Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-27 U 13/13
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 8. Oktober 2013 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg, Az. 26 O 55/12, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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G r ü n d e :
2A.
3Die Parteien streiten klagend und widerklagend um Geldforderungen wegen ungewollter Mindermengen von Stromentnahmen für Standardlastprofilkunden aus dem von der Klägerin betriebenen Stromverteilnetz im Stadtgebiet O. für die Jahre 2005 bis 2007, die die Klägerin in den Jahren 2011 und 2012 abgerechnet und der Beklagten in Rechnung gestellt hat. Die Beklagte ist Energielieferantin und nutzt das Stromnetz der Klägerin unter anderem zur Belieferung von Standardlastprofilkunden in O.. Die Beklagte verteidigt sich im Wesentlich mit der Einrede der Verjährung. Zum Sachverhalt im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Feststellungswiderklage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie ihr Klagabweisungs- und Feststellungsbegehren weiter verfolgt.
4Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts. Sie ist der Auffassung, die Klägerin könne aus den für die Jahre 2005 bis 2007 unstreitig durch die Beklagte aus dem Stromnetz der Klägerin entnommenen Mindermengen keine Vergütung verlangen, weil sämtliche Forderungen verjährt seien. Anders als das Landgericht entschieden habe, beginne die Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem die Ablesung des Stromjahresverbrauchs erfolgt sei und nicht mit Ablauf des Jahres, in dem die Rechnungen erstellt worden seien. Da Ablesungen jeweils im Folgejahr des Verbrauchsjahres durchgeführt worden seien, sei Verjährung eingetreten. Dies gelte auch für die im Jahr 2007 entnommenen Mindermengen, die im Jahr 2008 abgelesen worden und mit Ablauf des Jahres 2011 verjährt seien. Unstreitig hat die Klägerin den Verbrauch für das Jahr 2007 unter dem 14.05.2012 gegenüber der Beklagten abgerechnet und mit am 02.12.2012 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz, der dem Beklagtenvertreter am 1.04.2013 zugestellt worden ist, gerichtlich geltend gemacht (GA 386, 395, 438). Die Klägerin ist der Auffassung, Zahlungsansprüche seien in dem Zeitpunkt entstanden, in denen sie abrechnungsfähig gewesen seien. Dies sei ab dem Tag der Ablesung des Stromverbrauchs der Fall. Auf die Fälligkeit der Forderungen komme es nicht an, weil § 199 BGB an das Entstehen des Anspruchs, nicht aber an dessen Fälligkeit anknüpfe. Fälligkeit sei zudem im Streitfall nicht erst mit Rechnungserstellung, sondern bereits mit Zählerablesung erfolgt. Die Forderungen hätten bereits mit Erhebung der Ablesedaten beziffert werden und gerichtlich geltend gemacht werden können. Die Fälligkeit einer Forderung hinge nur in Ausnahmefällen von einer Rechnungsstellung bzw. deren Zugang ab, nämlich wenn dies entweder gesetzlich angeordnet werde oder vertraglich vereinbart sei. Eine spezialgesetzliche Fälligkeitsregelung existiere nicht. Auch § 13 Abs. 3 Satz 3 StromNZV sehe keine Fälligkeitsregelung vor. Soweit die Parteien in § 14 Abs. 4 Satz 1 des am 22.10.2002 geschlossenen Lieferrahmenvertrags (im Folgenden LRV 2002) eine Fälligkeitsabrede getroffen hätten, nach der Rechnungen zwei Wochen nach dem Datum der Rechnungstellung fällig würden, stehe dies in Widerspruch zu der in Ziffer 17.1 der Anlage 8 LRV 2002 getroffenen Regelung, wonach Rechnungen zu dem vom Netzbetreiber angegebenen Zeitpunkt, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der Rechnung fällig würden. Dies führe nach § 307 BGB (GA 157) zur Unwirksamkeit beider Regelungen, weil es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele. Auch die Umstände des Streitfalls rechtfertigten nicht, die Fälligkeit der Forderungen auf den Zeitpunkt der Rechnungserstellung zu verlegen. Aus § 13 Abs. 3 Satz 3 StromNZV ergebe sich vielmehr die Pflicht des Netzbetreibers zur zeitnahen Abrechnung, sobald die erforderlichen Daten vorlägen. Eine Missachtung dieser Pflicht stelle einen Missbrauch im Sinn des § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EnWG dar. Nur eine zeitnahe Abrechnung werde der von der Bundesnetzagentur bei Netznutzungsabrechnungen geforderten Massengeschäftstauglichkeit von Abrechnungsverfahren gerecht. Derzeit seien hiervon Abrechnungen für Mehr- und Mindermengen zwar noch ausgenommen. Das Ziel einer Massengeschäftstauglichkeit verbiete aber auch im Streitfall eine mehrjährige Verzögerung.
5Hilfsweise beruft sich die Beklagte auch mit der Berufung auf den Einwand der Verwirkung.
6Sie beantragt,
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1. das am 08.10.2013 verkündete Urteil des Landgerichts Duisburg, 26 O 55/12, abzuändern und die Klage abzuweisen,
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2. festzustellen, dass der gegen sie durch die Klägerin mit der Jahresmengendifferenzabrechnung vom 16.11.2011 geltend gemachte Anspruch in Höhe von 18.831,87 € für Jahresmindermengen in Höhe von 352.921 kWh für den Zeitraum vom 01.01.2055 bis zum 31.12.2005 nicht gegeben,
hilfsweise nicht durchsetzbar ist.
11Die Klägerin beantragt,
12die Berufung zurückzuweisen.
13Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die strittigen Forderungen seien nicht verjährt. Nach §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginne die dreijährige Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei ein Anspruch entstanden, wenn er erstmals geltend gemacht und im Wege der Klage durchgesetzt werden könne. Dies sei der Zeitpunkt der Fälligkeit. Forderungen von Versorgungsunternehmen könnten erst nach einer Abrechnung beziffert und geltend gemacht werden, so dass eine Rechnungstellung sowohl Voraussetzung der Fälligkeit als auch der Anspruchsentstehung sei. Beides unterliege in solchen Fällen ausnahmsweise der Disposition des Gläubigers. Dies ergebe sich auch aus § 13 Abs. 3 StromNZV, nach dem ein Mindermengenanspruch eine Rechnungstellung erfordere. Eine Verpflichtung zur Abrechnung des festgestellten Verbrauchs bis zum Abschluss des dem Abrechnungsjahr folgenden Kalenderjahres könne der StromNZV nicht entnommen werden. Wegen der Komplexität der Abrechnungsverfahren sei dies auch nicht möglich. Der Gläubiger erfahre erst im Zuge der Abrechnung, ob Mehr- oder Mindermengen verbraucht worden seien und sei erst ab diesem Zeitpunkt in der Lage, Forderungen geltend zu machen. Ansprüche seien weder verwirkt noch sei eine Abrechnung missbräuchlich hinaus gezögert worden. Die Bundesnetzagentur habe die Abrechnung von Mehr- oder Mindermengen wegen der Besonderheiten dieser Abrechnungsverfahren ausdrücklich von ihren Festlegungen ausgenommen.
14Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
15B.
16Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 54.703,98 € nebst den vom Landgericht zuerkannten Zinsen. Die Feststellungswiderklage der Beklagten ist unbegründet.
171. Die Klageforderungen rechtfertigen sich aus § 3 Abs. 4 der Anlage 3 LRV 2002 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 Satz 2 StromNZV sowie § 433 Abs. 2 BGB.
18a) Die Klägerin ist aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verwiesen wird, aktivlegitimiert. Mit notariellem Vertrag vom 26.03.2007 (Anlage K 10 GA 509 ff.) sind ihr Rechte und Pflichten aus dem LRV 2002 übertragen worden (GA 513, 518). Hierzu gehören auch die strittigen Forderungen. Das greift die Beklagte mit der Berufung auch nicht an.
19b) Die der Höhe nach unstreitigen Forderungen gemäß den Rechnungen vom 14.12.2011 für das Jahr 2006 und vom 14.05.2012 für das Jahr 2007 sind nicht verjährt.
20aa) Die Verjährung von Entgeltansprüchen der Versorgungsunternehmen für Stromlieferungen unterliegt keinen besonderen Regelungen. Für sie gilt die regelmäßige Verjährung von drei Jahren nach § 195 BGB. Gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Für die für das Jahr 2006 geltend gemachte Forderung war dies der 31.12.2011 und für die für das Jahr 2007 geltend gemachte Forderung der 31.12.2012. Beide Forderungen hat die Klägerin innerhalb der zum 31.12.2014 und 31.12.2015 endenden Verjährungsfristen und damit rechtzeitig geltend gemacht, § 204 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BGB.
21bb) Die Ansprüche sind mit Rechnungstellung in den Jahren 2011 und 2012 entstanden. Unter der Entstehung des Anspruchs im Sinn des § 199 Abs. 1 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Zeitpunkt zu verstehen, in welchem der Anspruch erstmalig geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann, d.h. dem Zeitpunkt, in dem die Forderung fällig wird (BGH, Urt. v. 08.07.1981, VIII ZR 222/80, juris Rn. 19 m.w.N.). An dieser Rechtslage hat sich durch die Reform des Schuldrechts und die damit einhergehende Änderung von Verjährungsvorschriften nichts geändert. Bereits nach § 198 BGB a.F. begann die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem die Forderung entstanden war. Auf den Zeitpunkt, in welchem der Anspruch erstmalig geltend gemacht und notfalls eingeklagt werden kann, ist dann abzustellen, wenn – wie hier – die Fälligkeit von einem zeitlich unbestimmten und insbesondere vom Schuldner unbestimmbaren Ereignis, wie z.B. einer Rechnungsstellung, abhängig gemacht wird und der Gläubiger auf den Beginn der Verjährungsfrist Einfluss nehmen kann. Auch hier folgt die Maßgeblichkeit des Fälligkeitszeitpunkts für den Beginn der Verjährungsfrist aus der Erwägung, dass zu Lasten des Berechtigten die Verjährungsfrist nicht beginnen kann, solange er nicht in der Lage ist, den Anspruch geltend zu machen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 20).
22cc) Im Streitfall ist eine Unterscheidung zwischen der Entstehung der Ansprüche und deren Fälligkeit nicht geboten, weil beide Ereignisse zusammenfallen. Zum einen haben die Parteien wirksam in §§ 14 Abs. 4 LRV 2002, Ziffer 17.1 Anlage 8 zum LRV 2002 eine Fälligkeitsabrede dahin getroffen, dass Fälligkeit frühestens zwei Wochen nach Zugang der Rechnungen eintreten solle. Zum anderen konnte die Klägerin die Forderungen frühestens mit Rechnungsstellung geltend machen und notfalls klageweise verfolgen.
23(1) Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten haben die Parteien eine wirksame Fälligkeitsvereinbarung getroffen, § 271 Abs. 1, 1. Alt. BGB. §§ 14 Abs. 4 LRV 2002, Ziffer 17.1 Anlage 8 zum LRV 2002 sind nicht widersprüchlich und wegen Verstoßes gegen die Gebote von Treu und Glauben nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Eine gemäß §§ 133, 157 BGB, 346 HGB an dem aus dem Vertragstext erkennbaren Willen und dem wohlverstandenen Interesse der Vertragsparteien an einer reibungslosen Vertragsabwicklung ausgerichtete Auslegung der §§ 14 Abs. 4 LRV 2002, Ziffer 17.1 Anlage 8 zum LRV 2002 ergibt, dass Fälligkeit von Forderungen frühestens zwei Wochen nach Rechnungszugang eintreten sollte. Der Klägerin blieb nach Ziffer 17.1 Anlage 8 LRV 2002 unbenommen, hiervon zu Gunsten der Beklagten abzuweichen und einen späteren Fälligkeitstermin zu bestimmen. Dies hat sie im Hinblick auf die drei strittigen Rechnungen auch so praktiziert, in denen sie der Beklagten jeweils ein Zahlungsziel von einem Monat eingeräumt hat. Soweit in § 14 Abs. 4 LRV 2002 für die Berechnung der grundsätzlich für die Fälligkeit vereinbarten Zweiwochenfrist an das Rechnungsdatum und nicht, wie dies in Ziffer 17.1 Anlage 8 zum LRV 2002 vereinbart worden ist, an den Zugang der Rechnung angeknüpft worden ist, ist der übereinstimmende Wille der Parteien dahin auszulegen, dass im Zweifel zu Lasten der Klägerin auf den für die Beklagte günstigeren, nämlich späteren Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung abzustellen ist. Unter Berücksichtigung dessen, dass es sich hierbei wegen zu beachtender Postlaufzeiten von wenigen Tagen nur um eine geringfügige Verschiebung handelt, ist der im Kern getroffenen Absprache, die Fälligkeit von Forderungen an eine Rechnungsstellung zu binden, im Rahmen der Vertragsauslegung das stärkere Gewicht beizumessen. Diese Kernaussage ist übereinstimmend festgelegt worden und lässt keinen Zweifel daran, dass dies von beiden Parteien gewollt und zudem in der Vergangenheit auch so praktiziert worden war.
24(2) Durch die wenige Tage voneinander abweichenden Absprachen über den Beginn der Zweiwochenfrist in §§ 14 Abs. 4 LRV 2002, Ziffer 17.1 Anlage 8 zum LRV 2002 wird die Beklagte entgegen ihrer Rechtsauffassung nicht unangemessen benachteiligt im Sinn des § 307 Abs. 1 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung liegt nur vor, wenn der Verwender durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH, Urt. 01.02.2005, X ZR 10/04, juris Rn. 21 m.w.N.; Palandt-Grüneberg, 70. Aufl., § 307 Rn. 8). Diese Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor. Dass die Beklagte dies zudem in den vergangenen Jahren gegenüber der Klägerin kaufmännischen Gepflogenheiten entsprechend gerügt hat, hat sie nicht behauptet.
25(3) Ungeachtet dessen, dass die Parteien wirksam eine Leistungszeit vereinbart haben, fällt diese auch aufgrund der besonderen Umstände der strittigen Ablese- und Abrechnungsverfahren auf den Zeitpunkt der Abrechnung, d.h. der Rechnungsstellung. Denn vor Auswertung der Ablesedaten, die unstreitig im Zuge der Abrechnung und Rechnungsstellung erfolgt, ist nicht erkennbar, ob ein Standardprofilkunde Mehr- oder Mindermengen verbraucht hat. Auch eine Bezifferung etwaiger Forderungen wegen Mindermengen ist nicht möglich. Wegen der Komplexität der Abrechnungsverfahren sowie des Umstandes, dass es sich um Massengeschäfte handelt, die komplexe Datenerhebungen und –auswertungen erfordern, liegt ein standardisiertes Abrechnungssystem nahe, das den einzelnen Vorfall einmalig und im Zuge der Abrechnung auswertet. Diese Umstände erlauben es, die Leistungszeit auf eine solche Abrechnung zu bestimmen. Den Besonderheiten der Feststellung und Abrechnung von Mehr- und Mindermengen hat die Bundesnetzagentur Rechnung getragen, indem sie diese Verfahren von ihren bisherigen Festlegungen ausgenommen hat.
26(4) Die Klägerin konnte die strittigen Forderungen frühestens nach der Erstellung von Abrechnungen klageweise geltend machen. Denn sie war von vornherein auf die Erhebung einer Leistungsklage beschränkt, die neben einer der Höhe nach bestimmten Forderung deren Fälligkeit erfordert. Anders als bei Schadensersatzansprüchen, deren Höhe noch nicht feststeht, die dem Grunde nach aber bereits geltend gemacht werden können, ist eine klageweise Geltendmachung von Mindermengenansprüchen vor Abrechnung im Wege einer Feststellungsklage, anders als die Beklagte meint, wegen des Vorrangs einer Leistungsklage unzulässig. Der von der Beklagten gezogene Vergleich zu den Urteilen des Bundesgerichtshofes zu Stromnetznutzungsentgelten (vgl. nur BGH, Urt. v. 23.06.2009, EnZR 49/08, juris Rn. 6, Stromnetznutzungsentgelt I) sowie des Senats zur Rückforderung unbillig überhöhter Netznutzungsentgelte im Sinn des § 315 Abs. 3 BGB (OLG Düsseldorf, VI-2 U (Kart) 12/07, juris Rn. 48 ff.), in denen der Rückforderungsanspruch des Netznutzers in der Form eines Bereicherungsanspruch im Zeitpunkt der Zahlung eines unbilligen Entgelts entsteht und bei Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB den Lauf der Verjährungsfrist zum Jahresschluss auslöst, verkennt zum einen, dass Netznutzungsentgelte anders als Entgelte für ungewollte Mehr- und Mindermengen, nicht lediglich verbrauchsabhängig errechnet werden. Anknüpfungspunkt für Netznutzungsentgelte sind vielmehr die Kostenstruktur des Netzbetriebs sowie Festlegungen der Regulierungsbehörden. Zum anderen sind in jenen Fällen Entgeltleistungen wegen der Unwirksamkeit der Preisbestimmung ohne Rechtsgrund erbracht worden, so dass sie sofort zur Rückzahlung fällig waren. In derartigen Fällen ist es dem Gläubiger nach der vom Beklagten zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowie des Senats möglich und zumutbar – anders als im Streitfall - seine Rechte im Wege der Feststellungsklage zu sichern (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 22.07.2014, KZR 13/13, Rn. 22 m.w.N.). Eine Feststellungsklage ist bei der Berechnung des Jahresenergieverbrauchs nicht zulässig, weil erst die im Zuge der Abrechnung erfolgende Auswertung der Verbrauchsdaten die Feststellung ermöglicht, ob für den Netzbetreiber abrechenbare Mindermengen entstanden sind (vgl. auch BGH, Urt. v. 22.07.2014, KZR 13/13).
27(5) Auch § 13 Abs. 3 StromNZV ist dahin zu verstehen, dass ungewollte Mindermengen im Zuge einer jährlichen Abrechnung ermittelt und in Rechnung gestellt werden, ohne indes einen bestimmten Abrechnungszeitpunkt vorzuschreiben. Mit der Standardisierung von Lastprofilen geht eine Standardisierung der Abrechnungsverfahren einher, die in § 13 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 StromNZV neben der Feststellung von Mehr- oder Mindermengen zugleich deren Abrechnung erfassen. Auch hiernach kommt der Abrechnung für die Feststellung von Forderungen gegen Lastprofilkunden zentrale Bedeutung zu.
28c) Ein Missbrauch im Sinn des § 30 EnWG liegt ebenso wenig vor, wie Verwirkung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, § 242 BGB.
29aa) § 30 Abs. 1 Satz 1 EnWG enthält einen Verbotstatbestand in Form einer Generalklausel. Danach ist Betreibern von Energieversorgungsnetzen ein Missbrauch ihrer Marktstellung verboten, wobei der Missbrauchsbegriff in § 30 Abs. 1 Satz 2 EnWG durch sechs Beispielstatbestände konkretisiert wird. § 30 Abs. 1 EnWG statuiert bereits nach seinem Wortlaut („ist verboten“) unmittelbar verbindliche Verhaltenpflichten (BerlKommEnR/Weyer, Band 1, § 30 EnWG Rn. 15). Keine dieser Pflichten hat die Klägerin verletzt. Dies gilt insbesondere mit Blick auf § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EnWG, wonach missbräuchlich handelt, wer Bestimmungen des EnWG oder auf Grund dieser Bestimmungen erlassene Rechtsverordnungen verletzt. Eine solche Bestimmung ist auch § 13 StromNZV (BerlKommEnR, a.a.O., Rn 55). Wie bereits ausgeführt worden ist, macht § 13 Abs. 3 Satz 3 StromNZV keine Vorgaben, zu welchem Zeitpunkt Abrechnungen zu erstellen sind, wie sich dies z.B. aus § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB für das Mietrecht ergibt. § 13 Abs. 3 Satz 3 StromNZV ist vielmehr dahin zu verstehen, dass ein Mehr- oder Minderverbrauch zum einen durch Abrechnung festgestellt wird und eine solche Abrechnung zum anderen wahlweise zwischen dem Netzbetreiber und dem Lieferanten oder dem Netzbetreiber und dem Kunden erfolgen kann. Eine Pflicht zur Abrechnung binnen einer bestimmten Frist, schreibt § 13 StromNZV nicht vor.
30bb) Ebenso wenig ist Verwirkung eingetreten. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat, und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde. Der Verstoß gegen Treu und Glauben besteht in der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung, die sich aus einem Zeit- und einem Umstandsmoment zusammensetzt (BGH, Urt. v. 12.03.2008, XII ZR 147/05 – juris Rn. 22). Auch wenn die Klägerin die Abrechnungen für die Jahre 2006 und 2007 erst mehrere Jahre später erstellt hat, hatte die Beklagte keinen Anlass zu der Annahme, die Klägerin werde für den Fall ungewollter Mindermengen keine Ansprüche mehr geltend machen. Als gewerbliche Anbieterin von Stromlieferungen wusste auch die Beklagte, dass Abrechnungen bisher nicht erfolgt und weder Mehr- noch ungewollte Mindermengen festgestellt worden sind. Als Stromlieferantin war sie vielmehr ihrerseits gegenüber eigenen Kunden zur Abrechnung verpflichtet, was ebenfalls eine abschließende Feststellung des tatsächlichen Verbrauchs erforderte. Ein Vertrauenstatbestand, dahingehend, die Klägerin werde auf eine Abrechnung verzichten, ist dadurch nicht begründet worden. Wegen eigener Bindungen an Kunden war sie insoweit nicht schutzwürdig.
31d) Die zuerkannten Zinsen rechtfertigen, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, sich aus §§ 286 Abs. 3 Satz 1, 288 Abs. 2 BGB. Auf die Ausführungen des Landgerichts wird verwiesen.
322. Die Feststellungwiderklage ist unbegründet. Auch die Forderung für ungewollte Mindermengen für das Jahr 2005, die die Klägerin mit Rechnung vom 14.05.2012 abgerechnet hat, ist nicht verjährt. Ebenso wenig liegt ein Missbrauch oder Verwirkung vor. Auf die obigen Ausführungen, die auch hier gelten, wird Bezug genommen.
333. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 525 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
34Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und weder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 ZPO.
35Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 80.000,- € festgesetzt.
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