Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (9. Senat) - 9 C 11007/15

Tenor

Der Widerspruchsbescheid vom 17. September 2015 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts an die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Das Verfahren ist für die Klägerin gebührenpflichtig, sie hat die Gerichtskosten zur Hälfte zu tragen.

Ihre außergerichtlichen Kosten tragen Klägerin und Beklagter je zur Hälfte, die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner kann die Zwangsvollstreckung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt eine Änderung des Flurbereinigungsgebietes der Vereinfachten Flurbereinigung L.

2

Sie betreibt seit 1994 einen Steinbruch zur Gewinnung von Dolomit, der nach einer Erweiterung 2006 eine Fläche von rund 25 ha umfasst.

3

Die Steinbruchsfläche liegt teilweise im Verfahrensgebiet der Vereinfachten Flurbereinigung L., die mit Beschluss vom 30. Dezember 2008 angeordnet wurde, insbesondere um die städtebauliche Entwicklung der Ortsgemeinde L. gemäß deren Entwicklungskonzept zu fördern, die Flächen- und Bewirtschaftungsstrukturen zu verbessern, die Kulturlandschaft durch Nutzung und Bewirtschaftung zu bewahren und weiterzuentwickeln, Biotopsysteme zu erhalten, zu entwickeln und wiederherzustellen, einen funktionsfähigen, möglichst naturnahen Wasserhaushalt zu entwickeln und Flächen für die geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen bereitzustellen. Mit dem 1. Änderungsbeschluss vom 6. Dezember 2011 wurde eine Fläche von 1,83 ha aus dem Verfahrensgebiet ausgeschlossen, weil dafür eine Baulandumlegung angeordnet worden war. Das Verfahrensgebiet umfasst danach ca. 288 ha.

4

Die Kreisverwaltung des Landkreises Trier-Saarburg erlaubte der Klägerin mit der 1. Änderungsgenehmigung vom 7. Mai 2012 nach § 16 BImSchG die Erweiterung des Steinbruches M. auf Gemarkung M., Flur … und Flur … .

5

Die Klägerin strebte für die Arrondierung ihrer Eigentumsflächen und zum Erwerb noch in fremdem Eigentum stehender Abbauflächen eine Unternehmensflurbereinigung an und stellte deshalb den Antrag auf Durchführung eines Enteignungsverfahrens. Diesen erhielt sie jedoch nach einer abschlägigen Auskunft der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord vom 20. Januar 2014 nicht mehr aufrecht. Stattdessen beantragte sie mit Schreiben vom 24. Juni 2014 eine Änderung des Flurbereinigungsgebietes der Vereinfachten Flurbereinigung L. durch dessen Erweiterung um näher bezeichnete Flurstücke in nördlicher Richtung bis zur Kreisstraße K 2.

6

Die Flurbereinigungsbehörde hörte die betroffenen Grundstückseigentümer an und lehnte dann den Antrag mit Bescheid vom 7. August 2015 ab: Die Grundstücke, deren Zuziehung beantragt werde, hätten bereits am Flurbereinigungsverfahren M. mit Besitzübergang 1990 teilgenommen. Eine Zuziehung zur Vereinfachten Flurbereinigung L. sei deshalb aus agrarstrukturellen Gründen nicht erforderlich. Das Flurstück Gemarkung M. Flur … Nr. … sei mit einer Streuobstanlage und einer Gerätehalle bestanden und könne deshalb dem Grundstückseigentümer gegen dessen Willen nicht entzogen werden. Der Flurbereinigungsplan der Vereinfachten Flurbereinigung L. werde voraussichtlich 2015 bekanntgegeben.

7

Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2015 zurück: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf den begehrten Beschluss zur Änderung des Flurbereinigungsgebietes, weil dieser nicht die einzige ermessensfehlerfreie Entscheidung sei. Das Flurbereinigungsgebiet stehe bestandskräftig fest. Die Voraussetzungen für eine Änderung lägen nicht vor. Die begehrte Änderung sei nicht geringfügig gemäß § 8 Abs. 1 FlurbG, weil sie zu einer Vergrößerung des Verfahrensgebietes um 14 % führe und sie auch mit der Förderung der Rohstoffgewinnung einem anderen Verfahrenszweck dienen würde als das anhängige Verfahren. Eine erhebliche Änderung gemäß § 8 Abs. 2 FlurbG setze die Anhörung der betroffenen Grundstückseigentümer voraus. Diese hätten sich auf Nachfrage überwiegend gegen die Änderung gewandt. Auf dieser Grundlage sei die Flurbereinigungsbehörde zu dem Ergebnis gekommen, dass die Flurbereinigung in dem zuzuziehenden Bereich nicht erforderlich sei. Zudem sei nach der Weisung des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten vom 26. August 2011 eine Flurbereinigung nur anzuordnen, wenn eine überwiegende Akzeptanz der Grundstückseigentümer gegeben sei. Diese Weisung entfalte eine ermessenslenkende Wirkung auch für die Änderung eines Flurbereinigungsgebietes. Die begehrte Änderung widerspreche auch dem Verfahrenszweck der angeordneten Flurbereinigung. Deren Zweck sei nicht die Förderung der Rohstoffgewinnung. Das von der Klägerin angeführte volkswirtschaftliche Interesse an der Rohstoffgewinnung sei überdies mit dem Erfordernis vorrangiger Privatnützigkeit der vereinfachten Flurbereinigung nicht vereinbar. Da für das Vorhaben der Klägerin die Enteignung von Abbauflächen nicht zulässig wäre, komme auch eine Unternehmensflurbereinigung nach § 87 FlurbG nicht in Betracht. Die Klägerin könne ihre Ziele durch privatrechtliche Vereinbarungen erreichen.

8

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Klage vor: Sie habe einen Anspruch auf Einbeziehung der Flurstücke Gemarkung Flur … Nr. … bis …, …, … und … in das Flurbereinigungsgebiet nach § 8 Abs. 1 FlurbG. Die Voraussetzungen für eine solche Änderung lägen vor. Begehrt werde lediglich eine geringfügige Änderung des Flurbereinigungsgebiets um 14 % der Fläche. Diese Fläche mit 93.662 qm liege am Rande des Flurbereinigungsgebietes. Der überwiegende Teil, nämlich 55.445,50 qm, befinde sich bereits in ihrem Eigentum. Durch die begehrte Einbeziehung werde der willkürlich erscheinende Verlauf der Verfahrensgrenze, durch den das Steinbruchgelände durchschnitten werde, behoben. Die Gebietserweiterung diene der Rohstoffgewinnung und entspreche somit dem allgemeinen Zweck der Flurbereinigung. Nur in einem Flurbereinigungsverfahren könne eine zusammenhängende Steinbruchfläche entstehen.

9

Selbst wenn es sich um eine wesentliche Änderung handeln würde, hätte der Beklagte nicht lediglich auf das Votum der befragten Teilnehmer abstellen dürfen. Vielmehr komme es auf das wohlverstandene objektive Interesse der Beteiligten an. Deshalb hätte er die weiteren Verfahrenschritte nach § 5 FlurbG vornehmen müssen.

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Das danach der Flurbereinigungsbehörde eingeräumte Ermessen sei so eingeschränkt, dass nur die begehrte Änderung des Flurbereinigungsgebietes ermessensfehlerfrei sei. Nur durch diese Änderung könne der Zweck der Flurbereinigung möglichst vollkommen erreicht und der Handlungsspielraum der Flurbereinigungsbehörde ausgeschöpft werden, die auch einer möglichen bergbaulichen Nutzung und der Erhaltung und Sicherung mineralischer Rohstoffvorkommen Rechnung zu tragen habe. Es liege ein Abwägungsdefizit vor, weil der Beklagte es versäumt habe, ihr Interesse an Rohstoffgewinnung überhaupt als Abwägungsbelang in seine Ermessensentscheidung aufzunehmen. Das ergebe sich aus dem Ablehnungsbescheid, in dem nur auf agrarstrukturelle Belange abgestellt werde. Die Notwendigkeit der Erweiterung des Flurbereinigungsgebietes habe sich dem Beklagten aufdrängen müssen, zumal die Interessen der anderen Beteiligten nicht unzumutbar beeinträchtigt würden. Bereits bei der Entscheidung über die Abgrenzung des Flurbereinigungsgebietes sei zu berücksichtigen, dass bei der Abfindungsgestaltung betriebliche Entwicklungstendenzen, wie sie hier vorlägen, zu berücksichtigen seien. Die Weisung des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung und Forsten vom 26. August 2011, die die Einleitung eines Flurbereinigungsverfahrens von der Zustimmung der betroffenen Eigentümer abhängig mache, sei hier nicht einschlägig, weil es um eine geringfügige Änderung des Flurbereinigungsgebietes gehe, für die die nur für erhebliche Änderungen geltenden §§ 4 bis 6 FlurbG gar nicht anwendbar seien. Die Gebietsänderung sei auch aus agrarstruktureller Sicht erforderlich, weil nach dem Abbau des Rohstoffvorkommens eine Rekultivierung für die landwirtschaftliche Nutzung vorgesehen sei, die bei dem bestehenden Grundstückszuschnitt nur schwer möglich sei. Der Klägerin dürfe nicht entgegengehalten werden, dass die Eigentümer zu einem entsprechenden Kaufpreis zum Verkauf bereit seien. In der Flurbereinigung sei nur auf den landwirtschaftlichen Bodenwert abzustellen, nicht auf einen eventuell höheren Verkehrswert. Der Versuch eines freihändigen Grunderwerbs sei nicht Voraussetzung für die Anordnung eines Flurbereinigungsverfahrens. Die Ermöglichung der Ausbeutung des Rohstoffvorkommens sei kein neues Verfahrensziel, vielmehr sei dieses Ziel bereits bei der ursprünglichen Abgrenzung des Flurbereinigungsgebietes fälschlich vernachlässigt worden. Sie habe einen Anspruch auf Berücksichtigung ihrer Interessen an einer Betriebserweiterung, zumal sie bereits Teilnehmer des Verfahrens sei. Die Gebietsänderung sei eine Maßnahme innerhalb eines bereits eingeleiteten Verfahrens, so dass ihr nicht entgegengehalten werden könne, sie habe keinen Anspruch auf Anordnung und Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens. Die vereinfachte Flurbereinigung sei gerade auch zulässig, um Landnutzungskonflikte aufzulösen und eine erforderliche Neuordnung des Grundbesitzes in bereits flurbereinigten Gemeinden durchzuführen. Das Verfahren sei auch vorrangig privatnützig, weil die Auflösung von Landnutzungskonflikten im Interesse der Landwirtschaft liege. Die Flurbereinigungsbehörde dürfe sich bei der Ermessensentscheidung nicht auf fiskalische Interessen und den Verwaltungsaufwand berufen, dies sei grundsätzlich ermessensfehlerhaft.

11

Die Klägerin beantragt,

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1. unter Aufhebung des Bescheides des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Mosel vom 7. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion vom 17. September 2015 den Beklagten gemäß dem Antrag der Klägerin vom 24. Juni 2014 zu verpflichten, das mit Flurbereinigungsbeschluss vom 30. Dezember 2008 festgelegte und mit dem ersten Änderungsbeschluss vom 6. Dezember 2011 erweiterte Flurbereinigungsgebiet dergestalt zu ändern, dass die Flurstücke Gemarkung M., Flur …, Flurstücke …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, … und … darin einbezogen werden,

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2. hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Auffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

14

Der Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in dem angegriffenen Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt er vor: Der Flurbereinigungsbeschluss einschließlich der Gebietsabgrenzung und des Verfahrenszwecks stehe bestandskräftig fest. Die begehrte Gebietsänderung sei nicht geringfügig. Sie sei schon wegen der Flächenvergrößerung um 14 % erheblich. Zudem werde mit dem Zweck der Änderung, die Gewinnung von Rohstoffen zu erleichtern, ein neuer Verfahrenszweck eingeführt. Eine erhebliche Gebietsänderung setze jedoch eine Anhörung nach § 5 FlurbG voraus, die nicht stattgefunden habe. Damit könne der Hauptantrag keinen Erfolg haben. Die förmliche Anhörung habe sich auch angesichts des fehlenden Interesses der Mehrzahl der Beteiligten erübrigt. Die von der Klägerin angestrebte Bodenordnung zum Zweck der Ausbeutung von Rohstoffvorkommen widerspreche dem im Flurbereinigungsbeschluss festgesetzten Verfahrenszweck. Agrarstrukturelle Erfolge seien wegen der früheren Flurbereinigung nicht zu erwarten. Der von der Klägerin angeführte Grund für die Gebietserweiterung, nämlich das volkswirtschaftliche Interesse an Rohstoffsicherung und Rohstoffgewinnung, entspreche nicht der erforderlichen Privatnützigkeit des Verfahrens. Selbst wenn die Enteignung zulässig wäre, hätte die Klägerin keinen Anspruch auf Durchführung der danach erforderlichen Unternehmensflurbereinigung. Erst recht habe sie keinen Anspruch, wenn die Enteignung unzulässig wäre. Es gebe kein Recht auf Durchführung einer Flurbereinigung. Überdies sei zu berücksichtigen, dass die Flurbereinigungsbehörde nur im Rahmen ihrer finanziellen und personellen Möglichkeiten tätig werden könne.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, sowie 2 Hefte Verwaltungs- und Widerspruchsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat lediglich mit dem auf Neubescheidung gerichteten Hilfsantrag Erfolg.

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1. Die Klage ist unbegründet, soweit mit dem Hauptantrag begehrt wird, den Beklagten zum Erlass des begehrten Änderungsbescheides zu verpflichten.

20

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Verpflichtung.

21

Nach § 144 FlurbG kann das Flurbereinigungsgericht, soweit es die Klage für begründet hält, den angefochtenen Verwaltungsakt durch Urteil ändern oder den Widerspruchsbescheid der Flurbereinigungsbehörde oder der oberen Flurbereinigungsbehörde ganz oder teilweise aufheben und die Sache soweit der Widerspruchsbescheid aufgehoben wird, zur erneuten Verhandlung und Bescheidung an die Flurbereinigungsbehörde oder die obere Flurbereinigungsbehörde zurückverweisen.

22

Dem Flurbereinigungsgericht kommt insoweit gegenüber dem allgemeinen Verwaltungsprozess eine erweiterte Gestaltungs- und Entscheidungsbefugnis zu. Das ihm dadurch eröffnete Ermessen, ob es den angefochtenen Verwaltungsakt durch Urteil ändert, oder die Sache unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides zurückverweist, ist unter Beachtung des Beschleunigungsgebotes auszuüben (BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 2007 – 10 B 71.06 –, in: RdL 2007, 221; vgl. auch Mayr, in: Wingerter/Mayr, FlurbG, 9. Aufl. 2013, § 144 Rn. 1). Dem entspricht auch eine erweiterte Befugnis, ohne Bindung an die Anträge der Beteiligten zu überprüfen, ob von dem Ermessen in zweckmäßiger Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 146 FlurbG).

23

Diese Sonderregelung nach § 146 FlurbG gilt allerdings nur in den Fällen der §§ 32 und 59 Abs. 2 FlurbG, während in den Fällen der hier allein in Betracht kommenden Vorschriften zur Änderung des Flurbereinigungsgebiets (§ 8 Abs. 1 bzw. Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 FlurbG) die allgemeinen Grundsätze für die Überprüfung von Ermessensentscheidungen gelten (§§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, 113 Abs. 5, 114 Satz 1 VwGO).

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Steht der Erlass des mit der Klage begehrten Verwaltungsakts im Ermessen der Behörde, liegt die für die Verpflichtung der Behörde zu seinem Erlass erforderliche Spruchreife (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) nur vor, wenn nur eine Entscheidung möglich bleibt, die nicht ermessensfehlerhaft wäre, also eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt.

25

Dies ist jedoch hier entgegen der Meinung der Klägerin nicht der Fall. Dem Beklagten ist, wenn die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1 oder 2 FlurbG vorliegen, ein Ermessen eingeräumt, ob er das bestandskräftig festgestellte Flurbereinigungsgebiet überhaupt und gegebenenfalls in welchem Umfang ändert. Bei dieser Entscheidung kann die Flurbereinigungsbehörde etwa den Fortschritt des Flurbereinigungsverfahrens, dessen Gebiet geändert werden soll, ihre Arbeits- und Finanzplanung sowie die Einstellung der voraussichtlich Beteiligten berücksichtigen, ebenso den Zweck, den sie mit dem bestandskräftig angeordneten Verfahren nach der Begründung des Flurbereinigungsbeschlusses verfolgt. Insbesondere hat sie auch den Beschleunigungsgrundsatz zu beachten, dem das Flurbereinigungsverfahren unterliegt und der etwa in § 2 Abs. 2 Satz 1 FlurbG seinen Ausdruck findet. Eine Einschränkung dieses Entschließungsermessens auf eine allein rechtmäßige Entscheidung ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich.

26

Selbst wenn die begehrte Änderung des Flurbereinigungsgebietes erforderlich wäre, um den Zweck der Flurbereinigung möglichst vollkommen zu erreichen, ändert dies nichts daran, dass dem Beklagten ein Spielraum verbleibt, ob er überhaupt eine Änderung des Flurbereinigungsgebietes, das bestandskräftig festgestellt ist, vornimmt. Entgegen der Meinung der Klägerin kann er durchaus fiskalische Gesichtspunkte berücksichtigen. Soweit die Klägerin dies (unter Hinweis auf eine Kommentierung von Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 40 Rn. 65) bestreitet, verkennt sie, dass sich diese auf das Polizeirecht bezieht. Bei einer Fördermaßnahme wie der Flurbereinigung sind sehr wohl die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen.

27

Die Flurbereinigung ist eine Maßnahme, die erhebliche Ausführungskosten (§ 105 FlurbG) verursacht, die nur zu einem geringen Teil durch die Beiträge der Teilnehmer, im Wesentlichen aber durch öffentliche Zuschüsse gedeckt werden. Dazu kommen noch Verwaltungskosten in Form des Personal- und Sachaufwandes der Flurbereinigungsbehörde. Die Flurbereinigungsbehörde kann deshalb von einer Änderung des Flurbereinigungsgebietes etwa unter Effizienzgesichtspunkten selbst dann absehen, wenn sie von den betroffenen Teilnehmern gefordert wird. Erst recht kann sie dies tun, wenn, wie hier, die betroffenen Teilnehmer die Änderung des Flurbereinigungsgebietes überwiegend ablehnen. In diesem Zusammenhang führt der zutreffende Hinweis der Klägerin darauf nicht weiter, dass bei dem Interesse der Beteiligten im Sinne von § 4 FlurbG von einem objektiven Interesse auszugehen ist. Das Interesse der Beteiligten in diesem Sinne ist Voraussetzung dafür, dass der Flurbereinigungsbehörde überhaupt eine Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 2 FlurbG eröffnet ist.

28

Darüber hinaus ist auch das Ermessen hinsichtlich der genauen räumlichen Abgrenzung der Änderung des Flurbereinigungsgebiets nicht eingeschränkt. So könnte es etwa aus katasterrechtlichen Gründen zweckmäßig sein, weitere Flächen einzubeziehen. Die Klägerin hat selbst eine mögliche andere Abgrenzung vorgeschlagen (Antragsschreiben der Klägerin vom 24. Juni 2014, S. 3).

29

2. Die Klage ist jedoch mit dem Hilfsantrag begründet.

30

Nach § 113 Abs. 5 VwGO spricht das Gericht, wenn die Sache nicht spruchreif ist, die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, soweit die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Gemäß § 144 FlurbG kann es den Widerspruchsbescheid aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Bescheidung an die Widerspruchsbehörde zurückverweisen.

31

Wie oben ausgeführt ist die Sache nicht spruchreif, weil das Ermessen der Flurbereinigungsbehörde nicht auf Null reduziert ist und auch vom Gericht nicht ausgeübt werden kann. Die Ablehnung des Verwaltungsakts ist auch rechtswidrig. Denn die Klägerin begehrt eine geringfügige Änderung (a), deren Ablehnung ermessensfehlerhaft ist (b) und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (c).

32

a) Nach § 8 Abs. 1 FlurbG kann die Flurbereinigungsbehörde geringfügige Änderungen des Flurbereinigungsgebiets anordnen. Die Auslegung des Begriffes „geringfügige Änderung“ hat sich neben dem Wortlaut, der umfangreiche Änderungen ausschließt, auch an dem Sinn der Regelung des § 8 Abs. 1 im Verhältnis zu § 8 Abs. 2 FlurbG zu orientieren. Als geringfügige Änderungen sind danach solche anzusehen, die gerade nicht die Frage aufwerfen, ob die Voraussetzungen für eine Flurbereinigung, nämlich ihre Erforderlichkeit und das Interesse der Beteiligten, gegeben sind (§ 4 FlurbG), so dass es lediglich darum geht, das Gebiet, für das diese Voraussetzungen vorliegen, so zu begrenzen, dass der Zweck der Flurbereinigung möglichst vollkommen erreicht wird (§ 7 Abs. 1 Satz 2 FlurbG). Für die Abgrenzung zwischen geringfügigen und erheblichen Änderungen ist maßgeblich, ob die Änderung so wesentlich ist, dass das förmliche Verfahren nach §§ 4-6 FlurbG als notwendig erscheint (BVerwG, Urteil vom 16. April 1971 -- IV C 36.68-in DÖV 1972, 173). Eine geringfügige Änderung des Flurbereinigungsgebietes ist nur anzunehmen, wenn sie ihrem Umfang nach keine wesentlichen Auswirkungen auf die Planung und die Bodenordnung hat, so dass die betroffenen Eigentümer vor der Anordnung der Gebietserweiterung nicht angehört werden müssen und auch ihre Mitwirkungsrechte nicht durch eine andere Zusammensetzung des Teilnehmervorstandes nach § 21 Abs. 6 FlurbG beachtet werden müssen (Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01. Oktober 2003 – 9 C 10827/03 –, juris Rn. 20).

33

Demnach darf die Fläche des Erweiterungsgebietes im Verhältnis zur Fläche des bereits bestehenden Flurbereinigungsgebietes nur einen geringen Umfang einnehmen. Darüber hinaus darf die Flurbereinigung in dem Erweiterungsgebiet keine Probleme aufwerfen, die nicht bereits bei Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens berücksichtigt worden sind. Die Flurbereinigung in dem Erweiterungsgebiet muss dem gleichen Zweck entsprechen, wie im Flurbereinigungsgebiet, denn maßgeblich für die Gebietsabgrenzung ist gemäß § 7 FlurbG der Zweck der Flurbereinigung. Gemeint ist dabei der Zweck des konkreten Verfahrens, der sich aus dem bestandskräftigen Flurbereinigungsbeschluss ergibt und nicht etwa der allgemeine Zweck einer Flurbereinigung entsprechend den Zielen der Flurbereinigung nach § 1 FlurbG oder dem Handlungsrahmen nach § 37 Abs. 1 FlurbG oder gar die bei der Durchführung der Flurbereinigung zu berücksichtigenden Belange nach § 37 Abs. 2 FlurbG (vgl. OVG RP, Urteil vom 15. Januar 2014 – 9 C 10644/13.OVG –, RdL 2015, 65 sowie juris, Rn. 25; vgl. auch Wingerter, in: Wingerter/Mayr, a.a.O. § 7 Rn. 2).

34

Hier ist die begehrte Änderung des Flurbereinigungsgebietes hinsichtlich der Fläche geringfügig. Die begehrte Erweiterung des Flurbereinigungsgebietes betrifft nach Angabe der Klägerin eine Fläche von 9,4 ha. Dies bedeutet bei einer Fläche des bestehenden Flurbereinigungsgebietes von 288 ha entsprechend den Angaben im 1. Änderungsbeschluss vom 6. Dezember 2011 eine Vergrößerung um lediglich 3,3 %. Sowohl hinsichtlich der absoluten Größe als auch hinsichtlich des Verhältnisses zum vorhandenen Flurbereinigungsgebiet handelt es sich dabei um eine geringfügige Änderung.

35

Entgegen der Ansicht des Beklagten scheitert die Annahme einer geringfügigen Änderung auch nicht daran, dass die Klägerin mit der Änderung des Flurbereinigungsgebietes einen Zweck verfolgt, der von der im Flurbereinigungsbeschluss vom 30. Dezember 2008 festgelegten Zweckbestimmung nicht gedeckt ist und deshalb das für die erhebliche Änderung nach § 8 Abs. 2 FlurbG vorgesehene Verfahren erfordert.

36

Ziel der Klägerin ist eine Arrondierung ihrer Eigentumsflächen, um ihren Steinbruchbetrieb erweitern zu können. Die Zusammenlegung zersplitterten oder unwirtschaftlich geformten Grundbesitzes gehört, unabhängig von den Vorteilen, die sie für die konkret beabsichtigte Nutzung auslösen, zum Gestaltungsauftrag der Flurbereinigung (§ 37 Abs. 1 FlurbG). Die Flurbereinigungsbehörde ist nach § 44 Abs. 3 Satz 1 FlurbG verpflichtet, die Landabfindung in möglichst großen Grundstücken auszuweisen. Die Bildung größerer Grundstücke ist auch Zweck der Vereinfachten Flurbereinigung L., denn im Flurbereinigungsbeschluss ist die „Verbesserung der Flächen- und Bewirtschaftungsstrukturen“ ausdrücklich genannt. Dass durch die Zusammenlegung nicht nur die landwirtschaftliche Nutzung erleichtert wird, sondern auch andere Grundstücksnutzungen, im Falle der Klägerin der Rohstoffabbau, führt nicht zu einer Änderung des Verfahrenszweckes. Der Verfahrenszweck ändert sich nicht dadurch, dass die Klägerin die Vorteile der Flurbereinigung ihrem besonderen Betrieb entsprechend nutzen will. Im Übrigen schließt die Steinbruchnutzung eine spätere landwirtschaftliche Nutzung nicht aus. Die Arrondierung ist auch soweit sie dem Rohstoffabbau dient privatnützig, denn sie nützt den Grundstückseigentümern. Wenn bei der Abfindungsgestaltung dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung und Sicherung mineralischer Rohstoffvorkommen gemäß § 37 Abs. 2 FlurbG Rechnung getragen wird, ändert dies nichts an der Privatnützigkeit der Flurbereinigung. Ein Anspruch der Klägerin, im Rahmen der Flurbereinigung mit den für ihr Vorhaben benötigten Grundstücken abgefunden zu werden, ergibt sich dadurch allerdings nicht.

37

b) Der Ablehnungsbescheid vom 7. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2015 ist ermessensfehlerhaft, denn die Ermessensentscheidung ist auf unzutreffende Annahmen gestützt.

38

Denn sie beruht wesentlich auf der Annahme, dass zum einen eine agrarstrukturelle Verbesserung nicht erzielbar sei und auch die von der Klägerin angestrebte Arrondierung für ihren Steinbruchbetrieb nicht erreicht werden könne, weil das Grundstück Gemarkung M. Flur … Nr. … gegen den Willen des Eigentümers nicht verändert werden könne; zum anderen müsse nach der Weisung des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten vom 26. August 2011 eine überwiegende Akzeptanz der Grundstückseigentümer im Erweiterungsgebiet gegeben sein. Diese Ermessenserwägungen für die Ablehnung des begehrten Änderungsbeschlusses erweisen sich als fehlerhaft.

39

Eine agrarstrukturelle Verbesserung ist trotz der früheren Flurbereinigung möglich. Dies wird aus der Besitzstandskarte deutlich. Danach können zumindest die Eigentumsflächen der Klägerin und des Eigentümers der Flurstücke Flur … Nrn. … und …, der auch Miteigentümer des Flurstückes Flur … Nr. … ist, besser zusammengelegt werden. Der Abfindungsanspruch aus dem Flurstück Flur … Nr. … könnte möglicherweise nach Teilung des gemeinschaftlichen Eigentums gemäß § 48 FlurbG mit dem Abfindungsanspruch aus den Flurstücken Flur … Nrn. … und … in einem Flurstück zusammenhängend abgefunden werden. Zumindest könnten gesondert auszuweisende Abfindungsflurstücke im Alleineigentum und im Miteigentum so nebeneinander abgefunden werden, dass eine flächenmäßig getrennte Nutzung durch die Miteigentümer trotz geringer Grundstücksbreite möglich wird. Durch eine Abfindung im kürzeren Teil der Gewanne könnte ein günstigeres Länge-Breite-Verhältnis erzielt werden, denn die Einlageflurstücke Flur … Nrn. … und … sind bei einer Länge von 280 m nur etwa 20 m breit. Wie der Vorsitzende der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, sind seit der früheren Flurbereinigung mit Besitzübergang im Jahr 1990 Veränderungen in der Agrarstruktur eingetreten, die eine Neuordnung rechtfertigen.

40

Das Einlageflurstück Flur … Nr. … ist zwar mit einer Gerätehalle bebaut und mit Obstbäumen bestanden, so dass eine Veränderung nur eingeschränkt möglich ist. Selbst wenn eine Veränderung nicht vorgenommen wird, bleibt aber eine Arrondierung der übrigen Flurstücke möglich. Insbesondere können die Eigentumsflächen des Eigentümers der Flurstücke Flur … Nrn. … und … sowie teilweise des Flurstückes Flur … Nr. … im Anschluss an dieses Flurstück abgefunden werden. Dadurch könnten die Eigentumsflächen der Klägerin so arrondiert werden, dass die beabsichtigte Erweiterung des Steinbruches möglich wäre. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, ist dazu eine Mindestabbaubreite von ca. 100 m erforderlich. Diese würde dann nördlich des Flurstückes Flur … Nr. … bei einem von Osten aus vorzunehmenden Abbau erreicht.

41

Die Weisung des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten vom 26. August 2011 mag eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift sein. Sie betrifft aber lediglich die Anordnung von Flurbereinigungsverfahren und nicht die nachträgliche Änderung des Flurbereinigungsgebietes. Damit bindet sie nicht das Ermessen des Beklagten hinsichtlich des begehrten Änderungsbeschlusses. Eine solche Bindungswirkung hat der Beklagte jedoch fälschlich angenommen.

42

c) Die wegen fehlerhafter Ermessensausübung rechtswidrige Ablehnung der begehrten Änderung des Flurbereinigungsgebietes verletzt die Klägerin auch in ihren Rechten. Durch die Versagung der Einbeziehung ihrer Eigentumsflächen wird sie in ihrer Rechtsstellung als Eigentümerin betroffen, denn ihr wird die Möglichkeit genommen an den Vorteilen einer Flurbereinigung teilzuhaben. Zwar hat sie kein subjektives Recht auf Teilnahme an einer Flurbereinigung (BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1968 – IV C 13.68 –, Rn. 14, juris), sie hat jedoch ein subjektives Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch bei der Entscheidung, ob ihre Grundstücke durch eine Flurbereinigung neu geordnet werden können.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 155 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 147 Abs. 1 und 2 FlurbG. Vom Beklagten werden keine Gerichtskosten erhoben. Es ist nicht geboten, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aus Billigkeit den unterliegenden Parteien oder der Staatskasse aufzuerlegen, denn die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und ist somit kein Kostenrisiko eingegangen.

44

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

45

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

46

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).

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