in Frage stehende Preisanpassungsklausel als Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB (BGH, Urt. v. 28.10.2009, aaO, Rn. 22 [zitiert nach juris]; BGH, Urt. v. 15.07.2009 – VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41, Rn. 17 [zitiert nach juris]). Dieser Inhaltskontrolle hält die Klausel nicht stand.

38

b) Die Preisanpassungsklausel ist gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung der Beklagten unwirksam.

39

Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann nicht von einer unangemessenen Benachteiligung des Sonderkunden ausgegangen werden, wenn in einem Sondervertrag die Preisänderungsregel des § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV unverändert übernommen wird (BGH, Urt. v. 15.07.2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Rn. 19 [zitiert nach juris]). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Vielmehr weicht die vorliegende Preiserhöhungsklausel zum Nachteil des Kunden von der gesetzlichen Preisänderungsklausel ab. Denn §4 AVBGasV ermöglicht die Weitergabe von gestiegenen Bezugskosten an Tarifkunden nur insoweit, als die Kostensteigerung nicht durch rückläufige Kosten in anderen Bereich ausgeglichen wird (BGH, Urt. v. 15.07.2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Rn. 26 [zitiert nach juris]).

40

Die vorliegende Regelung geht hierüber jedoch hinaus, denn nach ihr ist die Rechtsvorgängerin der Klägerin (bzw. nun die Klägerin) berechtigt, “ihre Preise der Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt anzupassen”. Die Klausel enthält mithin - im Gegensatz zu § 4 AVBGasV - keine Verpflichtung des Versorgungsunternehmens zur Preisanpassung, wenn diese für den Kunden günstig wäre. Insofern werden durch vorliegende Klausel die Risiken einer Veränderung des Wärmemarkes ungleich verteilt, was dazu führt, dass das Äquivalenzverhältnis zwischen den Vertragsparteien nicht gewahrt wird (vgl. auch BGH, Urt. v. 28.10.2009, aaO, Rn. 25 [zitiert nach juris]; LG Dortmund, Urt. v. 19.08.2010 - 13 O 103/06, Rn. 21 [zitiert nach juris]). Zwar lässt der Wortlaut der in Frage stehenden Preisänderungsklausel durchaus die Auslegung zu, unter den Begriff der “Anpassung an den Wärmemarkt” gegebenenfalls auch eine Preisabsenkung zu verstehen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind jedoch nach ihrem objektiven Inhalt so auslegen, wie sie von verständigen Vertragspartnern verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Verwenders zugrunde zu legen sind (vgl. etwa BGH, Urt. v. 17.12.1987 - VII ZR 307/86, BGHZ 102, 384, Rn. 20 [zitiert nach juris]). Zweifel im Rahmen der Auslegung gehen gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Insofern ist die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen, die im Zweifel zur Unwirksamkeit der Klausel führt (BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07, BGHZ 176, 244, Rn. 19 [zitiert nach juris]). Eine solche Auslegung führt vorliegend dazu, dass die Preisanpassungsklausel den Kunden unangemessen benachteiligt und damit unwirksam ist. Denn aus der Formulierung ist nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit zu entnehmen, dass eine Anpassung der Preise an den Wärmemarkt auch eine Absenkung der Preise umfasst - und erst recht nicht, dass die Klägerin zu einer solchen Preissenkung verpflichtet ist. Insofern folgt die Kammer der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit derartiger Preisanpassungsklauseln. So hat der Bundesgerichtshof unter anderem eine Klausel, nach der “Preisänderungen [sowohl] Erhöhung als auch Absenkung ein[schlossen]” für unwirksam erachtet (BGH, Urt. v. 15.07.2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Rn. 29 [zitiert nach juris]). Insofern kann im Wege des Erst-recht-Schlusses von der Unwirksamkeit der hier in Rede stehenden Klausel wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden ausgegangen werden (so auch LG xxx, Urt. v. 27.10.2009 - 301 O 32/05 im Hinblick auf eine gleichlautende Klausel; nachgehend (13 U 211/09) Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschl. v. 12.10.2010 und vom 09.12.2010 (im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Klausel); LG Dortmund, 19.8.2010 – 13 O 103/06, Rn. 21 [zitiert nach juris]; LG Hannover, Urt. v. 01.12.2009 - 18 O 52/07, Rn. 61 [zitiert nach juris])

41

c) Des Weiteren verstößt die Klausel gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Denn soweit die Preisanpassungsklausel an die “Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt” anknüpft, wird bereits nicht hinreichend deutlich, welcher Markt hier als Bezugsobjekt dienen und in welcher Weise eine etwaige Erhöhung berechnet werden soll (so auch LG xxx, Urt. v. 27.10.2009 - 301 O 32/05, Rn. 38 [zitiert nach juris] im Hinblick auf eine gleichlautende Klausel).

42

d) Der Unwirksamkeit der Klausel kann auch nicht entgegen gehalten werden, sie entspreche dem gesetzlichen Leitbild des § 4 AVBGasV. Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit ergibt sich auch die Pflicht des Versorgungsunternehmens zur Preisanpassung, wenn diese für den Kunden günstig ist (BGH, Urt. v. 29.04.2008, aaO, Rn. 26 [zitiert nach juris]). Diesem Leitbild entspricht die hier in Frage stehende Preisänderungsklausel jedoch gerade nicht. Denn in der Klausel kommt die - das Leitbild des § 4 AVBGasV prägende - Rechtspflicht des Versorgers, Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen nicht zum Ausdruck.

43

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagten auch nicht aufgrund einer konkludenten Einigung Anspruch auf Zahlung des von ihr erklärten Lieferpreises. Denn dies wurde von den Beklagten nicht stillschweigend angenommen. Unabhängig von der Frage, ob in der weiteren Entgegennahme der Leistung allein überhaupt eine Annahmeerklärung durch die Beklagten gesehen werden könnte (dagegen LG Hannover, Urt. v. 01.12.2009, aaO, Rn. 74 [zitiert nach juris]; LG Bonn, Urt. v. 03.11.2010 – 5 S 3/10), käme dies jedenfalls nur in Betracht, wenn die Kunden nach einer einseitig erklärten Preiserhöhung ihren Gasbezug über einen Zeitraum widerspruchslos fortsetzen, in dem mit einem Widerspruch zu rechnen gewesen wäre, oder wenn sie durch widerspruchslose Zahlung erhöhter Abschläge oder Nachforderungsbeträge die Preiserhöhung anerkennen. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Beklagten haben der Preiserhöhung per 1.2.2005 mit Schreiben vom 8.4.2005 widersprochen. Damit konnte weder der weitere Bezug von Gas noch die nachfolgenden Zahlungen als Einverständnis mit den von der Klägerin begehrten Preiserhöhungen verstanden werden.

44

Soweit die Klägerin sich in ihrer Berufungsbegründung zur Stützung ihrer Auffassung im Übrigen auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vor allem BGH, Urt. v. 13.06.2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 und BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362) beruft, kann sie hiermit nicht durchdringen, da sich die zitierte Rechtsprechung auf Tarifkunden, nicht aber Sonderkunden bezieht.

45

Nach dieser Rechtsprechung kommt eine konkludente Einigung zwischen dem Gasversorgung und dem (Tarif-)kunden dann zustande, wenn der Kunde nach einer auf der Grundlage von § 4 AVBGasV vorgenommenen Preiserhöhung weiterhin ohne Beanstandung des erhöhten Preises Gas bezieht, ohne in angemessener Zeit eine Billigkeitsüberprüfung nach § 315 BGB zu verlangen (BGH, Urt. v. 19.11.2008, aaO, Rn. 16 [zitiert nach juris); BGH, Urt. v. 13.06.2007, aaO, Rn. 36 [zitiert nach juris]. Diese Rechtsprechung findet grundsätzlich lediglich auf Tarifkunden Anwendung, bzgl. derer dem Gasversorger ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV eingeräumt ist (so auch LG Hannover, Urt. v. 01.12.2009, aaO, Rn. 73 [zitiert nach juris]). Zudem haben die Beklagten die Preiserhöhung zum 1.2.2005 in angemessener Zeit beanstandet.

46

3. Ein Preiserhöhungsrecht der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV bzw. § 5 Abs. 2 GasGVV. Bei Unwirksamkeit der vereinbarten Preisanpassungsklausel gelten diese Vorschriften subsidiär. Folge der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel ist, dass die gesetzlichen Vorschriften an ihre Stelle treten (§ 306 Abs. 2 BGB). Das sind vorliegend die § 433 ff. BGB und nicht die AVBGasV bzw. GasGVV. Das gilt bereits, weil diese lediglich auf Tarifkunden, nicht jedoch auf Normsonderkunden Anwendung finden (BGH, Urt. v. 13.01.2010, aaO, Rn. 25 [zitiert nach juris]; BGH, Urt. v. 28.10.2009, aaO, Rn. 39 [zitiert nach juris]; BGH, 15.07.2009 – VIII ZR 225/07, aaO, Rn. 12 [zitiert nach juris].; dem BGH folgend: LG Hannover, 01.12.2009 – 18 O 52/07, ZMR 2010, 448 ff., Rn. 45 [zitiert nach juris]).

47

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der zwischen den Parteien geschlossene Sondervertrag mit der in Frage stehenden Wärmemarktklausel eine eigenständige Vereinbarung zur Preisanpassung enthält, die sich als abschließende Regelung darstellt. Denn gemäß Ziff. 1.3. der Allgemeinen Bestimmungen (Anlage K 3, Bl. 34 d.A.) haben bei Widersprüchen die Bestimmungen des Vertrages vor denen der AVBGasV Vorrang. Eine hilfsweise Anwendbarkeit der AVBGasV für den Fall der Unwirksamkeit der ausdrücklich im Vertrag geregelten Preisanpassungsklausel ist damit gerade nicht vereinbart (i. d. S. auch BGH, Urt. v. 13.01.2010, aaO, Rn. 24 [zitiert nach juris]). Im Übrigen wäre die Vereinbarung, wonach an die Stelle einer spezielleren Klausel im Fall ihrer Unwirksamkeit nicht die gesetzlichen Vorschriften, sondern eine andere Klausel treten soll, auch nicht mit dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion zu vereinbaren (i. d. S. auch BGH, Urt. v. 28.10.2009, aaO, Rn. 37 [zitiert nach juris]).

48

4. Die Klägerin kann auch nicht damit durchdringen, ab dem 01.06.2007 seien die Preisanpassungen auf der Grundlage einer Anpassungsklausel, die den Text des § 5 Abs. 2 GasGVV übernehme, vorgenommen worden. Aus dem Schreiben vom 10.04.2007 (Anlage K4, Bl. 50 d. A.) ergibt sich keine Vertragsänderung (so auch LG Kiel, Urt. v. 21.12.2010 - 1 S 167/10). Denn der Beklagte hat einer Ersetzung der im Sondervertrag enthaltenen Preisanpassungsklausel jedenfalls nicht zugestimmt. In dem Schreiben der Klägerin wird bereits nicht hinreichend deutlich, dass hierdurch eine Vertragsänderung bezweckt werde - und damit eine Annahme durch den Beklagten erfolgen sollte. Vielmehr ist das Schreiben lediglich als Informationsschreiben zu verstehen, in dem u.a. auf die neue Rechtslage hingewiesen wurde. Hätte die Klägerin hierdurch eine Vertragsänderung vornehmen wollen, hätte sie klarstellen müssen, dass sie eine (ggf. konkludente) Annahme der Beklagten erwartet. Da ein entsprechender Hinweis in dem Schreiben nicht enthalten ist, kann widerspruchslosen weiteren Bezug von Gas durch die Beklagten aus Sicht eines objektiven Empfängers in der Rolle der Klägerin keine Zustimmung zu einer Vertragsänderung gesehen werden.

49

5. Das Amtsgericht hat es im Ergebnis auch zu Recht verneint, der Klägerin ein Preisänderungsrecht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zuzubilligen. Zwar richtet sich in Fällen, in denen Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam sind, der Inhalt des Vertrages gem. § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften, zu denen auch die Grundsätze über die ergänzende Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157 BGB zählen (vgl. BGH, Urt. v. 15.07.2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Rn. 36; BGH, Urt. v. 01.02.1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, Rn. 21 [zitiert nach juris]). Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositive Normen füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern vielmehr das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des einen Vertragsteils, hier des Kunden, verschiebt (BGH, Urt. v. 15.07.2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Rn. 36 [zitiert nach juris]; BGH, Urt. v. 01.02.1984, aaO).

50

a) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Eine unzumutbare Belastung der Klägerin lag daher nicht vor (vgl. LG Bonn, Urt. v. 08.12.2010 - 5 S 11/10, Rn. 42 [zitiert nach juris]; LG Hannover, Urt. v. 01.12.2009, aaO, Rn. 64 [zitiert nach juris]).Eine unzumutbare Belastung der Klägerin läge vor, wenn sie infolge der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel dauerhaft an die von ihr bei Vertragsbeginn erklärten Preise gebunden wäre und mithin langfristig Preissteigerungen nicht weitergeben könnte und ggf. unter ihrem eigenen Einstandspreis liefern müsste. Das ist aber vorliegend nicht der Fall. Denn die Klägerin hätte sich der Pflicht zur weiteren Lieferung entziehen können, indem sie den Vertrag fristgemäß gekündigt hätte. Ihr stand nach § 32 Abs. 1 AVBGasV bzw. § 20 GasGVV ein Kündigungsrecht mit einer Frist von einem Monat auf das Monatsende zu. Dann hätte sie die Kunden zwar ggf. nach den Bedingungen der Grundversorgung weiterversorgen müssen. Nach diesen Bedingungen wäre ihr aber eine angemessene Preisanpassung möglich gewesen. Sie war mithin nicht gezwungen, die Kunden aufgrund der Unwirksamkeit der in dem Sondervertrag vereinbarten Klausel dauerhaft und unabhängig von der Änderung ihrer Bezugspreise zu demselben Preis zu beliefern.

51

b) Die Klägerin dringt auch nicht mit ihrem Einwand durch, sie habe mit einer Unwirksamkeit der Preiserhöhungsklausel nicht rechnen müssen. Zwar gingen die Parteien von einer Wirksamkeit der Klausel aus, was sich auch daraus ergibt, dass die Beklagten ihn ihrem Widerspruch ausführten, sie akzeptierten nur eine Preiserhöhung um 2%, solange die Klägerin ihre Preiserhöhung nicht durch Vorlage der Kalkulationsgrundlagen begründet habe. Ebenfalls trifft zu, dass auch die Rechtsprechung im Versorgungsgebiet der Klägerin in zwei Entscheidungen des Landgerichts xxx und des Landgerichts xxx vom März 2008 und vom März 2009 noch von der Wirksamkeit der Preisanpassungsklausel ausging.

52

Deshalb geht das Hanseatische Oberlandesgericht xxx insoweit in einem Parallelverfahren, in dem es um dieselbe Klausel nach den Sonderverträgen der damaligen xxx xxx xxx geht, mit Beschluss vom 09.12.2010 (Az.: 13 U 211/09) davon aus, die Klägerin sei im Wege ergänzender Vertragsauslegung so zu stellen, dass sie nicht unter ihren Einstandspreisen liefern müsse und hat eine entsprechende Beweiserhebung angeordnet. Nachdem das Landgericht xxx in der ersten mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen habe, die Billigkeitsprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB komme zur Anwendung, habe die Klägerin mit einer Unwirksamkeit der Klausel nicht rechnen müssen. Da sie davon ausgegangen sei, die Billigkeit der Preiserhöhung nachweisen zu können, habe für sie kein Anlass zur Kündigung der Lieferverträge mit ihren Kunden bestanden. Das gelte jedenfalls, wenn die Kunden in ihren Widerspruchsschreiben zum Ausdruck gebracht hätten, dass sie grundsätzlich von einem Erhöhungsrecht des Versorgungsunternehmens ausgingen, und lediglich die Billigkeit der Preiserhöhung - ggf. soweit diese 2 % übersteigt - angegriffen hätten.

53

Für die Frage, ob im Wege ergänzender Vertragsauslegung ein Preisanpassungsrecht der Klägerin oder ein Anspruch auf Zustimmung zu einer Preisanpassung anzunehmen ist, kommt es nicht darauf an, ob für das Versorgungsunternehmen über den bloßen Widerspruch gegen die Preiserhöhung - gleich aus welchem Grunde - hinaus ein Anlass bestand, den Vertrag mit dem Kunden zu kündigen, ob es insoweit die Rechtslage zur Wirksamkeit der Preiserhöhungsklausel dem Grunde nach richtig erkannt hat und ob es in seinem diesbezüglichen Irrtum durch Rechtsprechung oder die Formulierung des Widerspruchs bestärkt wurde. Zwar hat der Bundesgerichtshof in der durch das Oberlandesgericht xxx zitierten Entscheidung vom 14.07.2010 (Az. VIII ZR 246/08) und dort Rn. 51 (zitiert nach juris) im Rahmen der Erörterung der Herleitung eines Preisänderungsrechts im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung ausgeführt:

54

“Am 1. April 2007 hatten bereits sämtliche Kläger durch Widersprüche gegen vorangegangene Preiserhöhungen und durch Erhebung der vorliegenden Klage deutlich gemacht, dass sie mit den Preiserhöhungen der Beklagten nicht einverstanden sind. Für die Klägerin bestand deshalb Anlass, auch eine Kündigung der mit den Klägern bestehenden Verträge in Betracht zu ziehen.”

55

Insofern ist dem Oberlandesgericht xxx zuzustimmen, dass der Bundesgerichtshof die Ablehnung einer ergänzenden Vertragsauslegung jedenfalls auch damit begründet, dass für das Versorgungsunternehmen ein Anlass zur Kündigung bestand. Als Anlass reicht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber grundsätzlich der Widerspruch gegen die Preiserhöhungen aus. Dass ein darüber hinausgehender subjektiven Anlass zur Kündigung dergestalt, dass die Klägerin auch die Unwirksamkeit ihrer Preisanpassungsklausel erkannt haben müsste, fehlt, eröffnet nicht die ergänzende Vertragsauslegung. Hiergegen spricht bereits, dass der Bundesgerichtshof einen Anlass zur Kündigung - und damit ein solches subjektives Kriterium - in anderen einschlägigen Entscheidungen gar nicht angesprochen hat. So stellte der Bundesgerichtshof etwa in den Urteilen vom 28.10.2009 (Az.: VIII ZR 320/07, aaO, Rn. 45 [zitiert nach juris]), vom 15.07.2009 (Az.: VIII ZR 225/07, aaO, Rn. 35 ff. [zitiert nach juris]) sowie vom 29.04.2008 (Az.: KZR 2/07, aaO, Rn. 30 ff. [zitiert nach juris]) im Hinblick auf die Frage der ergänzenden Vertragsauslegung darauf ab, ob objektiv eine Kündigungsmöglichkeit für das Versorgungsunternehmen bestand und erachtete diese - objektiv bestehende - Kündigungsmöglichkeit als ausreichend, um eine völlig einseitige Verschiebung des Vertragsgefüges zugunsten des Kunden - und damit eine ergänzende Vertragsauslegung - zu verneinen.

56

Dies folgt auch aus allgemeinen Grundsätzen des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen. Sind Klauseln von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam und treten gemäß § 306 Abs. 2 BGB die gesetzlichen Vorschriften an ihre Stelle, zählen hierzu zwar auch die Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB über die ergänzende Vertragsauslegung (BGHZ 90, 69, 75), doch sind deren Voraussetzungen eben nur gegeben, wenn sich andernfalls das Vertragsgefüge einseitig zugunsten des Kunden verschieben würde.

57

Im Rahmen der Prüfung, ob die infolge der Unwirksamkeit der Klausel entstehende Lücke zu einem unbilligen Ergebnis führt, ist grundsätzlich ein objektiver Maßstab anzulegen. Bereits die objektiv gegebene Kündigungsmöglichkeit verhindert daher ein Verschieben des Vertragsgefüges zu Lasten der Klägerin. Denn bereits dann wird sie infolge der Unwirksamkeit der Preiserhöhungsklausel objektiv nicht in unzulässiger Weise benachteiligt. Ob sie einen Anlass zur Kündigung in dem Sinne hatte, dass sie subjektiv mit der Unwirksamkeit der Klausel hätte rechnen müssen, kann hingegen nicht von Bedeutung sein. Denn die ergänzende Vertragsauslegung ist geprägt von einer objektiv-typisierenden Betrachtung (vgl. hierzu allgemein Roth in: Staudinger, BGB, 2003, § 157 Rn. 47 f.). So soll den typischen Interessen des Klauselverwenders und der Kunden Rechnung getragen werden (Roth, aaO; Basedow in: Münchener Kommentar, Bd. 2, 5. Aufl. 2007, § 306 Rn. 27). Diesen Zielen wird jedoch bereits dann Genüge getan, wenn sich das Versorgungsunternehmen, hier mithin die Klägerin, von dem Vertrag lösen kann und somit nicht an einem - für sie unter Umständen unwirtschaftlichen - Preis festgehalten wird. Ob sie die Notwendigkeit einer Kündigung erkannt hatte, kann hierfür nicht von Bedeutung sein.

58

Entscheidend ist auch nicht, dass die Beklagten in ihrem Widerspruchsschreiben ankündigten, sie akzeptierten nur eine Preiserhöhung um 2 %, solange die Klägerin ihre Preiserhöhung nicht durch Vorlage der Kalkulationsgrundlagen begründet habe, und damit konkludent zum Ausdruck brachten, dass sie von einer Wirksamkeit der Preiserhöhungsklausel dem Grunde nach ausgingen. Denn bei unwirksamen Klauseln ist eine Geltendmachung der Unwirksamkeit nicht erforderlich. Denn es handelt sich nicht etwa um eine - von einer Partei zu erhebende - Einrede. Vielmehr ist die Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB von Amts wegen durchzuführen. Die Frage, ob die Unwirksamkeit der Klausel ausdrücklich geltend gemacht wurde oder ob die Beklagten die Klausel selbst für wirksam hielten, ist mithin nicht entscheidend.

59

Soweit die Klägerin anführt, eine Unzumutbarkeit ergebe sich aus erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen, weil sie sich ohne die Möglichkeit einer Preisanpassung Rückforderungsansprüchen von bis zu 749 Millionen Euro ausgesetzt sähe, kommt es darauf bereits deshalb nicht an, weil nicht dargetan ist, dass es sich dabei um die hypothetischen Rückforderungsansprüche derjenigen Kunden handelt, die der Preiserhöhung widersprochen haben. Dass die Preiserhöhungen der Klägerin gegenüber den Kunden, die der Erhöhung ausdrücklich widersprochen haben, unwirksam sind, bedeutet nicht, dass hinsichtlich der Kunden, die die Preiserhöhungen unwidersprochen hingenommen haben und ggf. sogar entsprechend erhöhte Abschläge entrichtet haben oder Nachzahlungen entrichtet haben, ebenfalls keine konkludente Einigung über die Preiserhöhung anzunehmen wäre oder die Annahme eines entsprechenden Rechtes im Wege ergänzender Vertragsauslegung ebenfalls ausschiede.

60

Die von der Klägerin erklärten Preiserhöhungen sind nach alledem gegenüber den Beklagten nicht wirksam geworden.

61

Die Klage hat auch nicht teilweise deswegen Erfolg, weil die Beklagten mit dem Widerspruchschreiben eine Erhöhung des Arbeitspreises um 2%, bezogen auf die bis 31.1.2005 gültigen Preise der Klägerin, akzeptiert haben und die Klägerin die Beklagten in der Folgezeit weiterhin mit Gas belieferte. Das Hanseatische Oberlandesgericht ist in o.g. Parallelverfahren davon ausgegangen, die Kunden seien dann jedenfalls zur Zahlung des bezogenen Gases auf der Grundlage des von ihnen akzeptierten Preises verpflichtet (Beschluss v. 12.10.2010 - 13 U 211/09). Ob eine solche Verpflichtung besteht, kann vorliegend dahinstehen. Denn auch, wenn für das bezogene Gas ein Arbeitspreis zugrunde gelegt wird, der gegenüber dem Arbeitspreis der Klägerin per 31.1.2005 um 2 % erhöht wird, ergibt sich kein Nachzahlungsanspruch der Klägerin.

62

Ausgehend von einem Arbeitspreis der Klägerin per 31.1.2005 von 3,584 Ct/kWh wäre bei einer Erhöhung des Arbeitspreises um 2 % ein Arbeitspreis von 3,65568 Ct/kWh zugrunde zu legen. Daraus würden sich folgende Abrechnung ergeben:

63

        

Arbeitspreis
[ct]

Menge
[kWh]

Netto-
betrag

        

Brutto-
betrag

Saldo

1. Abrechnung 25.1.2005 bis 3.2.06

        

        

        

        

        

Arbeitspreise

        

(Bl. 63, 66, 69)

        

        

        

bis 31.1.2005

3,584

1.321,21

47,35 €

        

        

        

1.2. bis 31.7.2005

3,65568

18.944,80

692,56 €

        

        

        

1.8.2005 bis 31.12.2005

3,65568

15.776,13

576,72 €

        

        

        

1.1.2006 bis 3.2.2006

3,65568

6.628,44

242,31 €

        

        

        

Summe Arbeitspreise

        

        

1.558,95 €

        

        

        

Grundpreis

        

        

        

        

        

        

15.1.2005-3.2.2006

        

        

147,95 €

        

        

        

Summe netto

        

        

        

1.706,90 €

        

        

Umsatzsteuer 16 %

        

        

        

273,10 €

        

        

Rechnungsbetrag brutto

        

        

        

        

1.980,01 €

        

Zahlungen

        

        

        

        

1.948,14 €

        

Forderung der Klägerin

        

        

        

        

        

31,87 €

64

2. Abrechnung
4.2.2006 bis 2.2.07

Arbeitspreis
[ct]

Menge
[kWh]

Netto-
betrag

        

Brutto-
betrag

Saldo

Arbeitspreise

        

        

        

        

        

        

4.2.06-31.10.06

3,65568

25.574,35

934,92 €

        

        

        

1.11.06 -31.12.06

3,65568

8.951,58

327,24 €

        

        

        

1.1.07 bis 2.2.07

3,65568

4.999,08

182,75 €

        

        

        

Summe Arbeitspreise

        

        

1.444,91 €

        

        

        

Grundpreis

        

        

        

        

        

        

4.2.06 - 31.12.06

        

        

130,59 €

        

        

        

1.1.07 - 2.2.07

        

        

13,02 €

        

        

        

Summe netto

        

        

        

1.588,52 €

        

        

        

        

        

        

        

        

        

Umsatzsteuer 16 % (2006) auf

1.392,75 €

        

        

222,84 €

        

        

Umsatzsteuer 19 % (2007) auf

195,77 €

        

        

37,20 €

        

        

Rechnungsbetrag brutto

        

        

        

        

1.848,55 €

        

Zahlungen

        

        

        

        

2.032,78 €

        

Guthaben der Beklagten

        

        

        

        

        

-184,23 €

65

3. Abrechnung
3.2.2007 bis 15.2.08

        

        

        

        

        

Arbeitspreise

        

        

        

        

        

        

3.2.07 bis 28.2.07

3,65568

4.293,34

156,95 €

        

        

        

1.3.2007 bis 31.5.2007

3,65568

9.349,45

341,79 €

        

        

        

1.6.2007 bis 31.12.2007

3,65568

19.254,63

703,89 €

        

        

        

1.1.2008 bis 15.2.2008

3,65568

7.213,68

263,71 €

        

        

        

Summe Arbeitspreise

        

        

1.466,33 €

        

        

        

Grundpreis

        

        

        

        

        

        

3.2.07-15.2.08

        

        

149,13 €

        

        

        

Summe netto

        

        

        

1.615,46 €

        

        

Umsatzsteuer 19 %

        

        

        

306,94 €

        

        

Rechnungsbetrag brutto

        

        

        

        

1.922,40 €

        

Zahlungen

        

        

        

        

1.782,24 €

        

Forderung der Klägerin

        

        

        

        

        

140,16 €

        

        

        

        

        

        

        

Saldo

        

        

        

        

        

-12,20 €

66

Insgesamt ergäbe sich auch bei Zugrundelegung von um 2 % erhöhten Arbeitspreisen eine Überzahlung der Beklagten um 12,20 Euro. Die geltend gemachte Nachzahlungsforderung steht der Klägerin auch unter diesem Gesichtspunkt auch nicht teilweise zu.

67

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

68

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

69

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Ausweislich des Beschlusses des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 09.12.2010 (Az. 13 U 211/09) geht dieses in einem Fall, der dieselbe Klausel der Rechtsvorgängerin der Klägerin und im Übrigen im Wesentlichen vergleichbare Sachverhalte hinsichtlich der Widersprüche angeht, davon aus, dass die Preiserhöhungsklausel zwar unwirksam sei, an ihre Stelle aber aufgrund ergänzender Vertragsauslegung ein Recht der Klägerin trete, die Preise zumindest so weit zu erhöhen, dass sie nicht unter ihrem eigenen Gestehungspreis liefern müsse, da sie mit einer Unwirksamkeit der Klausel nicht habe rechnen müssen.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen