Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 C 24/16

Tatbestand

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Die klagende Gemeinde begehrt von dem beklagten Landkreis den Ersatz von Kosten für Transport und Unterbringung eines Hundes.

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Der Hund war von einem Bauern bei seiner Scheune im Gemeindegebiet der Klägerin entdeckt worden. Er war abgemagert, machte einen verwilderten Eindruck und war nicht vermisst gemeldet. Die Klägerin veranlasste am Folgetag den Transport in ein Tierheim und die dortige Unterbringung. Eine Anfrage bei dem Beklagten, ob er die Einweisung des Hundes veranlasse, war zuvor abschlägig beantwortet worden. Die Klägerin hatte dazu erklärt, die Einweisung vorzunehmen und die Rechnung an den Beklagten zu schicken. Nach Erhalt der Rechnungen für den Transport und die Unterbringung in Höhe von 384 € reichte sie diese weiter und forderte den Beklagten auf, ihr die Kosten zu erstatten. Das lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, es handele sich um ein Fundtier, zu dessen Entgegennahme und Unterbringung die Klägerin selbst verpflichtet sei.

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Mit ihrer darauf erhobenen Leistungsklage hat die Klägerin geltend gemacht, ihr Einschreiten habe nicht nur dem Schutz der Anwohner, sondern auch der Erfüllung einer Aufgabe des Beklagten gedient. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin mit der Unterbringung des Hundes eine eigene Pflicht als Fundbehörde erfüllt habe. Da sich nicht eindeutig feststellen lasse, dass es sich um ein herrenloses Tier gehandelt habe, sei von einem Fundtier auszugehen. Das Oberverwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin habe keine Aufgabe des Beklagten wahrgenommen, weil sie selbst für die Inobhutnahme von Fundtieren zuständig sei. Bei dem Hund handele es sich um ein Fundtier. Ein Tier, das im Haus, Betrieb oder sonst in Obhut des Menschen gehalten werde, dürfe nicht ausgesetzt werden. Eine Eigentumsaufgabe entgegen diesem Verbot sei nichtig. Der Frage, ob das auch gegenüber einem Eigentümer im benachbarten Polen oder Tschechien gelte, müsse nicht nachgegangen werden. Dafür, dass der Hund aus einem dieser Länder stamme, gebe es keine Anhaltspunkte. Ein Grenzübertritt sei nicht beobachtet worden und der Hund verfüge auch über keine Merkmale, die darauf schließen ließen.

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Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend, sie habe eine Aufgabe des Veterinäramtes des Beklagten wahrgenommen, der verpflichtet sei, das Tierschutzgesetz zu vollziehen. Es habe jedenfalls der Verdacht bestanden, dass der Hund ausgesetzt worden sei, wodurch seine Zuständigkeit begründet worden sei. Das habe der Beklagte in einem früheren Schreiben selbst so gesehen. Die Gemeinsame Empfehlung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz und des Sächsischen Städte- und Gemeindetags zähle ausgesetzte Tiere zu den herrenlosen Tieren. Vorliegend handele es sich um ein herrenloses Tier, weil klare Anzeichen dafür sprächen, insbesondere das Fehlen einer Steuermarke. Auch wenn es keine wildlebende Hundepopulation in Deutschland gebe, könnten einzelne Tiere wild leben und Nachkommen haben. Hinsichtlich der Frage, ob eine Eigentumsaufgabe wirksam sei, sei zu bedenken, dass das Tierschutzgesetz sie nicht ausdrücklich verbiete. Jedenfalls stehe das Tierschutzgesetz einer Dereliktion nicht entgegen, wenn das Tier bereits entlaufen sei. Auch an Nachkommen herrenloser Tiere sei zu denken. Es liege auf der Hand, dass der Hund aus Polen oder Tschechien verbracht worden sei oder die Grenze überschritten habe. Für Maßnahmen nach den unionsrechtlichen Bestimmungen über die Verbringung von Heimtieren sei der Beklagte ebenfalls zuständig. Als Gemeinde sei sie nach ihrer Finanzausstattung das schwächste Glied der öffentlichen Verwaltung und verfüge nicht über die gebotenen personellen und logistischen Mittel.

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Der Beklagte tritt der Revision entgegen und macht geltend, sie sei mangels ordnungsgemäßer Begründung bereits unzulässig. Im Übrigen sei die Revision unbegründet. Zutreffend sei das Oberverwaltungsgericht mit der überwiegenden Meinung der Literatur davon ausgegangen, dass eine Dereliktion durch Aussetzen oder Zurücklassen eines Tieres unwirksam sei. Hilfsweise lasse sich - wie das Verwaltungsgericht Dresden ausgeführt habe - nicht feststellen, dass eine Dereliktion erfolgt sei. Selbst wenn der Hund herrenlos gewesen sei, sei die Klägerin als allgemeine Ordnungs- und Polizeibehörde für die Unterbringung des Hundes verantwortlich gewesen.

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Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

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1. Die Revision ist zwar zulässig. Insbesondere genügt ihre Begründung den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO, wozu sie mindestens einen bestimmten Antrag enthalten und die verletzte Rechtsnorm angeben muss. Erforderlich ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und eine damit verbundene sachliche Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Aus ihr muss hervorgehen, warum der Revisionskläger diese Begründung nicht als zutreffend erachtet (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 3. März 1998 - 9 C 20.97 - BVerwGE 106, 202 <203> m.w.N.). Dem wird der Schriftsatz der Klägerin vom 28. November 2016 noch gerecht. Er zeigt hinreichend auf, weshalb sie an der Richtigkeit der die Entscheidung tragenden Annahme zweifelt, eine Dereliktion (§ 959 BGB) eines Haustiers sei nicht möglich. Er setzt dem Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts Aspekte entgegen, die für eine andere Auslegung sprechen könnten. Auch im Lichte der Begründung des Oberverwaltungsgerichts war eine weiter vertiefte Auseinandersetzung nicht geboten.

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2. Die Revision ist aber nicht begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht im Ergebnis in Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Zutreffend geht es davon aus, dass der Hund als Fundsache zu betrachten ist (a) und die Klägerin eine eigene Aufgabe als Fundbehörde wahrgenommen hat (b). Das schließt jedoch nicht aus, dass es daneben Aufgabe des Beklagten gewesen sein könnte, den Hund nach tierschutzrechtlichen Bestimmungen in Obhut zu nehmen (c). Das Urteil erweist sich ungeachtet dessen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Da die Klägerin eine originär eigene Aufgabe als Fundbehörde wahrgenommen hat, kommt ein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Beklagten nicht in Betracht (d).

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a) Das Fundrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 965 ff. BGB) gilt für Tiere entsprechend. Tiere sind zwar keine Sachen, die für Sachen geltenden Vorschriften sind aber entsprechend anzuwenden (§ 90a BGB). Auch der historische Gesetzgeber hatte sich mit der Anwendung des Fundrechts auf Tiere befasst, diese bejaht und für sie eine besondere Regelung des Finderlohns getroffen (§ 971 Abs. 1 Satz 2 BGB; Mugdan, Die gesammelten Materialien zum BGB, Bd. III, Protokolle S. 3811 f.). Das Fundrecht ist in erster Linie darauf gerichtet, dem Eigentümer oder der sonst zum Besitz berechtigten Person die verlorene Sache (§ 965 BGB) zurückzugeben. Nur wenn dies nicht möglich ist, ordnet es das Eigentumsverhältnis neu. Verloren ist eine Sache, wenn sie besitzlos, aber nicht herrenlos ist. Auf die Gründe des Besitzverlusts, insbesondere eines unfreiwilligen, kommt es nicht an (vgl. z.B. Gursky/Wiegand, in: Staudinger, BGB , § 965 Rn. 1 m.w.N.).

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Das Oberverwaltungsgericht hat stillschweigend angenommen, dass der Hund besitzlos war. Das ist nicht zu beanstanden. Nach seinen Feststellungen machte er einen verwilderten Eindruck und war abgemagert. Dass er Anstalten machte, zu einem Besitzer zurückzukehren (animus revertendi), ist nicht festgestellt. Anhaltspunkte dafür, der Hund könnte gleichwohl nicht besitzlos gewesen sein, bestehen danach nicht.

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Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht auch davon ausgegangen, dass der Hund nicht herrenlos war, also einen Eigentümer hatte. Anhaltspunkte dafür, dass der Hund einer wildlebenden Hundepopulation entstammen könnte, hat es nicht festgestellt. Auch die Klägerin geht im Übrigen davon aus, dass es in Deutschland wildlebende Hundepopulationen nicht gibt. Ist daher zugrunde zu legen, dass der Hund nicht von vornherein herrenlos war, so hätte er nur durch Aufgabe des Eigentums (Dereliktion) herrenlos werden können (§ 959 BGB).

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Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Dereliktion eines Hundes, die gegen das tierschutzrechtliche Aussetzungsverbot (§ 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG) verstößt, gemäß § 134 BGB nichtig ist (vgl. auch OVG Greifswald, Urteil vom 30. Januar 2013 - 3 L 93/09 [ECLI:DE:OVGMV:2013:0130.3L93.09.0A] - NordÖR 2013, 525 <526>; a.A. VGH Kassel, Beschluss vom 23. November 2017 - 2 A 890/16 [ECLI:DE:VGHHE:2017:1123.2A890.16.00] - NJW 2018, 964 Rn. 21).

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Das Tierschutzgesetz verbietet, ein im Haus, Betrieb oder sonst in Obhut des Menschen gehaltenes Tier auszusetzen oder es zurückzulassen, um sich seiner zu entledigen oder sich der Halter- oder Betreuerpflicht zu entziehen (§ 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG). Die Vorschrift geht auf das Tierschutzgesetz in seiner ursprünglichen Fassung zurück, wonach verboten war, ein eigenes Haustier auszusetzen, um sich des Tieres zu entledigen (§ 2 Nr. 5 TierSchG vom 24. November 1933, RGBl. I S. 987). Nachfolgend wurden das Verbot hinsichtlich seiner Adressaten neu ausgerichtet und erweitert, die geschützten Tiere ebenso wie die Handlungsformen konkretisiert (§ 3 Nr. 3 des Tierschutzgesetzes vom 24. Juli 1972, BGBl. I S. 1277) und durch eine Ergänzung sichergestellt, dass nicht nur die Absicht der (endgültigen) Entledigung, sondern auch das Ziel einer nur vorübergehenden Pflichtverletzung erfasst wird (Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 25. Mai 1998, BGBl. I S. 1094; BT-Drs. 13/7015 S. 16). Im Kern blieb das Verbot unverändert.

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Ein Eigentümer darf folglich ein in seiner Obhut befindliches Tier nicht aussetzen, um sich seiner zu entledigen. Das bedeutet in objektiver Hinsicht, er darf das Tier nicht ohne neue Obhut aus seiner Obhut entlassen und es damit auf Gedeih und Verderb sich selbst überlassen. Mit der Dereliktion ist eine Aussetzung des Tieres verbunden. Der Tatbestand des § 959 BGB setzt neben der Absicht, auf das Eigentum und damit auf die damit einhergehenden Rechte und Pflichten zu verzichten, die Aufgabe des Besitzes voraus. Wird nicht zugleich ein neues Besitzverhältnis begründet, so geht mit der Besitzaufgabe objektiv eine Aussetzung einher, weil die tatsächliche Gewalt über das Tier Voraussetzung der Obhut ist. Zugleich ist nicht zweifelhaft, dass mit der Dereliktion eines Tieres in aller Regel auch die Absicht verbunden ist, sich des Tieres zu entledigen, sich also seinen Verpflichtungen zu entziehen, womit die Voraussetzungen des Aussetzungsverbots erfüllt sind.

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Als einseitiges Rechtsgeschäft (Gursky/Wiegand, in: Staudinger, BGB , § 959 Rn. 1 m.w.N.) ist die Dereliktion unter diesen Voraussetzungen gemäß § 134 BGB nichtig. § 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG ist ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. Zwar richtet sich die Verbotsnorm in erster Linie gegen die in der Besitzaufgabe liegende Aussetzung. Die Besitzaufgabe ist aber notwendige Voraussetzung auch der Eigentumsaufgabe. Aus dem Aussetzungsverbot des § 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG ergibt sich nicht, dass die Dereliktion gleichwohl wirksam ist. Die Ge- und Verbote des Tierschutzgesetzes knüpfen zwar nicht unmittelbar an das Eigentum an. Sie greifen darüber hinaus und richten sich insbesondere an Tierhalter und Betreuer. Der Eigentümer ist jedoch der geborene Halter seines Tieres. Das Eigentum ist regelmäßig Ausgangspunkt für die Begründung von Halter- oder Betreuerverhältnissen und der mit ihnen einhergehenden besonderen tierschutzrechtlichen Pflichten. Wird etwa ein trächtiges Tier ausgesetzt, so ist das sich an den Jungtieren fortsetzende Eigentum (§ 953 BGB) Anknüpfungspunkt der tierschutzrechtlichen Verantwortung für diese Tiere. Es besteht kein Grund dafür, den Eigentümer in irgendeiner Weise aus seiner Verantwortung zu entlassen (vgl. Oechsler, in: MüKo, 7. Aufl. 2017, § 959 Rn. 6). Die Nichtigkeit einer Dereliktion führt in aller Regel dazu, dass die Anwendbarkeit des Fundrechts ohne weiteres zu bejahen ist. Auch wenn das Fundrecht primär auf den Schutz des Interesses des Eigentümers und nicht des Tieres angelegt ist, entfaltet es praktisch tierschützende Wirkung. Das ist dem Gesetzgeber bewusst. In Beantwortung parlamentarischer Anfragen hat die Bundesregierung auf die Rechtslage und den bisherigen Stand der Rechtsprechung mit ihren Wirkungen hingewiesen (BT-Drs. 18/6620 S. 5 f., BT-Drs. 18/11890 S. 10 ff.). Der Aufforderung des Bundesrats, im Zuge der Änderung des Tierschutzgesetzes eindeutige gesetzliche Regelungen für die Betreuung und Unterbringung von verlorenen oder entlaufenen sowie ausgesetzten, zurückgelassenen oder anderweitig herrenlosen Tieren einzuführen (BR-Drs. 408/11 ), ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Angesichts dessen ist es folgerichtig, einer Dereliktion, die gegen das Aussetzungsverbot des § 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG verstößt, die Wirksamkeit zu versagen und so auch mittels des Fundrechts das Wohlbefinden der Tiere zu schützen (§ 1 Satz 1 TierSchG), was gleichgerichtet Sinn und Zweck des Aussetzungsverbots ist.

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Fälle einer wirksamen Dereliktion von in menschlicher Obhut befindlichen Tieren bleiben zwar in eher theoretischen Einzelfällen denkbar, weil nicht stets die Voraussetzungen des § 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG gegeben sein müssen. Diese Einzelfälle haben in vorliegendem Zusammenhang aber keine Bedeutung. Die entfernte Möglichkeit einer wirksamen Dereliktion erlaubt nicht, ein aufgefundenes Tier nicht als Fundtier zu betrachten. Fundrecht bliebe vorliegend selbst dann anwendbar, hätte das Oberverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht nicht ausgeschlossen, dass der Hund auch aus dem nahe gelegenen Polen oder Tschechien gekommen sein könnte. In diesem Fall wäre zwar nicht ohne weiteres auszuschließen, dass der Hund nach dortigem Recht herrenlos war. Der mit dem Grenzübertritt verbundene Statutenwechsel (Art. 43 EGBGB) ließe diesen Rechtsbestand unberührt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2010 - II ZR 286/07 - NJW-RR 2010, 983 Rn. 21). Auch dann wäre der Hund aber als Fundtier zu behandeln, weil sich allein aufgrund dieser weiteren Möglichkeit Eigentum nicht mit der gebotenen Sicherheit ausschließen ließe.

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Das Fundrecht zielt darauf, der Gefahr eines dauerhaften Verlustes von Sachen zu begegnen, und schützt so das Eigentum. Entsprechend haben die öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Fundbehörden eine polizeirechtliche Ausrichtung. Das gebietet, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Fundsache ausreichen zu lassen. Dem entspricht der in einer Fundsituation typischerweise bestehende Beweisnotstand. Die Eigentumsvermutung des Besitzes (§ 1006 BGB) greift nicht und auch sonst fehlt es regelmäßig an Anhaltspunkten, auf deren Grundlage sich Eigentum belastbar feststellen ließe. Sollen Sinn und Zweck des Fundrechts nicht unterlaufen werden, ist dem beweisrechtlich Rechnung zu tragen. Es bedarf daher keines Eigentumsnachweises (vgl. VGH Bremen, Urteil vom 13. Dezember 1955 - BA 66/55 - DVBl 1956, 628 <629>). Vielmehr ist von einer Fundsache schon dann auszugehen, wenn Eigentum an einer besitzlosen Sache nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Das gilt entsprechend für Fundtiere.

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b) Indem die Klägerin den Hund in ein Tierheim transportieren und dort unterbringen ließ, hat sie fundrechtlich Verantwortung übernommen und eine eigene Aufgabe als Fundbehörde erfüllt.

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Den Finder einer verlorenen Sache trifft eine Anzeige- und Verwahrungspflicht (§§ 965, 966 BGB). Damit soll gewährleistet werden, dass eine verlorene Sache alsbald unversehrt zurückgegeben werden kann. Die nach Landesrecht zuständige Fundbehörde - nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts die Klägerin - hat die Pflichtaufgabe, die Rückgabe zu vermitteln und nach Maßgabe des Gesetzes zu gewährleisten. Deshalb ist sie verpflichtet eine Fundsache, die vom Finder abgeliefert wird, entgegenzunehmen und zu verwahren. Zugleich hat sie die Befugnis, "im Interesse der öffentlichen Ordnung beziehungsweise zum Schutze des Eigentums" anzuordnen, dass der Fund an sie abgeliefert wird (§ 967 BGB; Mugdan, Die gesammelten Materialien zum BGB, Bd. III, Motive, S. 379; vgl. auch Kohler-Gehrig, Die Fundbehörde, VBlBW 1995, 377). Entsprechend dieser Konzeption sind die Aufgaben der Fundbehörden hoheitlicher Natur (vgl. RG, Beschluss vom 5. Januar 1906, Hanseatische Gerichtszeitung 1906 Nr. 154; VGH Bremen, Urteil vom 13. Dezember 1955 - BA 66/55 - DVBl 1956, 628 m.w.N.) und waren ursprünglich den Polizeibehörden zugewiesen (RGBl. 1896, 195 <361 ff.>). Aus diesem Grund ist es den Ländern überlassen, das öffentlich-rechtliche Fundrecht weiter zu regeln (Mugdan, Die gesammelten Materialien zum BGB, Bd. III, Motive, S. 377 f.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 10. März 1976 - 1 BvR 355/67 - BVerfGE 42, 20 <30 f.>). Der Freistaat Sachsen hat allerdings gesetzliche Regelungen nicht erlassen (vgl. Huttner/Schmidt, Fundrecht in der kommunalen Praxis, 3. Aufl. 2018, Anhang 1.14). An einer Verwahrungspflicht der Fundbehörde vermag das jedoch nichts zu ändern; sie ist in § 967 BGB vorausgesetzt.

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Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ergibt sich eine Verwahrungspflicht der Klägerin zwar weder daraus, dass der Hund bei ihr abgeliefert worden wäre, noch aus einer entsprechenden Anordnung. Indem sie jedoch einen Dritten mit dem Abtransport des Hundes beauftragt hat, ist sie Besitzerin des Hundes geworden (§ 868 BGB) und hat den Hund im Sinne des Fundrechts an sich genommen (§ 965 Abs. 1 BGB). Sie hat damit entsprechend § 966 BGB als Fundbehörde eine eigene Pflicht zur Verwahrung des Hundes begründet. Das verpflichtete sie zu einer den tierschutzrechtlichen Vorgaben entsprechenden Unterbringung und Versorgung (vgl. Gursky/Wiegand, in: Staudinger, BGB , § 966 Rn. 1 m.w.N.).

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c) Entgegen der nicht weiter ausgeführten Annahme des Oberverwaltungsgerichts scheidet damit nicht aus, dass es (auch) Aufgabe des Beklagten gewesen sein könnte, den Hund aufgrund seiner tierschutzrechtlichen Zuständigkeit in Obhut zu nehmen.

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Das Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, ob der Hund seinem Eigentümer abhandengekommen war oder ob er ausgesetzt wurde. Mit den Ausführungen zur Dereliktion geht es davon aus, dass eine Aussetzung naheliegt und jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann. Dem kann auch nicht etwa mit einer Vermutung der Rechtstreue entgegengetreten werden (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 16. Dezember 2013 - 4 K 29/13 [ECLI:DE:VGSTUTT:2013:1216.4K29.13.0A] - RdL 2014, 337 <338>). Bezogen auf die Frage, ob ein aufgefundenes Tier ausgesetzt oder ungewollt abhandengekommen ist, lässt sich eine Aussetzung nicht mit einem Schluss vom "Sollen" auf das "Sein" verneinen. Eine tatsächliche Grundlage für eine solche Annahme ist nicht ersichtlich. Vielmehr dürfte nicht zweifelhaft sein, dass ein nicht unerheblicher Teil der aufgefundenen Haustiere, namentlich der Katzen und Hunde, ausgesetzt wurde (vgl. Ort/Reckewell, in: Kluge, TierSchG, 1. Aufl. 2002, § 3 Rn. 41).

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Legt man dies zugrunde, so wäre es Sache des Beklagten als zuständige untere Tierschutzbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 2 Abs. 1 SächsAGTierSchG) gewesen, der Frage der Aussetzung des Hundes und damit der Gewährleistung einer seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechenden angemessenen Ernährung, Pflege und verhaltensgerechten Unterbringung nachzugehen (§ 2 Nr. 1 TierSchG). Die zuständige Tierschutzbehörde trifft die zur Beseitigung festgestellter oder die zur Verhütung künftiger Verstöße gegen das Tierschutzgesetz notwendigen Anordnungen (§ 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG). Insbesondere kann sie die zur Erfüllung der Anforderungen der Grundsätze der Tierhaltung des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG) und beispielsweise dem Halter das Tier bei einer erheblichen Vernachlässigung der genannten Grundsätze fortnehmen und kostenpflichtig anderweitig pfleglich unterbringen (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG). Auch wenn das Tierschutzgesetz die zuständige Behörde nur zum Erlass von Verwaltungsakten ermächtigt (BVerwG, Urteil vom 12. Januar 2012 - 7 C 5.11 - BVerwGE 141, 311 Rn. 18 ff.), war der Beklagte nicht schon deshalb seiner Pflichten enthoben. Zwar kannte er weder den Halter noch einen Betreuer oder einen zur Betreuung Verpflichteten, an den er eine Anordnung hätte richten können. Das hinderte ihn aber nicht, im Wege der unmittelbaren Ausführung nach § 6 SächsPolG den Hund in Obhut zu nehmen. Dass die Inobhutnahme jenseits des Zuständigkeitsstreits zwischen den Beteiligten geboten war, ist nicht ernstlich zweifelhaft.

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d) Das Urteil erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Selbst wenn die Inobhutnahme auch eine Aufgabe des Beklagten gewesen ist, hat die Klägerin keinen Anspruch auf den Ersatz ihrer Aufwendungen, da sie eine originär eigene Aufgabe als Fundbehörde wahrgenommen hat.

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Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 677 ff. BGB) sind im öffentlichen Recht vorbehaltlich abschließender Sonderregelungen grundsätzlich entsprechend anwendbar (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. September 1988 - 4 C 5.86 - BVerwGE 80, 170 und vom 28. Oktober 1999 - 7 A 1.98 - BVerwGE 110, 9 <12>; Beschlüsse vom 28. März 2003 - 6 B 22.03 - Buchholz 442.066 § 53 TKG Nr. 2 S. 10 und vom 22. Februar 2018 - 9 B 6.17 [ECLI:DE:BVerwG:2018:220218B9B6.17.0] - juris Rn. 6; BGH, Urteil vom 13. November 2003 - III ZR 70/03 - NVwZ 2004, 373 <374>). Hieraus kann sich entsprechend §§ 683, 670 BGB ein Aufwendungsersatzanspruch ergeben, etwa wenn ein privater Geschäftsführer eine Maßnahme trifft, die zu den Aufgaben eines Trägers öffentlicher Verwaltung gehört. Die Anerkennung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht geht weit zurück (vgl. Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht und Erstattungsanspruch, 1977, S. 14 ff.; BVerfG, Beschluss vom 31. März 1965 - 2 BvL 17/63 - BVerfGE 18, 429 <436>; BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1975 - 6 C 163.73 - BVerwGE 48, 279 <285>), ist allerdings grundsätzlicher Kritik ausgesetzt (vgl. z.B. Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 ff. m.w.N.). Diese knüpft unter anderem daran an, dass die Aufgabenwahrnehmung durch Dritte die gesetzliche Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung in Frage stellt. Das ist besonders dort bedeutsam, wo es nicht um Maßnahmen der Leistungsverwaltung, sondern um solche der Eingriffsverwaltung geht, wozu Maßnahmen der Tierschutzbehörden prinzipiell gehören. Zugleich geht mit der Anerkennung der Geschäftsführung ohne Auftrag die Gefahr einher, dass der Instanzen- und Rechtsweg unterlaufen wird und im Wege der Selbsthilfe Aufgaben wahrgenommen werden, auf deren Erfüllung kein Anspruch besteht. Vor diesem Hintergrund bedarf die Anerkennung eines Aufwendungsersatzanspruchs besonderer Rechtfertigung. Im Falle zwingend hoheitlich wahrzunehmender Aufgaben genügt nicht schon, dass die Aufgabenwahrnehmung im wirklichen oder mutmaßlichen Willen der zuständigen Behörde erfolgt (§ 683 BGB). Vielmehr muss für die Aufgabenwahrnehmung durch den Dritten ein besonderes öffentliches Interesse gegeben sein (§ 679 BGB).

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Für ein solches öffentliches Interesse reicht es nicht aus, dass die Wahrnehmung der Aufgabe abstrakt-generell im öffentlichen Interesse liegt. Erforderlich ist ein öffentliches Interesse daran, dass gerade in der gegebenen konkreten Situation die Aufgabe von einem Dritten wahrgenommen wird. Dies bedarf einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Es gilt, dass die gesetzliche Aufgabenzuweisung grundsätzlich zu beachten und auf die Möglichkeit zu verweisen ist, den Aufgabenträger im Beschwerde- oder Rechtsweg zur Aufgabenerfüllung anzuhalten. Ebenso geht es grundsätzlich nicht an, den Aufgabenträger dort, wo die Aufgabenwahrnehmung in seinem Ermessen steht, im Hinblick auf das "ob" und "wie" einer Maßnahme vor vollendete Tatsachen zu stellen und mit Kosten zu belasten. Diese Hürden sind aber nicht unüberwindlich. Als gegenläufige Interessen sind die sachliche und zeitliche Dringlichkeit der Aufgabenerfüllung und die Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter ebenso zu berücksichtigen, wie das Verhalten des Aufgabenträgers. Hieraus kann sich eine (Not-)Lage ergeben, die die Maßnahme als unaufschiebbar erscheinen lässt und es rechtfertigt, einen Aufwendungsersatzanspruch anzuerkennen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. September 1988 - 4 C 5.86 - BVerwGE 80, 170 <173 ff.>; BGH, Urteil vom 13. November 2003 - III ZR 368/02 - NVwZ 2004, 764 <765>).

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Die entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ist grundsätzlich ebenso im Verhältnis verschiedener Träger öffentlicher Verwaltung zueinander anerkannt. Allerdings bedarf die Rechtfertigung eines Aufwendungsersatzanspruchs zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung einer zusätzlichen Betrachtung. In derartigen Fällen geht es typischerweise um negative Kompetenzkonflikte, bei denen ausschließliche Zuständigkeiten oder vorrangige beziehungsweise subsidiäre Zuständigkeiten im Raume stehen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 11. Juni 1991 - 7 C 1.91 - Buchholz 442.08 § 38 BBahnG Nr. 3 S. 8; OVG Münster, Urteil vom 12. September 2013 - 20 A 433/11 - DVBl 2014, 49 <51 f.>; RG, Urteil vom 19. März 1934 - IV 385/33 - RGZ 144, 173). Schließlich kann es um die Wahrnehmung von Aufgaben gehen, für die unter verschiedenen Blickwinkeln eine mehrfache, je eigenständige Zuständigkeit in Betracht kommt (vgl. Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht und Erstattungsanspruch, 1977, S. 18 f.).

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Die Klägerin macht nicht geltend, ausschließlich ein Geschäft des Beklagten geführt zu haben. Sie beruft sich vielmehr auf ein "auch fremdes Geschäft". Das ist als Grundlage einer Geschäftsführung ohne Auftrag anerkannt (BVerwG, Beschluss vom 22. Februar 2018 - 9 B 6.17 - juris Rn. 8 m.w.N.), wenngleich im Einzelnen umstritten (vgl. Bergmann, in: Staudinger, BGB , Vorbem. zu § 677 ff. Rn. 139 ff.). Nicht zweifelhaft ist hier, dass die Klägerin mit dem Willen handelte, (auch) ein Geschäft des Beklagten zu führen (§ 677 BGB), nachdem sie vorab angekündigt hatte, ihm die Rechnungen weiterzureichen. Handelt es sich jedoch um eine Aufgabe, die unter verschiedenen Blickwinkeln auf der Grundlage unterschiedlicher, je eigenständiger Zuständigkeiten wahrgenommen werden kann, so vermag die Wahrnehmung einer solchen originär eigenen Aufgabe auch mit Blick auf die Anerkennung des auch fremden Geschäfts einen Aufwendungsersatzanspruch gegenüber einem anderen Verwaltungsträger im öffentlichen Recht grundsätzlich jedenfalls dann nicht zu rechtfertigen, wenn dessen Zuständigkeit der originär eigenen Aufgabe nicht vorgeht. So verhält es sich hier.

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Wie ausgeführt steht der fundrechtlichen Zuständigkeit der Klägerin eine Zuständigkeit des Beklagten als Tierschutzbehörde gegenüber. Mit ihrem Vorbringen, ihr Einschreiten habe nicht nur dem Schutz der Anwohner gedient, führt die Klägerin jenseits des Fundrechts zu einer weiteren, im Kontext des Auffindens des Hundes denkbaren Zuständigkeit, ihrer Zuständigkeit als Ortspolizeibehörde (§ 64 Abs. 1 Nr. 4, § 68 Abs. 2, § 70 Abs. 2 Satz 1 SächsPolG). Die Klägerin ist allgemein, jenseits spezieller Zuständigkeiten berufen, Gefahren zu begegnen, wie sie etwa von freilaufenden Hunden - hier nach Aktenlage ein Tier in der Größe eines Schäferhundes - ausgehen können (§ 3 ff. SächsPolG). Soweit die Klägerin ferner auf die unionsrechtlichen Bestimmungen über die Verbringung von Heimtieren verweist, erfassen diese zwar auch Hunde. Um eine Verbringung geht es vorliegend allerdings nicht. Entsprechend führt der Hinweis allenfalls zum Tierseuchenrecht, das - gäbe es hierfür entsprechende Anhaltspunkte - wiederum in die Zuständigkeit des Beklagten fiele (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SächsAGTierGesG).

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Diese sich gegebenenfalls überlagernden Zuständigkeiten sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Wahrnehmung originär in der Verantwortung der jeweils zuständigen Behörden liegt. Sie stehen ohne inneren Zusammenhang gleichrangig nebeneinander und sind unabhängig voneinander in eigener Zuständigkeit wahrzunehmen. Entsprechend sind sie nicht darauf angelegt, im Interesse eines Ausgleichs zueinander in Beziehung gesetzt zu werden und bieten hierfür auch keinen Maßstab. Ist eine Mehrfachzuständigkeit in Betracht zu ziehen, auf deren Grundlage sich mit der Aufgabenwahrnehmung durch eine Behörde zugleich die Aufgabe einer anderen erledigt, so hat es jedenfalls grundsätzlich dabei zu bleiben, dass derjenige, der eine eigene Aufgabe wahrnimmt, selbst die mit ihr verbundenen Kosten trägt. Neben der Möglichkeit, etwa über aufsichtführende Stellen ein Tätigwerden einer anderen zuständigen Stelle zu bewirken, ist in diesen Fällen ein Ausgleich der Aufwendungen nicht geboten. Jenseits der von den Ländern zu gewährleistenden Finanzausstattung der Kommunen würde ein - wie auch immer zu bestimmender - Anspruch auf Ersatz eines Anteils von Aufwendungen zu einer Vielzahl unterschiedlich gerichteter Forderungen führen. Das wäre nicht sachgerecht.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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