Urteil vom Landgericht Hamburg (4. Zivilkammer) - 304 O 65/15

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 444.296,24 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. März 2015 aus EUR 194.296,24 und aus EUR 250.000,00 seit dem 1. Oktober 2013 zu zahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter von dem Beklagten Zahlungen im Wege der Insolvenzanfechtung sowie Rückzahlung eines seitens der Schuldnerin gewährten Darlehens.

2

Der Beklagte war Kommanditist der G.M.- und F. G.m.b.H. & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin). Das Haftkapital der Schuldnerin betrug EUR 1,94 Mio., die Hafteinlage des Beklagten betrug EUR 397.700,00. Geschäftsführende Komplementären der Schuldnerin war die G. G.m.b.H., deren von § 181 BGB alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagte ist.

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Die Schuldnerin hatte Darlehensverbindlichkeiten bei der H.N. AG und bei der D.B. AG. Die Verbindlichkeiten waren besichert über Grundschulden auf einem Grundstück der Schuldnerin in H.- B., wobei die Ansprüche der H.N. AG besichert waren durch drei Grundschulden über EUR 306.775,13, EUR 1.227.100,51 und EUR 242.863,64 und die Ansprüche der D.B. AG besichert waren durch eine Grundschuld über EUR 2.045.167,52.

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Mit Bürgschaftsvertrag vom 26. Juni/13. Juli 2009 übernahm der Beklagte gegenüber den vorbenannten Kreditinstituten eine selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von EUR 250.000,00. Der Bürgschaftsvertrag wurde von der D.B. AG sowohl für sich selbst als auch die H.N. AG unterzeichnet. Für die weiteren Einzelheiten des Bürgschaftsvertrages wird auf Anlage K9 Bezug genommen.

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Die Schuldnerin führte zudem Konten mit der Bezeichnung „Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern“. Das Konto des Beklagten trug die Nummer. Dieses Konto wies gemäß der Jahresabschlüsse der Schuldnerin für die Jahre 2009 und 2010 jeweils einen Habenstand zugunsten der Schuldnerin auf. Am 11. Juni 2012 unterzeichnete der Beklagte in der Gesellschafterversammlung der G. G.m.b.H. den Jahresabschluss der Schuldnerin für das Jahr 2011. In dem Jahresabschluss wurden die Forderungen als Darlehen der Schuldnerin an den Beklagten bezeichnet, konkret enthält der Jahresabschluss einen vom Beklagten am 28. März 2012 unterzeichneten Anhang, in dem es auf Seite 6 heißt: „Herrn von G. wurde von der Gesellschaft ein Darlehen gewährt, das mit 2,5 % über dem Diskontsatz, mindestens aber 5 %, zu verzinsen ist.“ Für den weiteren Inhalt des Jahresabschlusses auf den 31. Dezember 2011 wird auf die Anlage K17 Bezug genommen.

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Im Juli 2013 stellte die Schuldnerin, vertreten durch die G. G.m.b.H., diese wiederum vertreten durch den Beklagten, einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht H.. Der Kläger wurde mit Beschluss des Amtsgerichts H. vom 12. Juli 2013 zunächst gemäß § 270a Abs. 2 InsO zum vorläufigen Sachwalter bestellt.

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Während der vorläufigen Sachwaltung wurde die Immobilie der Schuldnerin in H.- B. an einen Dritten veräußert. Aus dem Veräußerungserlös wurde ein Gesamtbetrag von ca. EUR 3,2 Mio. an die H.N. AG und die D.B. AG ausgezahlt, wodurch die Forderungen dieser beiden Kreditinstitute gegenüber der Schuldnerin vollständig befriedigt wurden.

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Zum Stichtag 30. September 2013 bestand bezüglich der im Jahresabschluss für das Jahr 2011 bezeichneten Verbindlichkeiten des Beklagten gegenüber der Schuldnerin ein Endsaldo zu Lasten des Beklagten in Höhe von EUR 194.296,24. Der Beklagte hat keine Zahlungen auf diesen Betrag geleistet.

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Mit Beschluss vom 1. Oktober 2013 eröffnete das Amtsgericht H. das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

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In dem Insolvenzverfahren sind Forderungen in Höhe von ca. EUR 11,1 Mio. zur Insolvenztabelle angemeldet, festgestellt sind Forderungen in Höhe von ca. EUR 6,2 Mio., Ausfallforderungen sind in Höhe von ca. EUR 1,1 Mio. festgestellt.

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Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte sei der Insolvenzmasse gegenüber aus dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung zur Erstattung von EUR 250.000,00 verpflichtet, dies sei der Betrag, in dem der Beklagte durch den Verkauf des Grundstücks des Schuldnerin von seiner Bürgschaftsverpflichtung frei geworden sei. Die D.B. AG habe bei Unterzeichnung des Bürgschaftsvertrages als Führerin eines Sicherheitenpools auch für die H.N. AG gehandelt. Darüber hinaus sei der Beklagte auch zur Rückzahlung des in den Jahresabschlüssen festgestellten Darlehens an die Schuldnerin verpflichtet.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger EUR 444.296,24 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit aus EUR 194.296,24 und aus EUR 250.000,00 seit dem 1. Oktober 2013 zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

16

Der Beklagte rügt die ordnungsgemäße Zustellung der Klage sowie die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts. Die Klage sei in der Wohnung seiner Tochter zugestellt worden, wohin er einen Nachsendeauftrag gestellt habe. Die Klage habe er selbst von seiner Tochter nur über den Dienst WhatsApp erhalten, nachdem seine Tochter diese abfotografiert habe. Er habe seit dem 31. Juli 2014 in H. keinen Wohnsitz mehr gehabt. Die Bürgschaftserklärung sei nicht ordnungsgemäß seitens der Banken unterzeichnet gewesen. Hilfsweise hat der Beklagte die Bürgschaftserklärung vom 13. Juli 2009 widerrufen unter Hinweis auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung. Bezüglich des in dem Jahresabschluss für das Jahr 2011 so bezeichneten Darlehens der Schuldnerin erhebt der Beklagte zudem die Einrede der Verjährung, da es sich lediglich um einen Aufwendungsersatzanspruch handle.

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Mit Beschluss vom heutigen Tag hat das Gericht den in der mündlichen Verhandlung erstmals gestellten Antrag des Beklagten, den Rechtsstreit an die Kammer für Handelssachen zu verweisen, zurückgewiesen.

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Die Klagschrift wurde am 10. März 2015 an der Adresse der Tochter des Beklagten per Postzustellungsurkunde in den dort sich befindlichen Briefkasten eingeworfen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet.

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I. Die Klage ist zulässig.

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Die Klage ist ordnungsgemäß zugestellt gemäß § 253 Abs. 1 ZPO, und zwar durch Zustellung am 10. März 2015 an der Adresse M., H., wo die Tochter des Beklagten wohnt. Diese Adresse gilt als Wohnung des Beklagten im Sinne von § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Stellt jemand bei der Post einen Nachsendeauftrag, so gilt die darin genannte Wohnung als „Wohnung“ des Zustellungsempfängers im Sinne von § 178 Abs. 1 ZPO, selbst wenn er dort nicht wohnt (LG Frankfurt, Rechtspfleger 1981, 493; Stöber, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 178 Rn. 7). Vor diesem Hintergrund gilt die Wohnung in der M., zu der er einen Nachsendeauftrag bei der Post gestellt hatte, für Zwecke der Zustellung als Wohnung des Beklagten, weshalb gemäß § 180 ZPO die Zustellung durch Einlegung in den dort sich befindlichen Briefkasten erfolgen konnte Da der Beklagte an diese Adresse einen Nachsendeantrag der Post gestellt hatte, kann er sich nicht darauf berufen, dort nicht wohnhaft gewesen zu sein und die Klage selbst lediglich in elektronischer Form erhalten zu haben. Dies ändert an der ordnungsgemäßen Zustellung nichts.

22

Darüber hinaus ist das Landgericht Hamburg örtlich zuständig, dies ergibt sich jedenfalls aus § 16 ZPO. Der Beklagte hat bis in das Jahr 2014 in Hamburg gewohnt, hier also gemäß § 13 ZPO seinen allgemeinen Gerichtsstand gehabt. Wenn sich ein Beklagter darauf beruft, an einem ehemaligen Wohnort bei Klagerhebung nicht mehr gewohnt zu haben, gleichzeitig aber nicht feststellbar ist, wo der Beklagte zu dem Zeitpunkt der Klageerhebung seinen allgemeinen Wohnsitz hatte, gilt die Auffangregelung des § 16 ZPO, ohne dass feststehen müsse, dass der Beklagte zu dem Zeitpunk der Klagerhebung gar keinen festen Wohnsitz hatte (OLG Hamm, Urt. v. 27.10.2005, Az.: 27 U 167/03, BeckRS 2006, 00862). Hier hat der Beklagte trotz gerichtlichen Hinweises nicht vorgetragen, wo er seinen allgemeinen Wohnsitz am 10. März 2015, dem Tag der Klagzustellung, hatte. Mithin ist von der Anwendbarkeit des Auffangtatbestandes des § 16 ZPO auszugehen.

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II. Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger stehen sowohl die Ansprüche aus Insolvenzanfechtung als auch die Rückzahlungsansprüche aus dem Darlehen zu.

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1. Gemäß §§ 135 Abs. 2, 143 InsO ist der Beklagte als ehemaliger Gesellschafter der Schuldnerin verpflichtet, an die Insolvenzmasse den Betrag zu erstatten, in dessen Höhe er in Folge der Verwertung des Grundstücks der Schuldnerin von seiner Verpflichtung aus der Bürgschaft vom 26. Juni/13. Juli 2009 gegenüber der H.N. AG und der D.B. AG frei geworden ist. Es handelt sich dabei um die komplette Bürgschaftssumme von EUR 250.000,00.

25

An der Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrages bestehen keine Zweifel.

26

Die Bürgschaft ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 181 BGB schwebend unwirksam. Die Vorschrift ist vorliegend nicht anwendbar, soweit es um die Frage geht, ob die D.B. AG die H.N. AG vertreten durfte. Denn der gesamte Bürgschaftsvertrag stellte sowohl für die D.B. AG als auch die H.N. AG ein lediglich vorteilhaftes Geschäft dar, da beide Kreditinstitute für ihre Darlehensforderungen gegen die Schuldnerin eine zusätzliche Sicherheit erhielten. Lediglich rechtlich vorteilhafte Geschäfte sind aber nicht vom Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB erfasst (s. nur Schilken, in Staudinger (2014), § 181 Rn. 32 m.w.N.). Dass die Bürgschaftserklärung auch Regelungen zur Abwicklung der Bürgschaft enthält, etwa zum Widerruf und zur Gleichrangigkeit, ändert nichts an dem Umstand, dass der Erhalt der Bürgschaft für beide beteiligten Kreditinstitute rechtlich lediglich vorteilhaft war. Selbst wenn zwischen der H.N. AG und der D.B. AG eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestanden haben sollte, konnte die Unterschrift unter dem Bürgschaftsvertrag, die für beide genannten Kreditinstitute erfolgte, diese GbR wirksam binden, da diese sämtliche Gesellschafter der GbR darstellten, s. § 714 BGB. Die Vermutung des Beklagten, es sei nicht ausgeschlossen, dass es in einem Sicherheitenpool weitere Banken gegeben habe, die ebenfalls Teil der GbR gewesen seien und die die D.B. AG bei Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung habe verpflichten wollen, erfolgt offensichtlich ins Blaue hinein und ist nicht zugrundezulegen.

27

Der Beklagte konnte seine Bürgenerklärung auch nicht wirksam widerrufen mit dem impliziten Argument, die Widerrufsfrist habe wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung nicht zu laufen begonnen. Dies setzte voraus, dass dem Beklagten überhaupt ein gesetzliches Widerrufsrecht für die Bürgschaftserklärung zustand. Ein solches gesetzliches Widerrufsrecht besteht jedoch nicht. Insbesondere handelt es sich bei der Bürgschaft eines Gesellschafters nicht um einen Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne von § 495 BGB (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 20.12.2006, Az.: U 18/06, BeckRS 2007, 01615). Andere gesetzliche Widerrufsrechte sind ebenfalls nicht einschlägig. Soweit die Banken dem Beklagten in der Bürgschaftserklärung ein Widerrufsrecht eingeräumt haben, handelte es sich damit um ein vertragliches Widerrufsrecht. Die Widerrufsbelehrung konnten die Banken dann aber nach freiem Belieben formulieren, ohne dass sich der Beklagte darauf berufen könnte, die in der Belehrung enthaltene Frist von zwei Wochen nicht abgelaufen sei.

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2. Ebenso besteht der darlehensweise geltend gemachte Anspruch. Für Forderungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafterin kann einem Jahresabschluss der Rechtscharakter eines Schuldanerkenntnisses beigemessen werden (BGH NZI 2013, 841 (843) m.w.N.). Dies muss erst recht gelten, wenn wie hier der Beklagte die fragliche Anlage des Jahresabschlusses für das Jahr 2011 persönlich unterzeichnet hat, in der die hier in Rede stehenden Forderungen ausdrücklich als Darlehen bezeichnet werden. Da somit vom Bestehen eines Darlehens zwischen Schuldnerin und Beklagten auszugehen ist, kommt eine Verjährung dieser Ansprüche nicht in Betracht, da schon gar nicht vorgetragen ist, dass die Schuldnerin dieses Darlehen einmal fällig gestellt hätte.

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Die Höhe des Anspruchs von EUR 194.296,24 hat der Beklagte nicht bestritten.

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III. Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 291 BGB. Die Zustellung der Klage an der Adresse der Tochter des Beklagten führte zu einer ordnungsgemäßen Zustellung mit der Folge, dass Rechtshängigkeitszinsen für den Darlehensanspruch ab dem 11. März 2015 zu laufen begannen. Der Zinsbeginn für den Anfechtungsanspruch ergibt sich aus §§ 143 InsO, 291, 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 987 BGB und entspricht dem Tag der Insolvenzeröffnung.

31

IV. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 709 ZPO.

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