Beschluss vom Landgericht Essen - 15 S 88/15
Tenor
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 04.05.2015 verkündetet Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen – 202 C 537/14 – gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
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I.
2Die Berufungskammer ist nach vorläufiger Beratung einstimmig der Überzeugung, dass die gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthafte und gemäß §§ 511 Abs. 2, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung der Beklagten in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigt die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
3Die Klage des Klägers ist zulässig und begründet. Ihm steht ein Anspruch auf Zahlung des mit den Rechnungen Nr. … und … berechneten Honorars i.H.v. insgesamt 4.321,85 € gem. § 611 I, 675 BGB i.V.m. einem Steuerberatervertrag gegen die Beklagte zu.
4Auf die oben genannten Rechnungen findet gem. § 47a StBVV die vor der Änderung der Verordnung maßgeblichen Vorschriften der StBGebV Anwendung, da der Auftrag für die Erledigung der Buchführung für die Jahre 2010 und 2011 vor dem maßgeblichen Zeitpunkt des Inkrafttretens der StBVV, am 20.12.2012, erfolgt ist.
5Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger die Buchführungstätigkeiten durchgeführt hat. Ebenso ist die rechnerische Richtigkeit der Nachberechnung der Buchführungsgebühren für die Jahre 2010 und 2011 anhand des nachträglich ermittelten Jahresumsatzes nach § 33 VI StBGebV unstreitig. Uneinigkeit besteht allein in der Höhe der beklagtenseits geschuldeten Vergütung für die Erstellung der Buchführung für die Jahre 2010 und 2011.
6Das Amtsgericht hat richtigerweise angenommen, dass der Kläger vorliegend zur Nachberechnung des Honoraranspruchs für die erbrachten Buchführungstätigkeiten berechtigt gewesen ist und die nachberechneten Gebühren – unter Abzug der monatlich bereits erbrachten Zahlungen – auch nachträglich von der Beklagten einfordern kann.
7§ 33 VI StBGebV bestimmt, dass sich der Gegenstandswert für die Gebührenforderungen bei Buchführungstätigkeiten nach dem jeweils höchsten Betrag, der sich aus dem Jahresumsatz ergibt, bestimmt. Maßgeblich ist hierbei der Umsatz des Jahres in dem die Buchführungsleistungen erbracht werden. Darüber hinaus ist der Steuerberater gem. § 33 I StBGebV verpflichtet die Buchführungsgebühr monatlich abzurechnen. Da der Gegenstandswert nach § 33 VI StBGebV erst nach Abschluss des jeweiligen Jahres festgestellt werden kann und somit bei der monatlich durchzuführenden Inrechnungstellung der Gebühren nicht berücksichtigt werden kann, ist es in der Praxis üblich, dass für die monatliche Gebührenforderung nach § 33 I StBGebV Akontozahlungen erhoben werden und dann im Nachhinein, wenn der Jahresumsatz bestimmt werden kann, eine Abrechnung nach dem tatsächlichen Jahresumsatz erfolgt und der Differenzbetrag zu den Akontozahlungen ausgeglichen wird (Eckert, StVV, 5. Auflage, § 33, 8.1.).
8Die nachträgliche Abrechnung der Buchführungsgebühren stellt – entgegen der Auffassung der Beklagten – keine unzulässige nachträgliche Änderung des Ermessens i.S.d. § 64 StBerG i.V.m. § 11 StBGebV dar. Die Annahme eine Bindung des Steuerberaters an die zunächst geforderten monatlichen Akontozahlungen steht im Widerspruch zu dem Gebot des § 33 I, VI StBGebV, der eine monatliche Abrechnung bei einem Gegenstandswert des Jahresumsatzes vorschreibt. Die Höhe der Gebühren berechnet sich nach dem Jahresumsatz, da der notwendige Aufwand für die Buchführungstätigkeiten mit steigendem Jahresumsatz zunimmt. Der zu erwartende Jahresumsatz kann am Anfang des Jahres nur geschätzt werden. Um dennoch eine dem Umfang der Tätigkeit angemessene Vergütung der Buchführungstätigkeit zu ermöglichen, ist eine Nachberechnung unumgänglich. Eine Bindung des Beraters an die zunächst zugrunde gelegten, geschätzten Jahresumsätze würde zudem dazu führen, dass auch eine Erstattung aufgrund einer zugunsten des Mandanten erfolgende Nachberechnung (bei geringerem Umsatz zum Vorjahr) nicht stattfinden würde. Darüber hinaus ist die Höhe des Gegenstandswertes auch nicht Ergebnis der Ermessenausübung des Steuerberaters nach § 11 StBGebV. Der Gegenstandswert berechnet sich gem. § 33 VI StBGebV nach dem tatsächlichen Jahresumsatz und nicht nach der vorläufigen Schätzung des Steuerberaters. Gegenstand der Ermessensausübung des Klägers, bezüglich dessen u.U. eine Bindung besteht, ist gem. § 11 StBGebV allein die Festsetzung des Gebührenrahmens. Diesen hat der Kläger sowohl in den monatlichen Abrechnungen als auch in den Rechnungen Nr. … und Nr. … mit einer 6,5-Gebühr festgesetzt, so dass keine Änderung des Ermessens i.S.d. § 11 StBGebV vorliegt. Die Angemessenheit des von dem Kläger bestimmten Gebührenrahmens wird zudem von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.
9Die Rechnungen sind auch einforderbar. Es liegt kein Verstoß gegen § 9 II StBGebV vor. Grundlage der klageweise geltend gemachten Forderung sind die Rechnungen Nr. … und Nr. …. Diese Rechnungen führen im Einklang mit § 9 II StBGebV die geleisteten Akontozahlungen ausdrücklich als solche auf und bringen diese Beträge auch ordnungsgemäß in Abzug. Die Frage, ob auch im Rahmen der monatlich erfolgten Abrechnungen die Buchführungsgebühr als Akontozahlungen oder als Vorschüsse hätten gekennzeichnet werden müssen, spielt für die Einforderbarkeit der streitgegenständlichen Rechnungen Nr. … und Nr. … keine Rolle. Selbst, wenn man annimmt, dass die monatliche Abrechnung der Buchführungsgebühren gegen § 9 II StBGebV verstießen und somit nicht einforderbar sind, wurde dies durch nachträgliche, formell ordnungsgemäße Abrechnung mit den Rechnungen Nr. … und … geheilt. Eine solche nachträgliche Heilung ist möglich und zulässig (Eckert, StVV, 5. Auflage, § 9, 4.1., m.W.N.).
10Die nachträgliche Abrechnung des Klägers wäre nur dann zu beanstanden, wenn zwischen den Parteien eine Pauschalvergütung nach § 14 StBGebV vereinbart worden wäre, da der Kläger in diesem Fall an die monatlich in Rechnung gestellte (Pauschal-)Vergütung gebunden wäre und eine Nachberechnung insoweit ausscheidet. Das Vorliegen einer solchen Vereinbarung in dem Schreiben vom 20.12.2007 hat das Amtsgericht allerdings zutreffend abgelehnt. Das Schreiben vom 20.12.2007 spricht lediglich davon, dass die Beklagte „mit den folgenden monatlichen Kosten rechnen“ müsse, so dass schon nach wörtlicher Auslegung des Schreibens die Annahme, dass es sich um die Vereinbarung einer Pauschalvergütung handelt, abwegig erscheint. Darüber hinaus spricht entscheidend gegen das Vorliegen einer Pauschalvergütungsvereinbarung, dass sowohl in dem Schreiben vom 20.12.2007 sowie in jeder der hiernach erfolgten Abrechnungen eine Rahmengebühr nach § 11 StBGebV (6,5) festgesetzt und abgerechnet worden ist, was bei dem Vorliegen einer Pauschalvergütung nicht möglich ist. Darüber hinaus ist in den jeweiligen Rechnungen stets nur der § 33 I StBGebV ohne Zusatz des § 14 StBGebV zitiert, was bei Vorliegen einer Pauschalvergütung nach § 9 II StBGebV erforderlich wäre.
11Der Anspruch des Klägers ist auch nicht durch Aufrechnung der Beklagten mit einem Schadensersatzanspruch gem. § 280 I BGB wegen einer Informationspflichtverletzung des Klägers untergegangen. Der Kläger hat seine Pflichten aus dem Steuerberatervertrag vorliegend nicht verletzt. Sämtliche von der Beklagten zitierten Gerichtsentscheidungen betreffen zum einen die Aufklärungspflichten eines Anwaltes gegenüber seinem Mandanten. Die Rechtsprechung in diesen Konstellationen lässt sich nicht auf die Abrechnung der Buchführungstätigkeit Steuerberaters übertragen. Vorliegend kann zudem offen bleiben, ob die generelle Pflicht des Steuerberaters auch umfasst, dass er in der jeweils monatlich erfolgenden (vorläufigen) Abrechnung der Berufungsgebühr darauf hinweisen muss, dass es sich nur um Akontozahlungen oder Vorschüsse handelt. Eine Informationspflicht des Steuerberaters besteht nicht bei Kenntnis des Mandanten hinsichtlich des Aufklärungsrisiko-Umstands. Unstreitig ist für die Buchführungstätigkeit für das Jahr 2009 eine Nachberechnung durch den Kläger erfolgt. Damit wusste die Beklagte, dass die monatlich erfolgten Zahlungen für die Buchführungstätigkeit des Klägers nicht unbedingt der letztendlich geschuldeten Vergütung entsprechen.
12Darüber hinaus teilt die Kammer die Auffassung des Amtsgerichts, dass die Beklagte das Vorliegen und die Höhe eines aufgrund der angeblichen Pflichtverletzung entstandenen Schadens nicht hinreichend dargelegt hat. Die Beklagte hat keinen Sachverhalt vorgetragen, der bei ordnungsgemäßer Aufklärung durch den Kläger zu einer besseren Vermögenslage der Beklagten führen würde.
13Der Anspruch ist zudem nicht verwirkt i.S.d. § 242 BGB. Zur Begründung des Einwands der Verwirkung nach § 242 BGB ist es erforderlich, dass die eine Partei ein hinreichendes Vertrauen der anderen Partei auf den Bestand eines bestimmten Zustands schafft (Umstandsmoment) und diesem Zustand auch für eine gewisse Dauer aufrecht erhält (Zeitmoment). Die Beklagte konnte nicht darauf vertrauen, dass der Kläger die Nachberechnungen nicht mehr vornehmen werde. Nach dem insoweit glaubhaften Vortrag des Klägers, denen die Beklagte nicht entgegengetreten ist, erfolgte die Berechnung der Buchführungstätigkeiten erst im Juli 2014, da die Beklagte in den Jahren 2011 und 2012 aufgrund vor eines Liquiditätengpasses darum gebeten hat, die Nachberechnungen noch aufzuschieben. Darüber hinaus hat der Beklagte selbst im mündlichen Termin vom 30.3.2015 erklärt, dass in der Vergangenheit auch eine Nachberechnung stattgefunden hat.
14Der Anspruch des Klägers ist darüber hinaus nicht verjährt und damit durchsetzbar. Die Verjährung von Ansprüchen auf Vergütung von Buchführungstätigkeiten nach § 33 StBGebV beginnt gemäß § 199 I BGB mit der Entstehung des Anspruchs und beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre. Gemäß § 7 StBGebV werden die Honoraransprüche des Steuerberaters erst mit Abschluss der Arbeiten im folgenden Kalenderjahr fällig. Erst mit Ablauf des Kalenderjahrs kann der Jahresumsatz und damit das endgültige Honorar ermittelt werden. Dementsprechend beginnt auch die Verjährung gemäß § 199 BGB frühestens zum Schluss des folgenden Kalenderjahres (OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.2007, 23 U 53/2007, zitiert nach juris; OLG Hamm, Urt. v. 11.12.2019 90, 25 U 75/98. zitiert nach juris). Der Anspruch auf die Gebühren für die Buchführungstätigkeit aus dem Jahr 2010 begann demgemäß nach § 199 BGB am 31.12.2011 und endete am 31.12.2014 und somit nach Klageerhebung, die am 12.12.2014 erfolgte.
15Da eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil des Berufungsgerichts nicht erfordern, beabsichtigt die Kammer eine Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege.
16III.
17Die Beklagte hat Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen.
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