Urteil vom Landgericht Köln - 22 O 84/19
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.950,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.01.2018 zu zahlen. Zudem wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 729,23 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.05.2018 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand:
2Der Kläger fungiert als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Beteiligungsgesellschaft MS „T“ mbh & Co. KG (im Folgenden „Insolvenzschuldnerin), aus Hamburg. Mit Beschluss vom 07.05.2014 (Az. 5 IN 104/13) eröffnete das Amtsgericht Niebüll das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin (Anlage K1). Gegenstand des Unternehmens war das Halten von Kommanditanteilen an sieben Tochtergesellschaften, die jeweils eines von sieben baugleichen Containerschiffen betrieben.
3Der Beklagte, wohnhaft in Köln, ist als Kommanditist mit einer Einlage von 15.000,00 € an der Insolvenzschuldnerin beteiligt (Handelsregisterauszug der Insolvenzschuldnerin vom 15.11.2017, Anlage K2). Der Beklagte ist seit dem 23.10.2003 beteiligt (Registervollmacht, Anlage B1; chronologischer Registerauszug, Anlage K10 S. 203).
4Seit der Aufnahme ihrer Kommanditisten im Jahre 2001 stellen sich die Gewinn- und Verlustrechnungen für das jeweilige Geschäftsjahr wie folgt dar (Anlagenkonvolut K3):
5Jahr |
Ergebnis |
2001 |
-17.610.155,18 € |
2002 |
-2.851.663,01 € |
2003 |
7.806.364,70 € |
2004 |
9.256.065,29 € |
2005 |
7.303.873,46 € |
2006 |
-29.404.907,24 € |
2007 |
-127.850,01 € |
2008 |
-248.006,68 € |
2009 |
-270.628,73 € |
2010 |
-229.175,83 € |
2011 |
-276.981,22 € |
2012 |
-25.356.430,33 € |
2013 |
-678.548,30 € |
Bereits im Beitrittsjahr war das Kapitalkonto des Kommanditisten unter den Betrag der Hafteinlage herabgemindert worden.
7Zwischen 2003 und 2008 erhielt der Beklagte folgende Ausschüttungen:
8Datum |
Höhe |
Betrag |
20.06.2003 |
4 % der Kommanditbeteiligung |
600,00 € |
10.12.2003 |
4 % der Kommanditbeteiligung |
600,00 € |
11.06.2004 |
4 % der Kommanditbeteiligung |
600,00 € |
14.12.2004 |
6 % der Kommanditbeteiligung |
900,00 € |
13.06.2005 |
4 % der Kommanditbeteiligung |
600,00 € |
20.12.2005 |
4 % der Kommanditbeteiligung |
600,00 € |
09.06.2006 |
4 % der Kommanditbeteiligung |
600,00 € |
29.09.2006 |
9 % der Kommanditbeteiligung |
1.350,00 € |
18.12.2006 |
4 % der Kommanditbeteiligung |
600,00 € |
14.06.2007 |
4 % der Kommanditbeteiligung |
600,00 € |
21.12.2007 |
2 % der Kommanditbeteiligung |
300,00 € |
23.12.2008 |
4 % der Kommanditbeteiligung |
600,00 € |
Gesamt |
53 % der Kommanditbeteiligung |
7.950,00 € |
Die erfolgten Ausschüttungen waren die Rückgewähr der Kommanditeinlage, da sie zu Zeitpunkten erfolgten, in denen das Kapitalkonto des beklagten bereits unter den Betrag der jeweiligen Hafteinlage herabgemindert war.
10Bislang wurden Forderungen i.H.v. 55.695.211,48 € zur Insolvenztabelle angemeldet (Anlage K5). Zum 21.12.2018 befand sich das Massekonto auf einem Stand von 1.058,79 € (Kontoauszug der W, Anlage K6).
11Mit Schreiben vom 03.01.2018 forderte der Kläger den Beklagten erfolglos zur Rückzahlung der erhaltenen Ausschüttungen auf und setzte ihm dafür eine Frist bis zum 24.01.2018. (Anlage K8). Sodann bevollmächtigte der Kläger seine Prozessbevollmächtigten mit der Prüfung und Durchsetzung des Zahlungsanspruchs. Diese forderten den Beklagten mit Schreiben vom 23.04.20185 auf, die erhaltenen Ausschüttungen zurückzuzahlen (Anlage K9).
12Der Kläger beantragt:
131. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 7.950,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.01.2018 zu zahlen.
142. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Kosten in Höhe von 729,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.05.2018 zu zahlen.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Der Beklagte ist der Ansicht, die Ausschüttungen zwischen 2003 und 2005 habe er im guten Glauben angenommen, weil ihm nicht bekannt gewesen sei, dass es in den Jahren 2001 und 2002 erhebliche Verluste gab. Überdies meint der Beklagten, eine Nachhaftung sei schon wegen Verjährung nicht möglich, §§ 195, 199 BGB. Ferner scheitere der Anspruch auch an § 146 InsO.
18Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die Klage ist zulässig und begründet. Insbesondere kann der Kläger in seiner Funktion als Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Ansprüche geltend machen, § 172 Abs. 2 HGB.
21I.
22Gemäß den §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB steht dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung der Ausschüttungen i.H.v. 7.950,00 € zu.
231.
24Danach haftet der Beklagte in voller Höhe auf die Rückzahlung der empfangenen Ausschüttungen. Nach § 172 Abs. 4 S. 1 HGB gilt die Einlage eines Kommanditisten den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet, soweit sie zurückbezahlt ist. Darunter ist jede Zuwendung an den Kommanditisten zu verstehen, durch die dem Gesellschafter Vermögenswerte ohne angemessene Gegenleistung entzogen werden (Schmidt im Münchener Kommentar zum HGB, 3. Auflage 2012, § 172 Rn. 66). Dies gilt nach § 172 Abs. 4 S. 2 HGB auch, soweit ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalkonto durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Hafteinlage herabgemindert ist.
25Durch die in den Jahren 2001 bis 2008 erfolgten Ausschüttungen ist das Kapitalkonto des Beklagten unter die Haftungssumme herabgesunken. Der Kläger hat die begehrte Forderung hinreichend schlüssig dargetan und belegt. Die Darlegung einer Forderung macht es notwendig, den Gegenstand des Vertragsverhältnisses und die daraus resultierenden Forderungen darzutun und erforderlichenfalls zu belegen. Hinsichtlich Einzelheiten ist es möglich, sich auf Anlagen zu beziehen. Dies gilt auch, soweit Forderungen im Rahmen der Haftung nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB geltend gemacht werden. Dabei ist es zur Darlegung der Forderung ausreichend, wenn der Kläger die Insolvenztabelle vorlegt mit festgestellten Forderungen, die nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können (BGH, Beschluss vom 18.10.2011 - II ZR 37/10, juris Rn. 9 mwN, Urteile vom 22.03.2011 - II ZR 100/09, juris Rn. 20 und vom 11.12.1989 - II ZR 78/89, NJW 1990, 1109, 1111; BGH, Urteil vom 20.02.2018 – II ZR 272/16, Rn. 15, juris). Diese Anforderungen hat der klägerische Vortrag erfüllt.
26Die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerseite werden von dem Beklagten auch nicht in erheblicher Weise angegriffen. Dies gilt umso mehr, als der in Anspruch genommene Kommanditist auch nur mittels der Bilanzen darlegen und beweisen kann, dass seine Haftsumme im Zeitpunkt der Auslegung gedeckt gewesen sein soll (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 23.06.2017 – I-12 U 103/16). Der Höhe nach sind die Auszahlungen zwischen den Parteien unstreitig.
272.
28Soweit der Beklagte bestreitet, dass der von ihm zurückverlangte Betrag nicht erforderlich sei, um offene Gläubigerforderungen zu befriedigen, dringt er damit nicht durch. Denn die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die eingeklagten Beträge zur Befriedigung der Gläubigerin nicht mehr benötigt werden, liegt bei dem Beklagten, weil es sich insoweit um eine rechtsvernichtende Einwendung handelt (OLG Stuttgart, NZG 1999, 113, 115; BGH, Urteil vom 20.02.2018 – II ZR 272/16 Rn. 39, juris). Der Kläger hat vorgetragen, dass nach Einzug aller erfolgten Ausschüttungen i.H.v. 52.021.090,00 € eine vollständige Befriedigung der zur Tabelle festgestellten Forderungen über 54.833.675,53 € nicht möglich ist. Diesem Vortrag ist der Beklagte nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Der Beklagte hätte etwa Einsicht in die die Gesellschaft betreffenden Unterlagen nehmen können. Er ist daher nicht berechtigt, die Höhe der Restforderung schlicht zu bestreiten. Der klagende Insolvenzverwalter hat indes im Sinne einer sekundären Darlegungslast die für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft darzulegen, soweit er dazu imstande ist (BGH, Urteil vom 20.02. 2018 – II ZR 272/16).
293.
30Der Beklagte ist auch nicht deshalb von der Haftung befreit, weil er die Rechtslage unzutreffend beurteilt hat und deshalb der Annahme war, die Jahresüberschüsse dürften an ihn ohne Haftungsfolgen ausgeschüttet werden. Insoweit gilt der allgemeine Grundsatz, dass jeder, der am Rechtsverkehr teilnimmt, die dabei geltenden Regeln zu beachten hat und sich nicht darauf berufen kann, diese Regeln nicht zu kennen. Eine Verlust aufweisende Bilanz kann keinen guten Glauben begründen (BGH, Urteil vom 20. April 2009 – II ZR 88/08 –, Rn. 12 ff., juris).
314.
32Soweit sich der Beklagte hilfsweise auf ein Zurückbehaltungsrecht stützt, wird er nicht gehört. Der Beklagte legt nicht die Voraussetzungen dar, die ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht begründen könnten.
335.
34Überdies greift die von dem Beklagten erhobene Verjährungseinrede nicht durch. Die Feststellung der Forderungen zur Insolvenztabelle hat für den Insolvenzverwalter und die Gläubiger gemäß § 178 Abs. 3 InsO die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils (BGH, Urteil vom 10.10.2013 - IX ZR 30/12, NJW 2014, 391 Rn. 16 mwN). Für den Schuldner ergibt sich die Rechtskraftwirkung nicht aus § 178 Abs. 3 InsO, weil dieser dort nicht genannt ist. Sie folgt aber mittelbar aus § 201 Abs. 2 InsO. Nach dieser Vorschrift können Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben, wobei eine nicht bestrittene Forderung einer Forderung gleich steht, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Diese Wirkung tritt auch außerhalb des Insolvenzverfahrens ein. § 201 Abs. 1 InsO regelt nur die während des Insolvenzverfahrens nicht mögliche Vollstreckung (§ 89 InsO) nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Die Rechtskraftwirkung außerhalb der Vollstreckung besteht schon vor Aufhebung des Verfahrens, sobald die Feststellung zur Tabelle erfolgt ist (BGH, Urteil vom 10.10.2013 - IX ZR 30/12, NJW 2014, 391 Rn. 19). Die Rechtskraftwirkung eines Titels gegenüber der Gesellschaft beschränkt grundsätzlich die Einwendungsmöglichkeiten für den persönlich haftenden Gesellschafter. Gegen die aus § 128 HGB begründete persönliche Haftung eines Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft kann ein Gesellschafter gemäß § 129 Abs. 1 HGB von persönlichen Einwendungen abgesehen nur die Einwendungen geltend machen, die auch von der Gesellschaft erhoben werden können. Ist im Gesellschaftsprozess ein rechtskräftiges Urteil gegen die Gesellschaft ergangen, wirkt dies auch gegen die Gesellschafter, indem es ihnen die Einwendungen nimmt, die der Gesellschaft abgesprochen wurden (BGH, Urteil vom 03.04 2006 - II ZR 40/05, NJW-RR 2006, 1268 Rn. 15 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 03.11.2015 - II ZR 446/13, ZIP 2016, 211 Rn. 34) (BGH, Urteil vom 20.02. 2018 – II ZR 272/16 –, BGHZ 217, 327-340, Rn. 22 - 23).
35Zudem ist die Verjährung für sämtliche zur Insolvenztabelle angemeldete Forderungen bis zum Ende des Insolvenzverfahrens gehemmt. Vorliegend sind dabei die §§ 161 Abs. 2, 159 Abs. 4 HGB zu beachten. Nach § 159 Abs. 4 HGB wirken der Neubeginn der Verjährung und ihre Hemmung nach § 204 BGB gegenüber der aufgelösten Gesellschaft auch gegenüber den Kommanditisten, die der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Auflösung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens angehört haben. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Daher kann der Einwand des Beklagten, eine Verjährung sei nach § 146 InsO gegeben, nicht durchgreifen.
36II.
37Der Zinsanspruch hinsichtlich des Klageantrags zu 1) erwächst wegen des klägerischen Schreibens vom 03.01.2018, in welchem eine Frist zur Rückzahlung bis zum 24.01.2018 gesetzt wurde (Anlage K8), aus §§ 288, 286 BGB.
38III.
39Ein Anspruch auf Zahlung von 729,23 € sowie ein Anspruch auf Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten seit dem 15.05.2018, die der Kläger mit dem Klageantrag zu 2) geltend macht, bestehen aus Verzug, §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 BGB zu.
40IV.
41Die Nebenentscheidungen basieren auf §§ 91, 709 S. 1, 2 ZPO.
42Der Streitwert wird auf 7.950,00 EUR festgesetzt.
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