Urteil vom Landgericht Bochum - I-1 S 4/15
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor jeder Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Parteien stritten ursprünglich über die Berechtigung eines „Disagios“ i.H.v. 4%. In der Berufung streiten sie nur noch um die dem Kläger erstinstanzlich zugesprochenen 2%.
4Am 11.5.2006 schlossen die Beklagte und der Kläger und seine Ehefrau den als Anlage B1 vorgelegten Darlehensvertrag über 31.250,00 EUR aus Mitteln der KfW mit der Nummer ###. Als Zinssatz wurden 2,75 % p.a. vereinbart.
5Ziffer 2.2. des Vertrages lautete:
6„Es wird ein Disagio (Abzug vom Nennbetrag des Kredits) von 4,00 v.H. erhoben. Dieses umfasst eine Risikoprämie von 2,00 v.H. für das Recht zur außerplanmäßigen Tilgung des Kredits während des Zinsbindungszeitraums. Das Disagio kann grundsätzlich bei der Auszahlung des Kredits verrechnet werden. Die Risikoprämie wird bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens nicht - auch nicht teilweise - erstattet. Das gleiche gilt für den gesamten Disagiobetrag, wenn dessen Rückzahlung gemäß den Bestimmungen des Förderinstituts nicht vorgesehen ist.“
7In den Allgemeinen Bestimmungen für Investitionskredite der KfW heißt es:
8„4. Berechnung von Kosten und Auslagen
9Die Kreditbearbeitungs- und Verwaltungskosten des unmittelbaren refinanzierten Kreditinstituts sowie der Hausbank sind mit dem Zinssatz abgegolten, dazu zählen auch Kosten im Zusammenhang mit einem Endkreditnehmer- oder Bankenwechsel. Die Hausbank ist berechtigt, dem Endkreditnehmer folgende Kosten gesondert zu berechnen, sofern sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Kreditgewährung stehen, konkret nachweisbar sind und dem Endkreditnehmer gegenüber spezifiziert werden: Reisekosten anlässlich von Betriebsbesichtigungen und Firmenbesuchen vor Kreditgewährung sowie Kosten anlässlich der Anfertigung von Schätzgutachten und der Überwachung von Sicherungsübereignungen, Kosten für Fotokopien, Portokosten und Auslagen, die die Hausbank für Rechnung des Endkreditnehmers macht. Sofern nicht von der L festgelegt, dürfen Verzichtsgebühren, Vorfälligkeitsentschädigungen oder ähnliche Kosten für diesen Kredit nicht berechnet werden.
105. vorzeitige Rückzahlung
11Sofern nicht anders geregelt, können Kredite mit einer Auszahlung von 100 % nur gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung und Kredite mit einer Auszahlung von weniger als 100 % während der ersten Zinsbindungsfrist jederzeit unter Einhaltung einer Ankündigungsfrist von 20 Bankarbeitstagen ganz oder teilweise vorzeitig an die Hausbank zurückgezahlt werden. Gesetzliche Kündigungsrechte bleiben davon unberührt. Soweit ein Abzug vom Nennbetrag des Kredits bei der Auszahlung erfolgt, dient dieser – gemäß dem Kreditvertrag – der Abdeckung des Aufwands der Hausbank bei der Beschaffung des Kredites. Der Aufwand ergibt sich aus einem entsprechenden Abzug bei der Auszahlung des Refinanzierungskredites durch die L, der zur Abdeckung des Aufwandes der L bei der Kreditbearbeitung und Geldbeschaffung sowie der Abgeltung des dem Kreditnehmer und der Hausbank eingeräumten Rechts zur außerplanmäßigen Tilgung des Kredits (Risikoprämie) dient. Die Abzugsbeträge beinhalten laufzeitunabhängige Gebühren und werden bei vorzeitiger Tilgung des Kredites nicht erstattet.“
12Das „Disagio“ verblieb wirtschaftlich bei der L.
13Auf dem Kontoauszug des Klägers vom 6.1.2007 wird der Abzug i.H.v. 1.250 EUR als Bearbeitungsgebühr bezeichnet.
14Mit Schreiben vom 29.5.2014 (Bl. 7 d. A.) forderte der Kläger persönlich die Beklagte zur Rückerstattung der Bearbeitungsgebühr i.H.v. 1.250 EUR auf. Mit Schreiben vom 25.7.2014 wies die Beklagte diesen Anspruch zurück.
15Die Ehefrau des Klägers trat diesem ihre Ansprüche ab.
16Der Kläger ist der Ansicht gewesen, dass es sich um eine unzulässige Bearbeitungsgebühr handelte.
17Er hat beantragt,
18die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.250 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6.1.2007 zu zahlen,
19die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche nicht erstattungsfähige Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 201,71 EUR zu zahlen.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, dass die Rechtsprechung des BGH nicht auf Kreditgewährung aus öffentlichen Förderprogrammen übertragbar sei. „Disagio“ und Risikoprämie seien bei der L verblieben. Die Vereinbarung eines Disagios sei generell zulässig.
23Im Übrigen hat sie sich auf Entreicherung und die Einrede der Verjährung berufen.
24Wegen des weiteren Tatsachenvortrags einschließlich der genauen Fassung der erstinstanzlich gestellten Sachanträge nimmt die Kammer Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.
25Das Amtsgericht Recklinghausen hat der Klage mit Urteil vom 16.4.2015, Az. 55 C2 151/14, in Höhe von 625 EUR nebst Verzugszinsen seit dem 25.11.2014 stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen.
26Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich bei dem Abzug von 2%, der nicht auf die Risikoprämie entfällt, um eine unwirksame Bearbeitungsgebühr handele. Vertragspartner des Klägers sei die Beklagte, auf eine Weiterleitung an die L komme es daher nicht an. Die Verjährungsfrist habe erst Ende 2011 begonnen, sodass keine Verjährung eingetreten sei.
27Die Beklagte verfolgt mit der Berufung die vollständige Klageabweisung. Sie nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.
28Die Beklagte behauptet, sie übernehme bei Gewährung von L-Darlehen erhebliche Beratungs- und Kommunikationsdienstleistungen. Sie habe kein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Gewährung des Darlehens. Das vergütete Tätigwerden der Beklagten und der L erfolge alleine im Interesse des Klägers, der sonst nicht an vergünstigte Konditionen gelangen könnte.
29Sie meint, dass ein Über-/Unterordnungsverhältnis im öffentlich-rechtlichen Sinne vorliege, sie also keine Gestaltungsmacht habe, deren Nachteile durch eine Inhaltskontrolle begrenzt werden könnten.
30Des Weiteren handle es sich um eine echte Preishauptabrede, die der Inhaltskontrolle nicht unterworfen sei. In jedem Fall liege eine vergütungsfähige Sonderleistung vor. Darüber hinaus sei ein Disagio im Zweifel ein zinsähnliches Entgelt und nach der Rechtsprechung des BGH zulässig. Es liege jedenfalls aber keine unangemessene Benachteiligung vor.
31Die Beklagte beantragt,
32das Urteil 55 C 251/14 des Amtsgerichts Recklinghausen vom 16.4.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
33Der Kläger beantragt,
34die Berufung zurückzuweisen.
35Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
36II.
37Die rechtzeitig eingelegte Berufung ist unbegründet.
38Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung von 625 EUR aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB.
39Die Beklagte hat etwas i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1, Var. 1 BGB erlangt, indem sie durch Verrechnung ihres Anspruchs auf Zahlung des “Disagios“ mit dem Anspruch des Klägers auf Auszahlung des Darlehens von ihrer Pflicht zur Darlehensleistung teilweise in Höhe des „Disagios“ befreit worden ist (vgl. BGH, 28.10.2014 - XI ZR 17/14, juris Rn. 19). „Etwas“ i.S.d. Gesetzes ist jede werthaltige Vermögensposition. Dem steht nicht entgegen, dass das „Disagio“ durch die nur 96%-ige Refinanzierung wirtschaftlich im Ergebnis bei der L verblieben ist. Im für die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung entscheidenden Verhältnis zum Kläger hat die Beklagte eine werthaltige Vermögensposition in Form der Befreiung von der Auszahlungspflicht erlangt.
40Diese Befreiung hat die Beklagte auch durch Leistung des Klägers erlangt. Leistung ist die bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Der Kläger gab sich mit dem Einbehalt von 2% aufgrund des Erfüllungsanspruchs der Beklagten aus dem Darlehensvertrag zufrieden. Er war allerdings seinerseits zur Rückführung der gesamten Darlehenssumme verpflichtet.
41Die Leistung des „Disagios“ erfolgte ohne Rechtsgrund. Die Beklagte hatte keinen Anspruch auf das von ihr einbehaltene „Disagio“. Der Anspruch folgt nicht aus Ziff. 2.2 des Darlehensvertrags.
42Diese Vereinbarung ist gem. § 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 BGB unwirksam, soweit sie sich auf den nicht auf die Risikoprämie entfallenden Teil des „Disagios“ bezieht.
43Es liegt eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 1, 2 BGB durch die Aufnahme der Klausel in den Darlehensvertrag vor. Eine Bestimmung ist allgemeine Geschäftsbedingung, wenn es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung handelt, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Vertragsabschluss stellt. Vorformuliert sind Vertragsbedingungen, wenn sie für eine mehrfache Verwendung schriftlich aufgezeichnet oder in sonstiger Weise fixiert sind. Unabhängig von einer Fixierung von Entgelten in einer Preisliste ist eine Bearbeitungsentgeltklausel in einem Darlehensvertrag auch dann vorformuliert, wenn der Klauselverwender beim Abschluss von Darlehensverträgen regelmäßig ein Bearbeitungsentgelt in Höhe festgelegter Prozentsätze verlangt (vgl. BGH, 13.5.2014 – XI ZR 117/13). Die Beklagte trägt selbst vor, dass dieser Abzug bei L-finanzierten Krediten regelmäßig vorgenommen wird.
44Die Vertragsbedingung war auch von der Beklagten gestellt. Vertragsbedingungen sind von einer Vertragspartei gestellt, wenn sie deren Vertragsgestaltungsmacht zuzurechnen sind (vgl. Basedow in Münchener Kommentar BGB, 6. Aufl. 2012, § 305 Rn. 20). Bei Verbraucherverträgen wird gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB widerleglich vermutet, dass eine Vertragsbedingung gestellt ist, wenn sie nicht durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurde (vgl. auch BGH, 13.05.2014 - XI ZR 170/13). Diese Vermutung wird auch nicht entkräftet, wenn der Beklagten ihrerseits von der L die Einbeziehung einer solchen Klausel vorgegeben worden sein sollte. Maßgeblich ist, dass die Vertragsbedingung von der Beklagten in die Verhandlung eingeführt wurde.
45Die §§ 307 ff. BGB sind gem. § 310 Abs. 1 BGB auch anwendbar. Bei der Klägerin handelt es sich um eine Verbraucherin i.S.d. § 13 BGB, bei der Beklagten um eine Unternehmerin i.S.d. § 14 Abs. 1 BGB. Bei dem vorliegenden Darlehen handelt es sich um ein Verbraucherdarlehen i.S.d. § 491 Abs. 1 BGB in der Fassung vom 1.8.2002. Die Ausnahme des § 491 Abs. 2 Nr. 3 BGB a.F. greift nicht, da der Vertrag nicht unmittelbar mit der L geschlossen wurde.
46Die Abgrenzung zwischen einer Preisabrede und einem Entgelt für eine gesonderte Leistung ist durch Auslegung i.S.d. §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der Interessen der beteiligten Verkehrskreise zu ermitteln (vgl. BGH, 13.05.2015 - XI ZR 170/13). Diese hat sich, ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden, nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel einheitlich danach zu richten, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden wird. Zweifel bei der Auslegung gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Außer Betracht bleiben dabei nur solche Auslegungsmöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und daher nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sind (BGH, 7.6.2011 - XI ZR 388/10, BGHZ 190, 66 Rn. 21 und BGH, 13.11.2012 - XI ZR 500/11, BGHZ 195, 298 Rn. 15 f., jeweils m.w.N.). Im Vertrag wird die Gebühr als „Disagio“ (Abzug vom Kreditnennbetrag) bezeichnet. Auf den Kontoauszügen des Klägers erfolgt die Bezeichnung als Bearbeitungsgebühr.
47Bei der Vereinbarung des „Disagios“ i.H.v. 2 % handelt es sich im Ergebnis um ein Bearbeitungsentgelt. Schon die Bezeichnung als Bearbeitungsentgelt auf dem Kontoauszug des Klägers deutet aus Sicht eines durchschnittlichen, rechtlich nicht gebildeten, verständigen Kunden darauf hin, dass die Beklagte ein zusätzliches Entgelt für den Bearbeitungsaufwand im Zusammenhang mit der Kreditgewährung verlangt. Die Beklagte trägt selbst vor, dass mit dem „Disagio“ die Kosten des Bearbeitungsaufwands der L gedeckt werden sollen. Dass das „Disagio“ in herkömmlicher Weise zur Reduzierung des Nominalzinses und damit als Preishauptabrede vereinbart wurde, ist weder vorgetragen noch aus den Vertragsunterlagen ersichtlich.
48Auch eine gesondert vergütungspflichtige Leistung liegt nicht vor. Die Beratung und Ermittlung der Finanzierung gehört zu den Hauptleistungen einer Bank im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung. Die Annahme einer gesondert vergütungspflichtigen Beratungsleistung setzt eine Beratungstätigkeit voraus, die über bloße Akquise- und Vorbereitungstätigkeiten im Rahmen der Antragsbearbeitung hinausgeht (vgl. BGH, 13.5.2014 - XI ZR 170/13). Eine solche besondere Beratungsleistung durch den Empfänger der Gebühr lässt sich aber nicht erkennen. Denn der von der Beklagten vorgetragene erhöhte Beratungs- und Berichtsaufwand ist bei der Beklagten selbst und nicht bei der L angefallen. Der Aufwand der Beklagten wird allerdings nach ihrem eigenen Vortrag durch eine Marge aus den laufenden Zinsen gedeckt, die laufzeitunabhängige Bearbeitungsgebühr verbleibt wirtschaftlich gerade nicht bei ihr. Die Gebühr finanziert nach dem Vortrag der Beklagten den Aufwand der Überwachung der Fördervoraussetzungen bei der L. Eine gesonderte Beratung durch die L erfolgt gerade nicht. Darüber hinaus handelt es sich bei der Prüfung und Überwachung der Fördervoraussetzungen um ureigenste Aufgaben der L im Rahmen ihrer gesetzliche Aufgaben.
49Bei der streitgegenständlichen Klausel handelt es sich daher um eine Preisnebenabrede, die einer Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 1 BGB unterworfen ist (vgl. BGH, 21.04.2009 – XI ZR 78/08; BGH, 7.12.2010 – XI ZR 3/10; BGH, 13.09.2012 – XI ZR 500/11). Die Rechtsprechung des BGH zu Bearbeitungsgebühren ist grundsätzlich auch auf sogenannte L-Darlehen anwendbar. Wenn die L sich privatrechtlicher Verträge unter Einschaltung privatrechtlicher Kreditinstitute bedient, muss sie sich an den entsprechenden Maßstäben messen lassen. Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis liegt nach der konkreten Ausgestaltung gerade nicht vor.
50Die Klausel ist unwirksam, sie hält einer Inhaltskontrolle nicht stand. Die Vereinbarung der Gebühr ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar. Eine Regelung ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH mit wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung unvereinbar, wenn der Aufwand für Tätigkeiten auf den Kunden abgewälzt wird, zu denen der Verwender gesetzlich oder nebenvertraglich verpflichtet ist oder die er überwiegend im eigenen Interesse erbringt. Denn es gehört zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts, dass jeder Rechtsunterworfene solche Tätigkeiten zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. Ein Anspruch hierauf besteht nur, wenn dies im Gesetz ausnahmsweise besonders vorgesehen ist. Ist dies nicht der Fall, können anfallende Kosten nicht gesondert in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf den Kunden abgewälzt werden. Derartige Entgeltklauseln stellen eine Abweichung von Rechtsvorschriften dar und sind deshalb grundsätzlich nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (vgl. BGH, 18.05.1999 - XI ZR 219/98; BGH, 21.04.2009 - XI ZR78/08). Gesetzliche Grundlagen für die Erhebung einer Bearbeitungsgebühr sind nicht ersichtlich, sie ergeben sich insbesondere nicht aus §§ 491 ff. BGB (vgl. BGH, 13.5.2014 – XI ZR 170/13).
51Nach dem demnach maßgeblichen gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 S. 2 BGB ist das Entgelt für die Kapitalnutzung laufzeitabhängig ausgestaltet. Nach dem dem § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zugrundeliegenden Gedanken, dass das dispositive Recht für jeden Vertragstyp einen gerechten Ausgleich der Interessen der Parteien enthält, sind die maßgeblichen Vorschriften der Disposition des Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen entzogen, wenn die gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern eine Ausprägung dieses Gerechtigkeitsgebots darstellt (vgl. BGH, 25.6.1991 – XI ZR 257/90). § 488 BGB stellt eine solche Ausprägung schon nach seiner gesetzlichen Überschrift und seinem Verständnis als Basisnorm des Darlehensrechts dar. Auch aus dem Wesen des Darlehens als Gebrauchsüberlassungsvertrag auf Zeit folgt, dass ein angemessenes Entgelt von der Laufzeit des Vertrages abhängig ist (vgl. BGH, 13.5.2014 – XI ZR 170/13, juris, Rn. 75). Die laufzeitunabhängige Ausgestaltung des „Disagios“ ergibt sich aus Ziff. 5 Abs. 1 a. E der Investitionsbedingungen.
52Die Abweichung von dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung indiziert gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB bereits die unangemessene Benachteiligung des Kunden. Die Beklagte kann sich nicht erfolgreich auf Gründe berufen, die die Klausel bei der gebotenen umfassenden Interessenabwägung gleichwohl als angemessen erscheinen lassen.
53Die Beklagte ist der Ansicht, dass aufgrund der Tatsache, dass gleichwertige Interessen der Beklagten vorliegen, keine unangemessene Benachteiligung vorliege. Die Beklagte beruft sich darauf, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Kredit um ein Förderdarlehen handelt, bei welchem der Zinssatz unter dem Marktniveau liege und mit dem durch die L keine Gewinnerzielungsinteressen verfolgt würden. Der zusätzliche Bearbeitungsaufwand bei L-Förderkrediten sei im Interesse der Kredit- und Förderungsnehmer zum Erhalt der günstigen Konditionen.
54Es bestehen bereits Zweifel, ob das Förderdarlehen in der vorgesehen Form für den Kreditnehmer besonders günstig ist. Zwar ist der Nominalzins bei L-Darlehen in der Regel geringer als der gewöhnlicher Annuitätendarlehen. Bei letzteren werden aber bereits seit Jahren, soweit sie als Immobiliardarlehen gewährt werden, in der Regel keine Bearbeitungsgebühren verlangt. Der – eher geringe – Vorteil beim Nominalzins würde daher bei Zulässigkeit einer Bearbeitungsgebühr auf L-Darlehen in Höhe von 2% des Kreditbetrages teilweise aufgezehrt werden. Gleichzeitig ist die Gewährung an Auflagen gebunden, was grundsätzlich für den Kreditnehmer als Nachteil zu werten ist.
55Jedenfalls wird mit der laufzeitunabhängig ausgestalteten Bearbeitungsgebühr nach dem eigenen Vortrag der Beklagten auch nicht der nur bei ihr in besonderem Maße anfallende Bearbeitungsaufwand abgegolten, sondern die Gebühr wird im Wege der eingeschränkten Refinanzierung an die L weitergegeben. Diese hat ihren besonderen Aufwand im Wesentlichen auf die Beklagte als zwischengeschaltetes Kreditinstitut abgewälzt. Bei der verbleibenden Überwachung von Kreditbedingungen handelt es sich um solche, die Kernaufgabe jeder Bank in ihrem eigenem Interesse sind.
56Die Beklagte kann sich nicht gem. § 818 Abs. 3 BGB auf Entreicherung berufen. Sie trägt vor, dass das Bearbeitungsentgelt in der Weise an die L geflossen sei, dass diese es bei der Refinanzierung von dem der Beklagten zustehenden Betrag abgezogen habe. Eine Entreicherung scheidet aber aus, wenn dem Bereicherungsschuldner ein Ersatzanspruch gegen Dritte zusteht, wie dies im Verhältnis der Beklagten zur L der Fall sein dürfte.
57Der Zinsanspruch der Kläger folgt aus § 818 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Dabei spricht eine Vermutung dafür, dass die Beklagte als Bank Nutzungen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz erwirtschaftet (vgl. BGH XI ZR 79/97).
58Wegen § 528 ZPO verbleibt es aber bei dem Zinsausspruch des amtsgerichtlichen Urteils, dieser ist auch aus Verzug gem. § 286 BGB gerechtfertigt.
59Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO.
60Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
61Die Revision war nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen.
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