Urteil vom Landgericht Kiel (6. Zivilkammer) - 6 O 267/00

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.761,54 € zu zahlen zuzüglich Kosten in Höhe von 107,35 € und Zinsen in Höhe von 5,4 % auf 20.451,68 € vom 19. Juli 1999 bis zum 21. Mai 2003 sowie in Höhe von 4 % auf weitere 62.240,74 € vom 19. Juli 1999 bis zum 21. Mai 2003, auf 4.775,13 € vom 22. Mai 2003 bis zum 4. November 2004 und auf 2.761,54 € seit dem 5. November 2004, abzüglich am 22. Mai 2003 gezahlter Zinsen in Höhe von 11.773,- € und am 5. November 2004 gezahlter Zinsen von 421,96 €.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 7 %, die Beklagte 93 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

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Zunächst wird auf den Tatbestand des am 18. September 2000 verkündeten Teilurteils Bezug genommen, das durch die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 5. November 2002 - Aktenzeichen 3 U 184/00 - rechtskräftig ist.

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Aufgrund der Verurteilung zur Erteilung der Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am 6. Juli 1996 verstorbenen ... durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses hat die Beklagte das am 12. März 2003 aufgenommene Nachlassverzeichnis des Notars ...in Kiel (UR-Nr. 65/2003) nebst Anlagen vorgelegt (Anlage K 11). Auf den Inhalt des Verzeichnisses wird Bezug genommen.

3

Mit Schriftsatz vom 6. Mai 2003 (Anlage K 12) hat die Klägerin auf der Grundlage eines Netto-Nachlasswertes von 1.749.193,90 € einen Pflichtteilsanspruch von 1/20 geltend gemacht und Zahlung von 87.459,70 € Hauptforderung zuzüglich 59.788,42 € Zinsen begehrt. Mit Schriftsatz vom 16. Mai 2003 (Anlage K 13) errechnete die Beklagte einen Nachlasswert von 1.558.345,88 € und einen Pflichtteilsanspruch der Klägerin - auf der Grundlage von 1/20 - in Höhe von 77.917,29 €. Diesen Betrag sowie ausgerechnete Zinsen von 11.773,00 € (4 % seit dem 6. August 1999) überwies die Beklagte an die Klägerin, bei der der Gesamtbetrag von 89.690,00 € am 22. Mai 2003 einging. Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2004 begehrte die Klägerin auf der Grundlage eines Nachlasswertes von 1.704.956,71 € und einem von ihr errechneten Pflichtteilsanspruch von 85.247,83 € einen weiteren Pflichtteilsbetrag von 7.330,54 € zuzüglich ausgerechneter Zinsen von 28.359,22 € unter Fristsetzung bis zum 11. November 2004 (Anlage K 14). Mit Schriftsatz vom 2. November 2004 (Anlage K 15) errechnete die Beklagte einen restlichen Pflichtteilsanspruch der Klägerin von 2.013,59 € und überwies diesen Betrag nebst Zinsen in Höhe von 421,96 € an die Klägerin, bei der der Gesamtbetrag von 2.435,55 € am 5. November 2004 einging.

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Im Anschluss an diese außergerichtliche Korrespondenz ist die Klägerin mit Schriftsatz vom 2. Februar 2005 in die dritte Stufe der Stufenklage eingetreten und begehrt die Zahlung eines restlichen Pflichtteilsanspruches in Höhe von 5.117,29 € nebst ausgerechneter Zinsen in Höhe von 12.855,30 € sowie weiterer Zinsen. Dazu trägt die Klägerin vor, dass der in dem Schriftsatz der Beklagten vom 16. Mai 2003 (Anlage K 13) zugrunde gelegte Nachlasswert aus den unter Ziffer 1 bis 7 ihres Schriftsatzes vom 2. Februar 2005 geltend gemachten Gründen um insgesamt 142.617,44 € zu erhöhen sei, sodass sich nach ihrer Auffassung ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 85.048,17 € ergibt, weshalb unter Berücksichtigung der von der Beklagten zwischenzeitlich geleisteten Zahlungen noch ein restlicher Pflichtteilsanspruch von 5.117,29 € bestehe. Wegen der einzelnen Abrechnungspositionen und Mehrforderungen der Klägerin wird auf den Inhalt ihres Schriftsatzes vom 2. Februar 2005 (Bl. 115 ff d. A.) verwiesen.

5

Unstreitig hat die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann am 3. Dezember 1998 bei der ...ein Darlehen in Höhe von umgerechnet 20.451,68 € zu einem Zinssatz von 5,4 % pro Jahr einschließlich eines Zinsaufschlages in Höhe von 0,5 % pro Jahr für jederzeitige Sondertilgungsmöglichkeit (vgl. die Bankbescheinigung vom 23. Mai 2003, Anlage K 21) aufgenommen. Zur Absicherung dieses Darlehens hatte die Bank die Bestellung einer Grundschuld verlangt, wodurch der Klägerin Notarkosten in Höhe von 107,35 € entstanden.

6

Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.117,29 € nebst ausgerechneter Zinsen für den Zeitraum vom 19. Juli 1999 bis zum 14. Oktober 2004 in Höhe von 12.855,30 € und weiterer Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Februar 2005 auf 5.117,29 € sowie Notarkosten in Höhe von 107,35 € zu zahlen.

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Die Beklagte hat einen weiteren Pflichtteilsanspruch in Höhe von 304,52 € anerkannt und beantragt im Übrigen,

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die Klage abzuweisen.

10

Die Beklagte tritt den geltend gemachten Erhöhungsbeträgen im Einzelnen entgegen. Insbesondere wendet sie sich gegen die Auffassung der Klägerin, dass sie eine unerlaubte Handlung zum Nachteil ihres verstorbenen Ehemannes dadurch begangen habe, dass sie am 14. November 1994 einen Betrag in Höhe von 1.440.361,38 DM mithilfe ihrer Bankvollmacht von dem Konto des Erblassers bei der..., Konto-Nr. ...ohne dessen Wissen abgehoben und auf ihr eigenes Depot-Konto ...bei der ...transferiert habe. Sie behauptet, sie habe das Geld lediglich vor dem Zugriff der Nacherben schützen wollen und habe am 12. Dezember 1994 dem Erblasser Kontovollmacht über ihr eigenes Depot-Konto erteilt. Im Übrigen wendet sich die Beklagte gegen die Höhe der von der Klägerin geforderten Zinsen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der dritten Stufe des Rechtsstreits wird Bezug genommen auf die eingereichten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 10. August 2005.

12

Das Gericht hat Beweis erhoben nach Maßgabe des Beschlusses vom 14. September 2006 (Bl. 187 f d. A.), auf dessen Inhalt verwiesen wird, durch Einholung schriftlicher Auskünfte der von der Beklagten benannten Mitarbeiter der..., Zweigstelle Kiel,. Insoweit wird auf die Antwortschreiben des Zeugen ...vom 2. November 2006 (Bl. 202 d. A.), des Zeugen ...vom 1. November 2006 (Bl. 204 d. A.) und des Zeugen ...vom 10. Oktober 2006 (Bl. 200 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ist nur teilweise begründet.

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Die Klägerin ist durch die Ausschlagung der Nacherbschaft gemäß §§ 2306 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 und 2303 BGB Pflichtteilsberechtigte zu 1/20 nach ihrem verstorbenen Vater. Der gesetzliche Erbteil der Beklagten als Ehefrau beträgt ½ (§ 1931 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 BGB i. V. m. § 1371 Abs. 1 BGB), sodass der gesetzliche Erbteil der 5 leiblichen Kinder je 1/10 beträgt, der Pflichtteil somit 1/20.

15

Der von der Beklagten in dem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 16. Mai 2003 (Anlage K 13) zugrunde gelegte Nachlasswert von 1.558.345,88 € ist um insgesamt 95.503,57 € zu erhöhen, sodass sich ein Netto-Nachlasswert von 1.653.849,45 € und ein Pflichtteilsanspruch der Klägerin von 82.692,42 € ergibt.

16

Der Erhöhungsbetrag des Netto-Nachlasses ergibt sich aus den nachfolgend dargestellten Positionen, soweit diese jetzt noch streitig sind, wobei die Reihenfolge des Schriftsatzes der Klägerin vom 2. Februar 2005 übernommen wird.

17

1. Der Nachlasswert erhöht sich um 48.523,54 € Zinsen auf die Forderung des Erblassers gegen die Beklagte auf Rückzahlung der 1.440.361,38 DM (entsprechend 736.445,08 €), die die Beklagte ohne Wissen und gegen den Willen des Erblassers am 14. November 1994 von seinem Konto in ...auf ihr eigenes Depot-Konto bei der ...überwiesen hatte.

18

Zutreffend geht die Klägerin davon aus, dass die Beklagte durch den Transfer eine unerlaubte Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 Abs. 1 S. 1 StGB begangen hat.

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Die Beklagte hat mithilfe der ihr durch den Erblasser erteilten Vollmacht ohne dessen Wissen und Wollen diesen Betrag auf ihr eigenes Konto transferiert, über das sie damals nur allein verfügen konnte. Die Behauptung der Klägerin, dass der Erblasser von diesem Transfer zunächst keine Kenntnis gehabt habe, bestreitet die Beklagte nicht. Dass der Transfer auch nicht dem Willen des Erblassers entsprach, ergibt sich daraus, dass er, nachdem er kurz vor seinem Tod hiervon erfahren hatte, die Rechtsanwälte ...beauftragte, deswegen einen Mahnbescheid gegen die Beklagte zu erwirken. Der Mahnbescheid ist auch in Höhe eines Betrages von 924.000,00 DM beantragt worden und am 1. Juli 1996 auch durch das ...erlassen worden (Aktenzeichen 18 B 8575/96, Anlage B 2). Die fehlenden 516.361,38 DM konnten damals noch nicht sicher belegt werden, wie die Rechtsanwälte ...mit Schreiben vom 16. Juni 2003 den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt haben (Anlage K 16). Dass der Erblasser 6 Tage vor seinem Tod einen Mahnbescheid gegen seine Ehefrau erwirkte, spricht eindeutig dafür, dass die Transaktion gegen seinen Willen erfolgte. Nachdem die Beklagte durch Rechtsanwalt ...Widerspruch gegen den Mahnbescheid einlegen lassen hatte, ist das Verfahren gemäß dem Schreiben der Rechtsanwälte ...vom 16. Februar 2003 nicht mehr fortgesetzt worden, weil der Erblasser verstorben und die Beklagte seine Vorerbin geworden war.

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Somit hat die Beklagte bei dem Transfer aufgrund der ihr erteilten Vollmacht zwar im Rahmen ihres rechtlichen Könnens, jedoch mangels Auftrages oder Billigung des Erblassers außerhalb ihres rechtlichen Dürfens über fremdes Vermögen verfügt. Dadurch hat sie dem Vermögen des Erblassers Nachteil zugefügt, indem sie dem Erblasser das Kontoguthaben entzogen bzw. seine Forderung gegen die ...zum Erlöschen gebracht hat. Die Beklagte hat dabei vorsätzlich gehandelt, denn ihr war bewusst, dass sie ohne Kenntnis und Auftrag des Erblassers handelte und sein Vermögen schmälerte. Damit hat die Beklagte den Tatbestand der Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) in Form des Missbrauchstatbestandes verwirklicht.

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Soweit die Beklagte behauptet, sie habe am 12. Dezember 1994 dem Erblasser Vollmacht auf ihrem Depot-Konto Nr. ...bei der ...in Kiel eingeräumt und ihm damit wieder die (Mit-)Verfügungsmacht über den transferierten Betrag verschafft, ist diese Behauptung nicht bewiesen. Sie hätte im Übrigen auch an dem Umstand der erfolgten Veruntreuung nichts zu ändern vermocht, sondern lediglich zu einer zeitlich begrenzten Entziehung i. S. d. § 849 BGB geführt.

22

Die von der Beklagten benannten und schriftlich befragten Mitarbeiter der ... haben die Behauptung der Beklagten nicht bestätigt. Der Zeuge ...hat angegeben, nach seiner Erinnerung sei dem Erblasser lediglich eine Vollmacht für den Todesfall der Beklagten erteilt worden und habe der Erblasser auch keine Auszüge des Depot-Kontos der Beklagten ausgehändigt bekommen. Die Zeugen ...und ...haben mitgeteilt, sie könnten zu den Beweisfragen nichts aussagen. Die Behauptung der Beklagten ist somit nicht ansatzweise bewiesen und steht im Übrigen im deutlichen Gegensatz zu dem Umstand, dass der Erblasser kurz vor seinem Tode ein Mahnverfahren gegen die Beklagte eingeleitet hat. Dass der Erblasser entgegen dem Vortrag der Beklagten, diese habe ihn durch den Transfer vor der Begehrlichkeit seiner Kinder schützen wollen, der Beklagten nicht mehr vertraut hat, zeigt sich auch darin, dass er noch kurz vor seinem Tod das gemeinschaftliche Testament vom 5. Mai 1988 (UR-Nr. 505/88) des Notars ..., das eine gegenseitige Einsetzung zur befreiten Vorerbschaft und entsprechende Nacherbeinsetzung vorsah, durch Widerrufstestament vom 20. Juni 1996 (UR-Nr. 122/96 der Notarin ...in Kiel) widerrufen und dann durch Testament vom 28. Juni 1996 (UR-Nr. 102/96 des Notars ...in Kiel) die Beklagte nur zur nichtbefreiten Vorerbin und die leiblichen Kinder sowie Herrn ...zu Nacherben eingesetzt hat.

23

Hiernach hat die Beklagte dem Erblasser durch eine unerlaubte Handlung den Betrag von 1.440.361,38 DM im Zeitraum vom 14. November 1994 bis zu seinem Tod am 06. Juli 1996 i. S. d. § 849 BGB entzogen, der nicht nur auf die Entziehung von Sachen, sondern auch auf die Entziehung von Geld Anwendung findet (BGHZ 8, S. 288, 289; Palandt-Thomas, 61. Aufl., § 849 Rdnr. 1). Für die Zeit der Entziehung standen dem Erblasser deshalb gemäß § 849 BGB die gesetzlichen Zinsen in Höhe von 4 % pro Jahr (§ 246 BGB a. F.) zu. Bei dem entzogenen Betrag von umgerechnet 736.445,08 € ergeben sich dann pro Jahr 29.457,80 € Zinsen, entsprechend 81,827 € pro Tag (bei 360 Zinstagen). Für den Entziehungszeitraum von 593 Tagen errechnet sich somit eine zum Nachlass gehörende Zinsforderung des Erblassers gegen die Beklagte in Höhe von 48.523,41 €. Um diesen Betrag erhöht sich der von der Beklagten in ihrem Schreiben vom 16. Mai 2003 (Anlage K 13) zugrunde gelegte Nachlasswert.

24

2. Als Zinsen auf Kapitalkonten des Erblassers ist ein Betrag von 19.097,00 € dem im vorgerichtlichen Schriftsatz der Beklagten vom 16. Mai 2003 angesetzten Netto-Nachlasswert hinzuzurechnen. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig (Schriftsatz der Klägerin vom 2. Februar 2005, Seite 4; Schriftsatz der Beklagten vom 11. April 2005, Seite 6).

25

3. Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 7. September 2005 (dort Seite 6, letzter Absatz) die Wertansätze der Beklagten bezüglich des Grundstückes ...in ...und bezüglich der Danziger Möbel sowie die von der Beklagten in ihrer Berechnung angesetzte Nachlassverbindlichkeit von 9.519,87 € wegen der Hinterziehungszinsen gemäß dem Bescheid des ...vom 7. April 2003 akzeptiert hat, bestehen insoweit keine Differenzen mehr zwischen den Parteien. Wegen dieser Positionen ist der Netto-Nachlasswert unstreitig nicht zu erhöhen.

26

4. Außer Streit ist zwischen den Parteien auch, dass der von der Beklagten im Schreiben vom 16. Mai 2003 (Anlage K 13) errechnete Nachlasswert um 15.140,38 € zu erhöhen ist, weil die durch Bescheid des ...vom 4. September 2002 festgesetzte Erbschaftssteuer entgegen der ursprünglichen Auffassung der Beklagten nicht als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen ist.

27

5. Ebenfalls außer Streit ist nun, dass eine Kirchensteuer-Erstattung in Höhe von 770,63 € dem Nachlasswert hinzuzurechnen ist.

28

6. Der Nachlasswert ist gegenüber der Berechnung der Beklagten vom 16. Mai 2003 ferner um 617,25 € zu erhöhen, weil die Einkommensteuerschuld des Erblassers für die Jahre 1994 bis 1996 nicht mit 37.128,00 DM, entsprechend 18.983,25 €, anzusetzen ist - beruhend auf der ersten Berechnung gemäß dem Vermerk des Steuerberaters..., des Betreuers der Beklagten, vom 14. September 2002, vgl. Anlage 3 Ziffer 6 des Nachlassverzeichnisses vom 12. März 2003 -, sondern lediglich mit 18.366,00 € - entsprechend der Neuberechnung des Steuerberaters ... vom 14. Oktober 2003 (Anlage K 19) -.

29

7. Unstreitig geworden ist zwischen den Parteien, dass der Nachlasswert gemäß der Berechnung der Beklagten vom 16. Mai 2003 um insgesamt 11.354,90 € zu erhöhen ist wegen Steuerberatungskosten von 6.034,94 €, Rechtsanwaltskosten von 4.265,99 € und von 1.053,97 €.

30

Die vorstehend erwähnten Beträge ergeben einen Erhöhungsbetrag von insgesamt 95.503,57 € gegenüber dem von der Beklagten in ihrem Schreiben vom 16. Mai 2003 angesetzten Nachlasswert von 1.558.345,88 €. Auf der Grundlage eines Nachlasswertes von 1.653.849,45 € beträgt der Pflichtteilsanspruch der Klägerin in Höhe von 1/20 somit 82.692,42 €. Hierauf hat die Beklagte außergerichtlich insgesamt 79.930,88 € (77.917,29 € am 22. Mai 2003 und weitere 2.013,59 € am 5. November 2004) gezahlt. Es verbleibt deshalb eine restliche Hauptforderung von 2.761,54 €.

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Auf den Pflichtteilsanspruch in Höhe von 82.692,42 € stehen der Klägerin Zinsen ab Verzugsbeginn zu (Palandt-Edenhofer, 66. Aufl. 2007, § 2317 Rdnr. 3). Dieser trat hier mit Zugang des Anwaltsschreiben der Klägerin vom 2. Juli 1999 (Anlage K 20) ein, also am 3. Juli 1999 (§ 284 Abs. 1 S. 1 BGB a. F.). Die Klägerin hatte darin eindeutig zu erkennen gegeben, dass sie nicht nur Auskunft über den Nachlass, sondern auch Zahlung des Pflichtteils begehrte und hatte Stufenklage auf Auskunft und Zahlung für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs angekündigt. Mit Zugang dieses Mahnschreibens trat bezüglich des Pflichtteilsanspruchs Verzug ein, auch wenn dieser Anspruch damals noch nicht beziffert werden konnte (vgl. BGH NJW 1981, S. 1732; Palandt-Edenhofer, a. a. O.). Zinsen sind der Klägerin aber erst seit dem 19. Juli 1999 zuzusprechen, weil sie erst ab diesem Zeitpunkt eine Verzinsung begehrt.

32

Die Klägerin kann deshalb ab dem 19. Juli 1999 die geltend gemachten Sollzinsen von 5,4 % pro Jahr für das von ihr im Dezember 1998 aufgenommene Darlehen in Höhe von 20.451,68 € als Verzugsschaden ersetzt verlangen (§ 286 Abs. 1 BGB a. F.) und als weiteren Verzugsschaden die in der Höhe unstreitigen Notarkosten von 107,35 €, die anlässlich der von der ...geforderten Eintragung einer Grundschuld zur Besicherung des Darlehens entstanden. Daneben stehen der Klägerin auf den Differenzbetrag von 62.240,74 € (82.692,42 € Pflichtteilsanspruch abzüglich des Darlehensbetrages von 20.451,68 €) seit dem 19. Juli 1999 die gesetzlichen Verzugszinsen in Höhe von 4 % (§ 288 Abs. 1 S. 1 BGB in der bis zum 30. April 2000 gültigen Fassung) zu, die die Klägerin bis zum 30. April 2000 begehrt. Entgegen ihrer Auffassung kann die Klägerin jedoch auch ab dem 1. Mai 2000 auf den Differenzbetrag von 62.240,74 € lediglich Verzugszinsen in Höhe von 4 % verlangen und nicht in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Denn § 288 Abs. 1 S. 1 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl. 2000, S. 330 ff) gilt gemäß Artikel 229 EGBGB nur für solche Forderungen, die vom 1. Mai 2000 an fällig geworden sind. Dies ist bei dem Pflichtteilsanspruch der Klägerin jedoch nicht der Fall, der bereits mit dem Erbfall entstand (§ 2317 Abs. 1 BGB) und fällig war (§ 271 Abs. 1 BGB).

33

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch gemäß § 291 BGB insoweit kein höherer Zinsanspruch als 4 %, als die Rechtshängigkeit eines Zahlungsanspruchs in Höhe von 5.117,29 € mit Zustellung des Schriftsatzes vom 2. Januar 2005 und damit nach dem 1. Mai 2000 eingetreten ist. § 291 BGB bestimmt, dass eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an auch dann zu verzinsen ist, wenn der Schuldner nicht im Verzug ist, wobei die Vorschrift des § 288 Abs. 1 BGB entsprechende Anwendung findet. Diese Verweisung führt jedoch nicht dazu, dass entgegen der Übergangsregelung des Artikel 229 EGBGB auch für bereits vor dem 1. Mai 2000 fällig gewordene Forderungen eine Verzinsung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz anstatt einer Verzinsung von 4 % gilt. Denn § 291 BGB erweitert nur den Anwendungsbereich der gesetzlichen Verzinsung des § 288 Abs. 1 S. 1 BGB auch auf solche fälligen Forderungen, bei denen der Schuldner trotz Rechtshängigkeit ausnahmsweise nicht gleichzeitig in Verzug geraten ist und stellt diesen Fall hinsichtlich der Verzinsungspflicht und der Zinshöhe dem Regelfall gleich, bei dem der Schuldner durch den Eintritt der Rechtshängigkeit gleichzeitig in Verzug gerät (§ 284 Abs. 1 S. 1 BGB). Welche Zinshöhe dabei jeweils geschuldet wird, ergibt sich aber aus der jeweils gültigen Fassung des § 288 Abs. 1 S. 1 BGB (in entsprechender Anwendung) und damit aus der für diese Norm gültigen Übergangsregelung gemäß Artikel 229 EGBGB, die, wie erwähnt, die Zinshöhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nur bei Forderungen vorsieht, die vom 1. Mai 2000 an fällig geworden sind.

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Der Klägerin stehen deshalb durchgehend lediglich Verzugszinsen in Höhe von 4 % pro Jahr zu, abgesehen von ihrem weitergehenden Verzugsschaden aufgrund des in Anspruch genommenen Darlehens bei der...

35

Bei dem Zinsausspruch war weiter zu berücksichtigen, dass die Beklagte am 22. Mai 2003 einen Betrag von 77.917,29 € auf die Hauptforderung gezahlt hat. Wegen ihrer Verpflichtung zur Minderung des geltend gemachten Verzugsschadens (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB) war die Klägerin deshalb gehalten, diesen Betrag dazu zu verwenden, das Darlehen bei der ...abzulösen. Dies war der Klägerin aufgrund der Vereinbarung, jederzeit Sondertilgungen vornehmen zu dürfen, möglich (vgl. die Bankbescheinigung vom 23. Mai 2003, Anlage K 21). Dementsprechend waren der Klägerin die beantragten 5,4 % Zinsen auf 20.451,68 € nur bis zum 21. Mai 2003 zuzusprechen. Schließlich war im Zinsausspruch zu berücksichtigen, dass die Beklagte am 5. November 2004 auf die Hauptforderung weitere 2.013,59 € gezahlt hat, ferner waren die Zinszahlungen der Beklagten in Höhe von 11.773,00 € am 22. Mai 2003 und von weiteren 421,96 € am 5. November 2004 zu berücksichtigen.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO und bezieht sich auf die Kosten des ersten Rechtszuges.

37

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1 und 2, 711 ZPO.


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