Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 339/12

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz -Auswärtige Kammern Bad Kreuznach- vom 19.06.2012 - 6 Ca 141/12 - hinsichtlich der Ziffer 3 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung der Beklagten vom 15.11.2011 am 30.06.2012 sein Ende gefunden hat.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird ebenso wie die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnisses zu qualifizieren ist, zwischen wem es im einzelnen bestanden hat, ob es aufgrund mehrerer Kündigungen sein Ende gefunden hat, des weiteren über die Erstellung einer Arbeitsbescheinigung und die Zahlung weiterer ausstehender Arbeitsvergütung an den Kläger.

2

Der 63 jährige verheiratete Kläger, der polnischer Staatsbürger ist, war zunächst seit 1990 im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten, bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig.

3

Dieses Arbeitsverhältnis wurde formal 1993 beendet; der Kläger wurde bei der Sozialversicherung abgemeldet.

4

In der Folgezeit hat der Kläger im Einzelnen Leistungen aufgrund jeweils konkreter Weisungen des Komplementärs der Beklagten erbracht. Art, Inhalt und auch zeitlicher Umfang dieser Leistungen sind zwischen den Parteien streitig.

5

Der Komplementär der Beklagten hat dem Kläger monatliches zwischen 800,00 und 900,00 DM, später, nach der Währungsumstellung auf Euro, ca. 800,00 bis 900,00 € gezahlt.

6

In der Zeit vom 01.06.2011 bis zum 15.12.2011 war der Kläger im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung angemeldet.

7

Der Kläger hat vorgetragen,
er sei seit 1993 aufgrund eines mündlichen Arbeitsvertrages bei der Beklagten als Lagerarbeiter, Monteur und Fahrer im Arbeitsverhältnis in Vollzeit zu einer monatlichen Nettovergütung von 900,00 € beschäftigt. Der Monatslohn sei regelmäßig bar ausgezahlt worden. Er sei mit allen anfallenden üblichen Lagerarbeiten, Montagetätigkeiten von Möbeln und Tafeln und mit Fahrdiensten zu Kunden durch den Gesellschafter der Beklagten regelmäßig betraut worden. Am 15.11.2011 habe die Beklagte das Arbeitsverhältnis gekündigt (vgl. Bl. 14 d. A.). Er habe seit dem 16.12.2011 seine Arbeit angeboten; dieses Angebot sei allerdings mangels Nachfrage abgelehnt worden.

8

Er rüge die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung vom 15.11.2011. Für die Zeit nach der Kündigung habe er Anspruch auf Verzugslohn. Nach der von ihm durchgeführten Arbeitstätigkeit sei er als Arbeitnehmer der Beklagten anzusehen; sein Arbeitsverhältnis habe sowohl zu der Beklagten als auch zu deren Komplementär gesondert bestanden.

9

Hinsichtlich der weiteren Darstellung des streitigen erstinstanzlichen Vorbringens des Klägers wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 3 bis 5 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 156 bis 158 d. A.) Bezug genommen.

10

Der Kläger hat beantragt,

11

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 15.11.2011, zugegangen am 15.11.2011, nicht aufgelöst wurde, hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung vom 15.11.2011 erst zum 30.06.2012 aufgelöst wurde;

12

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungsgründe aufgelöst worden ist und ungekündigt und zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;

13

die Beklagte zu verurteilen, das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung vom 01.05.1993 bis längstens 30.06.2012 zu der Versicherungsnummer 123123 anzumelden und nachzuversichern;

14

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine ordnungsgemäße Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III auf der Grundlage eines Vollzeitarbeitsverhältnisses und einer monatlichen Nettovergütung von 900,00 EUR, beginnend mit dem 01.03.1993, längstens bis zum 30.06.2012, zu erteilen;

15

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger restlichen Lohn in Höhe von 684,00 EUR netto für Dezember 2012 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.01.2012 zu zahlen;

16

die Beklagte zu verurteilen, über das Arbeitsverhältnis des Klägers betreffend des Monats Dezember 2011 ordnungsgemäß abzurechnen und dem Kläger eine Abrechnung zu erteilen:

17

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Lohn für den Monat Januar 2012 in Höhe von 900,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2012 zu zahlen; dies abzüglich etwaig auf Dritte übergegangener Ansprüche;

18

die Beklagte zu verurteilen, über das Arbeitsverhältnis des Klägers betreffend des Monats Januar 2012 ordnungsgemäß abzurechnen und dem Kläger eine Abrechnung zu erteilen;

19

die Beklagte weiter zu verurteilen, das Arbeitsverhältnis des Klägers vom 01.03.1990 bis zum 30.11.2011 ordnungsgemäß abzurechnen;

20

für den Fall der Klagestattgabe, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits als Lagerarbeiter, Monteur und Fahrer längstens bis zum 30.06.2012 zu beschäftigen;

21

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Lohn für den Monat Februar 2012 in Höhe von 900,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2012 zu zahlen; dies abzüglich etwaig auf Dritte übergegangener Ansprüche;

22

die Beklagte zu verurteilen, über das Arbeitsverhältnis des Klägers betreffend des Monats Februar 2012 ordnungsgemäß abzurechnen und dem Kläger eine Abrechnung zu erteilen;

23

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 06.03.2012, zugegangen am selben Tag, aufgelöst wurde;

24

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder fristlos noch fristgemäß durch die Kündigung der Beklagten vom 04.05.2012, zugegangen am 05.05.2012, aufgelöst wurde;

25

weiter festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis und alle anderen Vertragsverhältnisse weder durch die fristlose noch durch die ordentliche Kündigung, ausgesprochen durch Herrn R. K., Beklagter zu 2., zugegangen am 05.05.2012 aufgelöst wurden.

26

Die Beklagte hat beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Die Beklagte hat vorgetragen,
Nachdem die Bemühungen des Klägers zur Erlangung der Deutschen Staatsbürgerschaft gescheitert seien und die Arbeitserlaubnis ausgelaufen sei, habe das Arbeitsverhältnis zum 30.04.1993 beendet werden müssen. Daraufhin habe sich der Komplementär der Beklagten aus menschlichen Erwägungen heraus entschlossen, dem Kläger kleinere Tätigkeiten, Aufträge und Gefälligkeiten zu übertragen. Der Kläger sei nicht als Arbeitnehmer anzusehen, sondern habe sich in einem freien Dienstverhältnis befunden. Er habe keine Arbeitspflicht gehabt. Folglich habe er auch nur Leistungen erbracht, wenn er dies selbst so gewollt habe.

29

Hinsichtlich des weiteren streitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 7 bis 9 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 160 bis 162 d. A.) Bezug genommen.

30

Das Arbeitsgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2012 Beweis erhoben aufgrund eines Beweisbeschlusses vom 03.12.2012, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 84 ff d. A. Bezug genommen wird, durch Vernehmung der Zeugen S., W. und J.; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19.06.2012 (Bl. 143 ff d. A.) Bezug genommen.

31

Das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - hat darauf hin durch Urteil am 19.06.2012 die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine ordnungsgemäße Arbeitsbescheinigung nach § 212 SGB III auf der Grundlage eines Vollzeitarbeitsverhältnisses auf Basis einer monatlichen Nettovergütung von 900,00 € ab 2001, davor 900,00 DM , beginnend mit dem 01.03.1993 zur erteilen und das Arbeitsverhältnis des Klägers für Dezember 2011 bis zum 15.12.2011 ordnungsgemäß abzurechnen. Die weitergehende Klage hat es dagegen abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 155 bis 168 d. A. Bezug genommen.

32

Gegen das ihm am 09.07.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 23.07.2012 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 09.10.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf seinen begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 07.09.2012 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 09.10.2012 einschließlich verlängert worden war.

33

Die Beklagte hat gegen das Urteil, dass ihr am 06.07.2012 zugestellt worden ist, durch am 02.08.2012 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 13.09.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 03.09.2012 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 13.09.2012 einschließlich verlängert worden war.

34

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis sei als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren; zugleich habe aber auch ein Arbeitsverhältnis mit dem Komplementär der Beklagten persönlich bestanden. Das Arbeitsverhältnis sei jedenfalls erst zu einem späteren Zeitpunkt beendet worden, weil die Kündigung vom 15.11.2011 nicht auf die Beendigung des Hauptarbeitsverhältnisses gerichtet gewesen sei und es deshalb nicht habe auflösen können. Die geltend gemachten Zahlungsanträge seien lediglich für den Fall der Klagestattgabe gedacht, dies aus Gründen der Minimierung des Kostenrisikos.

35

Vorliegend sei ein Arbeitsverhältnis gegeben gewesen; er sei abhängig Beschäftigter gewesen, was sich aus den vorgelegten Arbeitslisten und den vorgegebenen Arbeiten ergebe. Er habe den Weisungen des Komplementärs der Beklagten unterlegen, eine Arbeitsleistung habe er nicht schlichtweg ablehnen können.

36

Hinsichtlich des geschuldeten Arbeitsentgelts habe er bis zur Einführung des Euro ca. 1.800,00 DM netto erhalten, nicht aber den vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Betrag.

37

Die Kündigung vom 15.11.2011 habe lediglich des Aushilfsarbeitsverhältnis, das die Parteien zusätzlich neben dem Hauptarbeitsverhältnis abgeschlossen hätten, aufgelöst. Es sei lediglich um die Beendigung der geringfügigen Beschäftigung des Klägers gegangen. Da er wechselnd zwischen der Betriebsstätte und dem Privateigentum von Herrn R. K. eingesetzt, einheitlich aber bezahlt worden sei, habe den rechtlichen Beziehungen der Parteien ein Gesamtarbeitsverhältnis zugrunde gelegen.

38

Die fristlose Kündigung vom 06.03.2012 sei verspätet. Zudem würden die zur Kündigung führenden Kündigungsgründe bestritten. Insoweit fehle es auch an einem falschen Tatsachenvortrag des Klägers und folglich gänzlich an einem Grund zur fristlosen Kündigung.

39

Gleiches gelte für die Kündigung vom 04.05.2012.

40

Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 09.10.2012 (Bl. 303 bis 316 d. A.), sowie die Schriftsätze vom 12.03.2013 (Bl. 418 bis 420 d. A.) und vom 02.04.2013 (Bl. 441 bis 446 d. A.) Bezug genommen.

41

Der Kläger beantragt,

42

Die Berufung der Beklagten vom 03.08.2012 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz, Auswärtige Kammern Bad Kreuznach, vom 19.06.2012, zugestellt am 09.07.2012, wird zurückgewiesen.

43

Das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz, Auswärtige Kammern Bad Kreuznach, vom 19.07.2012, zugestellt am 09.07.2012 wird abgeändert.

44

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 15.11.2011, zugegangen am 15.11.2011, nicht aufgelöst wurde.

45

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung vom 06.03.2012, zugegangen am 06.03.2012 aufgelöst wurde.

46

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder fristlos noch fristgemäß durch die Kündigung der Beklagten vom 04.05.2012, zugegangen am 05.05.2012, aufgelöst wurde.

47

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis und alle anderen Vertragsverhältnisse weder durch die fristlose, noch durch die ordentliche Kündigung, ausgesprochen durch Herrn R. K., Beklagter zu 2., zugegangen am 05.05.2012, aufgelöst wurden.

48

die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine ordnungsgemäße Bescheinigung nach § 312 SGB III auf der Grundlage eines Vollzeitarbeitsverhältnisses und auf der Grundlage einer monatlichen Nettovergütung in Höhe von jeweils 900,00 € = 1.760,24 DM für den Zeitraum beginnend mit dem 01.03.1993 bis 31.12.2000 sowie für den Zeitraum vom 01.01.2001 auf der Basis einer monatlichen Nettovergütung in Höhe von jeweils 900,00 € bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses zu erteilen.

49

Hilfsweise wird beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz, Auswärtige Kammern Bad Kreuznach, vom 19.06.2012, zugestellt am 09.07.2012, wird insoweit die Klage zulasten des Klägers abgewiesen wurde, aufgehoben und zur Neuentscheidung an das Arbeitsgericht Mainz, Auswärtige Kammern Bad Kreuznach, verwiesen.

50

Für den Fall der Klagestattgabe wird namens und in Vollmacht des Klägers weiter beantragt:

51

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger restlichen Lohn in Höhe von 684,00 € netto für Dezember 2012 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.01.2012 zu zahlen.

52

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Monat Januar 2012 in Höhe von 900 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2012 zu zahlen; dies abzüglich etwaig auf Dritte übergegangene Ansprüche.

53

Die Beklagte wird verurteilt, über das Arbeitsverhältnis des Klägers betreffend den Monat Januar 2012 ordnungsgemäß abzurechnen und dem Kläger eine Abrechnung zu erteilen.

54

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Monat Februar 2012 in Höhe von 900 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2012 zu zahlen; dies abzüglich etwaig auf Dritte übergegangene Ansprüche.

55

Die Beklagte wird verurteilt, über das Arbeitsverhältnis des Klägers betreffend den Monat Februar 2012 ordnungsgemäß abzurechnen und dem Kläger eine Abrechnung zu erteilen.

56

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Monat März 2012 in Höhe von 900 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2012 zu zahlen; dies abzüglich etwaig auf Dritte übergegangene Ansprüche.

57

Die Beklagte wird verurteilt, über das Arbeitsverhältnis des Klägers betreffend den Monat März 2012 ordnungsgemäß abzurechnen und dem Kläger eine Abrechnung zu erteilen.

58

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Monat April 2012 in Höhe von 900 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2012 zu zahlen; dies abzüglich etwaig auf Dritte übergegangene Ansprüche.

59

Die Beklagte wird verurteilt, über das Arbeitsverhältnis des Klägers betreffend den Monat April 2012 ordnungsgemäß abzurechnen und dem Kläger eine Abrechnung zu erteilen.

60

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Monat Mai 2012 in Höhe von 900 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2012 zu zahlen; dies abzüglich etwaig auf Dritte übergegangene Ansprüche.

61

Die Beklagte wird verurteilt, über das Arbeitsverhältnis des Klägers betreffend den Monat Mai 2012 ordnungsgemäß abzurechnen und dem Kläger eine Abrechnung zu erteilen.

62

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Monat Juni 2012 in Höhe von 900 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2012 zu zahlen; dies abzüglich etwaig auf Dritte übergegangene Ansprüche.

63

Die Beklagte wird verurteilt, über das Arbeitsverhältnis des Klägers betreffend den Monat Juni 2012 ordnungsgemäß abzurechnen und dem Kläger eine Abrechnung zu erteilen.

64

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Monat Juli 2012 in Höhe von 900 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2012 zu zahlen; dies abzüglich etwaig auf Dritte übergegangene Ansprüche.

65

Die Beklagte wird verurteilt, über das Arbeitsverhältnis des Klägers betreffend den Monat Juli 2012 ordnungsgemäß abzurechnen und dem Kläger eine Abrechnung zu erteilen.

66

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Monat August 2012 in Höhe von 900 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2012 zu zahlen; dies abzüglich etwaig auf Dritte übergegangene Ansprüche.

67

Die Beklagte wird verurteilt, über das Arbeitsverhältnis des Klägers betreffend den Monat August 2012 ordnungsgemäß abzurechnen und dem Kläger eine Abrechnung zu erteilen.

68

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Monat September 2012 in Höhe von 900 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2012 zu zahlen; dies abzüglich etwaig auf Dritte übergegangene Ansprüche.

69

Die Beklagte wird verurteilt, über das Arbeitsverhältnis des Klägers betreffend den Monat September 2012 ordnungsgemäß abzurechnen und dem Kläger eine Abrechnung zu erteilen.

70

Die Beklagte beantragt,

71

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

72

Das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz, Auswärtige Kammern Bad Kreuznach, Az: 6 Ca 141/12, vom 19.06.2012, zugestellt am 06.07.2012, wird abgeändert, soweit das Gericht der Klage stattgegeben hat. Die Klage wird abgewiesen.

73

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

74

Der Kläger beantragt,

75

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

76

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, zwischen den Parteien habe kein Arbeitsverhältnis bestanden. Vielmehr habe es sich um ein Dienstleistungsverhältnis gehandelt. Der Kläger habe insoweit eine Sonderrolle gehabt; er sei anders behandelt worden als die Arbeitnehmer im Betrieb. Der Kläger habe durchaus gewusst, dass er sich illegal in Deutschland aufhalte. Vor diesem Hintergrund habe er nicht von einem ordnungsgemäßen Arbeitsverhältnis ausgehen können und wollen. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder im Falle des Urlaubs habe er nicht erhalten. Er sei in der schwierigen Unternehmenssituation der Beklagten von ca. 2003 bis 2011 überwiegend in den Mietobjekten des Komplementärs der Beklagten eingesetzt worden und zwar bis auf ganz wenige Ausnahmen alleine.

77

Für eine Aufspaltung des Vertragsverhältnisses seien keine konkreten Anhaltspunkte gegeben; für den Sonder- und Ausnahmefall des Abschlusses von zwei rechtlich selbständigen Vertragsverhältnissen habe der Kläger keine greifbaren Tatsachen vorgebracht. Hinsichtlich der Vergütung bestehe ein Widerspruch in den Angaben der Parteien nicht; der Kläger selbst habe in der Klageschrift vorgetragen, dass der Verdienst zuletzt 900,00 € netto betragen habe.

78

Für die rechtliche Beurteilung des mit den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses ergebe sich aus dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff nichts anderes; maßgebend seien die Kriterien nach nationalem Recht, nach denen der Kläger nicht als Arbeitnehmer anzusehen sei. Deshalb habe er die Nichteinhaltung der aus seiner Sicht objektiv zutreffenden Kündigungsfrist nicht mehr außerhalb der Frist des § 4 KSchG geltend machen können.

79

Jedenfalls sei das Arbeitsverhältnis aber aufgrund der fristlosen Kündigung vom 06.03.2012 und vom 04.05.2012 - beide erklärt durch die Beklagte jeweils fristlos und hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt - beendet worden.

80

Hinsichtlich der fristlosen Kündigung vom 06.03.2012 folge dies bereits daraus, dass der Kläger den Komplementär der Beklagten telefonisch damit bedroht habe, wenn er nicht 5.000,00 € zahle, werde er zu den Behörden gehen. Durch die anschließende Klageerhebung sei klar gewesen, dass der Kläger damit seiner Drohung Nachdruck habe verleihen wollen. Zudem habe der Kläger vorliegend unwahr vorgetragen.

81

Die Kündigung vom 04.05.2012 sei rechtswirksam, weil die Darstellung des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit im Widerspruch zu den Erkenntnissen aus dem Ermittlungsverfahren, wonach der Kläger zunächst 1993 und sodann noch einmal im Jahr 2002 ausdrücklich zur Ausreise aufgefordert worden sei, stehe. Damit habe der Kläger seinen unwahren Prozessvortrag intensiviert, um in eine günstigere Prozesssituation zu kommen.

82

Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 12.09.2012 (Bl. 272 bis 281 d. A.), die Berufungserwiderungsschrift vom 23.11.2012 (Bl. 345 bis 356 d. A.) sowie die Schriftsätze vom 12.03.2013 (Bl. 398 bis 414 d. A.), 26.03.2013 (Bl. 429 bis 434 d. A.) und vom 02.05.2013 (Bl. 455 bis 458 d. A.) Bezug genommen.

83

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

84

Schließlich wird Bezug genommen auf die Sitzungsprotokolle vom 03.12.2012, 28.01.2013 und 06.05.2013.

Entscheidungsgründe

I.

85

Das Rechtsmittel der Berufung ist - seitens beider Parteien - nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

86

Das Rechtsmittel des Klägers hat jedoch in der Sache nur teilweise Erfolg. Auf seinen Antrag war entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht bereits am 15.12.2011, sondern erst mit dem 30.06.2012 sein Ende gefunden hat. Im Übrigen ist das Arbeitsgericht demgegenüber sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass die weitergehende Klage unbegründet ist.

87

Demgegenüber ist die Berufung der Beklagten in vollem Umfang unbegründet; mit dem Arbeitsgericht ist entgegen der Auffassung der Beklagten davon auszugehen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestand, das erst zum 30.06.2012, nicht aber zu einem früheren Zeitpunkt sein Ende gefunden hat. Die Verurteilung der Beklagten zur inhaltlich konturierten Arbeitsbescheinigung ist zu Recht erfolgt.

88

Zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits - dem Kläger und der Beklagten - bestand ein Arbeitsverhältnis; demgegenüber kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um einen "freies" Dienstverhältnis gehandelt hat.

89

Arbeitnehmer ist nach nationalem bundesdeutschem Recht, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages (oder eines diesem gleichgestellten Rechtsverhältnisses) über entgeltliche Dienste für einen anderen in persönlicher Abhängigkeit tätig ist (z.B. BAG 15.12.1999, 20.09.2000, 12.12.2001, EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 78, 80, 84, 87; 20.08.2003, NZA 2004, 39; Reiserer/Freckmann NJW 2003, 180 ff.). Für die Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft werden zahlreiche Einzelmerkmale verwendet, die zur Feststellung der persönlichen Abhängigkeit herangezogen werden, in der das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses gesehen wird (BAG 13.01.1983, 1991 EzA § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 26, 27, 38; LAG Rheinland-Pfalz 02.05.2004 - 2 Ta 81/04 - ArbuR 2005, 161 LS; vgl. Dörner/ Luczak/ Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 10. Auflage 2012, Kap. 1 Rz. 46 ff.).

90

Dagegen gibt es für die Abgrenzung z. B. von Arbeitnehmern und "freien Mitarbeitern" kein Einzelmerkmal, das aus der Vielzahl möglicher Merkmale unverzichtbar vorliegen muss (BAG 23.04.1980 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 21; LAG Rheinland-Pfalz 02.05.2004 - 2 Ta 81/04 - ArbuR 2005, 161 LS).

91

Maßgeblich ist in materieller Hinsicht darauf abzustellen, inwieweit durch Fremdbestimmung der Arbeit in fachlicher, zeitlicher, örtlicher und organisatorischer Hinsicht eine persönliche Abhängigkeit des Dienstleistenden gegeben ist (LAG Rheinland-Pfalz 12.05.2004 - 2 Ta 81/04 - ArbuR 2005, 161 LS; zum europäischen Arbeitnehmerbegriff gem. Art. 45 AEUV s. EuGH 17.07.2008, NZA 2008, 995; 11.11.2010, NZA 2011, 143; Oberthür NZA 2011, 253 ff.).

92

Insoweit sind im Einzelnen folgende Kriterien maßgeblich:

93

fachliche Weisungsgebundenheit
Örtliche und zeitliche Weisungsgebundenheit (vgl. BAG 30.09.1998, 19.11.1997 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 74, 63; 14.03.2007 EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 9), d. h. Weisungsrecht des Auftraggebers hinsichtlich Ort und Zeit der Arbeitsleistung und Pflicht zum regelmäßigen Erscheinen am Arbeitsort;

94

Eingliederung in den Betrieb (BAG 06.05.1998 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 66).

95

Angewiesensein auf fremdbestimmte Organisation, d. h. Einbindung in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation und Benutzung der betrieblichen Einrichtung (Arbeitsgeräte), Unterordnung bzw. Überordnung bezüglich andere im Dienste des Auftraggebers stehender Personen, Pflicht zur Übernahme von Vertretungen.

96

Andererseits begründen Organisationsanweisungen, die den Ablauf von dritter Seite getragener Veranstaltungen regeln, nicht die Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Diese sind von arbeitsvertraglichen Weisungen zu unterscheiden. Dem selbständigen Tätigwerden steht auch nicht entgegen, dass bei der Bewirtung von Pausen- und Getränkeständen in einer Veranstaltungshalle die Ein- und Verkaufspreise für die von dem Betreiber der Halle vorgegeben werden. Denn damit werden keine arbeitsvertraglichen Weisungen erteilt, sondern nur wirtschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen (BAG 12.12.2011 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 87);

97

Leistungserbringung nur in eigener Person (BGH 21.10.1998 EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 30, BAG 12.12.2001 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 87); die tatsächliche Beschäftigung Dritter spricht regelmäßig gegen as Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft. Dies gilt grds. auch für die - nur vertraglich vereinbarte - Berechtigung, Dritte einzuschalten.

98

Verpflichtung, angebotene Aufträge anzunehmen, bzw. Freiheit bei der Annahme von Aufträgen (BAG 16.06.1998 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 65);

99

Ausübung weiterer Tätigkeiten (BAG 30.09.1998 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 74);

100

Aufnahme in einen Dienstplan, der ohne vorherige Absprache mit dem Mitarbeiter erstellt wird (BAG 16.02.1994, 16.03.1994, EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 52, 53);

101

Die Übernahme des Unternehmerrisikos (z.B. durch Vorhandensein eigenen Betriebskapitals, einer eigenen Betriebsstätte, eines Kundenstammes, eigener Mitarbeiter, unternehmerischer Entscheidungsbefugnisse, der Marktorientierung, Gewinnerzielung und Haftung) ist unerheblich (BAG 25.05.2005 EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 6), weil sich Arbeitnehmer und Selbständige nach dem Grad der persönlichen Abhängigkeit unterscheiden;

102

Art der Vergütung (BAG 30.10.1991, 16.07.1997 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 44, 61);

103

Einheitliche Behandlung von Arbeitnehmern, die mit gleichartigen Aufgaben betraut sind;

104

Berichterstattungspflichten (Verhaltens- und Ordnungsregeln; Überwachung; BAG 19.11.1997 a. a. O.);

105

soziale Schutzbedürftigkeit;

106

Fremdnützigkeit der Arbeitsleistung, d. h. Arbeitnehmer z. B. von Rundfunk und Fernsehen können ihre Arbeitskraft nicht wie ein Unternehmer nach selbstgesetzten Zielen unter eigener Verantwortung und mit eigenem Risiko am Markt verwerten. Sie sind vielmehr darauf angewiesen, ihre Arbeitsleistung fremdnützig dem Arbeitgeber zur Verwertung in der Rundfunkanstalt nach dem Programmplan zu überlassen (BAG 15.03.1978, 23.04.1980 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 16, 17, 21).

107

Entscheidend für die Abgrenzung ist die praktische Durchführung des Rechtsverhältnisses (BAG 08.06.1967 AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 6; LAG Schleswig-Holstein 19.09.2005, 08.04.2005, NZA-RR 2005, 656), wenn die Parteien ein Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis, sondern z. B. als freies Dienstverhältnis bezeichnen, der Beschäftigte jedoch tatsächlich weisungsgebundene Tätigkeiten verrichtet (BAG 25.01.2007, EzA § 233 ZPO 2002 Nr. 6).

108

Der Status eines Beschäftigten richtet sich also danach, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen ist. Wird der Vertrag abweichend von der ausdrücklichen Vereinbarung vollzogen, so ist i.d.R. die tatsächliche Durchführung maßgebend (BAG 03.04.1990, EzA § 2 HAG Nr: 1; 20.07.1994, EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 54; LAG Schleswig-Holstein 19.09.2005 - 2 Ta 189/05 - EzA-SD 22/2005, S. 9 LS; LAG Hamm 07.02.2011, LAGE § 5 ArbGG 1979 Nr. 15; a.A. LAG Köln 21.11.1997, NZA-RR 1998, 394). Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Wille der Vertragsschließenden unbeachtlich ist. Haben die Vertragsparteien deshalb ihr Rechtsverhältnis, das die Erbringung von Diensten gegen Entgelt zum Inhalt hat, ausdrücklich als Arbeitsverhältnis bezeichnet, so genügt es grundsätzlich, wenn der Vertragsinhalt die für einen Arbeitsvertrag typischen Regelungen enthält. Es müssen keine Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass ein für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderliches Maß an persönlicher Abhängigkeit gegeben ist (LAG Nürnberg 12.01.2004, NZA-RR 2004, 400). Denn die Parteien können auch unabhängig von der tatsächlichen Vertragsdurchführung ein Arbeitsverhältnis vereinbaren (BAG 09.03.2005, EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 3). Unbeachtlich ist lediglich, auf Grund fehlender Dispositionsmöglichkeiten über die Rechtsfolgen, eine sog. Falschbezeichnung. Eine solche liegt nur dann vor, wenn die Vertragsbezeichnung dem Vertragsinhalt oder der tatsächlichen Handhabung widerspricht, d. h. z. B. der Handhabung ein anderer Wille entnommen werden muss als er in der Vertragsbezeichnung seinen Niederschlag gefunden hat (Bauer/Baeck/Schuster Scheinselbständigkeit, Rz. 23, s.u. Rn. 79 f.).

109

Kommt nach den objektiven Gegebenheiten für die vertraglich vereinbarte Tätigkeit typologisch sowohl ein Arbeitsverhältnis als auch ein Rechtsverhältnis als freier Mitarbeiter (freier Dienstvertrag) oder die Beschäftigung im Rahmen eines Werkvertrages in Betracht, so entscheidet der im Geschäftsinhalt zum Ausdruck gekommene Wille der Vertragsparteien darüber, ob ein Arbeitsverhältnis oder ein Dienstvertragsverhältnis als freier Mitarbeiter besteht. Folglich ist die Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (BAG 09.06.2010, EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 18. s. a. BAG 14.09.2011, EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 19; Dienstverhältnis durch Verwaltungsakt).

110

Haben die Parteien ein Rechtsverhältnis ausdrücklich als "Arbeitsverhältnis" vereinbart, so ist es dann in aller Regel auch als solches einzuordnen; ob dies auch dann gilt, wenn die Dienstleistung nicht im Rahmen einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation erbracht wird, hat das BAG (21.04.2005, EzA § 626 BGB 2002 Nr. 8, s. a. LAG Nürnberg 21.12.2011 - 4 Ta 180/11 - EzA-SD 4/2012 S. 9 Ls) allerdings offen gelassen. Denn es ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Parteien auch unabhängig von der tatsächlichen Vertragsdurchführung ein Arbeitsverhältnis vereinbaren können (BAG 09.03.2005, EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 3). Nicht entscheidend ist die gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung des Vertrages, die dem Geschäftsinhalt tatsächlich nicht entspricht (BAG 13.01.1983 EzA § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 26; zur Bedeutung von Statusvereinbarungen vgl. Stoffels NZA 2000, 690 ff.). Maßgeblich ist, ob das, was die Parteien vertraglich vereinbart haben, auch tatsächlich durchgeführt wurde. Bestehen zwischen Vertrag und Durchführung keine Differenzen, ist der aus dem Vertrag ermittelte Wille der Parteien maßgeblich. Bestehen Differenzen, ist der Wille primär anhand der tatsächlichen Vertragsdurchführung zu ermitteln. Ist dies nicht möglich, ist wieder auf den Willen abzustellen, der der Vertragsurkunde zu entnehmen ist. Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt. So ist es z.B. nicht möglich, in den Vertrag weitgehende Pflichten und Kontrollrechte aufzunehmen und später zu argumentieren, diese seien tatsächlich nicht ausgeübt worden. Denn Kontrollrechte sind Rechte, die auch dann bestehen, wenn sie tatsächlich längere Zeit nicht ausgeübt werden; dies genügt (vgl. BAG 12.09.1996, EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 58; Bauer/Baeck/Schuster Scheinselbständigkeit, Rz. 24 ff.).

111

Nach Maßgabe dieser Kriterien ist das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien mit dem Arbeitsgericht und der dort durchgeführten umfassenden Beweisaufnahme als Arbeitsverhältnis anzusehen. Das Arbeitsgericht ist insoweit zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger in einem für den selbständigen Status erforderlichen Maße keineswegs frei von Weisungen der Beklagten war; dies gilt insbesondere hinsichtlich der Gestaltung seiner Tätigkeit und führt nach der gebotenen Gesamtwürdigung im hier zu entscheidenden konkreten Lebenssachverhalt zum Ergebnis, dass das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist. Insoweit folgt die Kammer den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung (Seite 12 bis 15 = Bl. 165 bis 168 d. A.) und nimmt darauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

112

Etwas anderes folgt vorliegend auch nicht aus dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff (Art. 45 AEUV).

113

Das Eingreifkriterium für viele Bestimmungen der arbeitsrechtlichen EU-Richtlinien ist der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff. Dieser ist nicht nach innerstaatlichem Recht, sondern vielmehr nach objektiven Kriterien unionsrechtlich zu definieren, um eine einheitliche Rechtsanwendung innerhalb der EU zu gewährleisten. Der Arbeitnehmerbegriff wird als zentrale Vorschrift des Unionsrechts und zur Gewährleistung einer effektiven Rechtsanwendung weit ausgelegt (EuGH NZA 2010, 213; Oberthür NZA 2011, 254). So verlangt z. B. Art 10 der (Mutterschutz-)RL 92/85/EWG, dass die Mitgliedsaaten ein - in seinen Voraussetzungen und Ausnahmen näher beschriebenes - Kündigungsverbot für "schwangere Arbeitnehmerinnen" vorsehen. Der Begriff der Arbeitnehmerin im Sinne der Richtlinie entspricht insoweit dem allgemeinen unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff zur Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 Abs. 1 AEUV). Umfasst sind alle weisungsabhängig Beschäftigten, die eine Arbeitsleistung gegen Entgelt für eine bestimmte Zeit erbringen (EuGH 11.11.2010 NZA 2011, 143). Da es sich um einen autonomen europäischen Begriff handelt, spielt es keine Rolle, wie das nationale Recht eines Mitgliedstaats Arbeitnehmer von Selbständigen abgrenzt (EuGH 11.11.2010 NZA 2011, 143; s. Junker NZA 2011, 950 ff.; Oberthür NZA 2011, 254; Dörner/ Luczak/ Wildschütz, a. a. O., Kap. 1 Rz. 100 ff.).

114

Der Unterschied zum nationalen Arbeitnehmerbegriff zeigt sich insbesondere bei der Einordnung von Organmitgliedern, hier vor allem von Fremdgeschäftsführern. Die Eigenschaft einer Mitarbeiterin als Mitglied der Unternehmensleitung - Fremdgeschäftsführerin - einer Kapitalgesellschaft schließt, so der EuGH (11.11.2010 NZA 2011, 134), es nicht per se aus, dass sie in einem für das Arbeitsverhältnis typischen Unterordnungsverhältnis zur Gesellschaft steht. Für die Zwecke der RL 92/85/EWG ist die Arbeitnehmereigenschaft eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft zu bejahen, "wenn es seine Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und als Gegenleistung für die Tätigkeit ein Entgelt erhält". Selbst wenn sie über einen Ermessensspielraum bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben verfügt, muss sie gegenüber dem Aufsichtsrat Rechenschaft über ihre Geschäftsführung ablegen und mit diesem zusammenarbeiten, also einem Organ, das von ihr jedenfalls nicht kontrolliert wird und das jederzeit gegen ihren Willen entscheiden kann (EuGH 11.11.2010 NZA 2011, 143). Diese Formulierungen sind so weit, dass schwer zu erkennen ist, wie der Sachverhalt beschaffen sein muss, damit eine Geschäftsführerin nicht unter den Arbeitnehmerbegriff fällt; damit kann eine rein gesellschaftsrechtlich begründete Weisungsunterworfenheit den Arbeitnehmerstatus begründen (instr. Junker NZA 2011, 950 ff.; Rebhahn, EuZW 2012, 27).

115

Daraus wird gefolgert, dass der EuGH in allen EU-Vorschriften, in denen es z. B. um die Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Fremdgeschäftsführern geht, die unionsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft bejaht wird. Theoretisch ist es danach möglich, für EU-induziertes Recht und für rein deutsches Recht zu unterschiedlichen Ergebnissen zu kommen (s. Oberthür NZA 2011, 254). Auf die Dauer wird sich jedoch die Rechtsprechung des EuGH insgesamt auch für das deutsche Recht durchsetzen (so Wank EWiR Art. 10 Richtlinie 92/85/EWG 1/2011 S. 27 f.; s. a. Rebhahn EuZW 2012, 27 ff.; Fischer NJW 2011, 2329 ff.).

116

Selbst wenn die Entscheidung des EuGH (11.11.2010 a. a. O.) keine unmittelbaren Auswirkungen auf den innerstaatlichen Arbeitnehmerbegriff hat, liegt es jedenfalls nahe, davon auszugehen, der Fremdgeschäftsführer einer GmbH sei in richtlinienkonformer Auslegung als Arbeitnehmer i. S. v. § 6 Abs. 1 AGG zu behandeln (Meyer/Wilsing DB 2011, 341 ff.; ErfK/Schlachter § 6 AGG, Rz. 5). Das muss aber dann konsequenterweise auch für Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer gelten, die keinen bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben können, so dass sich die vollständige Anwendung des AGG auf Fremd- und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer unmittelbar aus § 6 Abs. 1 i.V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG ergibt (Stegat NZA-RR 2011, 617 ff.; s. a. Fischer NJW 2011, 2329 ff.).

117

Unabhängig davon, wie sich diese Diskussionslinie um den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff auf das nationale Arbeitsrecht auswirken wird, folgen daraus allenfalls Anhaltspunkte dafür, dass auch Organe juristischer Personen, eher als bisher angenommen, Arbeitnehmer im Sinne arbeitsrechtlicher Vorschriften sein können. Dies ist für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit aber nicht maßgeblich. Denn nach Maßgabe der §§ 84 ff. HGB liegt gerade eine nationale gesetzliche Regelung des - selbstständigen - Handelsvertreterverhältnisses vor, die maßgeblich zur Abgrenzung des in diesem Bereich tätigen - unselbstständigen - Arbeitnehmers Verwendung findet. Gründe dafür, die oben ausführlich dargestellten und angewendeten Einzelkriterien insoweit wegen des im Hinblick auf das europaweite Grundrecht der Freizügigkeit entwickelten unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff abweichend zu interpretieren, sind nicht ersichtlich.

118

Dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff lassen sich also keine Anhaltspunkte dafür nehmen, dass abweichend von der Bewertung nach dem nationalen Arbeitnehmerbegriff die Tätigkeit des Klägers nicht als die eines Arbeitnehmers zu qualifizieren wäre.

119

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass nicht nur ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits, sondern - wie im Einzelnen auch immer ausgestaltet - zusätzlich zwischen dem Kläger und dem Komplementär der Beklagten bestanden habe könnte, bestehen nicht. Zwar ist - schon nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit - auch ein Arbeitsverhältnis zwischen einem Arbeitnehmer und mehreren Arbeitgebern rechtlich möglich. Insoweit bot das tatsächliche Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen Anhaltspunkte dafür, dass als Arbeitgeber sowohl die Beklagte, als auch deren Gesellschafter R.K. persönlich, genauso gut aber auch beide in Form eines sogenannten gespalteten Arbeitsverhältnisses als Arbeitgeber in Betracht gekommen wären. Steht aber ein Arbeitnehmer in arbeitsrechtlichen Beziehungen zu mehreren natürlichen oder juristischen Personen, kann auch statt mehrerer getrennter Arbeitsverhältnisse ein einheitliches Arbeitsverhältnis gegeben sein. Erforderlich ist ein rechtlicher Zusammenhang, der es verbietet, die Beziehung rechtlich getrennt zu behandeln. Nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB ist dann zu prüfen, ob nach den Vorstellung der Vertragsschließenden die einzelnen Vereinbarungen nur gemeinsam und zusammen durchgeführt werden, d. h. Teile eines einzigen Gesamtgeschäfts sein sollen (BAG 19.04.2012 NZA 2013, 27).

120

Die Kammer hat beide Parteien im laufenden Berufungsverfahren auf diese Umstände hingewiesen; konkrete, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die eine andere Beurteilung als die durch das Arbeitsgericht vorgenommene hätten rechtfertigen können, nämlich die, dass lediglich ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits bestand, haben beide Parteien nicht vorgetragen. Ihr Vorbringen erschöpft sich in Ausführungen zur Rechtslage sowie in unsubstantiierten allgemeinen Tatsachenbehauptungen, die jeweils einem substantiierten Erwidern durch die Gegenseite nicht zugänglich sind.

121

Folglich hat die Kündigung der Beklagten vom 15.11.2011 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis, auf dass das KSchG unstreitig keine Anwendung findet, zum 30.06.2012 beendet.

122

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts kann sich der Kläger darauf, dass die zum 15.12.2011 erklärte Kündigung die gesetzliche Kündigungsfrist nicht eingehalten hat, vorliegend berufen, obwohl er die gesetzliche Klagefrist (§§ 4, 7, 13 KSchG) insoweit nicht eingehalten hat.

123

Denn die Klagefrist gem. § 4 KSchG musste vorliegend nicht eingehalten werden.

124

Für die Nichtanwendung des § 4 KSchG bei einem Streit über die Länge der einzuhaltenden Kündigungsfrist (BAG 15.12.2005 EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 72 m. Anm. Kamanabrou SAE 2007, 141 ff.; 09.02.2006 EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 73; 06.07.2006 EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 75; LAG Rhpf 21.04.2005 NZA-RR 2005, 583; LAG Hamm 23.06.2005 LAGE § 4 KSchG n. F. Nr. 52; 23.05.2005 NZA-RR 2005, 580; a. A. LAG RhPf 18.02.2005 ZTR 2005, 382 LS) spricht, dass die Kündigung durch die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist eben gerade nicht unwirksam wird, sondern der Auslegung zugänglich ist. Denn die unzutreffende Berechnung der Kündigungsfrist betrifft lediglich den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung. Der Arbeitnehmer, der lediglich die Einhaltung der Kündigungsfrist verlangt, will nicht die Sozialwidrigkeit oder die Unwirksamkeit der Kündigung als solche festgestellt wissen. Er geht im Gegenteil von der Wirksamkeit der Kündigung aus. Er will geltend machen, sie wirke, allerdings zu einem anderen Zeitpunkt als es nach Auffassung des Arbeitgebers der Fall ist (BAG 15.12.2005 EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 72). Der Arbeitnehmer greift insoweit die Wirksamkeit der Kündigung nicht an; sein Klageziel ist dann nicht i. S. v. § 4 S. 1 KSchG auf die Feststellung gerichtet, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst ist. Der Arbeitnehmer kann dann die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist in den Grenzen der Verwirkung (§ 242 BGB) auch außerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 S. 1 KSchG geltend machen, sofern sich - ggfs. im Wege der Auslegung - aus dem Kündigungsschreiben ergibt, dass der Arbeitgeber die objektiv einzuhaltende Kündigungsfrist wahren wollte (BAG 15.12.2005 EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 72; 09.09.2010 EzA § 622 BGB 2002 Nr. 8 = NZA 2011, 343; s. Eisemann NZA 2011, 601 ff.).

125

Insoweit ist also Folgendes zu beachten: Eine ordentliche Kündigung ist in aller Regel dahin auszulegen, dass sie das Arbeitsverhältnis zum zutreffenden Termin beenden soll (BAG 15.12.2005 EzA § 4 KSchG n. f. Nr. 72) Das gilt auch dann, wenn sie ihrem Wortlaut nach zu einem früheren Termin gelten soll. Nur dann, wenn sich aus der Kündigung und den im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalles ein Wille des Arbeitgebers ergibt, die Kündigung nur - und ausschließlich - zum erklärten Zeitpunkt gegen sich gelten zu lassen, und für den Fall, dass dieser Termin nicht der richtige ist, scheidet eine Auslegung aus. Der Kündigungstermin ist dann ausnahmsweise integraler Bestandteil der Willenserklärung und muss innerhalb der Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG angegriffen werden (BAG 15.12.2005 EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 72; 06.07.2006 EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 75; 09.09.2010 EzA § 622 BGB 2002 Nr. 8 = NZA 2011, 343). Dann scheidet aber auch eine Umdeutung aus, da ein derart klar artikulierter Wille des Arbeitgebers nicht den Schluss auf einen mutmaßlichen Willen, wie ihn § 140 BGB erfordert, zulässt (BAG 15.12.2005 EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 72; 09.09.2010 EzA § 622 BGB 2002 Nr. 8 = NZA 2011, 343).

126

Das ist aber nur dann der Fall, wenn sich durch die Auslegung der Kündigung ergibt, dass der Arbeitgeber die Kündigung ausschließlich zu dem in ihr genannten Termin gelten lassen und für den Fall, dass dieser Termin nicht der richtige ist, am Arbeitsverhältnis festhalten will (BAG 06.07.2006 EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 75 = NZA 2006, 1405).

127

In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass ausweislich des Kündigungsschreibens vom 15.11.2011 eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist erklärt worden ist. Zwar fehlt in dem Kündigungsschreiben die Bezeichnung der Kündigung als "ordentlich"; die Frist ist unzutreffend berechnet und schließlich enthält das Kündigungsschreiben auch nicht den Zusatz "vorsorglich zum nächst zulässigen Zeitpunkt". Andererseits handelt es sich ersichtlich um eine betriebsbedingte Kündigung, die schon im Hinblick auf das typische Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers als ordentliche Kündigung erklärt wird und auch grundsätzlich nur erklärt werden kann. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das Beendigungsdatum 15.12.2011 von der Beklagten als integraler Bestandteil der Erklärung verstanden wurde, mit der Maßgabe, dass für den Fall der Unwirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu diesem Datum der arbeitgeberseitige Wille erkennbar bestand, dass Arbeitsverhältnis dann fortzusetzen, bestehen nicht. Deshalb verbleibt es beim Normalfall der Auslegung zum nächst zulässigen Zeitpunkt, das ist vorliegend der 30.06.2012. Einer Umdeutung der Kündigungserklärung bedarf es insoweit nicht.

128

Das mit den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist auch nicht vorzeitig aufgrund einer wirksamen fristlosen Kündigung vor Fristablauf beendet worden. Denn insoweit sind die Voraussetzungen des § 626 BGB nicht gegeben; es fehlt am Vorliegen eines wichtigen Grundes (§ 626 Abs. 1 BGB).

129

Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS). Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind (Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 4. Auflage 2012 (APS-Dörner/Vossen), § 626 BGB Rz. 42 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht (DLW-Dörner), 10. Auflage 2012, Kap. 4. Rdnr. 1104 ff.).

130

Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen. Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde. Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch eine Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden. Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen gilt nichts anderes (BAG 15.12.1955 NJW 1956, 807; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 3.7.2003 EzA § 626 BGB 202 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12, 484; 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).

131

Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbes. nicht auf die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers abzustellen; vielmehr ist ein objektiver Maßstab („verständiger Arbeitgeber“) entscheidend, also ob der Arbeitgeber aus der Sicht eines objektiven Betrachters weiterhin hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer haben müsste, nicht aber, ob er es tatsächlich hat (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32). Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an, die vergangene Pflichtverletzung muss sich noch in Zukunft belastend auswirken (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 25; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68; LAG BW 25.3.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297). Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein.

132

Das kann dann der Fall sein, wenn auch zukünftige Vertragsverstöße zu besorgen sind, d. h. wenn davon ausgegangen werden muss, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen oder sonst von einer fortwirkenden Belastung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden muss (LAG BW 25.3.2009 § 626 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297).

133

Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig (vgl. z. B. BAG 24.3.2011 2 AZR 282/10 EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 09.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35).

134

Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.

135

Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der - in der Regel - vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner/Vossen, § 626 BGB a. a. O.; DLW-Dörner a. a. O.). In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 24.3.2011 - 2 AZR 282/10- EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 27.09.2012 -2 AZR 646/11 - EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS).

136

Entscheidend ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung bzw. bis zum Ende der vereinbarten Befristung (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 - 2 AZR 646/11 - EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS; LAG Bl. 5.1.2005 - 17 Sa 1308/04 - EzA-SD 8/05, Seite 12 LS; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O.; APS/Dörner/Vossen).

137

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegen seiner erheblichen Pflichtverletzung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung des Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen - einstweiligen - Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013, Seite 6 LS).

138

Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist die außerordentliche Kündigung „Ultima Ratio“, so dass sie dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, weil dann die ordentliche Kündigung ein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung darstellt (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS; krit. Stückmann/Kohlepp RdA 2000, 331 ff.).

139

Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung ist grds. (ebenso wie bei der ordentlichen Kündigung) der Zeitpunkt des Ausspruchs bzw. Zugangs der Kündigung. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32 = NZA 2010, 1227; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 15.12.1955 BAGE 2, 245).

140

Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10.6.2010; a. a. O.; 28.10.1971 a. a. O . Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10.6.2010 a. a. O; 15.12.1955 a. a. O.). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (BAG 15.12.1955 a. a. O). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (BAG 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 202 Nr. 4 a. a. O.; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12; 3.7.2003 EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2) gilt nichts anderes.

141

Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). "Absolute Kündigungsgründe", die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG 15.11.1984 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 95; 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40 = NZA 2013, 27).

142

Gemessen an diesen Voraussetzungen liegt zunächst keine wirksame fristlose Kündigung am 06.03.2012 vor. Zwar kann die Drohung mit einer Anzeige bei den (Straf-)Behörden durchaus grundsätzlich ein an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand sein. Vorliegend ist aber zu berücksichtigen, dass beide Parteien in Kenntnis der tatsächlichen Umstände, insbesondere der fehlenden Arbeitserlaubnis, über lange Jahre hinweg ein Arbeitsverhältnis vollzogen haben und der Status des Klägers sowohl im Hinblick auf die Beendigung, als auch auf rentenversicherungsrechtlicher Fragen vollkommen ungeklärt war. Vor diesem Hintergrund ist das Verhalten des Klägers, die Darstellung der Beklagten als zutreffend unterstellt, zwar zu beanstanden, wiegt aber nicht so schwer, deshalb das Arbeitsverhältnis fristlos beendigen zu können. Hinzukommt, dass das KSchG keine Anwendung findet, so dass, wie dargelegt, es ohnehin am 30.06.2012, also nur wenige Wochen später, sein Ende gefunden hat.

143

Das gilt erst Recht für die Kündigung der Beklagten vom 04.05.2012, bei der der Zeitraum bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist noch wesentlich kürzer ist; insoweit kommt hinzu, dass keineswegs feststeht, dass der Kläger tatsächlich - und von ihm selbst persönlich zu verantworten - unwahren Tatsachenvortrag gehalten hat, um in eine günstigere Prozesssituation zu kommen.

144

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus etwaigen Kündigungserklärungen des Komplementärs der Beklagten in eigener Person. Zum einen ist der Komplementär der Beklagten zu keinem Zeitpunkt Prozesspartei geworden. Zum anderen besteht nach Auffassung der Kammer zwischen dem Kläger und dem Komplementär der Beklagten kein (weiteres) Arbeitsverhältnis, das einer Kündigung zugänglich wäre. Anhaltspunkte dafür, dass der Komplementär der Beklagten tatsächlich auch nur den Willen gehabt haben könnte, ein zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits bestehendes Arbeitsverhältnis zu kündigen, sind nach dem Vorbringen beider Parteien in beiden Rechtszügen nicht ersichtlich.

145

Damit ist von einer Beendigung zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2012 auszugehen.

146

Die Verurteilung der Beklagten, dem Kläger eine ordnungsgemäße Arbeitsbescheinigung gem. § 312 SGB III auf der Grundlage eines Vollzeitarbeitverhältnisses auf Basis einer monatlichen Nettovergütung von 900,00 € ab 2001, davor 900,00 DM, beginnend mit dem 01.03.1993 zu erteilen, ist zu Recht erfolgt.

147

Zwar wendet der Kläger dagegen ein, er habe vor 2001 eine wesentlich höhere Nettovergütung erhalten, die dem umgerechneten DM-Betrag ausgehend von 900,00 € entspräche. Konkrete Tatsachen dafür hat der Kläger aber in beiden Rechtszügen nicht vorgetragen. Es fehlt an jeglichem nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierten Sachvortrag, der dieses Ergebnis zuließe. Dabei ist Folgendes zu berücksichtigen: Beide Parteien sind an den hier maßgeblichen Geschehnissen selbst unmittelbar und persönlich beteiligt gewesen, also insbesondere an der Durchführung des Arbeitsverhältnisses sowohl im Hinblick auf die tatsächliche Arbeitsleistung, als auch die in Bar erfolgte Bezahlung. Von daher wird nichts Unmögliches verlangt, wenn der Kläger im Rahmen seiner Darlegungslast im Einzelnen hätte vortragen müssen, wie sich die Entlohnung hinsichtlich der Höhe im streitgegenständlichen Zeitraum gestaltet hat. Daran fehlt es vollständig. Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren beschränkt sich im Wesentlichen auf die Erläuterungen seines tatsächlichen Vorbringens im erstinstanzlichen Rechtszug, enthält aber keinen neuen substantiierten Tatsachenvortrag oder Rechtsbehauptungen, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnten.

148

Da das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien entgegen der Auffassung der Beklagten als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist, kommt auch entgegen der Auffassung der Beklagten insoweit eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung nicht in Betracht.

149

Eine weitergehende Verurteilung der Beklagten über Ziffer 2 des Urteilstenors des Arbeitsgerichts vom 19.06.2012 - 6 Ca 141/12 - kam im Hinblick auf die zahlreich gestellten Hilfsanträge nicht in Betracht, obwohl der Beendigungszeitpunkt teilweise entsprechend dem Klagebegehren mit dem 30.06.2012 bestimmt wurde, also abweichend von der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung. Denn die weitergehenden Klage-Hilfs-Anträge sind nicht zur Entscheidung angefallen. Sie waren ausdrücklich nur für den Fall, des Klagestattgebens gestellt; dieser Fall ist aber schon deshalb nicht eingetreten, weil der Berufung nur teilweise stattgegeben wurde. Da die Hilfsanträge zudem ausdrücklich mit dem Wunsch nach Kostenminimierung gestellt wurden, hat die Kammer das Klagebegehren dahin ausgelegt, dass eine inhaltliche Entscheidung darüber nicht zu erfolgen hat.

150

Nach alledem war die angefochtene Entscheidung auf die Berufung des Klägers teilweise aufzuheben, im Übrigen waren die weitergehende Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

151

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92, 97 ZPO.

152

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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