Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (5. Zivilsenat) - 5 U 58/21

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. Januar 2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Berufungsstreitwert wird auf € 71.783,60 festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz aufgrund vermeintlich fehlerhafter Anlageberatung.

2

Das Landgericht hat mit Verfügung vom 25. März 2019 Termin zur Güteverhandlung und mündlichen Verhandlung für den 25. Juni 2019 anberaumt (Blatt 194 f. d. A.). Dieser Termin ist mit Verfügung vom 20. Juni 2019 auf den 1. Oktober 2019 (Blatt 219 d. A.), sodann nochmals mit Verfügung vom 19. August 2019 (Blatt 229 d. A.) auf den 25. November 2019 und schließlich mit Verfügung vom 28. Oktober 2019 (Blatt 239 d. A.) auf den 25. Februar 2020 verlegt worden. Am 25. Februar 2020 hat gemäß Protokoll vom selben Tag (Blatt 246 ff. d. A.) die mündliche Verhandlung stattgefunden. In dieser ist Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt worden auf den 7. April 2020. Mit Verfügung vom 7. April 2020 (Blatt 256 R d. A.) ist dieser Termin zur Verkündung einer Entscheidung verlegt worden auf den 28. April 2020. Durch Beschluss vom 28. April 2020 (Blatt 266 f. d. A.) ist dieser Verkündungstermin erneut verlegt worden auf den 12. Mai 2020.

3

Am 12. Mai 2020 hat das Landgericht gemäß von der entscheidenden Einzelrichterin unterschriebenen Protokolls vom selben Tage (Blatt 269 d. A.) ein Urteil verkündet. Dieses Urteil (Blatt 271 f. d. A.), das allein einen klageabweisenden Tenor und eine Streitwertfestsetzung enthält, hat die Richterin unterschrieben, liegt dem Verkündungsprotokoll an und ist ausweislich eines hierauf befindlichen Stempels am 12. Mai 2020 bei der Serviceeinheit eingegangen. Offenbar sind aber weder Verkündungsprotokoll noch Urteil an die Parteien zugestellt worden.

4

Nachdem beide Parteivertreter um Übersendung der Entscheidung vom 12. Mai 2020 gebeten hatten, haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsätzen vom 28. September 2020 (Blatt 277 d. A.) und 4. November 2020 (Blatt 279 d. A.) um Anberaumung eines neuen Verkündungstermins gebeten. Mit Beschluss vom 18. November 2020 (Blatt 280 f. d. A.) hat das Landgericht sodann darauf hingewiesen, dass die Akte im richterlichen Bereich bedauerlicherweise außer Kontrolle geraten sei. Es sei bisher keine Entscheidung abgefasst worden und es werde um Mitteilung gebeten, ob das Einverständnis mit dem schriftlichen Verfahren erklärt werde. Nach Zustimmung der Parteien hat sodann das Landgericht mit Beschluss vom 25. November 2020 (Blatt 289 d. A.) das schriftliche Verfahren angeordnet, den Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, auf den 23. Dezember 2020 bestimmt und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 15. Januar 2021. Am 15. Januar 2021 hat das Landgericht sodann das hier angegriffene Urteil verkündet (Protokoll, Blatt 303 d. A.).

5

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird im Übrigen auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

6

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

7

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe zum Teil aufgrund Verjährung und zum Teil mangels Pflichtverletzung kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verbindung mit einem Anlageberatungsvertrag aufgrund fehlerhafter Anlageberatung hinsichtlich der streitgegenständlichen Fonds zu.

8

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie ausführt, das Landgericht habe gegen den Beschleunigungsgrundsatz verstoßen, während die Prozessbevollmächtigten der Klägerin das Verfahren ständig betrieben hätten. Es liege ein Verstoß gegen den effektiven Rechtsschutz und gegen das Rechtsstaatsprinzip vor. Im Übrigen bestünden die geltend gemachten Ansprüche. Sie seien auch nicht verjährt.

9

Die Klägerin beantragt,

10

unter Abänderung des am 15.01.2021 verkündeten und am 19.01.2021 zugestellten Urteils des Landgerichts Lübeck, Az.: 3 O 69/19, wie folgt zu erkennen:

11

(A Schiffahrtsgesellschaft mbH und Co. KG)

I.

12

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 11.700,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

II.

13

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

III.

14

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen weiteren Nachteilen, insbesondere den wirtschaftlichen und steuerlichen Nachteilen, die sich aus der Zeichnung an der streitgegenständlichen Beteiligung an der A Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG ergeben sowie von der Pflicht zur Rückzahlung erhaltener Ausschüttungen freizustellen.

IV.

15

Die Verurteilung in Ziffer I. - III. wird beantragt Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung der Klägerin an der A Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG mit einem Beteiligungsbetrag in Höhe von 25.000,00 €.

V.

16

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der Beteiligung der Klägerin an der A Schifffahrtsgesellschaft GmbH & Co. KG mit einem Beteiligungsantrag in Höhe von 25.000,00 € zuzüglich 5-prozentigem Agio in Verzug befindet.

17

(B Immobilien Rendite Fonds GmbH und Co. KG)

VI.

18

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 7.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

VII.

19

Die Beklagte wird verurteilt, an sie einen Betrag in Höhe von 3.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

VIII.

20

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen weiteren Nachteilen, insbesondere den wirtschaftlichen und steuerlichen Nachteilen, die sich aus der Zeichnung an der streitgegenständlichen Beteiligung an der B Immobilien Rendite Fonds GmbH & Co. KG ergeben, freizustellen.

IX.

21

Die Verurteilung in VI. bis VIII. erfolgt Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung der Klägerin an der B Immobilien Rendite Fonds GmbH und Co. KG mit einem Beteiligungsbetrag in Höhe von 15.000,00 €.

X.

22

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der Beteiligung der Klägerin an der B Immobilien Rendite Fonds GmbH und Co. KG mit einem Beteiligungsbetrag in Höhe von 15.000,00 € zuzüglich 5-prozentigem Agio, in Verzug befindet.

23

(C Gruppe Dachfonds Nr. 2 GmbH und Co. KG)

XI.

24

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 22.750,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

XII.

25

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

XIII.

26

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen weiteren Nachteilen, insbesondere den wirtschaftlichen und steuerlichen Nachteilen, die sich aus der Zeichnung an der streitgegenständlichen Beteiligung an der C Gruppe Dachfonds Nr.2 GmbH & Co. KG ergeben, sowie von der Pflicht zur Rückzahlung erhaltener Ausschüttungen freizustellen.

XIV.

27

Die Verurteilung in XI. bis XIII. erfolgt Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung der Klägerin an der C Gruppe Dachfonds Nr.2 GmbH und Co. KG mit einem Beteiligungsbetrag in Höhe von 25.000,00 €.

XV.

28

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der Beteiligung der Klägerin an der C Gruppe Dachfonds Nr.2 GmbH und Co. KG mit einem Beteiligungsbetrag in Höhe von 25.000,00 € in Verzug befindet.

29

(D Schifffahrtsgesellschaft GmbH und Co. KG)

XVI.

30

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 14.400,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

XVII.

31

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 4.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

XVIII.

32

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen weiteren Nachteilen, insbesondere den wirtschaftlichen und steuerlichen Nachteilen, die sich aus der Zeichnung an der Beteiligung der D Schifffahrtsgesellschaft mbH &Co KG ergeben sowie von der Pflicht zur Rückzahlung erhaltener Ausschüttungen freizustellen.

XIX.

33

Die Verurteilung in Ziffer XVI. bis XVIII. Erfolgt Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung der Klägerin an der D Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co KG mit einem Beteiligungsbetrag in Höhe von 20.000,00 €.

XX.

34

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der Beteiligung der Klägerin an der D Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co KG mit einem Beteiligungsbetrag in Höhe von 20.000,00 € in Verzug befindet.

35

Die Beklagte beantragt,

36

die Berufung zurückzuweisen.

37

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

38

Die Berufung der Klägerin hat nach einstimmiger Auffassung des Senats im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen.

39

Der Senat hat die Parteien mit einstimmigem Beschluss vom 2. Juni 2021 auf die mangelnde Erfolgsaussicht der Berufung hingewiesen und dabei folgendes ausgeführt:

40

„1.

41

Die zulässige Berufung gegen das am 15. Januar 2021 verkündete Urteil des Landgerichts ist unbegründet.

a)

42

Einer etwaigen Begründetheit steht schon die Rechtskraft des am 12. Mai 2020 verkündeten Urteils entgegen.

aa)

43

Die Berufungsfrist ist abgelaufen. Sie beträgt gemäß § 517 ZPO einen Monat, ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1)

44

Das Urteil ist am 12. Mai 2020 verkündet worden.

45

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es unverzichtbar, dass innerhalb der Fünfmonatsfrist des § 517 ZPO ein beweiskräftiges Protokoll über die Verkündung eines Urteils auf der Grundlage einer schriftlich fixierten Urteilsformel erstellt wird. Allein durch das Protokoll kann bewiesen werden, dass und mit welchem Inhalt ein Urteil verkündet worden ist. Vom Zeitpunkt der Verkündung hängt wiederum der Lauf der Berufungsfrist ab, wenn das Urteil erst nach dem Ablauf der Fünfmonatsfrist zugestellt worden ist. Hierüber muss vor Ablauf der Fünfmonatsfrist aus den Akten Klarheit zu gewinnen sein. Ebenso muss feststellbar sein, ob das Urteil in Rechtskraft erwachsen ist, weil – wie hier – nicht innerhalb der spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung beginnenden Rechtsmittelfrist Berufung eingelegt worden ist (BGH, Urteil vom 13. April 2011 - XII ZR 131/09, Rn. 20; BGH, Beschluss vom 13. März 2012 – VIII ZB 104/11, Rn. 12).

46

Das Verkündungsprotokoll (Blatt 269 d. A.) ist vorliegend von der zuständigen Richterin unterschrieben worden, datiert von diesem Tag und befindet sich auch an der richtigen Stelle der Akte. Dazu befindet sich auf dem unmittelbar danach in der Akte befindlichen Urteil mit einer schriftlich fixierten Urteilsformel (Blatt 271 f. d. A.) der Stempel der Geschäftsstelle, dass das Urteil am 12. Mai 2020 zur Geschäftsstelle gelangt ist.

(2)

47

Das genannte Urteil ist nie in vollständiger Form abgefasst worden (sondern es ist im später anberaumten schriftlichen Verfahren am 15. Januar 2021 ein weiteres Urteil verkündet worden, gegen das nunmehr Berufung eingelegt wird). Auch handelt es sich nicht um eine Urteilsergänzung im Sinne des § 518 ZPO. Damit hat die Berufungsfrist mit dem Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung, d. h. am 12. November 2020 geendet. Binnen dieser Frist ist keine Berufung gegen das Urteil vom 12. Mai 2020 bei dem Berufungsgericht (§ 519 Abs. 1 ZPO), dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht, eingegangen.

(3)

48

Die Verkündung des Urteils war wirksam, obwohl das Urteil entgegen § 310 Abs. 1 Satz 2 ZPO – nach mehrfacher Verlegung des Verkündungstermins – nicht innerhalb der Regelfrist von drei Wochen nach Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet worden ist. Die Vorschrift des § 310 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist eine bloße Ordnungsvorschrift (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 1988 – VI ZB 27/88, juris Rn. 4; BGH, Beschluss vom 29. September 1998 – KZB 11/98, juris Rn. 8).

49

Das Urteil ist auch dann wirksam verkündet worden, wenn das Urteil in dem zur Verkündung anberaumten Termin noch nicht in vollständiger Form abgefasst war (wie hier). Tatbestand und Entscheidungsgründe sind nicht wesensmäßige Voraussetzungen eines Urteils (BGH, Beschluss vom 29. September 1998 – KZB 11/98, juris Rn. 9 mwN; BGH, Urteil vom 13. April 2011 – XII ZR 131/09, Rn. 16; BGH, Beschluss vom 21. April 2015 – VI ZR 132/13 –, Rn. 10). Der Beginn der einmonatigen Berufungsfrist mit Ablauf von fünf Monaten seit Erlass der Entscheidung greift auch dann, wenn die Zustellung unterblieben ist oder die zugestellte Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung vom Original abweicht (für die Beschwerdefrist nach § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG: BGH, Beschluss vom 22. April 2020 – XII ZB 131/19, Rn. 13; Ball in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 517 Rn. 8).

(4)

50

Ebenso wenig hatte es Einfluss auf die Wirksamkeit der Verkündung, dass beim Ablauf der Fünfmonatsfrist noch nicht die vollständige Entscheidung vorgelegen hat. Auch bei Fehlen von Gründen liegt eine wirksame Entscheidung vor, die nur auf ein zulässiges Rechtsmittel hin aufgehoben werden kann (BGH, Beschluss vom 29. September 1998 – KZB 11/98, juris Rn. 10 mwN; Heßler in: Zöller, ZPO, 33 Aufl. 2020, § 511 Rn. 1, § 517 Rn. 2). Die durch das Urteil beschwerte Partei erleidet dadurch auch keinen unzumutbaren Nachteil. Sie muss zwar spätestens binnen sechs Monaten nach der Verkündung eine Entscheidung darüber treffen, ob sie das Urteil anfechten will und in diesem Fall Berufung einlegen. Sie hat es aber in der Hand, rechtzeitig nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu erwirken (BGH, Beschluss vom 29. September 1998 – KZB 11/98, juris Rn. 10 mwN).

(5)

51

Besondere Umstände, die es zulassen würden, eine Ausnahme von der Bestimmung des § 517 ZPO anzunehmen, sind nicht gegeben.

52

Dieser Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Partei, die vor Gericht streitig verhandelt hat, mit dem Erlass einer Entscheidung rechnen muss und dass es ihr deshalb zugemutet werden kann, sich danach zu erkundigen, ob und mit welchem Inhalt eine solche Entscheidung ergangen ist. Trifft dieser Grundgedanke im Einzelfall nicht zu, kann ausnahmsweise die Fünfmonatsfrist nicht zu laufen beginnen, was etwa dann in Betracht kommt, wenn die beschwerte Partei im Verhandlungstermin nicht vertreten und zu diesem Termin auch nicht ordnungsgemäß geladen war (BGH, Beschluss vom 1. März 1994 – XI ZB 23/93, juris Rn. 7 mwN; BGH, Beschluss vom 29. September 1998 – KZB 11/98, juris Rn. 11 mwN; BGH, Beschluss vom 18. November 2003 – LwZB 1/03, juris Rn. 7).

53

Im vorliegenden Fall war der Klägerin jedoch, wie sie selbst vorgetragen hat, bekannt, dass – nach zweifacher Verlegung des Verkündungstermins – am 12. Mai 2020 ein Urteil verkündet werden sollte (und wurde). Die Unterbevollmächtigte der Klägervertreter war in der mündlichen Verhandlung, an deren Ende der Verkündungstermin zunächst auf den 7. April 2020 angesetzt worden ist, anwesend. Den Klägervertretern sind die beiden Verlegungen des Verkündungstermins auf den 28. April 2020 und sodann auf den 12. Mai 2020 durch Übersendung der entsprechenden Beschlüsse bekannt geworden. Zu den jeweils angesetzten Verkündungsterminen brauchte die Klägerin nicht geladen zu werden (§ 218 ZPO).

54

Der Tenor der am 12. Mai 2020 verkündeten Entscheidung hätte dem Klägervertreter etwa fernmündlich bekanntgegeben werden können. Ungeachtet der Fehler, die im Zusammenhang mit der Verkündung des angefochtenen Urteils im Bereich des Landgerichts gemacht worden sind (keine Gründe, keine Zustellung), wäre es daher unter den gegebenen Umständen Sache der durch das Sachurteil beschwerten Klägerin gewesen, sich rechtzeitig über den Fortgang des Verfahrens zu unterrichten (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 1994 – XI ZB 23/93, juris Rn. 7; BGH, Beschluss vom 29. September 1998 – KZB 11/98, juris Rn. 11 mwN).

55

Ohne Zustellung (oder Heilung des Zustellungsmangels gemäß § 189 ZPO) des Urteils - wie hier - läuft zwar zunächst die Berufungsfrist nicht. Der letzte Halbsatz des § 517 ZPO verhindert aber, dass deswegen nie Rechtskraft eintritt. Entsprechend der Ratio der Regelung, die an die Verkündung anknüpft, genügt es, dass diese wirksam war, mangelfrei muss sie nicht sein (Heßler in: Zöller, ZPO, 33 Aufl. 2020, § 517 Rn. 17 mwN).

bb)

56

Da die Klage mit Urteil vom 12. Mai 2020 vollständig abgewiesen worden ist, ist die Entscheidung über den vollständigen Streitgegenstand in Rechtskraft erwachsen.

b)

57

Auch im Übrigen dürfte nach summarischer Prüfung die Berufung gegen das am 15. Januar 2021 verkündete Urteil im Übrigen keine Aussicht auf Erfolg haben.

2.

58

Eine Berufung gegen das am 12. Mai 2020 verkündete Urteil des Landgerichts ist unzulässig.

59

Eine Berufung gegen das Urteil liegt nicht vor. Selbst wenn man in der Berufung gegen das am 15. Januar 2021 verkündete Urteil – nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung (Heßler in: Zöller, ZPO, 33 Aufl. 2020, vor § 511, Rn. 30) – gleichzeitig eine solche gegen das am 12. Mai 2020 verkündete Urteil sehen wollte, wäre diese unzulässig. Die Berufungsfrist ist verstrichen. Hierzu kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

3.

60

Der Streitwert beträgt € 71.783,60.

61

Er setzt sich aus dem Wert der Zahlungsanträge (Klageanträge zu 1.), 6.), 11.), und 16.) in Höhe von € 56.350,00 (€ 11.700,00 + € 7.500,00 + € 22.750,00 + € 14.400,00) und dem Wert der Feststellungsanträge zur Freihaltungspflicht der Beklagten hinsichtlich weiterer Schäden (Klageanträge zu 3.), 8.), 13.) und 18.) in Höhe von jeweils 80 % der erhaltenen Ausschüttungen, insgesamt € 15.433,60 (€ 2.640,00 + € 6.513,60 + € 1.800,00 + € 4.480,00) zusammen. Die Anträge auf Feststellung des Annahmeverzuges (Klageanträge zu 5.), 10.), 15.) und 20.) sowie auf Zahlung von entgangenem Gewinn und Zinsen haben als Nebenforderungen keinen eigenen Wert.“

62

Die ergänzenden Ausführungen der Klägerin aus dem Schriftsatz vom 18. Juni 2021 rechtfertigen keine andere Entscheidung. Hierin werden im Wesentlichen Argumente vorgebracht, welche der Senat bei seinem Hinweisbeschluss bereits berücksichtigt hat. Im Einzelnen:

1.

63

Im genannten Hinweisbeschluss ist ausführlich ausgeführt worden, warum die Rechtskraft des am 12. Mai 2020 verkündeten Urteils einem Erfolg der Berufung entgegensteht.

64

Keinesfalls hat der Senat nicht berücksichtigt, was das Landgericht den Parteien mit Beschluss vom 18. November 2020 mitgeteilt hat. Dies ist im genannten Hinweis auch ausgeführt worden.

2.

65

Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist gegen das am 12. Mai 2020 verkündete Urteil liegt nicht vor. Da spätestens mit dem Hinweis des Senats vom 2. Juni 2021 (zugestellt am 4. Juni 2021, EB, Blatt 400 d. A.) das Hindernis für die Einlegung der Berufung behoben gewesen ist (§ 234 Abs. 2 ZPO), ist ein solcher innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO auch nicht mehr möglich.

66

Eine Wiedereinsetzung war auch nicht von Amts wegen zu gewähren, da zum einen bereits eine Nachholung der Prozesshandlung der Berufungseinlegung gegen dieses Urteil nicht vorliegt (vgl. § 236 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO) und zum anderen ein Wiedereinsetzungsgrund (fehlendes Verschulden hinsichtlich der Versäumung der Notfrist zur Einlegung der Berufung) weder dargelegt noch glaubhaft gemacht worden ist. Insbesondere lag die Möglichkeit der fernmündlichen Erkundigung oder der Akteneinsicht gerade nach den unbeantworteten schriftlichen Nachfragen beim Landgericht äußerst nahe.

3.

67

Der Senat hat im Hinweisbeschluss keinesfalls ausgeführt, dass die Klägerin das Verfahren nicht betrieben hätte. Allerdings war es ihr möglich, sich etwa telefonisch nach der im Verkündungstermin ergangenen Entscheidung zu erkundigen oder Akteneinsicht zu nehmen.

68

Die Verfahrensfehler des Landgerichts hat der Senat ebenfalls bereits im Hinweisbeschluss benannt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung führen diese jedoch nicht dazu, dass die Verkündung unwirksam wäre und die Berufungsfrist nicht zu laufen beginnen würde. Dies ist ausführlich ausgeführt worden.

4.

69

Außerdem hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung noch dient sie der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 ZPO). Der Senat folgt vielmehr der benannten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

70

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

71

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

72

Die Streitwertfestsetzung ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG erfolgt.


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