Urteil vom Verwaltungsgericht Trier (3. Kammer) - 3 K 1129/13.TR

Tenor

Der Beklagte wird aus dem Dienst entfernt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des behördlichen

Disziplinarverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger betreibt die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst.

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Der am 27. Februar 1953 geborene Beklagte wurde nach seiner mit ″gut″ bestandenen Prüfung als Rechtsanwaltsgehilfe zum 1. September 1971 zum Vorbereitungsdienst für den mittleren Justizdienst zugelassen und zum Justizassistentenanwärter ernannt. Nach der Laufbahnprüfung, die er am 21. August 1973 mit ″befriedigend″ bestand, war er beim Amtsgericht ..., dem Landgericht ... und dem ... im mittleren Justizdienst (jetzt: Justizfachwirtedienst), zuletzt als Justizhauptsekretär, tätig.

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Am 1. Mai 1983 wurde der Beklagte zur Ausbildung für den Gerichtsvollzieherdienst zugelassen, die er am 18. Dezember 1984 mit der Note ″befriedigend″ (9,3 Punkte) abschloss. Vom 5. Januar 1985 bis 13. Februar 2000 war der Beklagte - mit vorübergehender Teilabordnung an das Amtsgericht ... – im Gerichtsvollzieherdienst bei dem Amtsgericht ... und vom 14. Februar 2000 bis 12. Februar 2012 im Gerichtsvollzieherdienst bei dem Amtsgericht ... eingesetzt.

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Der Beamte wurde am 18. Mai 1985 zum Gerichtsvollzieher ernannt und am 18. Mai 1991 zum Obergerichtsvollzieher befördert. Ausweislich seiner letzten dienstlichen Beurteilung vom 3. Januar 2008 wurde er mit ″übertrifft die Anforderungen, 3.1″ beurteilt.

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Der Beklagte ist seit dem 15. August 1997 verheiratet. Er hat zwei Söhne, die am 17. Januar 1998 und 25. Februar 2002 geboren wurden.

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Ausweislich des Feststellungsbescheides des Amtes für soziale Angelegenheiten in ... vom 21. Dezember 2012 ist der Beklagte schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50.

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Nach Durchführung einer ordentlichen Geschäftsprüfung am 18. August 2011 und 2. September 2011, wurde unter dem 20. Oktober 2011 gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren eingeleitet mit dem Vorwurf, er habe in Ausübung seiner Tätigkeit als Gerichtsvollzieher Gebühren überhoben, Auslagen und Wegegelder unrichtig erhoben und in der Folge eingenommene Gelder nicht ordnungsgemäß verbucht und abgeführt sowie Akten- und Dienstregister nicht ordnungsgemäß geführt. Der Prüfungsbericht des zentralen Prüfungsbeamten wurde der Einleitungsverfügung als Anlage beigefügt.

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Unmittelbar nach Zustellung der Einleitungsverfügung am 7. Dezember 2011 nahm der Beklagte per E-Mail am gleichen Tag hierzu Stellung. Er gab an, es treffe nicht zu, dass er in den besagten Fällen die Zahlungen der Schuldner in seinem Geschäftszimmer in ... angenommen habe. Aus dem Umstand, dass er in den entsprechenden Leistungsprotokollen nicht angekreuzt habe, an welchem Ort die Zahlung vorgenommen worden sei, könne nicht geschlossen werden, die angesetzten Wegegelder seien unrechtmäßig erhoben worden. Der jeweilige Schuldner werde bestätigen können, dass er die Gelder bei ihm zu Hause einkassiert habe.

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Mit Einleitung des Disziplinarverfahrens leitete die Staatsanwaltschaft ... ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten ein (Aktenzeichen ...). Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens wurden am 7. Dezember 2011 die Wohn- und Geschäftsräume des Beklagten durchsucht und Beweismittel sichergestellt. Das Disziplinarverfahren wurde mit Verfügung vom 3. Januar 2012 im Hinblick auf das Strafverfahren ausgesetzt.

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Durch Verfügung vom 27. Januar 2012 wurde der Beklagte auf Grund dienstlichen Bedürfnisses mit sofortiger Wirkung von seinem Dienst als Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht ... entbunden und in den Innendienst bei dem Amtsgericht ... abgeordnet. Dort wurde er mit den Aufgaben eines Beamten des Justizfachwirtedienstes betraut.

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Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass zwei Gläubiger in von ihnen durchgeführten Zwangsvollstreckungsverfahren (Firma ... gegen ... – DR II 549/11, DR II 664/11 und DR II 1124/11 – und ... gegen ... – DR II 242/11 - ) einen Anspruch auf Auszahlung der durch die Schuldner nachweislich an den Beamten gezahlten Beträge geltend gemacht haben. In beiden Fällen wurde durch den Präsidenten des ... nach Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Schadensersatzanspruch wegen offensichtlicher Verletzung der Dienstpflichten anerkannt. Die anerkannten bzw. ausgezahlten Beträge belaufen sich auf insgesamt 3.003,59 € (1.966,67 € in dem Verfahren ... gegen ... und 1.036,92 € im Verfahren ... gegen ...). Wegen Vorliegens einer besonders schweren Sorgfaltspflichtverletzung wurde gegenüber dem Beklagten ein Regress in Aussicht gestellt.

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Mit Verfügung vom 6. Februar 2013 wurde das Disziplinarverfahren fortgesetzt und gleichzeitig ausgedehnt auf die Zwangsvollstreckungsverfahren ... gegen ..., ... gegen ... und ... gegen ...

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Unter dem 22. Februar 2013 wurde der Beklagte nach Anhörung vorläufig des Dienstes enthoben. Unter dem 14. März 2013 wurde das Disziplinarverfahren unter Hinweis auf das weiterhin anhängige Strafverfahren erneut ausgesetzt und unter dem 5. Juli 2013 wurde die Einbehaltung eines Anteils von 15 v.H. der monatlichen Dienstbezüge angeordnet.

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Mit Urteil der vierten Strafkammer – große Strafkammer – des Landgerichts ... vom 8. April 2013 wurde der Beklagte wegen Untreue in 144 Fällen und Betrugs in 113 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Von einer zusätzlichen Strafverfolgung wegen Gebührenüberhebung in 38 der 257 abgeurteilten Fälle wurde gemäß § 154a StPO in der mündlichen Verhandlung abgesehen. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Dem Beklagten wurde auferlegt, eine Geldbuße von 1.500,- € an das Caritas-Zentrum

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... zu zahlen.

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Das Disziplinarverfahren wurde nachfolgend mit Verfügung vom 7. Mai 2013 fortgesetzt. Der Abschlussbericht vom 28. Mai 2013 wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten am 31. Mai 2013 zur Schlussanhörung zugestellt. Der Beklagte wurde zugleich über seine Rechte belehrt und ihm wurde Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme eingeräumt. Über die Möglichkeit der Mitbestimmung des Personalrates und Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung wurde er belehrt. Von den Mitwirkungsrechten machte der Beklagte jedoch keinen Gebrauch.

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Mit Schreiben vom 17. Juni 2013 nahm der Beklagte zum Abschlussbericht Stellung. Er beantragte hinsichtlich der abgeurteilten Straftaten Nachermittlungen. Hinsichtlich der Fallgruppen, deren Strafverfolgung wegen Gebührenerhebung in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht ... am 8. April 2013 eingestellt wurde, räumte er eine Gebührenüberhebung für eine doppelte Aktenanlage ein. Bei dieser Gebührenüberhebung habe jedoch kein systematisches Vorgehen vorgelegen. Dass gelegentlich eine Doppelakte angelegt worden sei, habe seine Begründung darin, dass die Aktensachbearbeitung bis dahin aus gleich welchem Grund ungebührlich durch Dritte verzögert worden sei. Dadurch sei bei ihm ein nicht entschuldbarer, aber gleichwohl erheblicher Unmut entstanden, der dann dazu geführt habe, eine neue Akte anzulegen, um diesen Unmut zu kompensieren. Es sei ihm nicht gezielt um eine persönliche Bereicherung gegangen. Er sei bereit, die überhobenen Gebühren zurückzuzahlen.

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Schließlich habe auch die erhebliche Arbeitsbelastung zu seinem Fehlverhalten geführt. Die jahrelange Überbelastung habe ihrerseits zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt. Diese habe er jedoch aus Scham nicht seinem Dienstherren angezeigt und daher auch nicht um eine Reduzierung der Pensenlast aus gesundheitlichen Gründen nachgesucht. Unmittelbar nach der Durchsuchung der Wohn – und Geschäftsräume hätten sich bei ihm massive physische Probleme eingestellt, die eine fünfwöchige stationäre Behandlung nach sich gezogen hätten. Im Übrigen habe er seit Jahren keinen längerfristigen Erholungsurlaub wahrgenommen. Den beantragten Urlaub habe er überwiegend zur Aufarbeitung von Arbeitsrückständen benötigt. Auf Grund der Fürsorgepflichtverletzungen des Dienstherrn könne nicht von einer Zerstörung des Vertrauensverhältnisses ausgegangen werden.

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Dem Antrag auf Nachermittlungen wurde im Disziplinarverfahren nicht entsprochen, da diese nicht innerhalb der dafü;r zur Verfügung stehenden Frist des § 36 Abs. 1 Satz 1 LDG gestellt worden seien.

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Am 23. August 2013 hat der Kläger die vorliegende Disziplinarklage erhoben, mit der er die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst betreibt. Dem Beklagten werden die für das Disziplinarverfahren bindenden Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts ... vom 8. April 2013, mithin die Begehung einer Untreue in 144 Fällen und eines Betruges in 113 Fällen zur Last gelegt.

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Darüber hinaus habe der Beklagte weitere erhebliche Verfehlungen durch eine Gebührenüberhebung begangen, deren Strafverfolgung zwar gemäß § 154 a StPO im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung vom 8. April 2013 eingestellt worden seien, die aber nach wie vor Gegenstand des Disziplinarverfahrens und vom Beklagten auch ausdrücklich eingeräumt worden seien.

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Schließlich habe der Beklagte in den Zwangsvollstreckungsverfahren ... gegen ... (DR II 549/13, DR II 664/11 und DR II 1224/11) und ... gegen ... (DR II 242/11) vereinnahmte Forderungsbeträge nicht an die Gläubiger weitergeleitet, sodass die Landesjustizverwaltung diese im Wege des Schadensersatzes (1.966,67 € und 1.036,96 €) an die Gläubiger habe leisten müssen.

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Es gehöre zu den ureigenen und zentralen Dienstpflichten eines Gerichtsvollziehers, die durch seine Tätigkeit entstehenden Gebühren und Auslagen korrekt zu berechnen und einzuziehen. Ebenso sei er verpflichtet, dienstlich eingenommene Gelder umgehend ordnungsgemäß zu verbuchen und unverzüglich an die Berechtigten weiterzuleiten. Durch sein Verhalten habe der Beklagte gegen seine Treuepflicht, insbesondere gegen die Pflicht zur unparteiischen und gerechten Amtsführung, die Pflicht, die ihm übertragenden Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen und die Pflicht, sein Verhalten so auszurichten, dass es der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert, verstoßen. Auch habe er durch sein Verhalten die Gehorsamspflicht ebenso die Verpflichtung zur Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen verletzt.

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Bereits nach den Feststellungen des Landgerichts ... in seinem Urteil vom 8. April 2013 stehe fest, dass der Beklagte systematisch, wissentlich und willentlich Dienstvorschriften und Beamtenpflichten über Jahre hinweg mit dem Ziel verletzt habe, ihm nicht zustehende Privatentnahmen aus seinen Dienstgeldern vorzunehmen und diese gegenüber dem Dienstvorgesetzten und dem Prüfungsbeamten zu verschleiern. Er habe dabei in der Absicht gehandelt, sich hierdurch Vermögensvorteile zu verschaffen. Wenngleich die vom Beamten veruntreuten und im Wege des Betruges erlangten Beträge sich im jeweiligen Einzelfall überwiegend in einem Bereich von unter 10,- € bewegten, könne in Anbetracht der Vielzahl der Zwangsvollstreckungsverfahren, in denen sich der Beklagte durch Gebühren - und Auslagenüberhebung finanzielle Vorteile verschafft habe, nicht von ″Bagatelldelikten″ die Rede sein. Es sei auch davon auszugehen, dass der in der Anklageschrift vom 23. November 2012 bezifferte Betrag von ca. 600,- € bzw. 630,- € um ein Vielfaches überschritten worden sei. Darüber hinaus seien Amtshaftungsansprüche in Höhe von 3.003,59 € anerkannt worden. Dies zeige, dass der Beamte sich nicht habe davon abhalten können, die eingezogenen Gelder in vollem Umfang zu Privatzwecken einzubehalten. Die unrichtige Akten – und Protokollführung sowie die Nichtvornahme einer ordnungsgemäßen Quittierung und Buchung der vereinnahmten Beträge habe er dazu genutzt, sein Vorgehen zu verschleiern.

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Entlastungsgründe zu Gunsten des Beklagten seien nicht ersichtlich. Die von der Rechtsprechung bezüglich der sogenannten Zugriffsdelikte entwickelten anerkannten Milderungsgründe lägen nicht vor. Aber auch die dienstliche Überlastung, die geltend gemachte gesundheitliche Situation und auch der Gesichtspunkt einer mangelnden Kontrolle durch den Dienstherrn, könnten unter den gegebenen Umständen die Schwere des Dienstvergehens nicht abmildern.

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Eine Überlastung habe er nie angezeigt. Der Beklagte sei zudem bereits durch Geschäftsprüfungsberichte vom 21. April 2005 und 2. Juli 2009 ausdrücklich auf den unrechtmäßigen Ansatz von Wegegeldern im Wege der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung in den Räumen des Amtsgerichts ... hingewiesen worden und habe diese Praxis dann noch bis zuletzt fortgesetzt. Daher sei davon auszugehen, dass der Beklage die eingeschränkte Kontrolle dazu ausgenutzt habe, um über Jahre falsch abzurechnen.

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Nicht zuletzt rechtfertige sich auch aus dem Urteil des Landgerichts ... keine andere Sicht der Dinge, da sich aus den Urteilsgründen gerade ergebe, dass das Landgericht ... von einer härteren Strafzumessung im Hinblick auf die noch drohenden dienstrechtlichen Konsequenzen abgesehen habe. Im Übrigen sei hier zu berücksichtigen, dass mit Blick auf eine Verständigung nach § 257 c StPO lediglich ein Teil des Fehlverhaltens des Beamten strafrechtlich geahndet worden sei.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er beruft sich darauf, dass er über 40 Jahre lang ein fleißiger und gewissenhafter Beamter gewesen sei. Dies spiegle sich in seinen durchweg überdurchschnittlichen Beurteilungen wieder. Diese hätten sich beginnend mit dem Jahr 1982 bis zur letzten Beurteilung im Jahr 2008 kontinuierlich gesteigert. Bemerkenswert sei, dass sich aus den dienstlichen Beurteilungen nicht ansatzweise seine gesundheitliche Belastung ablesen lasse. Seit dem Gerichtsvollzieherlehrgang in ... im Jahr 1983 habe bei ihm eine Nikotinabhängigkeit eingesetzt, die sich bis zum Jahr 2005 permanent gesteigert habe auf zuletzt zwischen 30 und 40 Zigaretten pro Tag. Im Jahre 2005 sei dann eine COPD-Erkrankung (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) attestiert worden mit einem zum Schluss nahezu lebensbedrohlichen Zustand. Dennoch habe er sich in all den Jahren aus Pflichtgefühl so gut wie nie krankgemeldet. Seit dem Jahr 2005 habe er sich in dauernder ärztlicher Behandlung befunden. Dadurch, dass seine körperliche Leistungsfähigkeit krankheitsbedingt seit diesem Jahr eingeschränkt gewesen sei, habe er für das gleiche Arbeitspensum immer länger benötigt. Erholungsphasen seien dabei zu Gunsten der Arbeitsmengenbewältigung immer kürzer geworden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie auf die Personal- und Disziplinarakten verwiesen. Diese lagen dem Gericht ebenso wie die Strafakte ... vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Der Beklagte hat sich eines Dienstvergehens schuldig gemacht, das unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Umfangs, in dem er seine Pflichten verletzt und das Vertrauen des Dienstherren und der Allgemeinheit beeinträchtigt hat, sowie unter angemessener Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes die Entfernung aus dem Dienst erforderlich macht (§§ 11, 3 Nr. 5, 8 Landesdisziplinargesetz vom 2. März 1998 (GVBl. Seite 29) in der Fassung vom 2. März 2006 (GVBl. Seite 56) – LDG - ).

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Das der Disziplinarklage vorangegangene f6;rmliche Disziplinarverfahren leidet an keinem Verfahrensmangel.

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In der Sache steht fest, dass der Beklagte sich eines schweren Dienstvergehens (für Verfehlungen, die vor dem 1. April 2009 begangen wurden: § 85 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes in der Fassung vom 14. Juli 1970 (GVBl. S. 241), im Folgenden: - LBG alt - bzw. für Verfehlungen nach diesem Zeitpunkt : § 47 Abs. 1 des Gesetzes zur Reglung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern vom 17. Juni 2008 (BGBl. I S. 1010), in Kraft getreten am 1. April 2009 – BeamtStG -) schuldig gemacht hat. Durch unrichtige Gebühren– und Auslagenerhebungen, Gebührenüberhebungen und Nichtweiterleitung von Schuldnergeldern hat der Beklagte im innerdienstlichen Bereich schuldhaft die ihm nach § 64 Abs. 1 LBG alt bzw. § 34 BeamtStG obliegenden Dienstpflichten verletzt. Danach ist der Beamte verpflichtet, sich mit vollem persönlichen Einsatz/voller Hingabe seinem Beruf zu widmen, die ihm übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen und sein Verhalten so auszurichten, dass es der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert, d.h. dass er insbesondere nicht gegen Strafgesetze verstößt. Nach § 65 S. 2 LBG alt bzw. § 35 S. 2 BeamtStG sind Beamte zudem verpflichtet, dienstliche Anordnungen ihrer Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen (I.). Gegen diese Dienstpflichten hat der Beklagte in einem solchen Maß verstoßen, dass seine Entfernung aus dem Dienst unausweichlich ist (II.).

I.

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Die dieser Würdigung zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen ergeben sich zunächst aus dem Urteil der 4. Strafkammer des Landgerichts ... vom 8. April 2013 (Az.: ...), mit dem der Beklagte wegen Untreue in 144 Fällen und Betrugs in 113 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt wurde. Hierzu hat das Landgericht im Einzelnen ausgeführt:

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II. Der Angeklagte war seit 1983 am Amtsgericht ... als Gerichtsvollzieher tätig. Im Rahmen seiner Tätigkeit war er unter anderem auch mit der Entgegennahme von Schuldnerzahlungen und der Abnahme eidesstattlicher Versicherungen betraut. Im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten rechnete er – was er in allen Fällen auch wusste – zu Unrecht Gebühren oder Auslagen zum Nachteil der Gläubiger ab. Teilweise fertigte er hierzu ungerechtfertigter Weise Aktendoppel an. Im Einzelnen konnten folgende Fallgruppen gebildet werden

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1) Abrechnung von Wegegeldern bei Barzahlungen der Schuldner im Dienstzimmer

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Leistet ein Schuldner im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens Teilzahlungen an den Gerichtsvollzieher, so werden diese entweder per Überweisung oder nach Barerhalt durch den Gerichtsvollzieher selbst auf dessen Dienstkonto einbezahlt. Der Gerichtsvollzieher ist berechtigt, für seine Tätigkeit folgende Gebühren zu erheben: Für die erste Amtstätigkeit fällt eine Gebühr in Höhe von insgesamt 21,10 € an, wobei auf eine nicht erledigte Amtshandlung 12,50 € gemäß 604 KV–GVKostG entfallen 3,- € für die Entgegennahme einer Zahlung gemäß 430 KV-GVKostG, eine allgemeine Auslagenpauschale in Höhe von 20 % der Summe der beiden vorgenannten Beträge gemäß Nr. 713 KV–GVKostG und gegebenenfalls ein Wegegeld von 2,50 € gemäß 711 KV– GVKostG. Letzteres fällt jedoch nur dann an, wenn der Gerichtsvollzieher zur Durchführung des Auftrags Wegstrecken (bis 10 km) innerhalb des Bezirks des Amtsgerichts, dem der Gerichtsvollzieher zugewiesen ist, zurückgelegt hatte.

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Für die Empfangnahme weiterer Teilleistungen im gleichen Vollstreckungsverfahren ist der Gerichtsvollzieher berechtigt, weitere Gebühren in Höhe von insgesamt 3,60 € zu erheben. Diese setzen sich zusammen aus einer Gebühr für die Entgegennahme von Zahlungen in Höhe von 3,- € gemäß Nr. 430 KV–GVKostG und der allgemeinen Auslagenpauschale in Höhe von 20 % dieses Betrages gemäß Nr. 7113 KV–GVKostG. Für die Empfangnahme weiterer Teilzahlungen in diesem Vollstreckungsverfahren sind in der Regel Gebühren von 3,60 € zu erheben die sich aus einer Gebühr für die Entgegennahme einer Zahlung in Höhe von 3,- € (Nr. 430 KV-GVKostG) und der allgemeinen Auslagenpauschale in Höhe von 20 % dieses Betrages (Nr. 713 KV–GVKostG), mithin 0,60 €, zusammensetzen. Wegegelder werden bei Überweisungen von Leistungen auf das Dienstkonto des Gerichtsvollziehers niemals, bei Barleistungen nur dann fällig, wenn der Gerichtsvollzieher das Geld außerhalb seiner Diensträume entgegengenommen hat. In den nachfolgenden aufgeführten Einzelfällen, in denen der Angeklagte entweder in seinem Dienstzimmer in Bar oder durch Überweisung auf sein Dienstkonto weitere freiwillige Teilleistungen der Schuldner entgegennahm, veranschlagte der Angeklagte neben der Regelgebühr in Höhe von 3,60 € tatsächlich nicht entstandene Wegegelder, die er im Kassenbuch II verbuchte und vor Weiterleitung der Teilleistung des Schuldners an den Gläubiger in Abzug brachte, obwohl er jeweils wusste, dass er hierauf keinen Anspruch hatte, sodass die Gläubiger von den Leistungen des Schuldners jeweils zu wenig erhielten.

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…(wird ausgeführt für die Fälle 1 – 113) ….

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2) Auslagen bei Vertagung des Termins zur Abgabe der EV

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Lädt der Gerichtsvollzieher den Schuldner zur Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung vor und bietet der Schuldner in diesem Zusammenhang eine Teilleistung in Höhe eines Sechstel der Gläubigerforderung an, so kann der Gerichtsvollzieher den EV-Termin bis zu 6 Monate vertagen, wenn der Schuldner glaubhaft macht, die gesamte Forderung in diesem Zeitraum begleichen zu können (§ 900 Abs. 3 ZPO, 185 h GVGA). An Gerichtsvollzieherkosten entstehen in diesen Fällen in der Regel 27,20 €, nämlich 12,50 € Gebühr gemäß Nr. 604 KV GVKostG, 2,50 € Zustellgebühr für die Ladung zum EV-Termin gemäß 101 KV GV-KostG, 3,- € Hebegebühr für die Entgegennahme der Teilleistung gemäß 430 KV GV-KostG, 20 % Auslagenpauschale aus der Summe der Gebühren, mithin 3,60 € (Nr. 711 KV GVKostG) sowie 5,60 €, bzw. seit 01.01.08 (nur noch) 3,45 € Auslagen für die Zustellung der Ladung (Nr. 701 KV GV-KostG). Erbringt der Schuldner die Teilleistung durch Überweisung, fällt kein Wegegeld an, eine Dokumentenpauschale kann der Gerichtsvollzieher in Ansatz bringen, wenn Abschriften des Antrags und der Forderungsaufstellung, die der Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beizufügen sind, vom Gläubiger nicht in ausreichender Stückzahl beigefügt wurden und vom Gerichtsvollzieher gefertigt werden (Nr. 700 KV – GVKostG).

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In den nachfolgend aufgeführten Fällen kam es zu Vertagungen des Termins zur Abgabe der EV, nachdem die Schuldner jeweils kurz vor dem Termin Teilleistungen durch Überweisung auf das Dienstkonto des Angeklagten erbrachten. In der Kostenrechnung veranschlagte der Angeklagte neben den regulieren Gebühren und Auslagen trotzdem ein tatsächlich nicht entstandenes Wegegeld und teilweise auch eine Dokumentenpauschale, obwohl vom Angeklagten tatsächlich keine Kopien gefertigt wurden. Die zu Unrecht erhobenen Auslagen verbuchte er im Kassenbuch II und brachte sie vor Weiterleitung der Teilleistung des Schuldners an den Gläubiger in Abzug, so dass die Gläubiger von den Leistungen des Schuldners jeweils einen Betrag in Höhe des zu Unrecht erhobenen Auslagenbetrages zu wenig erhielten. Dies war dem Angeklagten auch bewusst. Im Einzelnen geht es hierbei um folgende Fälle:

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… (Fälle 114 – 127 werden ausgeführt) …

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3) Auslagen bei Abgabe der EV im Dienstzimmer

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Ist die Pfändung im Sinne der §§ 185 a GVGA, 807 Abs. 3 Satz 2, 478 ZPO erfolglos verlaufen, bestimmt der Gerichtsvollzieher auf Antrag des Gläubigers Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Erscheint der Schuldner zum Termin entsteht für den Gerichtsvollzieher eine Regelgebühr in Höhe von 30,- € gemäß Nr. 260 KV–GVKostG; erscheint der Schuldner nicht, entsteht nur die Gebühr nach Nr. 604 KV– GVKostG in Höhe von 12,50 €. An Gebühren entstehen in beiden Fällen weiterhin eine Zustellgebühr in Höhe von 2,50 € bei Zustellung der Ladung zur EV mit der Post (Nr. 101 KV– GVKostG), bzw. eine Zustellgebühr in Höhe von 7,50 € bei persönlicher Zustellung durch den Gerichtsvollzieher (Nr. 100 KV–GVKostG). Hinzu kommt die allgemeine Auslagenpauschale in Höhe von 20 % der Summe der Gebühren, sowie Zustellentgelte (5,60 €, bzw. 3,45 € ab 01.01.08) bei Postzustellungen gemäß Nr. 701 KV–GVKostG und ggf. ein Wegegeld, wenn im EV-Verfahren vom Gerichtsvollzieher tatsächlich ein Weg zurückgelegt werden musste.

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Ein Wegegeld kann im Zusammenhang mit der Abnahme einer EV entstehen, wenn der Gerichtsvollzieher die Ladung zum Termin persönlich zustellt oder zuvor noch kein Wegegeld angefallen war. Eine Dokumentenpauschale kann der Gerichtsvollzieher in Ansatz bringen, wenn Abschriften des Antrags und der Forderungsaufstellung, die der Ladung zum Termin zur Abgabe der eistattlichen Versicherung beizufügen sind, vom Gläubiger nicht in ausreichender Stückzahl beigefügt wurden und vom Gerichtsvollzieher gefertigt werden müssen (Nr. 700 KV–GVKostG). In den nachfolgend aufgeführten Zwangsvollstreckungsverfahren lud der Angeklagte auf entsprechenden Antrag der Gläubiger die Schuldner zur Abgabe der Eidstattlichen Versicherung vor. Nach Abschluss des Verfahrens zur Abnahme der EV rechnete der Angeklagte jeweils noch am Terminstag die Kosten des EV-Verfahrens mit dem Gläubiger oder dessen Vertreter ab und setzte dabei auch die nachfolgend benannten Auslagen fest obwohl er jeweils wusste, dass diese im dargestellten Umfang gar nicht entstanden waren. Auf die insofern falsche Kostenrechnung überwiesen die Gläubiger oder ihre Vertreter im Vertrauen auf die Richtigkeit der Abrechnung des Gerichtsvollziehers auf das Dienstkonto des Angeklagten den gesamten überhöhten Forderungsbetrag, den der Angeklagte anschließend ins KB II einbuchte, um so über den zu Unrecht geltend gemachten Auslagenbetrag unmittelbar verfügen zu können.

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… (die Fälle 128 – 240 werden ausgeführt) …

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5) Mehrfache Gebühr KV 604 bei Teilleistungen des Schuldners

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Für die erste Amtstätigkeit des Gerichtsvollziehers in einem Vollstreckungsverfahren sind in der Regel Gebühren von 21,10 € zu erheben. Diese setzen sich wie unter Ziffer 1) dargelegt zusammen. Für die Empfangnahme weiterer Teilzahlungen in diesem Vollstreckungsverfahren sind Regelgebühren von 3,60 € zu erheben, die sich wie ebenfalls unter der Ziffer 1) ausgeführt zusammensetzen. Wegegelder werden bei Überweisungen von Leistungen auf das Dienstkonto des Gerichtsvollziehers niemals, bei Barleistungen nur dann fällig, wenn der Gerichtsvollzieher das Geld außerhalb seiner Diensträume entgegengenommen hat.

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Auch in den im folgenden aufgeführten Zwangsvollstreckungsverfahren legte der Angeklagte in der gleichen Sache mehrere EV-Akten unter dem gleichen Aktenzeichen an und nahm nunmehr wiederholte Teilleistungen der Schuldner zum Anlass, in der am Tag des Geldempfangs verfügten Abrechnung für den Gläubiger eine Gebühr nach KV 260 in Höhe von 12,50 € für das EV-Verfahren anzusetzen, obwohl er – wie er wusste – diese Gebühr im gleichen Verfahren vom Gläubiger zuvor schon einmal erhoben und erhalten hatte und damit nicht noch einmal geltend gemacht werden konnte.

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Zugleich stellte er zu Unrecht eine Auslagenpauschale in Höhe von 2,50 €, sowie teilweise nachfolgend aufgeführte Auslagen (Dokumentenpauschale und Wegegelder) in Rechnung, von denen er wusste, dass er hierauf im aufgeführten Umfang keinen Anspruch hatte. Vor der Weiterleitung der Teilleistungen durch Überweisung vom Dienstkonto an die Gläubiger oder deren Vertreter brachte der Angeklagte neben der Hebegebühr und ggf. Kosten der Zustellung für die Ladung zur EV auch die zu Unrecht berechneten Gebühren und Auslagen in Abzug und buchte diese Beträge in das KB II ein, sodass die Gläubiger in Höhe der zu Unrecht erhobenen Gebühren und Auslagen die schuldbefreienden Leistungen der Schuldner nicht erhielten und der Angeklagte nach der Einbuchung über die unrechtmäßig erlangten Gelder verfügen konnte.

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… (Fälle 241 – 257 werden ausgeführt) …

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III. Der vorstehende Sachverhalt steht fest auf Grund der geprüften geständigen Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung. Dieser hat den Tatvorwurf vollumfänglich eingeräumt. Das Geständnis wurde insbesondere anhand der beispielhaft zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Fallakten Nr. 36, 76, 192, 13 und

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49 überprüft.

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IV. Die Strafverfolgung wurde laut Beschluss der Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 08.04.2013 im Hinblick auf die Fälle 220 - 257 gemäß § 154 a StPO auf die Verfolgung der Tatbestände des Betruges und der Untreue beschränkt.

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Der Angeklagte hat sich im Übrigen aufgrund o.g. Sachverhaltes in den Fällen 1 - 127 und 241 – 257 wegen Untreue, in den Fällen 128 – 240 wegen Betruges strafbar gemacht. Im Einzelnen ist hierzu Folgendes auszuführen:

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1) Das Verhalten des Angeklagten erfüllt in den Fällen 1 – 127 und 241 – 257 den Tatbestand der Untreue.

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Im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach § 753 Abs. 1 ff., 804 ZPO trifft den Gerichtsvollzieher gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger die gesetzliche Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen (vgl. Fischer, StGB, 58. Auflage 2011, § 266 Rdnr. 48, Stichwort: „Gerichtsvollzieher“, mit Verweis auf OLG Celle, MDR 1990, 846; BGH, Beschluss vom

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07.01.2011, Az. 4 StR 409/10; BGH NstZ 2011, 281). Der Angeklagte hat vorliegend seine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Gläubiger verletzt, indem er in den Fällen 1 –

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113 und 114 – 127 Wegegelder und teilweise auch Dokumentenpauschalen in seine Gebührenberechnungen mit aufnahm und vor Weiterleitung von den Schuldnern vereinnahmte Gelder an die Gläubiger in Abzug brachte, ohne dass die Gebührentatbeständen der Nr. 711 KV–GVKostG bzw. 700 KV–GVKostG gegeben waren. Dadurch, dass der Angeklagte die vereinnahmten Forderungsbeträge vor Weiterleitung an die Gläubiger und die zu Unrecht erhobene Gebühren bzw. Auslagen gemindert hat, ist den jeweiligen Gläubigern ein Vermögensnachteil in Form dieser um die zu Unrecht erhobenen Gebühren geminderten Forderungsbeträge entstanden. Denn eine Gesamtsaldierung des Vermögens der Gläubiger ergibt beim Vergleich der Höhe des Auskehranspruchs mit dem tatsächlich jeweils durch den Angeklagten an sie ausgekehrten Betrag einen negativen Saldo, mithin einen Vermögensnachteil. Der Angeklagte handelte hierbei wissentlich und willentlich. Er hat damit den Treuebruchtatbestand der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB verwirklicht.

64

In den Fällen 241 – 257 hat der Angeklagte diesen Tatbestand dadurch verwirklicht, dass er entgegen o.g. Vermögensbetreuungspflicht nach Fertigung von Aktendoppeln zu Lasten der Gläubiger vor Auskehr der von den jeweiligen Schuldnern vereinnahmten Forderungsbeträge mehrfach die Gebühr Nr. 640 KV– VKostG sowie die o.g. Gebühren/ Auslagen berechnete, obwohl er wusste, dass er diese zuvor in der Originalakte bereits berechnet hatte und daher lediglich die Gebühren nach Nrn 430 und 713 KV–GVKostG hätte berechnen dürfen. Auch dies führte zu einer im Vergleich zum Auskehranspruch zu geringen tatsächlichen Auskehr der Forderungsbeträge an die Gläubiger, wodurch deren Vermögen jeweils durch den Angeklagten wissentlich und willentlich ein Nachteil zugeführt wurde. Auch dies erfüllt den Tatbestand des § 266 Abs. 1 Alt.2 StGB. Die einzelnen Taten stehen jeweils zueinander in Tatmehrheit, § 53 Abs. 1 StGB.

65

2) In den Fällen 128– 240 hat der Angeklagte durch sein Verhalten jeweils den Tatbestand des Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB verwirklicht.

66

In den Fällen 128-219 hat der Angeklagte jeweils (teilweise) zu Unrecht Auslagen in Form von Dokumentenpauschalen oder Wegegelder für seien Tätigkeiten berechnet, obwohl die jeweiligen Gebührentatbestände des KV–GVKostG nicht erfüllt waren. Diese Gebühren hat er den Gläubigern in Rechnung gestellt. Hierdurch hat er sie über seine Berechtigung zum Gebührenansatz bzw. über die Tatsache getäuscht, dass die Gebühr/ Auslagen tatsächlich angefallen und von ihm zu Recht veranschlagt worden sind und dadurch einen entsprechenden Irrtum bei den jeweiligen Gläubigern hervorgerufen. Aufgrund dieses Irrtums überwiesen die Gläubiger jeweils die überhöhten Gebühren/ Auslagen, trafen mithin eine Vermögensverfügung zu Gunsten des Angeklagten. Hierdurch entstand ihnen ein Vermögensschaden in Höhe der zu Unrecht veranschlagten Gebühren/ Auslagen. Der Angeklagte handelte wissentlich und in der Absicht, sich hierdurch Vermögensvorteile zu verschaffen. Er hat daher den Tatbestand des Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB verwirklicht.

67

Gleiches gilt in den Fällen 220–240. Hier hat der Angeklagte den Tatbestand des Betruges dadurch verwirklicht, dass er nach Fertigung von Aktendoppeln bereits bestehender DR–Vorgänge in diesen Aktendoppeln bereits berechnete Gebühren und Auslagen erneut abrechnete, ohne dass jedoch die entsprechenden Gebührentatbestände des KV–GVKostG erfüllt waren. Hierdurch hat er die Gläubiger ebenfalls über seine Berechtigung zum Gebührenansatz bzw. über die Tatsache getäuscht, dass diese Gebühren und Auslagen von ihm zu Recht veranschlagt wurden. Aufgrund dessen unterlagen die Gläubiger einem entsprechenden Irrtum, der sie zu einer Vermögensverfügung in Form der Anweisung der zu Unrecht erhobenen Gebührenrechnung veranlasste. Hierdurch entstand dem jeweiligen Gläubigervermögen ebenfalls in Höhe der jeweils zu Unrecht erhobenen Gebühren und Auslagen.

68

Auch im Hinblick auf die einzelnen Betrugsstraftaten stehen diese zueinander in Tatmehrheit im Sinne des § 53 Abs. 1 StGB.

69

3) (Ein besonders schwerer Fall …)

70

V. In der Hauptverhandlung vom 8. April 2013 hat ein Rechtsgespräch im Sinne des § 257 c StPO stattgefunden. Hinsichtlich des Inhalts wird auf das Protokoll über die Hauptverhandlung vom 8. April 2013.

71

Die gegen den Angeklagten zu verhängende Strafe ist gemäß § 52 Abs. 2 StGB den §§ 263 Abs. 1, 266 Abs. 1 in Verbindung mit § 38 Abs. 2 StGB zu entnehmen, die jeweils eine Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahre vorsieht.

72

An die zitierten tatsächlichen Feststellungen zum äußeren und inneren Tatbestand der in Rede stehenden Straftatbestände und zwar einschließlich derjenigen zur Schuldfähigkeit, zur Schuldform, zum Ursachenzusammenhang sowie zu den Rechtfertigungs- und Schuldausschlussgründen ist das Disziplinargericht – auch im Falle eines - wie hier - nach § 267 Abs. 4 Strafprozessordnung - StPO - abgekürzt verfassten Strafurteils gemäß § 16 Abs. 1 LDG gebunden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 1990 – Juris -). Die Kammer hat keine Veranlassung, die getroffenen Feststellungen nach § 16 Abs. 1 Satz 2 LDG in Frage zu stellen und eine erneute Feststellung zu beschließen. Eine derartige Lösung von den tatsächlichen Feststellungen eines Strafurteils ist nur dann geboten, wenn das Disziplinargericht andernfalls gezwungen wäre, auf der Grundlage offensichtlich unrichtiger oder inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu entscheiden. Ein solcher Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben.

73

Ausweislich der Gründe des Urteils sind die abgeurteilten Fälle im Einzelnen tatbestandlich aufgeführt unter Darstellung der Begehungsweise und der jeweils zu Unrecht einbehaltenen bzw. in Rechnung gestellten Gebühren und Auslagen. Die einzelnen Fallnummern stimmen überein mit denen der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ... vom 23. November 2012, wie im Einzelnen in der Klageschrift auch aufgelistet. Ausweislich des Protokolls der öffentlichen Hauptverhandlung vor der 4. Strafkammer des Landgerichts ... vom 8. April 2013 ergibt sich, dass der Beklagte nach Verständigung dahingehend, dass die Strafverfolgung gemäß § 154 a StPO hinsichtlich der sich aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ergebenen Fälle 220 bis 257 wegen Gebührenüberhebung auf die angeklagten Tatbestände des Betruges und der Untreue beschränkt wurde, ein umfassendes Geständnis abgelegt hat. Zudem ist das Strafurteil, mit dem der Beklagte zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten auf Bewährung verurteilt wurde, rechtskräftig seit dem 16. April 2013, womit die Richtigkeit der Feststellungen abermals indiziert ist. Schließlich hat der Beklagte im Disziplinarverfahren die auch hier zugrunde gelegten Feststellungen des Strafurteils nicht dezidiert in Frage gestellt. Seinen ursprünglichen Einwand, die abgeurteilten Fälle müssten nochmals einer Prüfung unterzogen werden, hat der Beklagte im gerichtlichen Verfahren nicht weiter aufrechterhalten. Da sich im Übrigen keine sonstigen Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der Feststellungen im Strafurteil bieten, ist eine Lösung von diesen bzw. deren erneute Überprüfung nicht angezeigt.

74

Damit steht für das vorliegende Disziplinarverfahren fest, dass der Beklagte in seiner Funktion als Gerichtsvollzieher im Überprüfungszeitraum von fünf Jahren seine Vermögensbetreuungspflicht nach § 753 Abs. 1 ff. 804 Zivilprozessordnung - ZPO - in 144 Fällen dadurch verletzt hat, dass er Wegegelder und auch Dokumentenpauschalen in seine Gebührenberechnungen mit aufgenommen und vor Weiterleitung von den Schuldnergeldern an die Gläubiger in Abzug gebracht hat, ohne dass die entsprechenden Gebührentatbestände Nr. 700 bzw. 711 KV-GVKostG gegeben waren. Hierdurch hat er bei den jeweiligen Gläubigern einen Vermögensnachteil in Höhe des negativen Saldo des Auskehrbetrages bewirkt. In einigen Fällen hat der Beklagte diesen Tatbestand dadurch verwirkt, dass er entgegen seiner Vermögensbetreuungspflicht nach Fertigung von Aktendoppeln zu Lasten der Gläubiger vor Auskehr der von den jeweiligen Schuldnern vereinnahmten Forderungsbeträge mehrfach die Gebührennummer 640 KV– GVKostG sowie die oben genannten Gebühren/Auslagen berechnete, obwohl er wusste, dass er diese zuvor in der Originalakte bereits berechnet hatte und daher lediglich die Gebühren nach den Nrn. 430 und 713 KV–GVKostG hätte berechnen dürfen. Darüber hinaus hat er in 113 Fällen jeweils (teilweise) zu Unrecht Auslagen in Form von Dokumentenpauschalen oder Wegegeldern für seine Tätigkeiten berechnet, obwohl die jeweiligen Gebührentatbestände des KV– GVKostG nicht erfüllt waren. Diese Gebühren hat er den Gläubigern in Rechnung gestellt und diese somit über seine Berechtigung zum Gebührenansatz bzw. über die Tatsache getäuscht, dass die Gebühr/Auslagen tatsächlich angefallen und von ihm zu Recht veranschlagt worden sind. Aufgrund dieses Irrtums haben die Gläubiger jeweils die überhöhten Gebühren/Auslagen überwiesen. Teilweise hat der Beklagte den Tatbestand des Betruges dadurch verwirklicht, dass er nach Fertigung von Aktendoppeln bereits bestehender DR-Vorgänge in diesen Aktendoppeln bereits berechnete Gebühren und Auslagen erneut abrechnete, ohne dass jedoch die entsprechenden Gebührentatbestände des KV–GVKostG erfüllt waren.

75

Darüber hinaus hat der Beklagte in 38 Fällen zusätzlich den Straftatbestand der Gebührenüberhebung nach § 352 StGB erfüllt. Wenn auch im Strafverfahren aus prozesstaktischen Gründen eine Verfolgung dieses Straftatbestandes nach 67; 154a StPO vor dem Hintergrund dessen, dass die hierfür zu erwartende Strafe neben der im Übrigen zu erwartenden nicht beträchtlich ins Gewicht gefallen wäre, nicht erfolgt ist, so entfaltet der Tatbestand der Gebührenüberhebung im Disziplinarverfahren dennoch nicht unerhebliche Bedeutung, wie noch im Rahmen der Maßnahmebemessung auszuführen sein wird. Die Beschränkung der Strafverfolgung lässt den Tatvorwurf an sich unberührt und steht einem Vorwurf im Disziplinarverfahren nicht entgegen, zumal der Beklagte sich insoweit im Disziplinarverfahren auch vollumfänglich geständig eingelassen hat. Ziel des Disziplinarverfahrens ist nicht die Verhängung einer Strafe für begangenes Unrecht, sondern die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes durch das Einwirken auf die vom Staat alimentierten Beamten mittels angemessener Disziplinarmaßnahmen. Im Rahmen dieser Zwecksetzung ist der Umstand, dass der Beklagte im Sinne des § 352 StGB als Amtsträger die für ihn maßgeblichen Vorgaben für die Gebühren- und Auslagenerhebung missachtet und Gebühren erhoben hat, von denen er wusste, dass der Gläubiger sie überhaupt nicht oder nur in geringerem Betrag schuldet (Fischer, StGB, Kommentar, 59. Auflage, § 352 Randnummer 6), beachtlich.

76

Mit dem strafrechtlich abgeurteilten Verhalten der Untreue und des Betruges sowie den (nicht abgeurteilten) Gebührenüberhebungen hat der Beklagte in disziplinarrechtlicher Hinsicht in gravierender Weise gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten, wozu insbesondere die Pflicht gehört, bei der Amtsführung nicht gegen Strafgesetze zu verstoßen, seine Pflicht zur uneigennützigen und gewissenhaften Amtsführung und gegen die Pflicht zu vollem persönlichen Einsatz (§ 64 Abs. 1 LBG alt bzw. § 34 BeamtStG) verstoßen.

77

Eine weitere schwerwiegende Dienstpflichtverletzung hat der Beklagte dadurch begangen, dass er in den Forderungssachen der Firma ... gegen ... und ... gegen ... vom Schuldner empfangene Leistungen nicht unverzüglich an die Gläubiger abgeliefert hat. Diesbezüglich steht folgender Sachverhalt fest:

78

a) Ausweislich der Zwangsvollstreckungsakte DR II 549/11, DR II 664/11 und DR II 1224/11 des Beklagten hat die ... am 22. März 2011, 12. April 2011 und 22. Juli 2011 aus drei Beitragsbescheiden Vollstreckungsaufträge gegen ... erteilt wegen einer Gesamtforderung von 1.740,22 € (771,00 € + 204,43 € + 764,79 €). Nach den in den Dienstakten befindlichen Zwangsvollstreckungsprotokollen wurde der Schuldner zu Hause nicht angetroffen. In einem Fall wurde das Vollstreckungsprotokoll überhaupt nicht ausgefüllt. In Vertretung der Firma ... haben die bevollmächtigten Rechtsanwälte mit Schreiben vom 21. September 2012 Belege über die vom Schuldner vorgenommenen Zahlungen in Höhe von insgesamt 1.875,72 € vorgelegt. Hierbei handelte es sich um Kopien der drei Beitragsbescheide, auf denen der Beklagte mit Siegel und Unterschrift den Erhalt der Beträge über „823,30 €“, „256,53 €“ und „795,89 €“, jeweils mit dem Vermerk “bezahlt am 03.09.11” bestätigt hat. Die Zahlungen konnten weder im Quittungsblock des Gerichtsvollziehers noch in den Kassenbüchern ermittelt werden; ebenso konnten Zahlungen an die Gläubigerin nicht festgestellt werden.

79

b) Ausweislich der Zwangsvollstreckungsakte DR II 242/11 des Beklagten hat der Gläubiger ... am 3. Februar 2011 aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts ... vom 10. Dezember 2010 Vollstreckungsauftrag gegen den Schuldner ... wegen einer Gesamtforderung in Höhe von 1.702,77 € zzgl. Zinsen und weiterer Kosten erteilt. Nach den Dienstakten hat der Beklagte am 24. Mai 2011 mitgeteilt, dass er die Voraussetzungen des § 807 Abs. 1 Nr. 4 ZPO geschaffen habe. Weitere Vollstreckungsmaßnahmen ergeben sich aus den Dienstakten nicht. Am 12. April 2012 beauftragte der Gläubigervertreter den Dienstnachfolger des Beklagten, Gerichtsvollzieher ..., mit der Fortsetzung des Verfahrens. Dieser hat festgestellt, dass der Schuldner am 12. Mai 2009 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Am 22. Juni 2012 hat der Gläubiger beantragt, den Schuldner erneut zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu laden. Gerichtsvollzieher ... teilte daraufhin am 31. Juli 2012 mit, dass der Schuldner unbekannt verzogen sei. Nach Ermittlung des aktuellen Wohnsitzes des Schuldners wurde am 17. August 2012 erneut beantragt, das Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung fortzusetzen. Am 20. August 2012 wurde auf Veranlassung des Gerichtsvollziehers ein neuer Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gestellt. Es wurde neuer Termin auf den 10. Oktober 2012 bestimmt. Am 20. September 2012 hat der Schuldner dem Gläubigervertreter schriftlich mitgeteilt, dass er die geltend gemachte Forderung vollständig (zuletzt in Raten, Ende August 2011 die Restforderung) an den Beklagten gezahlt habe. Zum Termin am 10. Oktober 2012 erschien der Schuldner nicht. Mit seinem Antrag auf Schadensersatz hat der Gläubiger eine Kopie des in Besitz des Schuldners befindlichen Vollstreckungstitels vorgelegt, auf dem der Beklagte am 31. August 2011 mit Unterschrift und Dienstsiegel den Erhalt von 1.000,- € bestätigt hat. Anlässlich seiner persönlichen Vorsprache bei der Geschäftsleiterin des Amtsgerichts ... am 6. November 2012 hat der Schuldner zudem behauptet, es habe sich bei diesem Betrag um die Restforderung gehandelt. Er habe schon zuvor Raten an den Gerichtsvollzieher geleistet. Hierzu hat der Schuldner jedoch bislang keine Belege nachgereicht. Aus den Dienstakten des Beklagten konnte weder eine Protokollierung noch eine Verbuchung oder eine Weiterleitung des gezahlten Betrages ermittelt werden.

80

In beiden Fällen hat das Land Rheinland-Pfalz den vom jeweiligen Gläubiger geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung anerkannt und Regress beim Beklagten angekündigt.

81

Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund der dem Gericht vorliegenden Vollstreckungsakten und wird vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.

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Durch dieses Verhalten hat der Beklagte zunächst gegen § 106 Nr. 6 Satz 1 und § 109 der Geschäftsanweisungen für Gerichtsvollzieher (GVGA) verstoßen, wonach der Gerichtsvollzieher eine vom Schuldner empfangene Leistung nach Abzug der Kosten der Zwangsvollstreckung unverzüglich an den Gläubiger abzuliefern hat, sofern dieser nichts anderes bestimmt hat. Wird der Anspruch des Gläubigers aus dem Schuldtitel einschließlich aller Nebenforderungen und Kosten durch freiwillige oder zwangsweise Leistungen an den Gerichtsvollzieher vollständig gedeckt, so übergibt der Gerichtsvollzieher dem Schuldner gegen den Empfang der Leistung den Schuldtitel nebst einer Quittung (§ 757 ZPO, § 106 Nr. 3 Satz 1 GVGA). Für die Quittung sind durchlaufend nummerierte Durchschreibungsquittungsblöcke zu benutzen. Die Urschrift der Quittung ist dem Einzahler auszuhändigen, die erste Durchschrift ist zu den Akten oder sonstigen Vorgängen zu nehmen, die weitere Durchschrift verbleibt im Quittungsblock. Auf den Durchschriften ist die laufende Nummer des Kassenbuchs zu vermerken, unter der die Einzahlung gebucht ist (§ 174 Nr. 1 und 2 Gerichtsvollzieherordnung – GVO -). Die Kassenbücher dienen zum Nachweis des Eingangs und der Verwendung aller Einnahmen die bei der Erledigung der in den Dienstregistern verzeichneten Aufträge erwachsen sind. In das Kassenbuch II sind unverzüglich nach Eingang der Zahlung alle Einnahmen einzutragen, die binnen drei Tagen verwendet werden können (§ 69 Nr. 2 GVO).

83

Durch das Einbehalten der vom Schuldner eingenommenen Gelder und das nicht ordnungsgemäße Ausfüllen der Quittungen hat der Beklagte objektiv und subjektiv schwerwiegend gegen die o.g. für ihn verbindlichen Vorgaben verstoßen. Hierdurch hat er nicht nur abermals seine Vermögensbetreuungspflichten gegenüber den Gläubigern verletzt, sondern zugleich durch die fehlerhafte Dokumentation die Beweisfunktion des Kassenbuches bzw. der Quittungsblöcke bewusst unterlaufen bzw. vereitelt. Seine Einlassung im Termin zur mündlichen Verhandlung, dass ihm der Schuldner ... aus verschiedenen Verfahren bekannt gewesen sei, er die Gelder von ihm erhalten, jedoch in Absprache mit diesem die Gelder bei sich zu Hause separat verwahrt habe für den Fall, dass andere dringendere Vollstreckungsaufträge eingehen sollten, vermag sein Verhalten nicht zu entschuldigen oder zu rechtfertigen. Dem Beklagten waren aus seiner langjährigen Dienstzeit die Obliegenheiten eines Gerichtsvollziehers und auch die Bedeutung der ordnungsgemäßen Weiterleitung und Dokumentation hinlänglich bekannt. Seine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den ihn beauftragenden Gläubigern verbietet Absprachen über die Verwendung eingezogener Gelder mit dem Schuldner. Zudem ist die Einlassung des Beklagten, dass er die Gelder nur kurzfristig zuhause aufbewahrt habe und die Auskehr allein durch die bei ihm erfolgte Beschlagnahme der Unterlagen verhindert worden sei, durch die vorliegenden Akten widerlegt. Im Fall der ... hat der Beklagte ab dem 3. September 2011 und im Fall des Gläubigers ... zumindest den Betrag über 1000,- € ab dem 31. August 2011 zurückbehalten. Die Durchsuchung und Beschlagnahme fand erst am 7. Dezember 2011 statt und bis zum Tätigwerden der Bevollmächtigten der Gläubiger lagen Zeiträume von einem Jahr bzw. acht Monaten. Unter Berücksichtigung allein der Zeitspanne zwischen Erhalt der Gelder und der Beschlagnahme seiner Gerichtsvollzieherakten und auch der Tatsache, dass er den Erhalt nicht ordnungsgemäß quittiert und dokumentiert hat, ist davon auszugehen, dass er den Erhalt der Gelder verschleiern wollte, um sie sodann für eigene Zwecke zu verwenden. Hätte er die Gelder tatsächlich zuhause – wie geschildert - vorgehalten, wäre es ihm auch trotz Beschlagnahme möglich gewesen, diese seinem Nachfolger zwecks ordnungsgemäßer Auskehr an die Gläubiger zu übergeben. Dies hat er jedoch nicht getan, was dazu führte, dass die Gläubiger sich Monate später unter Hinweis auf erfolgte Zahlungen seitens der Schuldner an den Amtsnachfolger des Beklagten wenden mussten.

84

Mithin hat der Beklage durch sein abermalig veruntreuendes Verhalten unter Umgehung der Dokumentationspflicht erneut in gravierender Weise gegen seine Pflichten aus § 64 Abs. 1 LBG alt bzw. § 34 BeamtStG und auch gegen seine Gehorsamspflicht (§ 65 S. 2 LBG alt bzw. § 35 Satz 2 BeamtStG) verstoßen, da er verbindliche Gesch28;ftsanweisungen missachtet hat.

85</a>
<dd>

Welche Disziplinarmaßnahme für das einheitlich zu würdigende Dienstvergehen erforderlich ist, richtet sich gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 LDG nach dessen Schwere unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung.

86

Maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der disziplinaren Maßnahme ist demnach die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale). Zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens.

87

Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild“ des Beamten erfasst dessen persönlichen Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor und nach der Tat. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht. Einen Aspekt des Persönlichkeitsbildes stellt auch tätige Reue dar, wie sie durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder der Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils noch vor der drohenden Entdeckung zum Ausdruck kommt.

88

Das Bemessungskriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion.

89

Aus den gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 LDG folgt die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte auf Grund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu befinden, ob der Beamte auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen wird, oder ob die durch sein Fehlverhalten herbeigefügte Beeinträchtigung des Ansehens des Berufsbeamtentums bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wieder gut zu machen ist. Ergibt die prognostische Gesamtwürdigung, dass ein endgültiger Vertrauensverlust noch nicht eingetreten ist, haben die Verwaltungsgerichte diejenige Disziplinarmaßnahme zu verhängen, die erforderlich ist, um den Beamten zur Beachtung der Dienstpflichten anzuhalten und der Ansehensbeeinträchtigung entgegen zu wirken (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007, Az.: 2 C 9/06 – Juris -).

90

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist im vorliegenden Einzelfall bereits ausgehend von der Schwere des Dienstvergehens die Verhängung der Höchstmaßnahme gerechtfertigt. Das Dienstvergehen des Beklagten hat erhebliches Gewicht. Er hat über einen Zeitraum von mehreren Jahren in 144 Fällen eine Untreue und in 113 einen Betrug begangen. Die regelmäßige Gesetzwidrigkeit seiner Gebührenberechnungen gehörte offenkundig zu seinem Amtsgesch&#228;ft, denn die Art und Ausführung der Begehung schließt auf ein zweckgerichtet angelegtes Abrechnungssystem, um Gebühren und Auslagen, die sich jeweils im geringfügigen zweistelligen Bereich bewegen, zu Unrecht zu erheben. Der Umstand der Geringfügigkeit der erlangten Einzelbeträge wird kompensiert durch die jahrelang wiederholte Begehungsweise und letztlich dem durch die kriminellen Handlungen erlangten Gesamtbetrag im dreistelligen Bereich. Der Unrechtsgehalt der Tat ist mithin nicht an den Einzelbeträgen zu messen, sondern an dem systematischen, hartnäckigen und bedenkenlosen Überwinden der Hemmschwelle zur Begehung strafbarer eigennütziger Handlungen. Begeht ein Beamter derartige Verfehlungen über einen Zeitraum von fünf Jahren in kontinuierlicher Regelmäßigkeit unter Missachtung seiner Vermögensbetreuungsposition gegenüber den ihn beauftragenden Gläubigern, so folgt hieraus bereits objektiv eine derart erhebliche Schwere der Verfehlung, dass das Vertrauen in die Integrität und Zuverlässigkeit des Beamten als erheblich geschädigt anzusehen ist. Die dahingehende Würdigung findet zudem eine Stütze in § 358 StGB. Danach kann das Strafgericht im Falle der Verwirkung des Straftatbestandes des § 352 StGB nach Maßgabe des § 45 Abs. 2 StGB die Fähigkeit aberkennen, öffentliche Ämter zu bekleiden. Dass der Beklagte vorliegend in einer Vielzahl von Fällen diese Katalogtat begangen hat, ist unstreitig. Wäre sie im Strafurteil mit abgeurteilt worden, hätte eine dahingehende Entscheidung des Strafgerichts erfolgen müssen.

91

Unbeschadet dessen hat der Beklagte die Zerstörung der Vertrauensgrundlage vorliegend umso mehr bewirkt, als er sich nicht nur bedenkenlos im Wege der Gebührenberechnung geringfügige Beträge hat zugute kommen lassen, sondern er durch die nicht erfolgte Weiterleitung empfangener Schuldnerbeträge in den Forderungssachen ... und ... gegen den Schuldner ... eine wesentlich höhere Hemmschwelle im Einzelfall hat überschreiten müssen. Durch das Einbehalten von Schuldnergeldern über einen Zeitraum von einem Jahr bzw. acht Monaten, zudem unter Umgehung der für ihn geltenden formalen Dokumentationspflichten, hat der Beamte sich nicht nur erneut veruntreuend verhalten, sondern zugleich eine persönlichkeitsimmanente Charakterneigung offenbart, die seinen Berufspflichten als Gerichtsvollzieher diametral entgegensteht. Der Beamte hat hierdurch abermals in erheblichem Maße gegen seine Pflicht zur Uneigennützigkeit verstoßen und das Vertrauen in seine Redlichkeit und Zuverlässigkeit endgültig zerstört.

92

Die uneigennützige, nicht auf den privaten Vorteil bedachte Führung der Dienstgeschäfte stellt eine wesentliche Grundlage des Berufsbeamtentums dar. Im Hinblick darauf ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis dann Richtschnur für die Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme, wenn erhebliche Geldzahlungen geflossen sind (vgl. zusammenfassend BVerwG, Urteil vom 29. März 2012, 2 A 11.10 – Juris -). Zudem ist disziplinarrechtlich entscheidend, ob der Verstoß gegen die Uneigennützigkeit auf einer besonderen Vertrauensstellung des Beamten beruht, das heißt, ob etwa - wie hier - ein Zugriff auf dienstlich anvertraute Gelder oder ein nicht unter Ausnutzung der dienstlichen Vertrauensstellung verübtes (Betrugs-) Delikt vorliegt. Ein Beamter, der sich bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit an Vermögenswerten vergreift, die seinem Gewahrsam unterliegen, zerstört in aller Regel das für die Fortdauer des Beamtenverhältnisses notwendige Vertrauen in seine Ehrlichkeit und seine Zuverlässigkeit, denn die Verwaltung ist auf die Redlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Bediensteten beim Umgang mit solchen Geldern und Gütern in hohem Maße angewiesen. Eine ständige und lückenlose Kontrolle eines jeden Mitarbeiters ist unmöglich und muss deshalb weitgehend durch Vertrauen ersetzt werden. Wer diese für das Funktionieren des öffentlichen Dienstes unabdingbare Vertrauensgrundlage zerstört, muss grundsätzlich mit Auflösung des Beamtenverhältnisses rechnen (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005, 2 C 12.04, vom 3. Mai 2007, 2 C 9.06, vom 25. Oktober 2007, 2 C 43.7, vom 29. Mai 2008, 2 C 59.07 – Juris -).

93

Diese Grundsätze gelten erst recht für einen als Gerichtsvollzieher beschäftigten Beamten. So stellt die Eigenverwendung dienstlich anvertrauter Gelder gerade bei einem Gerichtsvollzieher stets ein schwerwiegendes Dienstvergehen dar, welches regelmäßig zur Dienstentfernung führt (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005, 2 C 12.04 – Juris -). Denn diesem ist als hoheitlich handelndem Organ der Zwangsvollstreckung eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe übertragen, die er im weiten Umfang eigenverantwortlich und selbständig ausübt, mit der Folge, dass dem Dienstherrn nur eine vergleichsweise eingeschränkte Kontrolle seiner Tätigkeit möglich ist. Dem Gerichtsvollzieher obliegt es nach §§ 753 Abs. 1, 754 ZPO im Auftrag, d.h. auf Antrag der Gläubiger, die Zwangsvollstreckung durchzuführen, soweit diese nicht den Gerichten zugewiesen ist. Entsprechend der Art der ihm übertragenen Aufgaben, die im Interesse einer zweckmäßigen und effektiven Erledigung der Vollstreckungsaufträge eine gewisse Flexibilität erfordern, ermöglichen die Vorschriften der Gerichtsvollzieherordnung – GVO – und der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher – GVGA – dem Gerichtsvollzieher, seine Tätigkeit weitgehend eigenverantwortlich und selbständig auszuüben (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1982, 2 C 33/80, Bay. VGH Beschluss vom 15. Januar 2009, 3 ZB 08.818; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Juni 2009 – 4 B 52.08 – Juris -). Der Gerichtsvollzieher regelt seinen Geschäftsbetrieb nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen, soweit hierüber keine besonderen Bestimmungen bestehen, muss grundsätzlich an seinem Amtssitz ein Geschäftszimmer auf eigene Kosten halten, ist verpflichtet, Büro- und Schreibhilfen auf eigene Kosten zu beschäftigen, soweit es der Geschäftsbetrieb erfordert, kann grundsätzlich Zeitpunkt und Reihenfolge der Erledigung der Vollstreckungsaufträge bestimmen und führt den Schriftverkehr unter eigenem Namen mit Amtsbezeichnung. Er handelt bei der ihm zugewiesenen Zwangsvollstreckung selbstständig, wobei er zwar der Aufsicht, aber nicht der unmittelbaren Leitung des Gerichts unterliegt. Es ist die zentrale Aufgabe des Gerichtsvollziehers, im Auftrag der Gläubiger die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen der Schuldner vorzunehmen (vgl. § 808 Abs. 1 ZPO). Gepfändetes Geld hat er nach § 815 Abs. 1 ZPO an die Gläubiger auszuliefern. Der Gerichtsvollzieher hat bezüglich des Vollstreckungsauftrags gegenüber den Gläubigern die ihm Kraft Gesetztes obliegende Pflicht, deren Vermögensinteressen wahrzunehmen. Wenn ein Gerichtsvollzieher gegen diese Kernpflichten verstößt, zerstört er in der Regel die für die geordnete Vollstreckung unabdingbare Vertrauensgrundlage, weshalb er im Regelfall nicht mehr Beamter bleiben kann (vgl. auch VG Karlsruhe, Urteil vom 1. April 2010, DL 13 K 1892/09 – Juris -).

94

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze hat der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig zerstört und damit auch die Höchstmaßnahme verwirkt. Denn demgegenüber sind vorliegend keine derart gravierenden Besonderheiten des Einzelfalls bzw. Milderungsgründe ersichtlich, die es im Rahmen der prognostischen Gesamtwürdigung rechtfertigen könnten, trotz der Schwere des Dienstvergehens von der Verhängung der Höchstmaßnahme abzusehen.

95

Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn zu Gunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe (Milderungsgründe) zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, dass das dem Beamten vom Dienstherrn und der Allgemeinheit entgegengebrachte Vertrauen noch nicht endgültig zerstört ist. Solche Gründe stellen zum einen die von der Rechtsprechung bezüglich der sogenannten Zugriffsdelikte entwickelten und anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere menschliche Konfliktsituationen beschreiben. Hierzu zählen etwa das Handeln in einer existenziellen wirtschaftlichen Notlage oder einer körperlichen oder einer psychischen Ausnahmesituation oder besonderen Versuchungssituationen oder eine persönlichkeitsfremde Einzelverfehlung des Beamten wie auch Verfehlungen während einer negativen, inzwischen überwundenen, etwa durch Alkohol, Drogen oder Schicksalsschläge bedingte Lebensphase. Ein Milderungsgrund stellt auch die Geringwertigkeit des verursachten Schadens dar. Über die von der Rechtsprechung entwickelten Milderungsgründe hinaus sind zudem weitere entlastende Gesichtspunkte zu berücksichtigen, soweit sie in ihrer Gesamtheit geeignet sind, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss je schwerer das Delikt aufgrund der Schadenshöhe sowie der Tatumstände, wie Anzahl, Häufigkeit, Zeitraum, Verschiedenartigkeit der Tatausführung wiegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2012, 2 A 11.10, Urteil vom 24. Mai 2007, 2 C 26.06 – Juris -).

96

Anhaltspunkte für das Vorliegen der von der Rechtsprechung anerkannten Milderungsgründe wurden vom Beklagten weder dargelegt noch sind solche nach den gegebenen Umständen des Einzelfalls ersichtlich. Aufgrund des veruntreuten Gesamtbetrages kann auch nicht von einer Geringfügigkeit des Schadens ausgegangen werden.

97

Soweit der Beklagte sich auf eine dienstliche Überlastung beruft, und er damit darauf abzielt darzulegen, dass quasi entschuldbare Fehlleistungen im Sinne einer Schlechtleistung vorliegen, der – wenn überhaupt disziplinarrechtlich beachtlich – eine erheblich geringere Schwere beizumessen wäre, so vermag er damit kein Gehör zu finden. Ein Beamter, der sich dienstlich überlastet f&#252;hlt, ist aufgrund seiner Beratungs- und Unterstützungspflicht (§ 35 Satz 1 BeamtStG) gehalten, diesen Umstand möglichst zeitnah einem Dienstvorgesetzten anzuzeigen, damit die Möglichkeit besteht, hierauf entsprechend zu reagieren. Demgegenüber schildert der Beklagte seine Situation dergestalt, als dass er über Jahre hinweg eine Überlastung hingenommen habe. Diese Überlastung hat beim Beklagten jedoch nicht – wie denklogisch zu folgern wäre – zu Mängeln in der strukturellen Arbeitsorganisation oder Fehlern in der Arbeitsweise geführt, sondern zu einer systematisch praktizierten Veranschlagung und Berechnung von Wegegeldern und Dokumentenpauschalen, von denen er wusste, dass er hierauf keinen Anspruch hatte. Ein derart planmäßiges Vorgehen widerlegt den Vortrag der Überlastung und Überforderung und belegt ein zielgerichtetes Handeln, um - wie der Beklagte in seiner geständigen Einlassung zur Gebührenüberhebung nach § 352 StGB selbst vorgetragen hat - seinen Unmut über sich zeitlich hinziehende Verfahren und generell die fehlende Angemessenheit der vom Gesetzgeber vorgesehenen Gebührensätze zu kompensieren. Der Beklagte hat mithin zu Unrecht Gebühren und Pauschalen erhoben, um sich so eine zusätzliche Einnahmequelle zu erschließen. Demgegenüber konnte im Überprüfungszeitraum offenkundig kein Fall gefunden werden, in dem sich der Beklagte zu Gunsten der Gläubiger etwa verrechnet bzw. zu geringe Wegegelder angesetzt hätte.

98

Aus diesem Grund vermag der Beklagte sich auch nicht entlastend darauf zu berufen, der Dienstherr habe ihn unzureichend kontrolliert oder ihn im guten Glauben an eine fehlerfreien Abrechnung gelassen. Insoweit ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig, dass der Beklagte bereits durch Geschäftsprüfungsberichte vom 21. April 2005 und vom 2. Juli 2009 ausdrücklich auf einen unrechtmäßigen Ansatz von Wegegeldern im Wege der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung in den Räumen des Amtsgerichts ... hingewiesen worden war. Trotz der für ihn maßgeblichen Belehrung hat der Beklagte sich nicht eines besseren besonnen, sondern stattdessen die nicht gesetzeskonforme Abrechnungsweise weiterhin praktiziert.

99

Die von ihm vorgetragene Nikotinabhängigkeit seit den neunziger Jahren für sich allein genommen vermag ebenfalls unter keinem Gesichtspunkt zu einer mildernden Betrachtung des von ihm begangenen Dienstvergehens zu führen.

100

Nach alledem bleibt daher festzustellen, dass der Beklagte durch das von ihm begangene Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und auch der Allgemeinheit in seine Integrität endgültig verloren hat. Im Termin zur mündlichen Verhandlung zeigte der Beklagte sich nur mäßig reuig und einsichtig. Eine Erklärung für sein Verhalten vermochte er nicht darzulegen. Immer wieder betonte er, dass er die Verfehlungen nicht aus eigennützigen Motiven heraus begangen habe. Zu welchem anderen als eigennützigem Zweck er die Gebühren verwendet hat, die er beispielsweise aus Unmut über den Verfahrensgang oder zu niedrige Gebühren erhoben hat, vermochte er jedoch nicht darzulegen. Insbesondere das nicht nachvollziehbare Zurückhalten von vereinnahmten Schuldnergeldern im vierstelligen Bereich über die Dauer von einem Jahr bzw. acht Monaten deutet auf eine private Verwendung der Gelder hin. Unabhängig davon bleibt für die Disziplinarwürdigkeit und die Schwere der Verfehlung letztlich ohnehin entscheidend, dass durch die Untreue und Betrugshandlungen sowohl die Schuldner, die immer noch als säumige Zahler galten (obwohl die Schulden längst beglichen waren) als auch die Gläubiger, denen das Geld, das ihnen zustand, vorenthalten wurde und dem Land Rheinland-Pfalz, das gegenüber den Geschädigten schadensersatzpflichtig wurde und tatsächlich auch Schadensersatz in beträchtlicher Höhe leisten musste, geschädigt wurden. Dies widerspricht eklatant dem dem Beklagten in seiner Funktion als Gerichtsvollzieher nicht nur vom Dienstherrn sondern auch von der Öffentlichkeit entgegengebrachten besonderen Vertrauen. Insgesamt bleibt der Vorwurf, dass der Beklagte seinen privaten Belangen Vorrang vor den dienstlichen eingeräumt hat. Eine Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis erweist sich unter den gegebenen Umständen als unvermeidlich.

101

Dem steht vorliegend nicht entgegen, dass der Beklagte strafrechtlich sanktioniert wurde. Strafrecht und Disziplinarrecht unterscheiden sich in ihren Zielen grundsätzlich. Im Unterschied zum Strafrecht ist ausschließlicher Zweck des Disziplinarrechts, das Vertrauen in die Redlichkeit und Zuverlässigkeit der Beamten und damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu sichern, sodass die Maßnahmen grundsätzlich unabhängig voneinander zu sehen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1999, 1 D 72/97 – Juris -).

102

Zu einem anderen Ergebnis kann auch nicht der Grundsatz der Wahrung der Verhältnismäßigkeit führen. Die in der Entfernung liegende Härte ist für den Beamten – auch unter familiären und wirtschaftlichen Gesichtspunkten – nicht unverhältnismäßig, weil sie auf ihm zurechenbarem Verhalten beruht und zudem der Aufrechterhaltung der Integrität und Funktionsfähigkeit sowie auch der Wahrung des Ansehens des Berufsbeamtentums und damit dem Interesse der Allgemeinheit dient.

103

Eine abweichende Entscheidung zum gesetzlich vorgesehenen Unterhaltsbeitrag nach § 8 Abs. 2 LDG ist vorliegend nicht angezeigt.

104

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 99 Abs. 1, 109 LDG. Verfahren nach dem Landesdisziplinargesetz sind gebührenfrei.

105

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 21 LDG i.V.m. § 167 Abs. 2, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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