Urteil vom Landgericht Köln - 14 O 462/20
Tenor
Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 28.12.2020 wird bestätigt mit der Maßgabe, dass der Tenor wie folgt gefasst wird:
Die Verfügungsbeklagte wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, für jeden Fall der Zuwiderhandlung v e r b o t e n,
das Buch der Verfügungsklägerin mit dem Titel: „L “
ohne Erlaubnis der Verfügungsklägerin zu vervielfältigen und/oder zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten bzw. vervielfältigen und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen,
wenn dies in der nicht seitens der Verfügungsklägerin zur Veröffentlichung freigegebenen Version erfolgt und darin insbesondere noch ca. 100 Fehler enthalten sind, wie in der von Amazon am 22.12.2020 ausgelieferten Version des Buches gemäß Anlage ASt6 (ohne die hier zur Verdeutlichung erfolgte Markierung der Fehler) geschehen.
Die weiteren Kosten des Verfahrens werden der Verfügungsbeklagten auferlegt.
1
Tatbestand:
2Die Verfügungsklägerin ist ein Social Media Star mit insgesamt über 3 Million Followern auf verschiedenen Plattformen. Die Verfügungsbeklagte ist ein Unternehmen, das u. a. als Herstellerin für Handelswaren tätig ist.
3Die Parteien schlossen im September 2019 einen Vertrag über die Herstellung und den Vertrieb eines Buchs. Die Verfügungsklägerin ist die Autorin dieses Buchs. Sie verfasste ein handschriftliches Manuskript, das die Verfügungsbeklagte sodann in einer zum Druck geeignete Form überführte, ein geeignetes Layout erstellte und die von der Verfügungsklägerin gewünschten Lichtbilder einfügte. Das Buch enthält neben dem von der Verfügungsklägerin verfassten Text eine Vielzahl von Lichtbildern, auf denen die Verfügungsklägerin zu sehen ist (vgl. Anlage ASt 6). Die Verfügungsklägerin persönlich und der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten kommunizierten in diesem Zusammenhang regelmäßig über die Messenger App „WhatsApp“. Im November 2020 erhielt die Verfügungsklägerin eine Vorabversion des Buchs zur Durchsicht. Die Verfügungsklägerin teilte daraufhin Mitte November über WhatsApp Änderungswünsche mit, welche jedoch fast ausschließlich die verwendeten Bilder, nicht aber den Text betrafen. Im Übrigen kommunizierte jedenfalls ab dem 27.11.2020 der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten über WhatsApp mit dem Manager der Verfügungsklägerin, Herrn S, im Zusammenhang mit Korrekturen am Text des Buches der Verfügungsklägerin.
4Es war zwischen den Parteien abgestimmt, dass das Buch ab dem 29.11.2020 vorbestellt werden konnte. Dieses Vorbestellungsdatum war von der Verfügungsklägerin mit langem Vorlauf in sozialen Medien angekündigt worden und sollte deshalb keinesfalls verschoben werden.
5Nach weiterer Kommunikation zwischen den Parteien gab die Verfügungsklägerin über WhatsApp am 08.12.2020 mit konkreter Bezugnahme auf die Datei „Inhalt_L_FINAL_kI.pdf“ die Freigabe zur Veröffentlichung des Buchs (Anlage ASt 13 Bl. 234 GA).
6In der Zeit zwischen dem 04.12.2020 und dem 15.12.2020 stellte die Verfügungsklägerin fest, dass die Verfügungsbeklagte begonnen hatte, ihr Buch mit dem Titel „L “ über den Verlag E1 und die Plattform amazon.de zur sofortigen Lieferung (und nicht bloß als Vorbestellung) anzubieten. Die Verfügungsklägerin bestellte am 15.12.2020 drei Exemplare und stellte bei Durchsicht am 17.12.2020 fest, dass das Buch ca. 100 Rechtschreibfehler und falsche Urheberrechtsbezeichnungen betreffend die Lichtbilder enthielt. Auch das Management der Verfügungsklägerin erhielt am 22.12.2020 ein derartiges Buch von Amazon nach Köln geliefert. Die Verfügungsklägerin musste zudem feststellen, dass Endkunden bereits Bücher geliefert erhielten und über Rezensionen bei amazon.de die vielen Rechtschreibfehler kritisierten.
7Auf Antrag der Verfügungsklägerin vom 24.12.2020 hat die Kammer der Verfügungsbeklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel mit Beschluss vom 28.12.2020 verboten,
8das Buch der Antragstellerin mit dem Titel: „L “
9ohne Erlaubnis der Antragstellerin zu vervielfältigen und/oder zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten bzw. vervielfältigen und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen,
10solange dieses Buch in nicht seitens der Antragstellerin zur Veröffentlichung freigegebenen wurde und darin insbesondere noch ca. 100 Fehler enthalten sind, die durch die Verwendung der Datei „Q 8 Innenseiten_Fehler.pdf“ und/oder in der von Amazon am 22.12.2020 ausgelieferten Version des Buches gemäß Anlage ASt6 (ohne die hier zur Verdeutlichung erfolgte Markierung der Fehler) geschehen.
11Wegen der Einzelheiten wird auf die einstweilige Verfügung der Kammer vom 28.12.2020 (Bl.134 GA) Bezug genommen.
12Die Verfügungsbeklagte hat gegen die einstweilige Verfügung vom 28.12.2020 mit Schriftsatz vom 13.01.2021 Widerspruch eingelegt.
13Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, dass der Verfügungsgrund fehle, weil die Verfügungsklägerin bereits seit dem 18.11.2020 Kenntnis vom Inhalt des Buches gehabt und daraufhin keine Änderungswünsche am Text mitgeteilt habe. Der Antrag der Verfügungsklägerin vom 24.12.2020 sei demnach nicht binnen eines Monats bei Gericht eingereicht worden.
14Die Verfügungsbeklagte ist ferner der Ansicht, dass kein Verfügungsanspruch bestehe, da in der detaillierten Mitteilung von Änderungswünschen betreffend die Fotos im Buch eine konkludente Erklärung zu erkennen sei, dass das Werk im Übrigen, v.a. betreffend den Text, nicht zu beanstanden sei. Folglich läge eine konkludente Freigabe zur Veröffentlichung durch die Antragstellerin vor. Sie beruft sich ferner auf die gesetzliche Pflicht des Verfassers, das Werk in einem geeigneten Zustand abzuliefern (§ 10 VerlG), sowie auf die Genehmigungsfiktion des § 20 Abs. 2 VerlG, welche dem Anspruch der Verfügungsklägerin entgegenstünden.
15Die Verfügungsbeklagte beantragt,
16die einstweilige Verfügung der Kammer vom 28.12.2020 unter Zurückweisung des auf deren Erlass gerichteten Antrags aufzuheben.
17Die Verfügungsklägerin beantragt,
18die einstweilige Verfügung der Kammer vom 28.12.2020 zu bestätigen.
19Die Verfügungsklägerin bestreitet, dass sie vor dem 08.12.2020 jegliche zur Einsicht überlassenen Arbeitsversionen des Buchs gegenüber der Verfügungsbeklagten ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten freigegeben habe.
20Sie ist der Ansicht, dass eine konkludente Freigabe zur Veröffentlichung angesichts der besonderen Bedeutung des Urheberpersönlichkeitsrechts vorliegend nicht in Betracht komme.
21Entscheidungsgründe:
22Die einstweilige Verfügung der Kammer war zu bestätigen.
23Der Tenor war gemäß § 938 Abs. 1 ZPO geringfügig zu modifizieren, weil nach Erlass der einstweiligen Verfügung von der Verfügungsklägerin erstmals mitgeteilt worden ist, dass eine Freigabe zur Veröffentlichung des Buchs in einer bestimmten Version tatsächlich am 08.12.2020 erklärt worden ist. Demnach war insbesondere die im Tenor des Beschlusses vom 28.12.2020 genutzte Konjunktion „solange“ zu ändern in „wenn“ (siehe im Übrigen Ziffer III.).
24I.
25Das Landgericht Köln ist zur Entscheidung im Verfügungsantrag zuständig. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 32 ZPO. Das Buch der Verfügungsklägerin konnte ab dem 04.12.2020 bundesweit zur sofortigen Lieferung bestellt werden und konnte damit insbesondere auch im Bezirk des Landgerichts Köln im Wege des Fernabsatzes käuflich erworben werden. Dies ist auch am 22.12.2020 nach Bestellung des Managements der Verfügungsklägerin durch Lieferung nach Köln geschehen. Im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gründe des Beschlusses vom 28.12.2020.
26II.
27Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Verfügungsbeklagte war auch begründet.
281.
29Der Verfügungsgrund i.S. v. §§ 935, 940 ZPO ist gegeben.
30a)
31Der Verfügungsgrund wird im Urheberrecht nicht vermutet. Deshalb bedarf der Erlass einer vollstreckbaren Entscheidung auf Grund eines bloß summarischen Verfahrens einer besonderen Rechtfertigung. Den Nachteilen, die dem Antragsteller aus einem Zuwarten bis zur Hauptsacheentscheidung entstehen können, sind die Nachteile gegenüberzustellen, die dem Antragsgegner aus der Anordnung drohen. Das Interesse des Antragstellers muss so sehr überwiegen, dass der beantragte Eingriff in die Sphäre des Antragsgegners auf Grund eines bloß summarischen Verfahrens gerechtfertigt ist. Bei der Verletzung von urheberrechtlich geschützten Rechtspositionen kann sich die Dringlichkeit allerdings aus der Lage des Falls von selbst ergeben. Das ist dann der Fall, wenn eine Verletzung dieses Rechts fortdauert und daraus dem Rechtsinhaber ein Schaden erwächst (OLG Köln, Urteil vom 10.07.2015, 6 U 195/14, juris).
32Vorliegend ergibt sich die grundsätzliche Dringlichkeit aus den Umständen des Falls. Wenn die Verfügungsbeklagte das Buch der Verfügungsklägerin in einer von ihr nicht zur Veröffentlichung freigegebenen Version vertrieben hat und folglich aus ihrer Sicht „unfertige“ Werke an Leser gegangen sind, sind damit die Interessen der Verfügungsklägerin in erheblichem Maße beeinträchtigt. Eine Duldung des fortgesetzten Vertriebs dieser nicht freigegebenen Werke bis zu einer Hauptsacheentscheidung ist der Verfügungsklägerin nicht zumutbar.
33b)
34Die danach grundsätzlich anzunehmende Dringlichkeit kann allerdings entfallen, wenn der Antragsteller längere Zeit zuwartet, obwohl er die Rechtsverletzung und die Person des Verantwortlichen kennt oder sich der sich aufdrängenden Kenntnis verschließt und dadurch zu erkennen gibt, dass es ihm nicht eilig ist (OLG Köln, Urteil vom 10.07.2015, 6 U 195/14, juris). Das Erfordernis der Dringlichkeit stellt unter anderem einen Ausgleich für die nur eingeschränkten Verteidigungsmöglichkeiten des Antragsgegners im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dar; dieses Verfahren soll nur in wirklich eilbedürftigen Fällen zur Anwendung kommen. Maßgeblich für den Beginn der Dringlichkeitsfrist ist die Kenntnis des Antragstellers von den relevanten Umständen, die einen Rechtsverstoß begründen (vgl. etwa OLG Köln, Beschluss vom 13.05.2016 – 6 W 61/16). Auch wenn in diesem Bereich bestimmte Fristen nur als Anhaltspunkt dienen können, ist in der Regel von fehlender Dringlichkeit auszugehen, wenn der Unterlassungsgläubiger ohne zwingende Gründe einen Zeitraum von mehr als einem Monat bis zur Antragstellung verstreichen lässt (OLG Köln, Beschluss vom 22.01.2010 – 6 W 149/09 – Ausgelagerte Rechtsabteilung).
35Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Dringlichkeit gewahrt.
36Die Verfügungsklägerin hat die Wahrung der Dringlichkeit ausreichend glaubhaft gemacht. Aus der Vorlage eines Ausdrucks des Angebots des streitgegenständlichen Buchs bei amazon.de (Anlage ASt 4 Bl. 17 GA) ergibt sich, dass das Veröffentlichungsdatum der 04.12.2020 war. Dies bestreitet die Verfügungsbeklagte nicht. Durch eidesstattliche Versicherung erklärte die Verfügungsklägerin, dass sie am 15.12.2020 drei Exemplare über Amazon bestellt habe und diese ihr am 17.12.2020 geliefert worden seien. Erst durch Einsicht in diese Exemplare konnte die Verfügungsklägerin erkennen, welchen konkreten Inhalt das in Verbreitung gegebene Buch hat. Dabei kann offenbleiben, ob die Kenntnis der Verfügungsklägerin von der konkreten Verletzungsform erst am 17.12.2020 bestand. Denn jedenfalls ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 24.12.2020 auch bei Abstellen auf das erstmalige Veröffentlichungsdatum am 04.12.2020 binnen der grundsätzlich zu wahrenden Monatsfrist bei Gericht eingegangen.
37Die Behauptung und die darauf beruhende Ansicht der Verfügungsbeklagten, wonach die Verfügungsklägerin bereits seit Zusendung eines Exemplars des Buches am 18.11.2020 Kenntnis vom Inhalt gehabt habe und somit die Monatsfrist überschritten gewesen sei, ändert hieran nichts. Denn zu dieser Zeit hatte die Verfügungsklägerin jedenfalls noch keine Kenntnis davon, dass das Buch seitens der Verfügungsbeklagten veröffentlicht und im Handel zum Kauf angeboten wird. Tatsächlich ist diese Veröffentlichung nach den obigen Ausführungen auch erst am 04.12.2020 erfolgt. Demnach ist es logisch zwingend, dass vor diesem Veröffentlichungstermin noch keine Kenntnis der Verfügungsklägerin über die Veröffentlichung ihres Buchs in einer von ihr nicht autorisierten Version bestanden haben kann.
382.
39Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung, der Vervielfältigung und der Verbreitung bzw. des Veröffentlichen-, Vervielfältigen- und Verbreitenlassens des Buchs „L “ in einer von ihr nicht ausdrücklich freigegebenen Version aus §§ 97 Abs. 1, 12, 15 Abs. 1, 16, 17 UrhG. Hierzu wird zunächst Bezug genommen auf die Gründe des Beschlusses vom 28.12.2020.
40Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Verfügungsbeklagten in der Widerspruchsbegründung ist davon auszugehen, dass der Verfügungsklägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zusteht.
41Die Verfügungsbeklagte hat ohne ausreichende Gestattung eine nicht finale Version des Werks der Verfügungsklägerin veröffentlicht, vervielfältigt und verbreitet bzw. die entsprechenden Handlungen vornehmen lassen. Sie hat dadurch das Urheberrecht der Verfügungsklägerin widerrechtlich verletzt.
42a)
43Die Verfügungsklägerin als Urheberin eines Sprachwerks gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG (mit Blick auf den Text) bzw. eines Sammelwerks § 4 Abs. 1 UrhG (mit Blick auf das gesamte Buch) hat gem. § 12 UrhG das Recht zu bestimmen, ob und wie ihr Werk zu veröffentlichen ist. Dieses Recht hat die Verfügungsbeklagte durch den Beginn des Vertriebs des Buchs in der Version entsprechend Anlage ASt 6 widerrechtlich verletzt.
44Mit dem Begriff der Veröffentlichung ist nur die Erstveröffentlichung gemeint. Eine unerlaubte Erstveröffentlichung stellt einen Verstoß gegen § 12 UrhG dar. Ist die Erstveröffentlichung hingegen mit Zustimmung des Urhebers erfolgt, erlischt das Erstveröffentlichungsrecht im Hinblick auf das konkrete Werk; für andere Fassungen etwa eines Textes besteht das Erstveröffentlichungsrecht uneingeschränkt fort (Schricker/Loewenheim/Peukert, 6. Aufl. 2020, UrhG § 12 Rn. 7, 12). Die Urheberin kann die Veröffentlichung selbst vornehmen oder Dritten die Vornahme des Realakts der Veröffentlichung gestatten. Diese Gestattung kann in Form einer widerruflichen Einwilligung oder einer vertraglichen Vereinbarung vorliegen, wobei die schuldrechtliche Gestattung die Duldung des Eingriffs in das Urheberpersönlichkeitsrecht, nicht aber eine Übertragung des Rechts betrifft (vgl. Schricker/Loewenheim/Peukert, Vorbemerkung § 12, Rn. 11ff.; § 12 Rn. 16).
45Vorliegend haben die Parteien keine ausdrückliche vertragliche Regelung über das Ob und Wie oder über sonstige Modalitäten der Erstveröffentlichung getroffen. Die Verfügungsbeklagte war auf Grundlage des gemeinsamen Vertrages über die Herstellung und den Vertrieb eines Buches jedoch verpflichtet, alle Prozesse zu übernehmen, die für den Vertrieb notwendig sind (siehe Anlage ASt2 § 3). Hieraus ergibt sich zwanglos, dass die Verfügungsklägerin ihr Werk jedenfalls nicht selbst durch eigene Handlungen veröffentlichen wollte. Mangels konkreter Regelungen im gemeinsamen Vertrag bedurfte es jedoch mit Blick auf die konkrete Veröffentlichung des aus Text und in einer bestimmten von der Verfügungsklägerin gewünschten Anordnung von Lichtbildern bestehenden Buches der Einwilligung der Verfügungsklägerin.
46Einwilligung bedeutet nach der Legaldefinition des §183 BGB die vorherige Zustimmung. Sie stellt eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Die Normen über Rechtsgeschäfte, u.a. über die Auslegung (§§ 133, 157 BGB) finden Anwendung (vgl. Ellenberger, in: Beck’scher Kurz-Kommentar BGB, 80. Aufl., 2021, Einf v § 182, Rn. 3). Vor diesem Hintergrund ist sowohl eine ausdrückliche als auch eine konkludente Einwilligung möglich.
47Vorliegend hat die Verfügungsklägerin – wie im Laufe des Verfahrens unstreitig geworden ist - jedenfalls am 08.12.2020 die ausdrückliche Einwilligung erklärt, dass eine bestimmte Version als ihr Buch veröffentlicht werden darf. Für die unstreitig bereits zum 04.12.2020 auf amazon.de zum Verkauf angebotenen und – ausweislich der von der Verfügungsbeklagten nicht konkret angegriffenen Glaubhaftmachung der Verfügungsklägerin – sofort ausgelieferten Bücher, die eine beachtliche Anzahl von Rechtschreibfehlern aufwiesen, war auch eine konkrete Einwilligung der Verfügungsklägerin erforderlich.
48Eine solche Einwilligung betreffend die fehlerhaften Exemplare ist jedoch weder von der Verfügungsbeklagten vorgetragen, noch sonst erkennbar. Eine diesbezügliche ausdrückliche Freigabe im Rahmen der WhatsApp Kommunikation zwischen der Verfügungsklägerin und dem Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten im November 2020 (Anlage AG 1, Bl. 155 ff. GA) hat die Verfügungsbeklagte schon selbst nicht behauptet. Soweit die Verfügungsbeklagte der Ansicht ist, dass die Klägerin im Rahmen dieser Kommunikation eine konkludente Einwilligung in die Erstveröffentlichung des Buches in der der Verfügungsklägerin bei dem Nachrichtenaustausch im November 2020 vorliegenden Version erklärt habe, überzeugt dies nicht. Richtig ist, dass die Verfügungsklägerin diverse Korrekturwünsche unter konkreter Seitenangabe mitteilte, welche sich ersichtlich nur auf Bilder bezogen. Aus dem Verlauf ist auch ersichtlich, dass die Verfügungsklägerin positives Feedback gab (z.B. mehrere Kurznachrichten, die ihre Freude ausdrücken). Jedoch ergibt sich aus dem von der Verfügungsbeklagten selbst vorgelegten WhatsApp Verlauf, dass die Verfügungsklägerin ausdrücklich dem Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten mitgeteilt hatte:
49„Ich möchte aber gern ein fertiges Exemplar sehen bevor es an alle rausgeht und ich brauche ja ein Buch zum zeigen […]“ (Bl. 157 GA).
50Allein hieraus wird zur Überzeugung der Kammer deutlich, dass die Verfügungsklägerin mit ihren Kurznachrichten über WhatsApp nicht den Willen hatte, ihr Veröffentlichungsrecht nach § 12 UrhG auszuüben. Hiervon konnte auch der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten bei gebotener Auslegung aus dem Empfängerhorizont der §§ 133, 157 BGB nicht ausgehen. Vielmehr erklärte die Verfügungsklägerin mit der zuvor zitierten Kurznachricht erkennbar, dass sie vor dem Beginn des Vertriebs ihres Buches jedenfalls noch mindestens eine Kontrolldurchsicht vornehmen wollte. Dies erscheint auch nachvollziehbar vor dem Hintergrund, dass sie im Zusammenhang mit dieser Kurznachricht diverse Änderungswünsche betreffend der Bilder genannt hat und auch insoweit die Umsetzung ihrer Änderungswünsche kontrollieren wollte.
51Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten lässt sich auch aus den in der Anlage AG1 ersichtlichen Änderungswünschen nicht der Rückschluss ziehen, dass die Verfügungsklägerin am Text des Buches keine Änderungswünsche mehr hatte und sie insoweit einen Willen zur Freigabe zur Veröffentlichung äußerte. Hierauf kommt es aber schon deshalb nicht weiter an, weil die Verfügungsbeklagte nicht dargelegt hat, dass sie zeitlich nach der zuvor zitierten Kurznachricht der Verfügungsklägerin eine ausdrückliche Freigabeerklärung des Buchs nach Umsetzung der Änderung betreffend die Lichtbilder jedoch ohne Rüge der vorhandenen Rechtschreibfehler erhalten hatte. Dafür, dass es eine solche Freigabe nicht gab, spricht die von der Verfügungsklägerin vorgelegte Korrespondenz über WhatsApp zwischen dem Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten und dem Manager der Verfügungsklägerin Ende November 2020 (Anlage ASt 7). Hieraus ergibt sich eindeutig und von der Verfügungsbeklagten nicht weiter in Zweifel gezogen, dass über das Thema der Rechtschreibfehler im Text korrespondiert worden ist, bevor das Buch u.a. bei amazon.de zum Kauf angeboten worden ist.
52Im Übrigen ist bei der Annahme von konkludenten Erklärung im Zusammenhang mit Urheberpersönlichkeitsrechten besondere Zurückhaltung geboten. Das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt als besonderes Persönlichkeitsrecht die enge Beziehung zwischen dem Urheber und seinem Werk. Das künstlerische Werk bringt das Wesen, die Wahrnehmung und Gefühle sowie die Einsichten seines Schöpfers in einer individuellen Form zum Ausdruck. Das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt den Urheber als Person und dient nicht dem Schutz des Werkes um seiner selbst willen. Es schützt überwiegend die ideellen Interessen des Urhebers am Werk. Es ist grundsätzlich unverzichtbar und unübertragbar (vgl. Wandtke/Bullinger, 5. Aufl. 2019, UrhR, Vorbemerkung vor §§ 12 ff., Rn. 1ff.). Bei Beachtung dieser besonderen Wertigkeit des Veröffentlichungsrechts der Verfügungsklägerin sind vorliegend auch bei der gebotenen objektivierten Betrachtung aus Empfängersicht keine Hinweise ersichtlich, dass die Verfügungsklägerin bei der vorgelegten Kommunikation über WhatsApp im November 2020 das/den für eine konkludente Willenserklärung notwendige Erklärungsbewusstsein oder Rechtsbindungswillen mit Blick auf die Duldung der Veröffentlichung des Buchs hatte. In diesem Zusammenhang ist auch beachtlich, dass die Verfügungsbeklagte durch die Einhaltung hergebrachter Prozesse beim Vertrieb von Druckwerken, z.B. durch die Anfrage einer ausdrücklichen Druckfreigabe bzw. einer Imprimatur, die vorliegend eingetretenen Unsicherheiten hätte vermeiden können. Gerade weil ein solcher eindeutiger Freigabeprozess zwischen den Parteien hier nicht vereinbart bzw. durchgeführt worden ist, dürfte die Verfügungsklägerin darauf vertrauen, dass ihre Kommunikation mit dem Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten noch nicht final zur Veröffentlichung ihres Buches führen wird.
53Entgegen der im Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 19.03.2021 ausgeführten Ansicht, kann die Verfügungsbeklagte aus verlagsrechtlichen Vorschriften keine Einwilligung der Verfügungsklägerin zur Veröffentlichung gemäß § 12 UrhG herleiten. Dabei kann offenbleiben, ob die Verfügungsklägerin gegen § 10 VerlG verstoßen hat, indem sie selbst ein Manuskript einreichte, in welchem eine Vielzahl von Rechtschreibfehlern enthalten war. Selbst wenn man dies bejahen würde, würde dies in keinem Fall dazu führen, dass dies eine Einwilligung der Verfügungsklägerin zur Veröffentlichung entbehrlich machen würde oder sogar ersetzen würde. Wie oben ausgeführt bedarf es im Rahmen von § 12 UrhG einer konkreten Zustimmung der Urheberin.
54Eine solche Zustimmung der Verfügungsklägerin wird auch nicht durch § 20 Abs. 2 VerlG fingiert. Nach § 20 Abs. 2 VerlG gilt ein (dem Verfasser rechtzeitig zur Durchsicht vorgelegter) Abzug als genehmigt, wenn der Verfasser ihn nicht binnen einer angemessenen Frist dem Verleger gegenüber beanstandet. Dabei ist zu beachten, dass diese Norm im systematischen Zusammenhang mit § 20 Abs. 1 S. 1 VerlG zu lesen ist, wonach der Verleger für die Korrektur zu sorgen hat. Mit Korrektur ist an dieser Stelle jedoch hauptsächlich die Korrektur von technischen Mängeln, wie insbesondere Druckfehlern, gemeint. Die Pflicht zur Vornahme dieser Korrekturen trifft den Verleger und nicht den Verfasser. Zu differenzieren ist zwischen der gesetzlichen Korrekturpflicht des Verlegers und dem Änderungsrecht des Verfassers, das aus seinen Urheberpersönlichkeitsrechten resultiert (vgl. Ulmer-Eilfort/Obergfell, Verlagsrecht, 2. Aufl. 2021, § 20 VerlG, Rn. 1f.).
55Vor diesem Hintergrund sind die streitgegenständlichen Rechtschreibfehler im Text der Verfügungsklägerin schon nicht vom Anwendungsbereich des § 20 VerlG umfasst. Außerdem kann sich die Genehmigungsfiktion des § 20 Abs. 2 VerlG nur auf die spezifisch verlagsrechtlichen Verhältnisse der Parteien zueinander beziehen. Die Genehmigungsfiktion kann allerdings nicht so weit gehen, dass sie die Urheberpersönlichkeitsrechte bzw. speziell das Veröffentlichungsrecht nach § 12 UrhG aushebelt. Die Genehmigung eines Korrekturabzugs nach § 20 VerlG stellt nur einen Teilaspekt der Veröffentlichung eines Druckwerkes dar. Für alle sonstigen Aspekte des Ob und Wie der Veröffentlichung eines Druckwerks bleibt § 12 UrhG vollständig anwendbar. Insbesondere kann ein Urheber selbst bei angenommener Genehmigungsfiktion nach § 20 Abs. 2 VerlG immer noch ausdrücklich seine Zustimmung zur Veröffentlichung des gesamten Werkes zurückziehen und damit die Veröffentlichung in einer Form, die seinem Willen nicht entspricht, verhindern. Folglich setzt die Genehmigungsfiktion in § 20 Abs. 2 VerlG denknotwendig die oben als erforderlich herausgearbeitete Einwilligung des Urhebers der Veröffentlichung durch einen Verlag oder einen sonstigen Dritten voraus. Eine solche Einwilligung der Verfügungsklägerin im konkreten Fall liegt jedoch nicht vor.
56b)
57Die Verfügungsbeklagte hat außerdem durch den Druck des Buchs der Verfügungsklägerin in der nicht freigegebenen Version gemäß Anlage ASt 6 und die Übergabe dieser Druckwerke an den Handel zum Verkauf unserer Lieferungen entbunden, z.B. über amazon.de, die ausschließlichen Rechte der Verfügungsklägerin zur Vervielfältigung sowie zur Verbreitung des Buchs in der nicht autorisierten Fassung gem. §§ 15 Abs. 1, 16 Abs. 1, 17 Abs. 1 UrhG widerrechtlich verletzt. Mangels Einwilligung in die Erstveröffentlichung dieses konkreten Werks in der Form von Anlage ASt 6 hatte die Verfügungsbeklagte auch keine abgeleiteten Verwertungsrechte. Die vertraglich eingeräumten Rechte im gemeinsamen Vertrag beanspruchten erst mit Ausübung des Rechts zur Erstveröffentlichung Geltung.
58c)
59Auch die für den Unterlassungsanspruch weiterhin erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Denn grundsätzlich indiziert eine Rechtsverletzung die Wiederholungsgefahr und kann in aller Regel nur durch eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung beseitigt werden (vgl. statt aller: Schricker/Loewenheim/Wimmers, § 97 Rn. 216 ff. m.w.N.); eine solche hat die Verfügungsbeklagte jedoch nicht abgegeben.
60Von der Rechtsprechung werden ansonsten strenge Maßstäbe an den Entfall der Wiederholungsgefahr gestellt, selbst die Betriebseinstellung, die Liquidation des Betriebes oder die Umstellung auf eine andere Ware genügen nicht (vergleiche Schricker/Loewenheim/Wimmers m.w.N. aus der Rechtsprechung des BGH). Derartige Umstände sind jedoch nicht ersichtlich.
61III.
62Der Tenor der einstweiligen Verfügung war gem. § 938 Abs. 1 ZPO anzupassen. So war zum einen die im Beschluss vom 28.12.2020 genutzte zeitliche Formulierung der Verbotseinschränkung „solange dieses Buch nicht seitens der Antragstellerin zur Veröffentlichung freigegeben wurde“ abzuändern in „wenn dies in der nicht seitens der Verfügungsklägerin zur Veröffentlichung freigegebenen Version erfolgt“. Die Formulierung war zum Zeitpunkt der Beschlussfassung auf Grundlage der Antragsschrift gerechtfertigt. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens wurde dann unstreitig, dass die Verfügungsklägerin tatsächlich am 08.12.2020 eine bestimmte Version zur Veröffentlichung freigegeben hat. Nach dem nunmehr zu Grunde zu legenden Sach- und Streitstand steht also fest, dass die Verfügungsbeklagte zur Veröffentlichung, Vervielfältigung und Verbreitung einer bestimmten Version zwar berechtigt ist, mit Blick auf die als konkrete Verletzungsform in Bezug genommene Fassung gemäß Anlage ASt 6 jedoch weder berechtigt war, noch ist. Dieser Bedingtheit wird die neue Formulierung ohne Überschreitung des von der Verfügungsklägerin gestellten Antrags gerecht.
63Zum anderen war aus der Beschreibung in der konkreten Verletzungsform die Bezugnahme der Datei „Q 8 Innenseiten_Fehler.pdf“ herauszunehmen und allein auf die Anlage ASt 6 zu verweisen. Die zitierte PDF-Datei hat die Verfügungsklägerin dem Gericht nicht vorgelegt. Auch aus dem Verfügungsantrag ergibt sich nicht, dass die Version wie vorgelegt als Anlage ASt 6 mit der genannten PDF-Datei übereinstimmt. Auch diese Änderung ist jedoch nur klarstellend, weil die Verfügungsklägerin offensichtlich nur eine konkrete Verletzungsform angreift, diese aber im Antrag auf zweierlei Weise bezeichnet hat.
64IV.
65Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Modifikation des Tenors im Rahmen von § 938 Abs. 1 ZPO führt nicht zu einem teilweisen Unterliegen der Verfügungsklägerin, weil diese mit ihrem Begehren, dass das Buch in der nicht autorisierten Fassung nicht mehr weiter vervielfältigt und verbreitet wird, vollständig obsiegt hat.
66V.
67Einstweilige Verfügungen sind mit Erlass des Beschlusses oder Verkündung des Urteils sofort vollstreckbar, ohne dass es einer Entscheidung darüber bedarf (allgemeine Meinung, vgl. etwa Vollkommer in: Zöller, ZPO, 33. Auflage, § 929 Rn. 1 m.w.N.). Das die einstweilige Verfügung bestätigende Urteil wirkt wie die ursprüngliche einstweilige Verfügung (§ 929 Abs. 1 ZPO) und ist daher mit der Verkündung sofort vollstreckbar, auch wegen der Kosten (vgl. Vollkommer in: Zöller, ZPO, § 925 Rn. 7).
68VI.
69Der Streitwert für das Widerspruchsverfahren wird auf 20.0000 € festgesetzt.
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Referenzen
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