Beschluss vom Landgericht Magdeburg (11. Zivilkammer) - 11 T 507/11

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts M vom 26.8.2011, in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 26.9.2011, aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Die Ansprüche auf Vergütung und Auslagen des Beschwerdeführers für die Dauer seiner Tätigkeit als Gesamtvollstreckungsverwalter der LPG Tierproduktion „Einheit“ S vom 11.10.1990 - 17.2.2010 sind verwirkt.

Sie werden auf den Betrag 0 festgesetzt.

Der Beschwerdeführer hat die aus der Masse entnommenen Vorschüsse und Auslagen in Höhe von 131.400,22 € an die Gemeinschuldnerin, zu Händen des Gesamtvollstreckungsverwalters, Rechtsanwalt B, zurückzuzahlen.

2. Im Übrigen wir die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Beschwerdeführer zu 40 %, die Beschwerdegegnerin zu 60 %.

Der Beschwerdewert wird auf 323.437 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer, ehemaliger Gesamtvollstreckungs- und Insolvenzverwalter der Schuldnerin, wendet sich gegen die Entscheidung des Amtsgerichts, mit der die Vergütung für seine Tätigkeit in den Jahren 1990 - 2010 wegen Verwirkung auf 0 herabgesetzt sowie die Rückzahlung gerichtlich genehmigter Vorschüsse und Auslagen und die Rückzahlung gerichtlich nicht genehmigter Entnahmen aus der Masse angeordnet worden ist.

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a) Allgemeines:

3

Mit Beschluss vom 24.9.1990 bestellte das Kreisgericht M, S den Beschwerdeführer im Eröffnungsverfahren der Gesamtvollstreckung über das Vermögen der LPG „Einheit“ S gemäß § 2 Abs. 3 der damals geltenden GesVVO zum Sequester (Bd. I, Bl.10 d.A.).

4

Am selben Tage erteilte der Beschwerdeführer dem Rechtsanwalt B eine Vollmacht „zu meiner allgemeinen und uneingeschränkten Vertretung als Sequester“.

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Weiter heißt es in der Vollmacht:

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„Sollte nach Aufhebung der Sequestration das Konkursverfahren eröffnet und ich zum Konkursverwalter bestellt werden, gilt die Vollmacht zu Gunsten des Rechtsanwalt B auch für den Zeitraum meiner Bestallung als Konkursverwalter“.

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Diese Vollmacht legte er dem damals zuständigen Richter des Kreisgerichts vor, der sie mit einem Genehmigungsvermerk versah (Bd. VIII Bl. 50 d.A.).

8

Am 11.10.1990 eröffnete das Kreisgericht M, S das Gesamtvollstreckungsverfahren und bestellte den Beschwerdeführer zum Verwalter (Bd. I, Blatt 26 d.A.). Am 6.11.1990 wurde der Beschwerdeführer von der Gläubigerversammlung bestätigt.

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In der Folgezeit entglitt dem Beschwerdeführer die Zusammenarbeit mit dem Rechtsanwalt B in der Weise, dass er, wie er selbst angibt, als Gesamtvollstreckungsverwalter „ an der Verfahrensabwicklung unter dessen Anleitung teilgenommen“ habe (SS 20.9. 2011, Bd. VIII, Blatt 120 d.A.). Dementsprechend trat Rechtsanwalt B selbstständig als „Vertreter“ des Beschwerdeführers im Rechtsverkehr auf, verfasste Schriftsätze und Zwischenberichte, verwaltete die Verfahrenskonten und führte die Bücher.

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b) Unbestrittene Hergänge:

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aa) In einem von Rechtsanwalt B verfassten Zwischenbericht an das Amtsgericht M vom 12.1.1993 ist ausgeführt: „Die Teilungsmasse per 31.12.1992 liegt bei rund DM 1.957.000“ (Bd. IV, Blatt 12 d.A.).

12

In einem Schreiben vom 6.3.1995 teilte Rechtsanwalt B dem Amtsgericht folgendes mit:

13

„Wir haben zwischenzeitlich die gesamte Buchführung (insgesamt z.Zt. 8 volle Leitzordner mit Belegen) auf Diskette genommen. Damit ist eine wesentliche Vorarbeit für den Verfahrenabschluss bereits gemacht“ (Band IV, Blatt 39 f d.A).

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Mit Bericht vom 27.12.1996 teilte Rechtsanwalt B dem Amtsgericht M ferner mit, dass wegen der Einführung der Zinsabschlagssteuer begonnen werde, „Festgelder in mündelsicherer Art“ zu Banken nach Ö zu bringen. In dem Bericht ist, ohne nähere Kontoangaben, von einem Betrag in Höhe von 600.000 DM auf einem Festgeldkonto der Sparkasse S, Filiale M, die Rede. Die übrigen angegebenen Konten betreffen Bankkonten bei der Raiffeisenbank H und umfassen Kontostände in Höhe von ca. 265.000 DM (Bd. IV, Blatt 112 d.A.).

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Am 25.7.1997 legte Rechtsanwalt B einen weiteren Zwischenbericht vor. In diesem Bericht erscheint das Festgeldkonto in Ö bei den Angaben zu vorhandenen Bankguthaben nicht mehr. Die Kontostände bei der Raiffeisenbank H betragen nach den Angaben zu dieser Zeit 772.119,14 DM an Festgeldern und weitere 1.081,18 DM. Weiter ist in dem Bericht ausgeführt, dass ein von einer M GmbH gepachtetes Gelände und ein weiteres Teilgrundstück für 430.000 DM und 40.000 DM veräußert worden sind. Ferner ist von der Verwertung eines Mehrfamilienhauses der Gemeinschuldnerin für 400.000 DM die Rede. Die Kaufpreise seien noch nicht eingegangen (Bd. V, Blatt 141 d.A.)

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bb) Am 19.3.1998 verstarb Rechtsanwalt B.

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In einem Zwischenbericht vom 18.5.1999 teilte der Beschwerdeführer dem Amtsgericht M folgendes mit:

18

„Nach Ableben des Kollegen B hat Unterfertigter neue Verfahrenskonten bei der Hypo-Bank S eröffnet. Die Kontostände per März 1999 lauten:

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Laufendes Konto
Festgeldanlage

        

DM 25.415,63
DM 904.621, 51

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Kopien der Kontoauszüge wurden dem Gesamtvollstreckungsgericht zugeleitet.

21

Alle anderen durch den verstorbenen Kollegen geführten Verfahrenskonten wurden aufgelöst. Die Guthaben wurden sämtlichst den obigen Konten bei der Hypo-Vereinsbank S zugeführt“ (Bd. V, Blatt 160 d.A.).

22

Mit Schreiben vom 17.6. 1999 monierte die im Gesamtvollstreckungsverfahren als Gläubigerin beteiligte D-Bank einen Fehlbetrag zu Lasten der Masse in einer Größenordnung von etwa 600.000 DM (Band V, Bl. 195 d. A).

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Die D-Bank führte hierzu aus:

24

„Im Hinblick auf die von Herrn Rechtsanwalt B praktizierte Handhabung der Kontenunterhaltung im europäischen Ausland ist unseres Erachtens die Frage der Vollständigkeit der Kontenauflösung und Überführung betroffener Beträge auf die nunmehr von Rechtsanwalt W eingerichteten Konten klärungsbedürftig.“

25

Den Fehlbetrag begründete die D-Bank mit dem Kontostand des Zwischenberichtes vom 25.7.1997 und angekündigten weiteren Veräußerungserlösen in Höhe von 470.000 und 400.000 DM, die zu einem rechnerischen Massebestand von 1.592.000 DM führen. Dies entspreche nicht den Angaben des Beschwerdeführers zu vorhandenen Kontobeständen in seinem Bericht vom 18.5.99 von ca. 930.000 DM.

26

Mit Beschluss des AG W vom 8.12.2000 ist über das Vermögen des Rechtsanwalt B ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet worden.

27

In einem Zwischenbericht des Beschwerdeführers an das Insolvenzgericht vom 23.3.2001 ist zu den Fehlbeträgen ausgeführt:

28

„Ich gehe davon aus, dass es sich hierbei um Festgeldanlagen handelt, deren Verbleib bislang nicht aufgeklärt werden konnte. Die hierzu mit dem vormaligen Testamentsvollstrecker geführten Rücksprachen haben bisher nicht zur Feststellung gesonderter Verfahrenskonten geführt“ (Bd. V, Blatt 221 d.A).

29

In einem Zwischenbericht an das Insolvenzgericht des AG M vom 20.2.2003 ( Bd. V, Blatt 243 ) führte der Beschwerdeführer unter anderem aus:

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„…im dortigen Insolvenzverfahren (sind) Forderungen in Höhe von insgesamt 597.150,08 DM zur Aufnahme in die Insolvenztabelle angemeldet worden. Der Verwalter hat die Forderungsanmeldung im allgemeinen Prüfungstermin vorläufig bestritten. Der Nachlassinsolvenzverwalter ist zwischenzeitlich zur Mitteilung der Bestreitensgründe aufgefordert worden. Der Vorgang wird weiter verfolgt werden....“

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cc) Im Jahre 2002 wurde der Beschwerdeführer selbst insolvent. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen ihn ist mangels Masse abgelehnt worden. Die Insolvenzakten des Beschwerdeführers sind nicht mehr vorhanden. Als Folge wurde dem Beschwerdeführer von der Rechtsanwaltskammer des Landes S die Zulassung als Rechtsanwalt entzogen.

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Das Amtsgericht M ist von dem Entzug der Zulassung mit Schreiben der Rechtsanwaltskammer des Landes S vom 17.2.2003, adressiert an seinen Präsidenten, in Kenntnis gesetzt worden (Bd. V, Blatt 243 d.A.). Der Beschwerdeführer selbst unterließ es, die Insolvenz dem Amtsgericht anzuzeigen.

33

Mit Beschluss vom 27.6.2005 beauftragte das Amtsgericht einen Sachverständigen mit der Prüfung der eingereichten Zwischenrechnung vom 22.3.2005. Als Prüfungszeitraum ordnete es den Zeitraum der Sequestration bis zur Erstellung der Zwischenrechnung an. Das am 8.3.2006 erstattete Gutachten kam zusammenfassend zu folgendem Ergebnis (Bd. VI, Bl. 106 d.A.):

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„Die Verwertung der Masse ist aufbauend auf den vorliegenden Unterlagen nicht nachvollziehbar. Im Ergebnis betrifft dies insbesondere den gesamten Bereich des Anlagevermögens. Ferner sind eine Vielzahl der Rechnungen, die von dem Bevollmächtigten B gestellt und auch ausgeglichen wurden, zum Teil nicht schlüssig. bzw. aus der Rechnungsstellung ergibt sich, dass es sich um eine originäre Zuständigkeit des Verwalters handelt. Ferner sind alle Buchführungskosten wieder in das Verfahren einzulegen, da es sich hier um Abrechnungen der eigentlichen Insolvenzbuchführung handelt. Dies gilt für den Bereich der Zuarbeiten, die von den Steuerbüros geleistet wurden. Ferner ist die Abwicklung mit den Ansprüchen gegen die Praxis B darzulegen. Sofern hier kein Ausgleich erfolgt, sind die Entnahmen eines Bevollmächtigten aus der Masse festzustellen, die, sofern kein Ersatz durch den Bevollmächtigten erfolgt, durch den Vollmachtgeber zu ersetzen sind. Ferner ist die Abwicklung der Kasse zu belegen“.

35

Am 21.1.2008 legte der Beschwerdeführer dem Amtsgericht den Schlussbericht nebst Schlussabrechnung, Vergütungsantrag und Verteilungsvorschlag vom 16.1.2008 vor.

36

Im Schlussbericht führte er unter anderem aus:

37

„… Rechtsanwalt B hat bis zu seinem Tode im März 1998 uneingeschränkt mit allen Befugnissen, die Verfahrensdurchführung praktiziert. Nach dem Tode des Rechtsanwalts… B im März 1998 hat Unterzeichner die weitere Bearbeitung selbst übernommen… “ (Bd. VI, Blatt 159 d.A.).

38

„Der bevollmächtigte Vertreter des Gesamtvollstreckungsverwalters ist am 19.3.1998 verstorben. Nunmehr oblag es dem Unterzeichneten, das Verfahren weiter fortzuführen. Erste Aufgabe des Verwalters war es, sich in die gesamte Verfahrensführung des vormaligen beauftragten Verwalters einzuarbeiten, und damit das gesamte Verfahren nochmals zu überprüfen…“ (Bd. VI, Blatt 168).

39

Zu den Fehlbeträgen führte er unter anderem aus:

40

„…es stellte sich heraus, dass der verstorbene Rechtsanwalt B von dem bei ihm geführten Gesamtvollstreckungskonto mehrere Abbuchungen vorgenommen hatte, über deren Verbleib keine definitiven Aussagen zu entnehmen waren…. Hier wurden umfangreiche Ermittlungen angestellt, um über den Verbleib dieser Gelder zu erfahren. Einbezogen waren hierbei auch der zeitweise bestellte Testamentsvollstrecker, der Abwickler der Anwaltskanzlei B, sowie die Ehefrau des Verstorbenen. Eine Klärung über den Verbleib dieser Gelder konnte durch den Unterzeichner nicht erreicht werden. Ob der Geldbetrag in einer ausländischen Bank deponiert worden ist, konnte durch die Verwaltung nicht abschließend geklärt werden…“ (Bd. VI, Blatt 169 d.A.).

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Der Schlussrechnung fügte er eine Aufstellung über Einnahmen und Ausgaben von der Verfahrenseröffnung bis zum 31.12.2007 und einen Vergütungsantrag bei, den er allerdings zurückzog und am 16.2.2010 neu stellte (Bd. VI, 173 ff; Bd VII, Bl. 202 d.A.).

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dd) Das Amtsgericht veranlasste mit Beschluss vom 11.2.2009 erneut eine Buchprüfung durch einen Sachverständigen und setzte schließlich mit Beschluss vom 26.10.2009 Rechtsanwalt B zum Sonderverwalter ein (Bd. VII, Blatt 150 d.A). Gegenstand der Buchprüfung war u.a. die Ordnungsmäßigkeit der Schlussrechnung des Beschwerdeführers (Bd. VII, Blatt 26 ff d.A.).

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Mit Gutachten vom 30.6.2009 erklärte der Sachverständige, er könne die Richtigkeit der Schlussrechnung weder materiell noch rechnerisch als richtig bescheinigen, „wobei dies durch die Abrechnung in der Zeit von RA B bedingt sei“….(Bd. VII, Blatt 34 d.A).

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Nachdem der Sonderverwalter im Jahre 2010 empfohlen hatte, den Beschwerdeführer zu entlassen, erklärte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 3.2.2010, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Mit Beschluss vom 17.2.2010 berief ihn das Amtsgericht ohne weitere Begründung mit sofortiger Wirkung ab und bestellte Rechtsanwalt B zum Gesamtvollstreckungsverwalter (Bd. VII, Bl. 191 d.A.) Der Beschluss ist rechtskräftig.

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ee) Mit Vergütungsantrag vom 16.2.2010 beantragte der Beschwerdeführer, abzüglich erhaltener Vorschüsse, eine Festsetzung seiner zu erstattenden Vergütung auf 187.167,74 €.

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Ferner beantragte er, abzüglich Vorschüsse, eine Festsetzung seiner Auslagen auf 7.869,36 €.

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Der Berechnung legte er eine im Zeitpunkt des Abschlusses gegebene Gesamt- und Teilungsmasse des Verfahrens von 2.124.405,21 € zugrunde. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf sein Schreiben vom 16.2.2010 Bezug genommen (Blatt 202 ff, Bd. VII d.A.)

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An genehmigten Vorschüssen entnahm er 31.574, 52 € und 95.200 €. Auf genehmigte Auslagen entnahm er 3.067,75 € und 4.760 €.

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ff) Im Weiteren entstand sodann Streit über die grundsätzliche Berechtigung des Vergütungsanspruchs. Der Beschwerdeführer gab nach seiner Entlassung schließlich ein zur Masse gehörendes Kontoguthaben in Höhe von etwa 313.000 € nur in Höhe von etwa 121.000 € heraus und berief sich im Übrigen auf ein Zurückbehaltungsrecht, das der Sonderverwalter, mit Beschluss vom 17.2.10 zum Gesamtvollstreckungsverwalter ernannt, zurückwies und gegen etwaige festzusetzende Vergütungsansprüche Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen erklärte (Bd. VIII, Blatt 10 und Bl.34 d.A.).

50

c) Bereits mit Bericht vom 18.12.2009 hatte der Sonderverwalter dem Insolvenzgericht mitgeteilt, dass er aufgrund des Ergebnisses des Nachlassinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Rechtsanwalt B und der Vorgänge um die verschwundenen Festgeldanlagen von einem bestehenden Gesamtschadensersatzanspruch der Masse gegenüber dem Verwalter ausgehe, der sich noch nicht abschließend beziffern lasse. Den Mindestwert bezifferte er abzüglich einer Quotenzahlung von 10.917,79 € auf 282.799,12 €.

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Aufgrund der Bearbeitungsmängel bzw. Nichtbearbeitung des Verfahrens sowie des dadurch eingetretenen Schadens deutete er an, dass der Verwalter etwaige Vergütungsansprüche verwirkt haben müsse (Bd. VII, Blatt 159, 171,172 d.A.).

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Er verwies auf eine fehlende Abschlussreife des Verfahrens. Zur Begründung führte er aus, dass nach den vorhandenen Unterlagen davon ausgegangen werden müsse, dass noch erhebliche Vermögenswerte vorhanden seien, die in der Buchhaltung nur unzulänglich erfasst seien. Den vorliegenden Unterlagen lasse sich Immobilienbesitz mit geklärter und ungeklärter Eigentumsfrage entnehmen, ferner Beteiligungsvermögen, wobei die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse unklar seien und Bewertungsfragen sich nicht erschließen. Schließlich seien vereinnahmte Beträge auf Forderungen gegen Drittschuldner der Höhe nach nicht vollständig erfasst. Wegen der

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Einzelheiten zu seinen Ausführungen wird auf den Bericht vom 18.12.2009 (Bd. VII, Blatt 158 ff d.A.) Bezug genommen.

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Mit Bericht vom 19.3.2010 verwies der Insolvenzverwalter auf einen weiteren Fehlbetrag von etwa 100.000 €, der sich aus der Differenz der Angaben aus der Schlussrechnung des Beschwerdeführers und den vorhandenen Kontoständen ergäbe und fasste die von ihm angenommenen Pflichtverletzungen und Schäden nochmals zusammen (Bd. VIII, Blatt 10 d.A.; Blatt 14 f d.A.). Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht Bezug genommen.

II.

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Das Amtsgericht entschied mit Beschluss vom 26.8.2011, setzte die Vergütung auf 0 fest und ordnete die Rückzahlung erhaltener Vorschüsse und Auslagen in Höhe von 31.434,22 € und 99.966 € an. Ferner ordnete es an, dass der Beschwerdeführer den zurückbehaltenen Anteil an der Masse in Höhe von 192.037,10 €, zuzüglich zwischenzeitlich angefallener Zinsen, zurückzuzahlen habe.

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Zur Begründung verwies das Amtsgericht im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:

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Der Beschwerdeführer habe am 24.9.1990 dem Rechtsanwalt B unzulässiger Weise eine Vollmacht erteilt und ihm höchstpersönliche Angelegenheiten übertragen. Rechtsanwalt B habe Gelder entnommen, deren Verbleib nicht mehr geklärt werden konnte. Hieraus sei ein Quotenschaden in Höhe von 271.844,32 € zurückgeblieben. Der Beschwerdeführer habe es unterlassen, dem Amtsgericht mitzuteilen, dass er insolvent geworden sei. Der Beschwerdeführer habe keine Vergütung verdient, weil er bis zum Ableben des Rechtsanwalt B so gut wie keine Verwaltertätigkeit entfaltet habe, sondern die Geschäfte dem Rechtsanwalt B überlassen und so schwere Pflichtverletzungen begangen habe, dass von einer Verwirkung der Vergütungsansprüche auszugehen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 26.8.2011 Bezug genommen (Bd. VIII, Blatt 103 ff d.A.).

III.

58

a) Mit der am 13.9.2011 beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen diesen, ihm am 31.8.2011 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts.

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Er bestreitet nicht, Pflichtverletzungen begangen zu haben, stellt aber in Abrede, dass er Rechtsanwalt B das Insolvenzverfahren alleinverantwortlich habe führen lassen. Er habe „unter Anleitung des erfahrenen Verwalters RA B“ an der Verfahrensabwicklung teilgenommen. Die dem Rechtsanwalt B erteilte Vollmacht sei vom Gericht selbst initiiert gewesen, weshalb von einer vom Gericht angeregten Arbeitsteilung auszugehen sei. Er sei auch nicht untätig gewesen, sondern habe die zu führende Korrespondenz mit Rechtsanwalt B abgestimmt. Mit der Kontoführung sei er nicht befasst gewesen.

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Im Wesentlichen rügt er einen Verstoß gegen Art 12 GG. Der Beschluss des Amtsgerichts greife in unverhältnismäßiger Weise in sein Grundrecht auf Berufsfreiheit ein, weil er für Fehler haftbar gemacht werde, die bei fehlerfreiem Verhalten des Gerichts nicht entstanden wären.

61

Das Amtsgericht habe wesentliche Prüfungsmaßstäbe verkannt. Pflichtverletzungen die eine Vergütungsfestsetzung auf 0 rechtfertigen, lägen nur dann vor, wenn sie von einer solchen Schwere seien, dass sie strafrechtlich relevant sind. Der Beschwerdeführer habe keine Straftaten begangen.

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Für ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Rechtsanwalts B sei er nicht verantwortlich.

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Selbst wenn seine Entlassung aus wichtigem Grunde gerechtfertigt gewesen wäre, erlauben auch solche Gründe nicht, ihm die Vergütung zu versagen. Ihm werden nur Allgemeinheiten vorgeworfen, aber keine konkreten Verstöße. Ein konkretes Fehlverhalten, dass den erforderlichen Schweregrad erreiche, um den Bestrafungscharakter einer Vergütungsfestsetzung auf 0 zu rechtfertigen, sei überhaupt nicht festgestellt worden. Auch sei die unterlassene Anzeige seiner eigenen Insolvenz entweder keine, jedenfalls aber keine schwere Pflichtverletzung. Das Amtsgericht habe

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seine Insolvenz gekannt. Es habe sein Insolvenzverfahren geführt. Eine Vielzahl der sachverständigen Ausführungen sei nicht hinreichend substantiiert, um überhaupt einlassungsfähig zu sein. Ferner habe es, sowohl aus der Sicht des Gesamtvollstreckungsgerichts, wie aus der Sicht des Beschwerdeführers, keinen Anlass gegeben, die praktizierte Führung der Verfahrenskonten zu beanstanden. Es habe auch keine gesonderten Anordnungen des Gerichts gegeben. Der Beschwerdeführer habe die Kontenstände und Zahlungsvorgänge im Allgemeinen verfolgt und sei im Bilde gewesen. Da das Gericht nichts zu beanstanden hatte, habe er auch keinen weiteren Anlass gesehen, weitere Kontrollen durchzuführen. Die Frage nach der Kontenführung liege nach seiner Auffassung neben der Sache. Die nicht genehmigte Entnahme von rund 192.000 € sei schließlich auch gerechtfertigt. Er übe insoweit nur ein Zurückbehaltungsrecht aus, das ihm wegen seiner Vergütungsansprüche zustehe.

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Ferner beantragt er für den Fall einer ihm ungünstigen Entscheidung die Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Die Berechnung des Amtsgerichts greift er nicht an.

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b) Mit Beschluss vom 26.9.2011 entschied das Amtsgericht, der sofortigen Beschwerde nicht abzuhelfen. Rechtsanwalt B hat als nunmehr eingesetzter Gesamtvollstreckungsverwalter Stellung genommen, seine bisherige Position vertieft und ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die Masse dem Rechtsanwalt B wie einen „Selbstbedienungsladen“ überlassen (Bd. VIII, Bl. 162 d.A.). Ergänzend führt er aus, dass der Beschwerdeführer selbst sich geweigert habe, die zurückbehaltene Masse an ihn auszukehren und er stattdessen den Geldbetrag von ca. 192.000 € an seinen Verfahrensbevollmächtigten im Rahmen einer „Treuhandabrede“ ausgehändigt habe (Bd. VIII, Blatt 165 d.A).

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c) Der zunächst zuständige Einzelrichter hat den Beschwerdeführer persönlich angehört und den früheren Mitarbeiter von Rechtsanwalt B, M, als Zeugen vernommen. Die Vernehmung hat im Wesentlichen ergeben, dass die fehlenden Gelder auf persönlichen Konten des Rechtsanwalts B in Ö angelegt worden seien. Dabei haben wohl steuerliche Gründe eine Rolle gespielt. Nach Kenntnis des Zeugen habe der Beschwerdeführer hiervon nichts gewusst. Er habe keinen Zugriff auf die von Rechtsanwalt B eigenständig verwalteten Konten gehabt. Der

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Beschwerdeführer habe allerdings die Möglichkeit gehabt, Konten, die von Rechtsanwalt B verwaltet worden seien, zu prüfen. Die Frage der Kontenführung durch Rechtsanwalt B selbst, habe sich seiner Kenntnis nach nicht gestellt, auch für das Gericht nicht. Weitere Einzelheiten seien ihm nicht bekannt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 11.9.2012 (Bd. VIII. Bl. 157 f d.A), die gewechselten Schriftsätze, nebst den Zwischenberichten und den Schlussbericht Bezug genommen.

70

Mit Beschluss vom 3.12.2012 hat der Einzelrichter die Sache der Kammer in der Besetzung nach § 75 GVG übertragen.

IV.

71

Die gemäß Art 103 S. 1 EGInsO i.V.m §§ 20, 21 Abs. 1 GesO i.V.m. 6 KonkVwVergV i.V.m den §§ 567 ff ZPO zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde, ist teilweise begründet.

72

Begründet ist sie insoweit, als das Amtsgericht im Vergütungsfestsetzungsverfahren die Rückzahlung von 192.037,10 € angeordnet hat. Für diese Entscheidung gibt es keine rechtliche Grundlage. Denn die diesem Betrag zugrundeliegende Entnahmehandlung beruht nicht auf einem genehmigten Vorschuss. Der entnommene Betrag gehört zur Masse und ist nach Beendigung der Verwaltertätigkeit herauszugeben. Soweit das Amtsgericht in seiner Eigenschaft als Aufsichtsorgan gehandelt hat, ist es sowohl nach den §§ 83,84 KO, als auch nach den §§ 58 Abs. 2 und 3 InsO nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes auf die Festsetzung von Zwangsgeld beschränkt und kann keine unmittelbare Herausgabe anordnen. Insoweit muss der entlassene Verwalter vom Berechtigten, hier also vom neuen Verwalter, auf Herausgabe verklagt werden (LG Göttingen, ZIP 1995, 858; LG Köln NZI 2001, 157, vgl. auch bei FK-InsO- Kind, 5. Aufl. § 58 Rn 19 m.w.N. für die Rechtslage nach der InsO). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der nach Art 103 Satz 1 EGInsO fortgeltenden GesO. Dieser lassen sich gar keine Zwangsmittelbefugnisse entnehmen. Danach war das Gericht als Aufsichtsbehörde auf die Befugnis beschränkt, den Verwalter zu entlassen (vgl. etwa Naumann, in Kölner Schriften zur Insolvenzordnung, 1997, S. 331 m.w.N). Die gerichtliche Anordnung war deshalb aufzuheben.

73

Darüber hinaus ist die sofortige Beschwerde unbegründet.

74

Das Amtsgericht hat die Ansprüche auf Vergütung und Ersatz der Auslagen zutreffend auf 0 festgesetzt.

75

a) Der Gesamtvollstreckungsverwalter hat zwar nach dem fortgeltenden § 21 Abs.1 GesO sowie den Berechnungsvorschriften der KonKVwVergV Anspruch auf angemessene Vergütung und Auslagen für seine Geschäftsführung und auf Erstattung angemessener Auslagen, die das Insolvenzgericht gemäß § 6 KonKVwVergV festzusetzen hat. Hierbei handelt es sich um eine reine Tätigkeitsvergütung. Es ist deshalb regelmäßig unerheblich, ob und zu welchem Erfolg die Tätigkeit des Gesamtvollstreckungsverwalters geführt hat.

76

Eine Ablehnung der Festsetzung von Vergütungsansprüchen aufgrund einer Verwirkung, wie sie das Insolvenzgericht hier aus Sanktionsgründen wegen schwerer Pflichtverletzungen angenommen hat, lässt sich weder den Regeln der GesO noch der KO noch der InsO unmittelbar entnehmen.

77

b) Allerdings ist in besonders gelagerten Fällen von der Rechtsprechung anerkannt worden, dass der Vergütungsanspruchs in entsprechender Anwendung des § 654 BGB verwirkt sein kann.

78

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs enthält die Bestimmung des § 654 BGB einen, von der Treue- und Sorgfaltspflicht des Maklers ausgehenden, allgemeinen Rechtsgedanken und ist demgemäß auch allgemein dann anzuwenden, wenn unter vorsätzlicher oder grob leichtfertiger Verletzung wesentlicher Vertragspflichten den Interessen seiner Auftraggeber in wesentlicher Weise zuwidergehandelt worden ist. Der dieser Vorschrift entnehmbare Verwirkungsgedanke hat Strafcharakter und soll den Vergütungsberechtigten bei Vermeidung des Verlustes seiner Vergütung dazu anhalten, die ihm gegenüber seinem Auftraggeber obliegende Treuepflicht zu wahren. Dass dem Auftraggeber ein Schaden entstanden ist, setzt die Anwendung der Vorschrift nicht voraus. Entscheidendes Gewicht liegt bei der Frage der subjektiven Vorwerfbarkeit der Treupflichtverletzung, aufgrund derer sich der Vergütungsberechtigte nach allgemeinem Rechts- und Billigkeitsempfinden eine Vergütung nicht verdient hat, sondern sich seines Lohnes "unwürdig" erweist (BGHZ 36, 323, 327; BGH NJW 1981, 2297; BGH WM 1985, 1276,1277).

79

Diese Grundsätze hat die höchstrichterliche Rechtsprechung im Falle vorsätzlicher oder mindestens grob fahrlässiger Pflichtverletzungen entsprechend angewandt auf den Testamentsvollstrecker (BGH, Urt. v. 5. Mai 1976 - IV ZR 53/75, WM 1976, 771, 772; Urt. v. 13. Juni 1979 - IV ZR 102/77, DNotZ 1980, 164, 165), den Rechtsanwalt (vgl. BGH, Urt. v. 15. Januar 1981 - III ZR 19/80, NJW 1981, 1211, 1212; Urt. v. 30. März 1995 - IX ZR 182/94, WM 1995, 1288) sowie den Vormund oder Pfleger (BayObLGZ 1991, 272, 275).

80

Auch dem Konkurs- oder Insolvenzverwalter hat die Rechtsprechung den Vergütungsanspruch aberkannt, wenn er besonders schwerwiegende schuldhafte Pflichtverletzungen zum Nachteil der Masse begangen hat (OLG Karlsruhe ZInsO 2000, 617; LG Konstanz ZInsO 1999, 589; AG W ZInsO 2000, 517, 518; AG Hamburg ZInsO 2001, 69, 70), wobei es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausreicht, dass der Insolvenzverwalter eine Straftat begangen hat, die ihn als charakterlich ungeeignet hat erscheinen lassen, die Tätigkeit des Insolvenzverwalters auszuüben (BGHZ 159, 322).

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c) Die nach dieser Rechtsprechung zu stellenden Anforderungen an die Verwirkungsvoraussetzungen des Vergütungs- und Auslagenanspruchs des Gesamtvollstreckungsverwalters liegen vor, weil der Beschwerdeführer die ihm als Gesamtvollstreckungsverwalter obliegenden Pflichten sowohl objektiv als auch subjektiv in schwerwiegender Weise verletzt hat. Dabei kommt es nach Auffassung der Kammer nicht entscheidend darauf an, dass die Vorwürfe - wie einzuräumen ist - vielfach im Allgemeinen geblieben sind und das Entnahmeverhalten des Rechtsanwalts B nach den Berichten des Sachverständigen und des früheren Sonderverwalters und jetzigen Gesamtvollstreckungsverwalters nicht mehr hat aufgeklärt werden können. Es ist nämlich nicht erheblich, ob der Beschwerdeführer positive Kenntnis von den jeweils konkreten Tathandlungen des Rechtsanwalts B gehabt hat und sich durch aktives Tun, sei es als Mittäter, sei es als Teilnehmer, an dessen Verfehlungen beteiligt hat.

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aa) Der Beschwerdeführer hat den Untreuetatbestand des § 266 Abs. 1 StGB auch verwirklicht, wenn kein aktives Tun festgestellt werden kann, weil er die ihm kraft Gesetzes anvertraute Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, gemäß § 13 StGB durch Unterlassen verletzt hat und auf diese Weise denjenigen, deren Vermögensinteressen er zu betreuen hatte, nämlich Gläubiger und Schuldner, Nachteile zugefügt und deshalb seine Vergütung verwirkt hat.

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Ein positives Tun steht einer Unterlassung dann gleich, wenn der Täter rechtlich dafür einzustehen hat, dass ein bestimmter tatbestandlicher Erfolg nicht eintritt und das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands entspricht. Das ist dann der Fall, wenn der Täter eine Garantenstellung innehat und deswegen rechtlich verpflichtet ist, einen bestimmten deliktischen Erfolg abzuwenden (BGH NJW 2000, 3013, 3014; BGH ZIP 2012, 409 ff).

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Die Voraussetzungen einer Garantenstellung liegen vor, weil dem Beschwerdeführer mit seiner Bestellung zum Gesamtvollstreckungsverwalter ausschließlich die grundlegenden gesamtvollstreckungsrechtlichen und insolvenzspezifischen Pflichten, nämlich die Inbesitznahme, Verwaltung und Verwertung der Masse oblagen ( § 5 Nr. 2, 8 Abs. 2, 17 GesO).

85

Die aus dieser Garantenstellung folgenden Pflichten hat der Beschwerdeführer in schwerwiegender Weise verletzt. Dieser Vorwurf ist - entgegen den Ausführungen der Beschwerde - konkret feststellbar. Denn die Überprüfung der Tätigkeit des Beschwerdeführers hat ergeben, dass Rechtsanwalt B, seit der Vollmachtserteilung im Jahre 1990, in einer Weise hat agieren können, die weit über die legitime Hinzuziehung von Hilfspersonen, auf die, je nach Lage des Falles, jeder Verwalter in ganz unterschiedlichem Ausmaß angewiesen ist, hinausgegangen ist. Das stellt der Beschwerdeführer in der Sache selbst im Wesentlichen auch gar nicht in Abrede, wenn er ausführt, er habe „unter Anleitung des erfahrenen Rechtsanwalts B“ gearbeitet. Der konkrete Vorwurf der Treuepflichtverletzung, den sich der Beschwerdeführer entgegenhalten lassen muss, besteht darin, dass er seine Verwalterbefugnisse quasi aus der Hand gegeben und dem Rechtsanwalt B damit eine von Gesetzes wegen nicht vorgesehene Einwirkungs- und Verfügungsmacht auf die Masse eingeräumt hat. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte „Arbeitsteilung“ kennt das Gesetz in den §§ 5 Nr. 2, 8 Abs. 2 GesO nicht. Vielmehr hat es sich auch unter der GesO so verhalten, dass zur Sicherung der Verwaltungs- und Verwertungsbefugnisse des Verwalters die Verantwortung für eine geordnete Führung des Gesamtvollstreckungsverfahrens allein dem gerichtlich bestellten Verwalter zugeordnet gewesen ist. Ob, wie der Beschwerdeführer behauptet hat, die ursprüngliche noch unter der Geltung der GesVVO vorgenommene Vollmachtserteilung vom Gericht initiiert worden sei, kann deshalb dahingestellt bleiben. Die Frage war bereits mit Inkrafttreten der GesO zum 3.10.1990 überholt und ist deshalb nicht erheblich. Es bedarf deshalb keiner Erörterung, ob, wie der Beschwerdeführer meint, die Einbindung des Rechtsanwalt B in das Verfahren auch auf die Mitwirkung des Kreisgerichts zurückzuführen gewesen wäre.

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bb) Der Vorwurf der Treuebruchs ist gerechtfertigt, weil Rechtsanwalt B mit Wissen und Einverständnis des Beschwerdeführers faktisch allein und ohne jede Kontrolle agieren konnte. Auch das bestreitet der Beschwerdeführer in der Sache nicht, wenn er in seinem von ihm selbst verfassten Schlussbericht ausführt, Rechtsanwalt B habe „…bis zu seinem Tode im März 1998 uneingeschränkt mit allen Befugnissen, die Verfahrensdurchführung praktiziert. Nach dem Tode des Rechtsanwalt B im März 1998 hat Unterzeichner die weitere Bearbeitung selbst übernommen…“ (Bd. VI, Blatt 159 und 168 d.A.).

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Die Kammer hat sich auch davon überzeugt, dass es sich bei diesen Ausführungen nicht nur um missverständliche Formulierungen handelt, sondern der objektive Aussagegehalt auch tatsächlich der Verfahrensrealität entsprach. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Vielzahl der den Akten beigegebenen Schriftsätze und insbesondere eine Reihe von Zwischenberichten (Bd. II Bl. 78-84; Bd. III, Bl. 18, 58,Bl. 160 f, Bd. IV Blatt 3, Blatt 7 ff, Blatt 39 -44; Bl. 46 f; Bl. 72 -75; Bl. 107-113; Bl. 115-119; Bl. 123-125; Bd V. Bl. 15 ff ; Bl. 96 f, Bl. 132 ff ) insoweit bereits als Indizien gewertet werden können. Jedenfalls spräche dafür, dass es ein Auftreten des Rechtsanwalt B in der Öffentlichkeit gegeben hat, das in Anfragen und Beanstandungen an das Amtsgericht mündete, wer denn nun der Gesamtvollstreckungsverwalter sei (vgl. das Schreiben der D Bank vom 22.5.1996, Bd. IV, Blatt 85 und von Frau T vom 17.1.1997, Bd. IV, Blatt 186 ff und 122 d.A). Entscheidungserheblich ist, dass Rechtsanwalt B so agieren konnte, dass der Beschwerdeführer nicht einmal Zugriff auf die von Rechtsanwalt B eigenständig verwalteten Konten hatte. Das ergibt sich, unabhängig von der Darstellung des Beschwerdeführers, auch aus der Aussage des Zeuge M. Ferner ist erwiesen, dass Rechtsanwalt B ein Buchhaltungssystem geführt hat, das weder mit den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung vereinbar gewesen ist noch überhaupt gewährleistet hat, dass die Masse ordnungsgemäß erfasst worden ist und demzufolge das Amtsgericht über den Aufbau der Buchhaltung mit Schreiben vom 6.3.1995 auch nicht zutreffend unterrichtet worden sein kann. Das ergibt sich aus dem Prüfbericht des Sachverständigen vom 8.3.2006, der festgestellt hat, dass die Verwertung der Masse, insbesondere betreffend den gesamten Bereich des Anlagevermögens, aufbauend auf den vorliegenden Unterlagen bereits nicht nachvollziehbar gewesen ist.

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Das ergibt sich ferner auch aus dem Bericht des damals noch als Sonderverwalter handelnden Rechtsanwalts B vom 18.12.2009, der an konkret benannten Beispielsfällen zur fehlenden Abschlussreife des Verfahrens anhand eigener Prüfung der Unterlagen zu einem vergleichbaren Ergebnis gekommen ist. Genannt werden beispielsweise vertraglich vereinbarte Investitionen einer M GmBH in Höhe von 2,5 Mio DM, die zwar berichtet werden (Bericht vom 7.11.1990), ein Vertrag liegt aber nicht vor. Ein Tierbestand, der nach dem Bericht auf 600.000 DM geschätzt und veräußert wurde, korreliere nur mit Einnahmen von 280.000 DM. Ferner werden Zahlungen aufgeführt, die auf ein Konto bei der Genossenschaft H weitergeleitet worden seien. Die Höhe der vereinnahmten Beträge erschließe sich jedoch nicht. Es wird ferner von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen berichtet, ohne dass sich Unterlagen auffinden lassen, aus denen sich die gesellschaftsrechtliche Situation nachvollziehen lasse (Bd. VII, Blatt 161 ff ).

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Im Wesentlichen gleiches gilt für die Kontoführung. Denn danach verhielt es sich so, dass der Rechtsanwalt B auch die Kontenverwaltung eigenverantwortlich geführt hat und nach den von dem Beschwerdeführer selbst verfassten Berichten nicht nachzuvollziehen gewesen ist, auf welchen Konten Einnahmen verbucht wurden, Festgeldanlagen geführt wurden und der Verbleib des Fehlbetrages von rund 600.000 DM schließlich nicht mehr rekonstruierbar gewesen ist. Das lässt zur Überzeugung der Kammer allerdings den Schluss zu, dass hier ein Fall vorliegt, dessen Besonderheit darin besteht, dass der Beschwerdeführer das Verfahren in wesentlichen Teilen aus der Hand gegeben und unkontrolliert gelassen hat. Anders lassen sich sowohl die - im Übrigen unangegriffen gebliebenen- Prüfergebnisse des Sachverständigen und des Sonderverwalters, als auch die Ausführungen im Schlussbericht des Beschwerdeführers selbst nicht plausibel erklären. Die nunmehr erhobene Substantiierungsrüge des Beschwerdeführers kann deshalb dahingestellt bleiben. Sie ist nicht erheblich, weil sie kein neues Tatsachenvorbringen enthält, insbesondere auch keine substantiierte Auseinandersetzung mit den Prüfberichten erkennen lässt.

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cc) Diese über Jahre andauernden Unterlassungen rechtfertigen allerdings den Vorwurf eines gravierenden Treuebruchs, weil dem Beschwerdeführer als Gesamtvollstreckungsverwalter von dem Zeitpunkt der Übernahme der Verwaltung gemäß § 13 StGB nicht nur eine Garantenstellung hinsichtlich der von ihm zu verantwortenden spezifischen insolvenzrechtlichen Pflicht, die Masse in Besitz zu nehmen und ordnungsgemäß zu verwalten und zu verwerten obliegt, sondern er gegenüber dem Gemeinschuldner auch verpflichtet gewesen ist, eine ordnungsgemäße Bestandsaufnahme zu gewährleisten und Bücher zu führen ( BGH WM 1979; 775 f = BGHZ 74, 316 ff).

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Im Gesamtvollstreckungs-, Konkurs- und Insolvenzrecht ist es von jeher eine jedem Verwalter hinreichend bekannte Tatsache, dass im Zeitpunkt der Übernahme einer Verwaltung jeder Verwalter damit rechnen muss, nur wenige, möglicherweise auch unzuverlässige Informationen zur Verfügung zu haben, andererseits aber sowohl Schuldner und Gläubiger als auch das Insolvenzgericht in der Regel zügiges Verwalterhandeln erwarten. Schon aus diesen tatsächlichen Gegebenheiten kann es keine plausiblen Erwägungen geben, die es rechtfertigen können, dass ein Verwalter - auch wenn es geboten ist, Hilfspersonen hinzuzuziehen - es unterlässt, sich ein eigenes Bild über die Bestandsaufnahme, den Zustand der Buchhaltung und den Fortgang der Verwaltung und Verwertung der Masse zu verschaffen. Wenn sich die Verfahrensgeschichte allerdings so darstellt, dass es nicht nur zu punktuellen Versäumnissen gekommen ist, die sich mit den unvermeidlichen Unzuträglichkeiten des Alltags erklären lassen, sondern sich selbst ein Sachverständiger keinen Überblick über die Verfahrenskonten verschaffen kann und Kontobestände sich als nicht aufklärbar erweisen, liegt zur Überzeugung der Kammer ein Evidenzfall vor, weil jede Buchhaltung so geordnet zu führen ist, dass ein mit Sachkunde versehener Dritter sich ein Bild über die Vermögenslage verschaffen kann.

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dd) Auch hat der Beschwerdeführer durch diese pflichtwidrige Unterlassung den von ihm zu wahrenden Vermögensinteressen Nachteile zugefügt. In der Rechtsprechung ist es anerkannt, dass ein vermögenswerter Nachteil schon allein durch Mängel in der Buchführung begründet werden kann, nämlich dann, wenn sich diese Mängel als derart gravierend darstellen, dass die Durchsetzung von Ansprüchen gefährdet oder wesentlich erschwert wird (BGHSt 20, 304; BGH StV 1996, 431; BGHSt 47, 8, 11 ). So liegt der Fall aber, wenn die Vorgänge vom Verwalter nicht aufgeklärt werden können. Dabei kann die Kammer auch die Frage dahingestellt sein lassen, ob und inwieweit verfahrensfremde Vermögensverfügungen geeignet sind, den Rechtsbegriff des vermögenswerten Nachteils im Sinne des § 266 StGB zu erfüllen. Denn die Frage, ob es an einem vermögenswerten Nachteil fehlt, stellt sich nur dann, wenn ein Verwalter in der Lage ist, eine verfahrensfremde Vermögensverfügung mit eigenen flüssigen Mitteln wieder auszugleichen (so BGHSt 15, 374). Es ist weder ersichtlich, noch ist dies vom Beschwerdeführer behauptet worden, dass er den festgestellten Fehlbestand ausgeglichen hätte. Im Übrigen steht fest, dass er in der Folgezeit selbst insolvent geworden ist, was er zudem dem Amtsgericht verschwiegen hat.

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ee) Der Beschwerdeführer hat den Treuebruch auch zumindest billigend in Kauf genommen, weil er dann, wenn er zum eigenen Handeln verpflichtet ist, eine Unterlassung nicht damit rechtfertigen kann, einem Dritten vertraut zu haben. Da der Beschwerdeführer seine Vermögensbetreuungspflichten hier von Beginn an nicht nur in unzulänglicher Weise ausgeübt hat, sondern den Dingen ohne ersichtliche Gegenbemühungen ihren Lauf gelassen hat, lässt sich, bezogen auf den Vorwurf der Treuepflichtverletzung, bereits hieraus auf einen nicht getätigten Vermeidewillen und damit auf Vorsatz schließen. Denn wenn der Beschwerdeführer, wie er ausgeführt hat, Konto- und Zahlungsvorgänge verfolgt hätte und im Bilde gewesen wäre, hätte er bereits im Jahre 1995 erkennen müssen, dass die dem Amtsgericht mit Schreiben vom 6.3.1995 mitgeteilte „wesentliche Voraussetzung für den Verfahrensabschluss“, nämlich eine geordnete Buchhaltung, nicht zutreffend gewesen sein kann. Sein erhobener Einwand, wenn das Gericht nichts beanstande, habe er keinen Anlass zu kontrollieren, lässt seine Verantwortung nicht entfallen. Die Verantwortung des Gesamtvollstreckungsverwalters nach § 8 Abs. 1 Satz 2 GesO, ist die gleiche wie nach § 82 KO. Sie ist unmittelbar und höchstpersönlicher Natur und hinsichtlich der Wirksamkeit der vom Gesamtvollstreckungsverwalter vorzunehmenden Handlungen auch unabhängig von der Zustimmung der Gläubigerversammlung gewesen (so bereits BGH vom 5.1.1995 IX ZR, 241/93; ZIP 1995, 290, 293). Der Einwand des Beschwerdeführers ist deshalb auch nicht geeignet, einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum (§ 16 Abs. 1 StGB) über Inhalt und Reichweite seiner Pflichtenlage zu begründen. Davon abgesehen hat es, wie sich dem Schreiben der D-Bank vom 22.5.1996 entnehmen lässt, mithin schon erhebliche Zeit vor dem Geldtransfer nach Ö, von Gläubigerseite hinreichend deutliche Beanstandungen wegen der Verselbstständigung des Rechtsanwalts B gegeben, die bereits deshalb einen konkreten Anlass zu einer Kontrolle und Überwachung des Rechtsanwalt B gegeben haben.

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ff) Der Beschwerdeführer hätte auch, wenn er von seinen Verwalterbefugnissen Gebrauch gemacht hätte, tatsächlich die Möglichkeit gehabt, wesentliche Teile des eingetretenen Vermögensschadens abzuwenden. Auch das lässt sich konkret feststellen. Dem bei den Akten befindlichen, als Zwischenbericht an das Insolvenzgericht gekennzeichneten Schreiben des Rechtsanwalts B vom 27.12.1996 lässt sich entnehmen, dass dieser bereits damals offen angekündigt hatte, Gelder ins europäische Ausland zu transferieren. Ferner lassen sich dem Folgeschreiben vom 25.7. 1997 offensichtliche Unstimmigkeiten hinsichtlich des Bestandes der Bankkonten entnehmen, weil Konten, die im Bericht vom 27.12.1996 als bei einer bestimmten österreichischen Bank als geführt angegeben worden sind, im Folgebericht vom 25.7.1997 ohne nähere Erläuterung verschwunden sind. Angesichts der Höhe einer Festgeldanlage von rund 600.000 DM, die hier in Rede stand, hat es sich um eine derart offensichtliche Ungereimtheit gehandelt, auf die jeder Verwalter umgehend zu reagieren hatte, wenn, wie der Beschwerdeführer dargelegt hat, die Berichte und Korrespondenzen mit ihm abgestimmt gewesen sind. Rechtsanwalt B war zu dieser Zeit nämlich noch am Leben und hätte dem Beschwerdeführer deshalb Rede und Antwort stehen müssen und auch können, weil er die Abhebungen vorgenommen hat, so dass jedenfalls von einer Nichtaufklärbarkeit des Vorgangs zum damaligen Zeitpunkt überhaupt keine Rede sein kann.

95

gg) Schließlich hat der Beschwerdeführer auch rechtswidrig(1) und schuldhaft(2) gehandelt.

96

(1) Rechtfertigungsgründe für sein Verhalten sind nicht ersichtlich.

97

(2) Soweit dem Umstand Rechnung zu tragen wäre, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner eigenen Persönlichkeit und den äußeren Umständen, in denen er tätig gewesen ist, sich gegenüber dem Rechtsanwalt B nicht hat behaupten und durchsetzen können, berührt dieser Aspekt nicht den Vorwurf der Treuepflichtverletzung, sondern die Frage der Vorwerfbarkeit der Tat, mithin die Schwere der Schuld. Davon abgesehen, dass der Beschwerdeführer ein Abhängigkeitsverhältnis nicht einmal behauptet hat, ist auch sonst hierfür nichts ersichtlich. Denn der Beschwerdeführer hätte Rechtsanwalt B jederzeit entlassen und sich einer anderen Hilfsperson bedienen können.

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d) Der Beschwerdeführer hat es schließlich auch pflichtwidrig unterlassen, dem Insolvenzgericht anzuzeigen, dass er in Vermögensverfall geraten und selbst insolvent geworden ist. Daran ändert nichts, dass das Amtsgericht von der Rechtsanwaltskammer des Landes S vom Entzug der Anwaltszulassung in Kenntnis gesetzt worden ist. Denn die Anzeige der dieser Entscheidung vorausgehenden Insolvenz ist schon deshalb geboten, weil das Gericht in der Lage sein muss zu prüfen, ob ein Entlassungsgrund entstanden ist. Das vom Gesetz vorausgesetzte Eignungsmerkmal, wonach der Insolvenzverwalter unabhängig, mithin wirtschaftlich weder von den Gläubigern noch von dem Gemeinschuldner abhängig ist oder wird (eingehend hierzu FK-Inso-Kind 5. Aufl. § 56 Rn 5 ff, insbesondere Rn 7), kennt auch die GesO in § 5 Nr. 2. Auch nach der GesO ist der Verwalter vom Gericht zu entlassen, wenn sich herausgestellt hat, dass er ungeeignet ist, die Verwaltertätigkeit weiter auszuüben, wobei diese Voraussetzungen -wohl wegen der fehlenden Zwangsbefugnisse des Gerichts- schon als gegeben angenommen worden sind, wenn der Verwalter nur ermessensmissbräuchlich, unrechtmäßig und unzweckmäßig handelt. Allein eine Besorgnis, der Verwalter biete keine hinreichende Gewähr für eine objektive Wahrnehmung seiner Pflichten ist überwiegend allerdings noch nicht als hinreichender Grund für eine Entlassung angesehen worden (vgl. bei Naumann, Kölner Schriften zur Insolvenzordnung, 1997, Seite 331, mw.N. zum Streitstand).

99

Angesichts dieser Rechtslage wird man einen Ermessensfehlgebrauch des Amtsgerichts, es zu unterlassen, von Amts wegen die mangelnde Eignung zu prüfen, allein aufgrund der Mitteilung des Widerrufs der Anwaltszulassung nicht ohne Weiteres annehmen können, weil die Tätigkeit als Rechtsanwalt zwar möglicherweise eine günstige, aber eben keine notwendige Voraussetzung für die Tätigkeit eines Gesamtvollstreckungsverwalters ist. Ebenso wenig hat sich der Beschwerdeführer ohne Weiteres darauf verlassen dürfen, dass das Amtsgericht, nur weil es auch sein Insolvenzverfahren geführt hat, von Amts wegen seine Eignung prüfen würde, weil es sich insoweit um verschiedene Verfahren handelt und die Prüfung der Eignung des Beschwerdeführers als Gesamtvollstreckungsverwalter nicht Gegenstand seines eigenen Insolvenzverfahrens gewesen ist. Unter Berücksichtigung dieser Umstände drängt sich allerdings der Schluss auf, dass der Beschwerdeführer darauf spekuliert hat, die verfahrensförmliche Trennung der verschiedenen Vorgänge werde seine Chancen erhöhen, einer aufsichtsrechtlichen Prüfung zu entgehen, wenn er eine eigene Anzeige unterlässt. Denn wie sich gezeigt hat, beruht ein erheblicher Teil seines Vorbringens auf der Negierung eigener Verantwortung und der Erwägung, dass wenn das Amtsgericht keine konkreten Beanstandungen erhebe, er auch nichts zu veranlassen habe. Die Kammer wertet die unterlassene Anzeige deshalb auch als grobe Pflichtverletzung.

100

e) Schließlich zeigen die Hergänge um den Verwalterwechsel im Jahre 2010, dass der Beschwerdeführer auch selbst bereit gewesen ist, Geldbeträge in einer Größenordnung von mehr als 192.000 € zu veruntreuen, indem er sie ohne Bewilligung durch das Gericht zu seinen Gunsten der Masse entnommen hat.

101

aa) Auch dieses Verhalten erfüllt den Treubruchtatbestand des § 266 Abs. 1 StGB. Daran ändert nichts, dass seine Vermögensbetreuungspflichten gegenüber Gläubigern und Schuldnern mit der rechtskräftigen Abberufung als Gesamtvollstreckungsverwalter grundsätzlich beendet gewesen sind. Hinsichtlich der noch in seiner Verfügungsgewalt befindlichen Massegegenstände wirken sie aber über diesen Zeitpunkt hinaus fort, weil der Beschwerdeführer mit seiner rechtskräftigen Abberufung gemäß § 667 BGB verpflichtet gewesen ist, alles, was er durch seine Tätigkeit erlangt hat, an den neuen Verwalter herauszugeben. Auch dieser Pflicht ist er nicht nachgekommen. Vielmehr hat er dieses Geldvermögen in sein eigenes Vermögen überführt, indem er es ohne rechtfertigenden Grund der Masse entnommen und ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht hat. Er hat der Masse damit auch einen vermögenswerten Nachteil zugefügt, weil er trotz der bereits im Jahre 2010 ergangenen Hinweise (Bericht vom 13.9.2010,Bd. VIII, Bl. 10 d.A.) und der Aufforderung durch Rechtsanwalt B diese Entnahme nicht wieder ausgeglichen hat.

102

bb) Insoweit hat der Beschwerdeführer auch vorsätzlich gehandelt, weil er mit dieser Handlung bezweckt hat, seine angenommenen Vergütungsansprüche zu sichern.

103

cc) Der Beschwerdeführer hat auch rechtswidrig gehandelt. Der vom Beschwerdeführer angenommene Rechtfertigungsgrund existiert nicht. Denn solange die Vergütung nicht festgesetzt ist, fehlt es an der für ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs, 1 BGB erforderlichen Fälligkeit der Forderung. Diese Rechtslage galt auch unter der GesO. Denn wie sich § 13 Abs. 1 Nr. 2 GesO entnehmen lässt, war auch unter dem Regime dieser Regelungen die Höhe der Vergütung von der Festsetzung des Gerichts abhängig. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BGH (ZinsO 2006, 27), auf die sich der Beschwerdeführer beruft. Der BGH hat, seiner ständigen Rechtsprechung folgend, wiederholt, dass der Vergütungsanspruch wegen Art 12 GG zwar mit der Tätigkeit entsteht, er gleichwohl der konkreten Höhe nach vom Gericht festgesetzt wird. Die Entnahmebefugnis entsteht deshalb erst mit dem Festsetzungsbeschluss. Nur auf die Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses kommt es nicht an, weil der Festsetzungsbeschluss einem vorläufig vollstreckbaren Titel gleichsteht.

104

dd) Der Beschwerdeführer hat auch insoweit schuldhaft gehandelt. Dass der Beschwerdeführer eine Entscheidung des BGH, die er für seine Rechtsposition heranzieht, sinnentstellend zitiert und trotz der im Wesentlichen unstreitigen Rechtslage ( vgl. hierzu FK InsO-Kind, 5 Aufl. § 64 Rn 10 und die umfassenden Nachweise in BGH ZinsO 2006, 27 bei juris Rn 22 f, insbesondere auch BGHZ 116, 233 bei juris Rn 24) ihren Inhalt verfremdet ( SS. 30.10.2012, Bd. VIII, Blatt 288 d.A.), trägt auch unter Berücksichtigung des § 17 StGB keinen Schuldausschluss. Denn diese Frage ist für den Berufskreis der Gesamtvollstreckungs- und Insolvenzverwalter bedeutsam. Sie unterliegt deshalb der Erkundigungspflicht, weshalb sich der Beschwerdeführer auch nicht mit Erkenntnissen auf zweifelhafter Grundlage zufrieden geben darf (vgl. bei Fischer, StGB 58. Aufl. § 17 Rn 9). Selbst auf die Auskunft eines Rechtsanwalts, den er als kompetent angesehen hat, darf sich der Beschwerdeführer nicht verlassen, wenn sich die Unerlaubtheit des Handelns leicht erkennen lässt (Fischer, StGB 58. Aufl. § 17 Rn 9a). Auch das ist hier der Fall, weil der Beschwerdeführer von Rechtsanwalt B unstreitig bereits im Jahre 2010 auf die Rechtslage hingewiesen wurde (Bericht vom 13.9.2010,Bd. VIII, Bl. 10 d.A.). Der Beschwerdeführer hatte deshalb Anlass, sich weiter zu erkundigen und Rat einzuholen. Im Hinblick auf seine Vorbildung als Diplom-Jurist und seine über Jahre ausgeübte Tätigkeit als Rechtsanwalt, kann im Übrigen auch davon ausgegangen werden, dass er über die erforderliche Vorbildung verfügt, um sich über die höchstrichterlich seit Jahrzehnten entschiedene Rechtsfrage in der von ihm angeführten Rechtsprechung selbst ein Bild zu machen.

V.

105

Nach alledem war die sofortige Beschwerde im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen. Die Rückforderung der mit Genehmigung des Amtsgerichts entnommenen Beträge ergibt sich aus dem materiellen Recht, weil mit der Festsetzung auf 0 endgültig feststeht, dass dem Beschwerdeführer kein vergütungsrechtlicher Anspruch zusteht (vgl. hierzu auch BGH ZinsO 2006, 27; BGH ZiP 2002, 2223,2224). Von einer Verschlechterung der Entscheidung zu Lasten des Beschwerdeführers hat die Kammer abgesehen. Zwar besteht zwischen den tatsächlichen genehmigten Entnahmen und den vom Amtsgericht festgesetzten rückzahlungspflichtigen Entnahmen eine Differenz (134.602,27 € zu 131.400,22 €). Eine Verschlechterung findet entsprechend § 528 S. 2 ZPO im Beschwerdeverfahren nicht statt (Zöller-Heßler, ZPO, 29.Aufl., § 572 Rn 39). Eine Differenzierung nach Vergütung und Auslagen bedarf es wegen des Strafcharakters der Entscheidung im Übrigen nicht (LG Schwerin, ZinsO 2008, 856 f, bei Juris Rn 48).

106

Auch im Hinblick auf Art 12 GG und den Umstand, dass der Beschwerdeführer selbst auch gar nicht abstreiten will, dass Pflichtverletzungen vorgelegen haben, die schon zu einem früheren Zeitpunkt seine Entlassung gerechtfertigt hätten, stellt sich die Entscheidung gleichwohl nicht als verfassungswidriger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Beschwerdeführers dar. Insbesondere führt auch der lange Zeitraum, der von der Verwirkung betroffen ist, nicht zu einem Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Denn wenn dem Amtsgericht insoweit Versäumnisse vorzuhalten wären, weil es den Beschwerdeführer zu lange im Amt gehalten und ihn nicht rechtzeitig entlassen hätte, würde er gleichwohl nicht rechtlos gestellt sein. Soweit er durch eine frühzeitige Entlassung die Möglichkeit gehabt hätte, anderweitig Einkommen zu erzielen und ihm diese Möglichkeit aufgrund einer pflichtwidrigen Untätigkeit des Amtsgerichts versagt geblieben wäre, stünde ihm der Rechtsweg nach den § 839 BGB, Art 34 GG hinsichtlich etwaiger entgangener Einkünfte offen ( BGH ZIP 1990, 1441; FK-InsO-Kind, 5. Aufl. § 56 Rn 44).

VI.

107

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 92 Abs.1 Satz 2 und 97 Abs. 1 ZPO.

108

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht veranlasst. § 7 InsO ist auf ein Verfahren nach der Gesamtvollstreckungsordnung gemäß Art 103 Satz 1 EG InsO nicht anwendbar (BGH ZinsO 2004, 274, 275; NJW-RR 2009, 1349). Soweit sie nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft ist (BGH ZInsO 2004, 274 ff), hat die Sache im Übrigen auch keine grundsätzliche Bedeutung oder erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§§ 574 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).


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