Urteil vom Landgericht Kiel (16. Zivilkammer) - 16 O 213/05

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.829.395,60 € Zug um Zug gegen Übergabe der Windkraftanlage Typ B N 80 mit der Maschinennummer 8004 auf dem Grundstück in ... , nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Kaufvertrages über eine Windenergieanlage (im Folgenden: WEA), hilfsweise auf Nachbesserung in Anspruch.

2

Die Parteien schlossen am 18.08.2000 den als Anlage K 4 (Anlagenhefter I) eingereichten Kaufvertrag Nr. 199606117/ ... /1 über die Lieferung einer WEA Typ B N 80 zu einem Kaufpreis von 3.378.000,00 DM sowie ein sog. 5-Jahres-Sorglospaket für 200.000,00 DM, zusammen also 3.578.000,00 DM. Bei einem Umrechnungsverhältnis von 1,95583 DM für einen € entspräche dies 1.829.402,35 €; die Klägerin errechnet sich nur 1.829.395,60 €.

3

Gemäß §§ 2 Nr. 24 und 11 KV betrug die Gewährleistungszeit 5 Jahre, innerhalb derer die Beklagte gemäß § 2 Nr. 25 die kostenfreie Wartung einschließlich Verbrauchsmaterial sowie - § 11 Abs. 2 - die Beseitigung aller Mängel im Hinblick auf Bauart, Material oder Herstellung durch Reparatur oder Austausch fehlerhaften Materials/fehlerhafter Teile schuldete.

4

Eine technische Beschreibung der Windkraftanlage ergibt sich aus den Anlagen K 2 , K3 und K 23.

5

Wegen des weiteren Inhalts des Vertrages wird auf die Anlage K 4 Bezug genommen.

6

Die Inbetriebnahme der WEA erfolgte nicht vor dem 30.12.2000 (genauer haben die Parteien dazu nicht vorgetragen) und die Abnahme am 17.06.2002, wie ausweislich der Anlage K 10 von dem Sachverständigen C protokolliert, obwohl dieser eine Fülle von Mängeln feststellte.

7

Die Anlage erwies sich aus verschiedenen Gründen als unzuverlässig. Sie fiel wiederholt aus und produzierte in dieser Zeit keinen Strom. Deswegen zahlte die Beklagte die in § 9a des Kaufvertrages vorgesehene Ausfallvergütung ab Januar 2001 (vgl. Anlage K 6), die sie zudem für das Jahr 2001 über den vertraglich vorgesehenen Höchstbetrag auf 250.000,00 DM erweiterte (Anlage K 7).

8

Bereits im Jahr 2001 musste z.B. das Hauptgetriebe ersetzt werden (Anlage K 8).

9

Über ein Gespräch der Parteien vom 07.02.2002 wurde von der Beklagten eine schriftliche Zusammenfassung erstellt, die die Klägerin als Anlage K 9 eingereicht hat. In ihr heißt es auszugsweise wie folgt:

10

„1. Zusammenfassung des Gesprächs

11

 Aktuelle Situation in ... :

12

- Anlagenverfügbarkeit ca. 50 %

13

- Verlust der Glaubwürdigkeit innerhalb der Bevölkerung, die Anlagen noch in den Griff zu bekommen [wenn von Anlagen die Rede ist, so betrifft dies die ebenfalls von der Beklagten an die Klägerin verkaufte WEA mit der Nr. 8005, die nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits ist]

14

- deutlicher Imageverlust für Windkraft in der Region und auch für B

15

- schlechter Informationsfluss zwischen Betreiber und B

16

Probleme an den Anlagen:

17

- Pitch: Wassereinbruch, Stromag-Softwareprobleme,

18

- Riss in Stahlkonstruktion der Nabenkonsole durch fehlerhaft eingebaute Distanzgummis und Buchsen

19

- Getriebetauschaktion durch Einsatz von nicht gehärteten Distanzscheiben für Planetenlagerung

20

- Schräganströmung durch unzureichendes Windnachführungsprogramm mit Verschärfung durch die oft wechselnde Anströmung der Anlage am Standort ...

21

- Umrichterprobleme: Hier besteht noch Klärungsbedarf

22

- hohe Lärmbelästigung durch starkes Rauschen an der nördlichen Anlage

23

- deutliche aerodynamische Unwucht an der nördlichen Anlage nach Blatttausch

24

- Software und Betriebssysteme fehlerhaft, daher häufige Fehlalarme

25

- Geräusche aus dem Azimut (Quietschen und Knacken beim Nachführen der Gondeln“.

26

Es wird in der Anlage K 9 im Einzelnen dargelegt, welche Maßnahmen die Beklagte in welcher zeitlichen Abfolge und mit welchem Ziel vornehmen wollte.

27

Im Anschluss daran erfolgte die sachverständige Überprüfung der Anlage im Zusammenhang mit der Abnahme (Anlage K 10).

28

Die von der Klägerin mit dem Betrieb der Anlagen beauftragte Fa ... teilte der Beklagten unter dem 28.02.2003 (Anlage K 11) weitere Mängel mit, die am 15.02.2003 festgestellt worden seien.

29

Auch darauf und die zahlreichen Einzelpunkte in diesem Schreiben wird verwiesen.

30

Eine neuerliche Mängelmeldung enthält das Schreiben der ... vom 19.04.2003 (Anlage K 12). Darin wird wiederum gerügt, die Anlage 8004 beginne beim Drehen der Gondel laut zu quietschen, ein Problem das nicht neu und nicht ausreichend geklärt worden sei.

31

Mit Schreiben vom 19.05.2003 (Anlage K 13) reagierte die Beklagte u.a. auf ein Schreiben des Regierungspräsidiums Freiburg vom 09.05.2003, das die Parteien nicht eingereicht haben. Die Beklagte räumt darin ein, es seien erneut Geräusche während des Betriebs der Windnachführung aufgetreten, die von den Bremsen herrührten, was bedeute, dass die ursprünglich von ihr, der Beklagten, eingeleiteten Maßnahmen nicht ausreichten.

32

Unter dem 09.01.2004 teilte die ... der Beklagten ferner mit, die aktuelle Situation bei den N80 sei „ein Trauerspiel“. Die 8004 laufe zwar im Prinzip, steige bei frischem Wind aber mehrmals pro Stunde aus. Die Anzahl der Fehlermeldungen pro Tag sei in der Regel mindestens dreistellig.

33

Eine weitere Mängelrüge erfolgte unter dem 23.06.2004 (Anlage K 15) und am 27.05.2004 informierte die ... die Beklagten darüber, mit zunehmender Zeit würden ihre Sorgen mit den N80 nicht kleiner, sondern größer. Nach 3 1/2 Jahren habe sich nichts daran geändert, dass die Anlagen stünden, sobald der Wind auffrische.

34

Mitteilungen über Weiterentwicklungen bei den N80 habe die Klägerin bzw. die ... trotz der Regelung im Kaufvertrag (§ 9 b) bisher nie erhalten. Das Gesamtbild der Historie der ... er N80 lasse nur den Schluss zu, der Tausch einzelner Komponenten führe nicht zur Funktionsfähigkeit der Anlage.

35

In der weiteren Folge beanstandeten die Klägerin bzw. die Fa. ... auch, dass sie nicht ausreichend, wenn überhaupt über Arbeiten der Beklagten an den Anlagen aufgrund von Fehlermeldungen Informationen erhalten hätten.

36

Weitere Korrespondenz über Mängel schloss sich an (Anlagen K 18 - K 20).

37

Am 26.10.2005 listete die Klägerin durch Anwaltsschreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten (Anlage K 21) insgesamt 36 behauptete Mängel auf, setzte der Beklagten eine Frist zur vollständigen Mängelbeseitigung bis 15.11.2005 und kündigte an, für den Fall, dass die Mängel nicht fristgerecht vollständig beseitigt würden, eine Wandlungsklage zu erheben. Ferner wird in diesem Schreiben unter Bezugnahme auf § 9 b des Kaufvertrages geltend gemacht, es seien verschiedene Abweichungen im Zuge von Weiterentwicklungen der Windkraftanlagen des Typs N80 bekannt geworden, über die die Beklagte die Klägerin nicht informiert habe, obwohl sie vertraglich dazu verpflichtet gewesen sei und auf Verlangen der Klägerin eine Umrüstung/Ertüchtigung der Anlagen habe vornehmen müssen. Auch insoweit setzte die Klägerin der Beklagten eine Frist bis 15.11.2005.

38

Auf dieses Schreiben erwiderte die Beklagte am 18.11.2005, wie sich dies im Einzelnen aus der Anlage K 22 ergibt.

39

Im Auftrag der ... erstellte schließlich das Ingenieurbüro ... das als Anlage K 30 (Anlagenhefter II) eingereichte Gutachten zur Darstellung am 28.09.2005 vorgefundener Mängel der Anlage 8004. Auch auf dieses Gutachten wird zur Sachdarstellung Bezug genommen.

40

Die Klägerin behauptet, die Anlage sei nach wie vor mangelhaft.

41

Im Einzelnen sei das Folgende zu beanstanden:

42

1. In der Anlage sei keine vollständige Lebenslaufakte vorhanden, so dass eine Dokumentation über die an ihr vorgenommenen Arbeiten und Änderungen fehle. Wie aus dem Schriftverkehr der Fa. ... und der Beklagten ersichtlich, sei die Klägerin nicht vollständig über Serviceeinsätze informiert worden. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, ersetze dies nicht die Lebenslaufakte, die sich in der Anlage zur zielgerichteten Behebung von Störungen befinden müsse.

43

2. Für die WEA fehle eine Konformitätsbescheinigung, die entgegen der Annahme der Beklagten nicht übergeben worden sei.

44

3. Es fehle ein Wartungspflichtenheft, das ebenfalls nicht übergeben worden sei.

45

4. Es sei kein aktuelles Stammdatenblatt vorhanden, in welchem die anlagenspezifischen Daten und eingebauten Komponenten vollständig und richtig aufgelistet seien. Auch dies sei notwendig, um zielgerichtet Störungen beheben zu können.

46

5. Die Stromlaufpläne in der Anlage seien nicht aktualisiert worden, obwohl an der Anlage mehrfach Änderungen stattgefunden hätten, die nicht eingepflegt worden seien.

47

6. Die Betriebsstunden und der Ertrag der Anlage würden nicht korrekt angezeigt. Im Jahr 2003 sei die Steuereinheit ausgewechselt und die Daten der Betriebsjahre 2000 bis 2003 nicht in die neue Steuerung übernommen worden. Die jetzt angezeigten Werte im Display seien daher falsch.

48

7. Die Nennleistung der WEA von 2500 kW werde erst bei einer Windgeschwindigkeit von 15,5 m/sec. erreicht, statt der im Kaufvertrag zugesicherten 14 m/sec.. Daher sei die erzeugte Strommenge niedriger als beim Kauf angenommen.

49

8. Die Berechnung der Verfügbarkeit der Anlage sei unrichtig, da das RFC-Glied im Steuerschrank des Turmfußes Mängel aufweise und ein Bauteil häufig ausfalle.

50

Außerdem unterscheide die Betriebsdatenaufzeichnung nicht zwischen den Gründen für einen Stillstand der Anlage, wenn die Anlage manuell gestoppt werde. Das bedeute, dass die Reparaturzeit so gewertet werde, als sei die Anlage technisch verfügbar gewesen.

51

9. Eine vollständige und fachgerechte Bedienung und Betriebsführung der Anlage sei nicht möglich, da die Zugangsrechte für die Steuerung der Anlage für die Klägerin zu stark eingeschränkt seien. Es sei daher für die Klägerin bzw. den Betreiber nicht möglich, ohne Gefahr in die Nabe einzusteigen oder den Rotor zu blockieren.

52

10. Der Berührungsschutz an den Klemmen in der Trafostation sei unzureichend. Es bestehe dadurch Lebensgefahr für diejenigen, die Arbeiten ausführen müssten.

53

11. Der Umrichter der elektrischen Anlage im Turm sei nicht in ausreichendem Maße elektromagnetisch verträglich und störe deshalb den Router für die Fernübertragung.

54

12. Am Kabelstrang im Turm seien durch Verwindung, Anscheuern und Schwingungen Schäden an einzelnen Kabeln entstanden, bei denen es sich entgegen der Annahme der Beklagten nicht um betriebsübliche Gebrauchsspuren handele, weil Ursache dafür eine nicht fachgerechte Verlegung des Kabels sei.

55

13. Die Beklagte bestreitet nicht, dass das oberste Podest im Turm als Ölauffangwanne konzipiert ist und eine Undichtigkeit vorhanden ist, weshalb das Öl in den Turm tropft. Die Klägerin hält dies für einen Mangel.

56

14. An den Bremsscheiben der Azimuteinrichtung seien Riefen vorhanden, bei denen es sich um keine betriebsüblichen Gebrauchsspuren handele und die zu einem vermehrten Verschleiß an den Bremsbelägen führten.

57

15. Die Azimutbremsen seien fehlerhaft konstruiert. Um das Verschleißteil Bremsbeläge auszutauschen sei zudem mit einem unzumutbaren Zeitaufwand von Vier-Mann-Tagen zu rechnen. Solche Arbeiten fielen zudem unzumutbar häufig an, weil die Bremsbeläge, wie vorstehend dargestellt, einem vermehrten Verschleiß unterlägen. Akzeptabel sei allenfalls ein Arbeitsaufwand von 5 Stunden.

58

16. Das Hauptlagergehäuse sei mindestens einmal verrutscht, was sich aus dem Riss des Korrosionsschutzes an der Trennfuge ergebe.

59

17. Die Beklagte bestreitet nicht, dass am Getriebegehäuse der Korrosionsschutz großflächig abplatzt.

60

18. Am Getriebe sowie an den Einrichtungen des Ölumlaufs seien mehrere Leckagen vorhanden. Schmieröl entweiche und verschmutze die umliegenden Bereiche.

61

19. An den Verzahnungen im Getriebe seien Stillstandsmarkierungen vorhanden, bei denen es sich nicht um betriebsübliche Gebrauchsspuren handele.

62

20. An der Inspektionsluke der Getriebestirnradstufe seien mehrere Halter für Rohrleitungen und Wärmetauscher angebracht. Nach dem Lösen der Befestigungsschrauben seien diese Halter kaum wieder anzubauen, was als Mangel bereits mit dem Abnahmeprotokoll festgestellt worden sei und sich bei der Begehung am 10.10.2005 erneut gezeigt habe.

63

21. Die Spulen im Gondelschaltschrank vibrierten in unzulässigem Maße.

64

22. Im Getriebe fänden sich Korrosionsstellen, was auf Wasser im Öl hindeute.

65

23. Die Bedienung der Rotorblockierungen sei dem Betreiber nicht möglich, da er keine technische Zugangsberechtigung für diesen Teil habe.

66

24. Unstreitig entweicht an den Pitch-Lagern Altfett nach außen, das nicht fachgerecht aufgefangen wird.

67

25. Im Bereich der Pitch-Verzahnung sei metallischer Abrieb an den Zahnflanken vorhanden. Die gehärtete Flankenoberfläche eines Zahns pro Pitch-Lager sei deutlich reduziert. Da WEA für eine Betriebszeit von 20 Jahren konstruiert seien, was die Beklagte nicht in Abrede stellt, handele es sich dabei nicht um normale Gebrauchsspuren.

68

26. Der Schalter für die Endabschaltung der Rotorblätter beim Pitchen weise eine große Hysterese auf. Dadurch entstünden immer wieder Abschaltungen der Anlage.

69

27. Die Belüftung am Einstieg zur Nabe könne nur unzureichend erfolgen, da die im Turmfuß vorhandenen Teile für die Abdeckung des Nabeneinstiegs mit Belüftung nicht auf die vorhandenen Bohrungen passten. Die Beklagte habe zu erkennen gegeben, dass es sich hierbei um einen Mangel handele, habe sie doch den Einstieg an der baugleichen Windenergieanlage mit der Nummer 8005 auf demselben Grundstück verbessert.

70

28. Die drei Blattwinkel differierten im Betrieb um mehr als 0,5°, was zu überhöhten Lasten und damit zu einem Verlust an Lebensdauer bei einigen Hauptkomponenten der Anlage führe.

71

29. An den Rotorblättern bzw. der Pitch-Mechanik sei keine Blockiereinrichtung vorhanden, wie es üblicherweise in den Richtlinien für den Betrieb von WEA gefordert werde.

72

Die Klägerin beanstandet ferner, dass die Beklagte, wie ihr bereits vorgerichtlich mitgeteilt, Verbesserungen hinsichtlich der Konstruktion der Anlagen nicht gemeldet habe, so dass sie auch nicht die Möglichkeit gehabt habe, die Übernahme der Verbesserungen in die Anlagen in ... zu beantragen.

73

Wegen weiterer Einzelheiten ihres hierauf bezogenen Sachvortrages wird auf Blatt 11 - 14 der Akte verwiesen.

74

Weil sich aus den vom gerichtlich bestellten Gutachter eingereichten Unterlagen, soweit sie von der Beklagten stammten, schließlich auch ergebe, dass die WEA in den ersten drei Monate des Jahres 2007 nur eine Verfügbarkeit von ca. 68% aufgewiesen habe (Bl. 140 ff. d.A.), meint die Klägerin daher, sie habe einen Anspruch auf Wandlung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages, weil die Anlage nach wie vor in erheblichem Umfang mangelhaft sei. Das sei von Anfang an vielfach gerügt worden, ohne dass die Beklagte ihrer Nachbesserungspflicht hinreichend nachgekommen sei. Hilfsweise ergebe sich der Wandlungsanspruch aus einer Verletzung der von der Beklagten in § 9 b des Kaufvertrages übernommenen Verpflichtungen.

75

Die Klägerin beantragt,

76

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.829.395,60 € Zug um Zug gegen Übergabe der Windkraftanlage Typ B N 80 mit der Maschinennummer 8004 auf dem Grundstück in ... Gemarkung ... , Flurstück 283 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagerhebung zu zahlen,

77

hilfsweise

78

die auf dem Grundstück in ... Gemarkung ... Flurstück 283 befindliche Anlage des Typs B mit der Maschinennummer 8004 so herzustellen, dass sie dem in der Anlage K 1 (K 1) befindlichen Produktdatenblatt der technischen Beschreibung in der Anlage 2 (K 2) inklusive der TLA Systembeschreibung in der Anlage 3 (K 3) entspricht.

79

Die Beklagte beantragt,

80

die Klage abzuweisen.

81

Sie behauptet, die Mängel seien bis Oktober 2004 behoben worden.

82

Wegen der Einzelheiten ihrer Stellungnahme zu den Mängelbehauptungen in der Klage wird auf Blatt 25 - 34 der Akte Bezug genommen. Soweit die Beweisaufnahme die Behauptungen der Klägerin bestätigt habe, lägen lediglich unerhebliche Tauglichkeitsmängel vor, die mit einem Kostenaufwand von nur 14.400 € zu beheben seien und daher keine Wandlung des Kaufvertrages rechtfertigten.

83

Sie meint ferner, sie habe sich wegen zu kurzer Fristsetzungen vor der Klagerhebung weder mit der Nacherfüllung durch Reparaturen noch mit der Durchführung von Verbesserungsmaßnahmen wegen Weiterentwicklungen in Verzug befunden. Ohnehin fielen die von der Klägerin behaupteten konstruktiven Änderungen der Serie nicht unter die im Vertrag geregelte Verpflichtung zur Übernahme in die WEA der Klägerin, die nämlich nur dann gegeben sei, wenn Weiterentwicklungen für die Lebensdauer und die Leistungsfähigkeit der Anlage relevant und ihre Umsetzung technisch möglich oder zumutbar seien. Dies sei nicht der Fall, was sich aus ihren Ausführungen auf Seite 12 - 15 der Klagerwiderung (Bl. 34 - 37 d.A.) ergebe.

84

Die Beklagte ist ferner der Ansicht, es handle sich bei dem Vertrag Anlage K 4 entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um einen Kauf-, sondern um einen Werkvertrag.

85

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie die Protokollerklärungen der Parteien am 4.11.2008 (Bl. 180 ff.) Bezug genommen.

86

Die Kammer hat Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschlusses vom 19.02.2007 (Bl. 86 - 90 d.A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. ... vom 08.05.2008, die von ihm zur Vorbereitung der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens 04.11.2008 eingereichten Dateien Bl. 136 - 159 d.A. sowie das Terminsprotokoll Bl. 180 ff. d.A. verwiesen.

Entscheidungsgründe

87

Die Klage hat mit dem Hauptantrag Erfolg.

88

I. Anspruchsgrundlage sind die §§ 433, 459, 462, 465, 467 und 346 ff. BGB a.F.

89

A. Bei dem Vertrag vom 18.08.2000 handelt es sich um einen Kaufvertrag und nicht um einen Werkvertrag. Die Beklagte selbst hat ihn in der Vertragsurkunde Anlage K 4 zutreffend so bezeichnet, weil er nicht die Erbringung einer Werkleistung zum Gegenstand hatte, sondern die Lieferung einer WEA, welche die Beklagte serienmäßig hergestellt und nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin im Zeitpunkt der Belieferung an sie bereits 110mal produziert hatte.

90

Eine WEA ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch kein Bauwerk, das wesentliches Grundstücksbestandteil gemäß § 94 BGB geworden sei und daher einer Wandlung entgegenstehe. Richtigerweise handelt es sich dabei vielmehr um ein Scheinbestandteil i.S.d. § 95 BGB, was auch vom OLG Schleswig (WM 2005, 1909; weitere Hinweise bei Palandt/Ellenberger, 68. Aufl., § 95 Rn. 3) so gesehen wird.

91

Die WEA Nr. 8004 weist erhebliche Mängel auf.

92

Abgesehen davon, dass sie unbestritten seit ihrer Inbetriebnahme Ende 2000 vielfältige Fehlfunktionen zeigte, die zu längeren Stillstandszeiten führten (von der Beklagten eingeräumt in Anlage K 9: Anlagenverfügbarkeit Anfang Februar 2002 nur ca. 50%), nach wie vor Mängel vorhanden sind, die von der Beklagten zu beheben gewesen wären, ist ein Wandlungsrecht der Klägerin gegeben.

93

Ein ganz entscheidender Mängelpunkt ist die von der Beklagten selbst für das erste Quartal 2007 bestätigte Verfügbarkeit der WEA von nur 68,82%.

94

Gemäß § 9a des Kaufvertrages hatte die Beklagte für die Dauer der Gewährleistung, also vom 17.06.2002 bis 17.06.2007, eine durchschnittliche Verfügbarkeit von 96% gewährleistet. Dies und die vorgerichtliche Korrespondenz der Parteien sowie die hohen Ausgleichszahlungen der Beklagten, die diese inzwischen allerdings eingestellt hat, zeigt, dass die gewährleistete Verfügbarkeit nicht erreicht wurde.

95

Die Verpflichtung der Beklagten zu Ausgleichszahlungen bedeutete nicht, dass die Klägerin gehindert gewesen wäre, mit unzureichender Verfügbarkeit ihren Wandlungsanspruch zu begründen. Denn die Zahlungen waren auf umgerechnet 76.693,78 € p.a. begrenzt. Höhere Ertragsausfälle gingen demnach zu Lasten der Klägerin, was sie nicht hinnehmen muss.

96

Unter Ziffer 6. seines Gutachtens hat der Sachverständige Dipl.-Ing. ... ausgeführt, der Hauptrechner der WEA sei insofern mangelhaft, als die Software für den Fall eines möglichen manuellen Stops der Anlage nicht zwischen zwei alternativen Ursachen unterscheide. Es sei denkbar, dass die Anlage gestoppt werde, ohne dass ein Defekt vorliege, was nicht zu Lasten der Verfügbarkeit der Anlage gehen könne, weil es die freie Entscheidung des Betreibers sei, die Anlage zu stoppen. Sei allerdings ein Fehler Grund für einen manuellen Stop der Anlage, wenn etwa bei der Wartung ein Schaden an einem Lager oder anderen Teilen festgestellt werde, so gehe dies zu Lasten der Verfügbarkeit und müsse entsprechend vom Hauptrechner der Anlage registriert werden. Das sei hier indessen nicht der Fall.

97

Das hält die Kammer für einen gewährleistungsrechtlich relevanten Mangel. Zum einen muss die Klägerin als Eigentümerin eine Kontrolle über die Verfügbarkeit der Anlage haben, weil dies grundsätzlich Ausfluss ihrer Rechtsstellung ist und die Parteien vertraglich nichts hiervon Abweichendes vereinbart haben.

98

Zum anderen hat auch insoweit der vorstehend unter lit. aa) bereits angesprochene § 9 a des Kaufvertrages Bedeutung.

99

Durch die am 17.01.2006 zugestellte, bei Gericht am 22.12.2005 eingegangene Klage, mit der hilfsweise Mängelbeseitigung verlangt wird, wurde die Gewährleistungsfrist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB, § 204 BGB n.F. gehemmt (BGH NJW-RR 1994, 514 f., NJW 1997, 3164 f., Palandt/ Heinrichs, a.a.O., § 204 Rn. 13). Denn die Zustellung erfolgte „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO, obwohl die Gewährleistungsfrist mit Blick auf die Regelung in § 11 Abs. 1 des Kaufvertrages bei regulärem Verlauf Ende 2005 abgelaufen war. Denn die Klageschrift ging vorher bei Gericht ein. Daher brauchte nicht näher geprüft zu werden, ob es wegen der diversen Nachbesserungsarbeiten, die die Beklagte an der WEA ausgeführt hatte, zu Unterbrechungen (§ 208 BGB a.F.; vgl. Palandt/Heinrichts, 61. Aufl., § 208 Rn. 5) oder Hemmungen (§ 639 Abs. 2 BGB a.F. analog; vgl. Palandt/Sprau, 61. Aufl., § 639 Rn. 6) der Gewährleistungsfrist gekommen war und welche Dauer diese hatten.

100

Der Klägerin stehen also nach wie vor Ausgleichsansprüche gemäß § 9a KV gegen die Beklagte zu, deren Höhe sie aber im Streitfall zu beweisen hat. Dazu gehört, eine eventuelle Unterschreitung der gewährleisteten Verfügbarkeit von 96% nachzuweisen. Das aber kann die Klägerin nur, wenn sie auch die Möglichkeit hat, den Verfügbarkeitsgrad unabhängig von der Beklagten zuverlässig selbst festzustellen. Daran fehlt es nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ... .

101

Die Kammer erblickt hierin einen schwerwiegenden Mangel.

102

Unter Ziffer 9. hat der Sachverständige die Rüge der Klägerin bestätigt, der Kabelstrang sei nicht fachgerecht verlegt. Üblich sei es, ihn im Bereich

103

der unteren Schlaufe (vergl. die Anlage zum Protokoll vom 04.11.2008 -, Bl. 192 d.A.; Zeichnung des Sachverständigen), des sogenannten „Loops“, in einer Wippe zu führen. Nur diese lasse die notwendigen Auf- und Abbewegungen des Kabelstrangs zu, die vom Verdrehen der Kabel durch die Windnachführung der Gondel bewirkt würden. Dadurch werde ein unerwünschtes seitliches Auslenken und ein „Verwursteln“ der Kabel in der Umlenkung durch Schwingungen des Turms wirkungsvoll verhindert. Der Sachverständige hat im Termin vom 04. November weiter ausgeführt, dass die auf Seite 9 seines Gutachtens im Foto oben rechts erkennbare Umfassung des Kabelstrangs durch einen metallenen Ring nicht ausreichend sei, um ein Verdrillen des Kabels im Bereich des „Loops“ zu verhindern.

104

Ferner lägen die metallenen Kabelstrümpfe zu nah beieinander, was dazu führe, dass die Kabel beschädigt würden.

105

Auch das stellt zweifellos einen Mangel dar.

106

Der Sachverständige hat unter Ziffer 10. seines Gutachtens ferner als Mangel gekennzeichnet, dass an den Kabeldurchführungen und an der Durchführung des Seiles der Absturzsicherung Öl durchfließen könne, was durch ein entsprechendes Führungsblech unterhalb des Getriebes technisch verhindert werden könne.

107

Er hat zwar unter Ziffer 11. die von ihm festgestellten Riefen an den Bremsscheiben der Azimuteinrichtung als nicht betriebsübliche Gebrauchsspuren gekennzeichnet, in seiner Gutachtenerläuterung im Termin aber ausgeführt, die Riefen müssten bei der Herstellung der Bremsscheibe entstanden sein. Sie führten allerdings zweifellos zu einem erhöhten Verschleiß der Bremsbeläge. Auch das hält die Kammer für einen Mangel, zumal wie unten noch näher auszuführen sein wird, der Austausch der Bremsbeläge wegen der von der Beklagten gewählten Konstruktion der WEA einen unnötig hohen Aufwand erfordert. Der Sachverständige hat ferner in diesem Zusammenhang auch das von der Klägerin vorgerichtlich wiederholt gerügte und auch im Termin vom 04.11.2008 angesprochene Quietschen der Anlage als Mangel angesprochen und ausgeführt (Bl. 185 f. d.A.), das Quietschgeräusch werde nach seiner Beurteilung durch ein Verölen der Bremsscheibe ausgelöst, über das auch die Beläge verölt worden seien und was in der Vergangenheit ein Grund für deren Auswechslung gewesen sei.

108

Unter Ziffer 12. seines Gutachtens hat der Sachverständige die Rüge der Klägerin für gerechtfertigt bezeichnet, es handle sich um keine fachgerechte Konstruktion, dass die oberste Turmplattform nicht in Stehhöhe unterhalb der Bremsen angebracht worden sei. Wäre dies geschehen, so könnten die Bremsbeläge ausgewechselt werden, ohne ein Arbeitsgerüst zu installieren zu müssen. Ihm sei bekannt, dass die Beklagte die Anlagen später entsprechend anders gebaut habe. Eine technische Notwendigkeit für die Anordnung der oberen Turmplattform etwa 3 m unterhalb der Azimutbremsen sei nicht zu erkennen.

109

Auch dies ist ein Mangel, weil der unbestritten erheblich größere Mehraufwand beim Bremsbelagwechsel die Rentabilität der Anlage nicht unwesentlich beeinträchtigt.

110

Der Sachverständige hat unter Ziffer 14. seines Gutachtens ausgeführt, es befinde sich am sogenannten Spannsatz, der das Getriebe mit der Hauptwelle verbindet, ein Schaden am Korrosionsschutz (Seite 13 des Gutachtens), was die Beklagte einräumt.

111

Er hat des Weiteren unter Ziffer 15. das Vorhandensein einer Leckage bestätigt. Bei seiner ersten Besichtigung seien zwar die von der Klägerin gerügten Leckagen am Getriebe abgedichtet gewesen. Bei der zweiten Besichtigung sei indessen im Bereich der Ölpumpe wiederum eine Leckage aufgetreten. Auch das stellt einen Mangel dar.

112

Unter Ziffer 16. hat er dargelegt, die festgestellten Stillstandsmarkierungen an den Getriebeverzahnungen seien keine betriebsüblichen Gebrauchsspuren, sondern es handle sich um eine Beschädigung der Oberfläche durch Kontaktkorrosion, die zu Anrissen an den Zähnen führen könnten. Er könne zwar nicht sagen, dass es aus diesem Grunde zu Zahnausbrüchen kommen könne, wisse aber jedenfalls von Offshore-Anlagen, in denen derartige Stillstandsmarkierungen Grund gewesen seien, vorsorglich das Getriebe auszutauschen. Darüber hinaus komme es zu erhöhten Laufgeräuschen aufgrund der Stillstandsmarkierungen, die er insgesamt als technischen Mangel bezeichne.

113

Auch das hält die Kammer für zutreffend und überzeugend.

114

Die vom Sachverständigen unter Ziffer 17. behandelten Vibrationen der Spulen im Gondelschrank hat er ebenfalls in seiner Erläuterung im Termin als Mangel bestätigt. Ursache sei eine zu weiche Lagerung des Schranks auf Gummifüßen, welche zu einer verkürzten Lebensdauer des Schranks und der darin befindlichen Bauteilen führe. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass die Beklagte die Konstruktion bei der in großen Zügen baugleichen WEA des Typs N90 anders gelöst habe und zudem über einen entsprechenden Nachrüstsatz verfüge.

115

Unter Ziffer 18. hat der Sachverständige ausgeführt, es sei mit der Frage ein kritischer Punkt angesprochen, ob die Bedienung der Rotorblockierung dem Betreiber nicht möglich sei, weil er keine technische Zugangsberechtigung hierfür habe. Der Sachverständige hat zunächst ausgeführt, die Rotorblockierung könne zwar auch ohne Zugangsberechtigung bedient werden, was aber mit erhöhtem Aufwand und unter Umständen erhöhtem Risiko der Fall sei. Der Betreiber müsse nach seiner Beurteilung die nicht in dieser Hinsicht eingeschränkte Möglichkeit haben, die Anlage zu bedienen, um plötzliche Gefahren abwenden zu können. Der Sachverständige hat insoweit Bezug genommen auf eine Richtlinie der Europäischen Union (Seite 16 seines Gutachtens). Ergänzend hat er im Termin ausgeführt, die Klägerin als Betreiberin müsse unter den für sie gegebenen Bedingungen bei einer beabsichtigten Blockierung des Rotors solange warten, bis sich dieser durch Windeinwirkung so weit gedreht habe, dass eine der auf einer runden Scheibe vorhandenen Bohrungen so frei liege, dass der Arretierungsbolzen durchgesteckt werden könne. Auf die Windwirkung angewiesen zu sein, sei gegenüber der theoretisch gegebenen technischen Möglichkeit der Beklagten eine schlechtere Lösung. Deren Einwand, auch ihre Leute könnten die Rotorblockierung nicht auf andere Weise vornehmen, als sie vom Sachverständigen beschrieben worden sei, hat dieser als unzutreffend zurückgewiesen. Er hat ausgeführt, man könne eine Rotation des Rotors bewirken, wenn man den Blattwinkel verstelle.

116

Das sei die Klägerin gerade nicht möglich.

117

Im Zusammenhang mit seiner ergänzenden Erläuterung zu Ziffer 20. des Gutachtens, wo er ausgeführt hatte, der Zahnradschalter für die Endabschaltung der Rotorblätter habe zwar die von der Klägerin beanstandete große Hysterese, was aber nicht der Grund der vielen Ausfälle der Anlage sein dürfte, hat der Sachverständige dargelegt, er sehe sich an einer vernünftigen gutachterlichen Stellungnahme deswegen gehindert, weil er keine zur Beurteilung der Frage aussagekräftigen Unterlagen bekommen habe.

118

Die ihm übermittelten und auch dem Gericht und den Parteien zur Verfügung gestellten Datensätze (Bl. 136 ff. d.A.) ließen erkennen, dass die Klägerin als Betreiberin von der Beklagten zum Teil offenbar Fehlermeldungen automatisch übermittelt bekomme, die tatsächlich möglicherweise keine Fehler darstellten, jedenfalls aber nicht zur Abschaltung der Anlage geführt hätten, während wiederum andere Fehlermeldungen nicht bei der Klägerin aufliefen, wie etwa die häufig in einer Datei verzeichnete Fehlermeldung „Slanting Wind-Direction“. Dabei handele es sich darum, dass der Rotor nicht korrekt in den Wind gedreht werde. Der Sachverständige hat wiederholt, es fehle ihm für eine abschließende Beurteilung der Beweisfrage 20. die hinreichende Datenlage.

119

Gleichwohl sieht die Kammer in seinen Ausführungen bereits einen gravierenden Mangel der Anlage insofern, als die Klägerin nicht zutreffend über Ausfälle unterrichtet wird, die zum Stillstand der Anlage und damit zu einer Beeinträchtigung der Verfügbarkeit führen können.

120

C. Die Bewertung dieser Mängel führt in der Zusammenschau zur Annahme eines Sachmangels i.S.d. § 459 BGB a.F..

121

Danach haftet der Verkäufer einer Sache dem Käufer dafür, dass sie zu der Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergeht, nicht mit Fehlern behaftet ist, welche den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern, wobei eine unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit nicht in Betracht kommt.

122

Die hier vom Sachverständigen angesprochenen Mängel lagen zweifellos vor, als die Gefahr auf die Klägerin überging, weil es sich um konstruktive Mängel handelt, die in Verbindung mit der weit unter dem gewährleisteten Wert liegenden Verfügbarkeit auch nicht etwa nur unerheblich sind und daher Gewährleistungsansprüche ausgelöst haben.

123

Die Klägerin kann sich hier auch ungeachtet dessen auf einen Wandlungsanspruch stützen, dass in § 11 Abs. 2 des Kaufvertrages eine Mängelbeseitigungspflicht der Beklagten als Verkäuferin statuiert ist.

124

Dabei handelt es sich um die grundsätzlich mögliche Vereinbarung eines Nachbesserungsanspruchs des Käufers einer Sache (dazu Staudinger/Honsell, 13. Aufl., § 462 a.F. Rn. 14; Palandt/Putzo, 61. Aufl., § 462 BGB a.F. Rn. 4). Allerdings sind durch diese Regelung nicht die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche der Klägerin ausgeschlossen worden.

125

Wie § 476 a BGB a.F. zu entnehmen ist, kann sich der Verkäufer auf ein Nachbesserungsrecht als einzigen Gewährleistungsanspruch des Käufers nur dann berufen, wenn dieses an die Stelle und nicht etwa wahlweise neben das Recht auf Wandlung oder Minderung tritt (Honsell a.a.O., § 476a BGB a.F. Rn. 3). Das setzt indessen eine eindeutige Regelung voraus, der zu entnehmen ist, dass dem Käufer gerade wegen des Nachbesserungsanspruchs kein Wandlungs- oder Minderungsrecht zustehen soll.

126

Daran fehlt es hier.

127

Zumindest ist die Regelung in § 11 Abs. 2 KV unklar und daher im Sinne der Klägerin so auszulegen, dass ihr neben dem Anspruch auf Nachbesserung auch die gesetzlichen Gewährleistungsrechte verbleiben sollten.

128

II. Mit der Erklärung der Wandlung durch die Klagerhebung ist der Kaufvertrag in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt worden, das die Beklagte Zug um Zug gegen Rückgabe der WEA zur Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet.

129

Zwar hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin gemäß

130

§ 347 BGB a.F. verpflichtet ist, auf ihr Verlangen die gezogenen Nutzungen herauszugeben bzw. zu vergüten habe.

131

Deren Umfang musste die Beklagte darlegen und beweisen, wobei ihr die Schätzungsmöglichkeit des § 287 ZPO zugute kommt (Staudinger/Kaiser, 13. Aufl., § 347 Rn. 124).

132

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine zeitanteilige lineare Wertminderung aus dem Vergleich zwischen der tatsächlichen Gebrauchsdauer und der voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer ermittelt wird (BGHZ 115, 54; NJW 96, 250;

133

Kaiser a.a.O., § 347 Rn. 67 ff.).

134

Ausgehend von einer Gesamtnutzungsdauer von 240 Monaten (20 Jahre) ergibt sich eine tatsächliche Nutzungsdauer bis Ende Dezember 2008 von 96 Monaten = 40 % der Gesamtnutzungsdauer. Dies würde bedeuten, dass der Wert der Nutzung in Relation zum Kaufpreis der Anlage mit 731.758,24 € zu veranschlagen wäre, sofern die WEA von der Klägerin durchgehend zu 100% genutzt werden konnte. Das ist aber unbestritten nicht der Fall. Es wäre daher Sache der Beklagten gewesen, hierzu näher vorzutragen, was nicht geschehen ist. Bei der gewährleisteten Verfügbarkeit von 96% läge der Wert bei 702.487,91 €. Auch dieser Wert wurde nicht erreicht, was die Ausgleichszahlungen der Beklagten belegen.

135

Der Wert der Nutzung dürfte also noch unter dem vorgenannten Betrag liegen.

136

Die Kammer geht davon aus, dass er vollen Umfangs ausgeglichen wird durch den in § 347 Satz 3 BGB a.F. normierten Anspruch der Klägerin auf Verzinsung des Kaufpreises mit 5 % p.a. (§ 352 HGB) ab Zeitpunkt des Empfangs.

137

Gemäß § 4 des Kaufvertrages war der Kaufpreis in drei Raten zu zahlen, nämlich 20% bei Vorliegen der vorbehaltlosen Finanzierungszusage, 75% nach Aufstellung der WEA und 5% bei Abnahme.

138

Tatsächlich wurden (Schriftsatz der Klägerin vom 11.01.2007; Bl. 81 f. d.A.) 715.600,00 DM zum 19.10.2000, 2.683.500,00 DM zum 14.12.2000 und restliche 178.900,00 DM zum 30.05.2001 gezahlt.

139

Der Zinsanspruch der Klägerin beläuft sich damit für die Zeit bis Ende Dezember 2008 auf ca. 736.618,03 €. Er übersteigt den höchstmöglichen Anspruch der Beklagten auf Ausgleich gezogener Nutzungen, dem die Klägerin im vorgenannten Schriftsatz ihren Zinsanspruch entgegen gehalten hat, so dass die Beklagte nichts mehr zu beanspruchen hat.

140

Daher kommt es nicht darauf an, ob der Klägerin weitere Forderungen wegen ihrer streitigen Verwendungen auf die WEA zustehen können (§§ 347 Satz 2 iVm. 989 ff. BGB a.F.).

141

III. Anspruchsgrundlage für die Zinsforderung sind die §§ 291 i.V.m. 288 Abs. 1 BGB.

142

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.


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