Urteil vom Landgericht Hamburg (3. Kammer für Handelssachen) - 403 HKO 211/14

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 605.475,57 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2014 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe der folgenden Gegenstände und Dateien:

- Ordner 1:

- Rohrtrassenstreckenverlauf

- Lagepläne Kopfgruben

- Kalibrierprotokolle

- Ordner 2:

- HDD-Bohrungen

- Kalibrierprotokolle

- Druckprobenprotokolle

- Einblasprotokolle

- Oberfläche - Abnahme B 5 Straßenbauamt S2

- Ordner 3:

- Übersichtspläne M 1 : 10.000

- Übersichtspläne M 1: 4.000

- Kreuzungen: Straßen, Bahn

- Forstämter

- Ordner 4:

- Verträge (Eigentümer)

- Gemarkungen

R.

G.

P.

S.

- Ordner 5:

- Verträge (Eigentümer)

- Gemarkungen

G. K.

T.

- Ordner 6:

1. Verträge (Eigentümer)

2. Gemarkungen

T1

K.

D.

Z.

G. G.

Entlang der B5

- Dateien und Lagepläne der Kopfgruben zwischen B. Ost (Aldi-Markt, G. Straße) bis L./ H. gemäß E-Mail vom 31.01.2014

- Druckdateien 01 bis 24

- Datei über den Rohrtrassenstreckenverlauf der Strecke B. Ost B5/G. Straße bis L. H..

3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der unter Ziffer 1 genannten Gegenstände und Dateien in Annahmeverzug befindet.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

5. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer 1. und Ziffer 3. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

6. Der Streitwert wird auf € 625.475,57 festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Rückzahlung des Kaufpreises für zwei Kabelschutzrohre, die sie von der Beklagten erwarb. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des von der Klägerin erklärten Rücktritts.

2

Die Klägerin betreibt Kabelnetze in Deutschland und erbringt über TV-Kabel Dienstleistungen im Bereich Fernsehen, Internet und Telefonie. Die Beklagte verfügt über verschiedene Kabelschutzrohr- und Glasfasertrassen vorwiegend in Ostdeutschland; zu ihrem Geschäft gehört der Verkauf von Kabelschutzrohren.

3

Mit dem „Vertrag über den Erwerb einer Kabelrohranlage“ (im Folgenden: der Vertrag), unterzeichnet am 17.01.2014 und 06.02.2014, ergänzt durch Anlage 2 mit Unterschriften vom 06.02.2014 und 10.02.2014, haben sich die Parteien über den Verkauf zweier Kabelschutzrohre in einer sechszügigen Kabelschutzrohrtrasse zwischen B. und L. geeinigt. Der Kaufpreis für die zwei Schutzrohre betrug € 508.803,00 zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Klägerin wollte in die Schutzrohre zur Erweiterung ihres Telekommunikationsnetzes Glasfaserkabel einziehen.

4

Die Kabelschutzrohrtrasse verläuft über eine 54,71 km lange Strecke und wurde jedenfalls nach der Darstellung der Beklagten in den Jahren 1999/2000 von ihr erbaut. Sie kreuzt bei B. Schienentrassen der Deutschen Bahn. An der dortigen Querung sind die Kabelschutzrohre mit Kabelrohrbindern an der Brücke befestigt. Auf die Abbildungen in der Klagschrift (S. 13 und 14 der Akte) wird verwiesen.

5

Nach § 2 des Vertrags in Verbindung mit der ergänzenden Anlage 2 wurden die Schutzrohre in zwei Abschnitten am 12.02.2014 und am 28.02.2014 übereignet. Am Tag des Eigentumsübergangs war nach § 1 (5) des Vertrags auch die Übergabe der kompletten Dokumentation fällig. Deren Inhalt regelt § 1 (4) des Vertrags:

6

„Der Verkäufer hat dem Käufer die für die ausführliche Dokumentation des Kaufgegenstands erforderlichen Informationen vollumfänglich, vorzugsweise in digitaler Dateiform und sofern nicht anders verfügbar in zweifelsfrei gut lesbarer Papierform zu überlassen. Dies beinhaltet topographische Informationen, maßstäbliche Trassenlagen- und Vermaßungen (Lagepläne), Informationen zur Bauweise, Bohrprotokolle mit eindeutiger Zuordnung zu den Lageplänen und vermaßten Start- und Zielgruben, sämtliche Genehmigungen für die vorhandene Kabelschutzrohrtrasse aus den Genehmigungsverfahren der Errichtung, Verträge und Grundbuchauszüge inkl. Flurkarten für Inanspruchnahmen nichtöffentlicher Flächen, Trassengenehmigungen und Verträge der Wegebaulastträger für öffentliche Flächen und sonstige Informationen, wie aktuelle Kalibrierungsprotokolle mit aktueller Vermessung der verwendeten Gruben (Grubenplan).“

7

Hinsichtlich Gewährleistung und Rücktritt enthält § 4 (1) des Vertrags eine Liste von Zusicherungen, unter anderem, dass die Kabelschutzrohre dem Stand der Technik entsprechen. Eine Regelung zur Dokumentationspflicht findet sich dort nicht. Zur Gewährleistung für die Zusicherungen sieht § 4 (4) vor:

8

„Sollte eine der Zusicherungen gemäß vorstehendem Absatz 1 nicht zutreffen, so hat der Käufer das Recht - vorbehaltlich aller weiteren gesetzlichen und vertraglichen Rechte - unverzüglich von diesem Vertrag zurückzutreten.“

9

Am 05.03.2014 zahlte die Klägerin den Kaufpreis an die Beklagte. Mit Schreiben vom 15.05.2014 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die ihrer Ansicht nach fehlende Dokumentation nachzuliefern und setzte der Beklagten hierfür eine Frist bis zum 30.05.2014. Mit Fax vom 30.05.2014 erklärte die Beklagte, sie werde der Klägerin bis zum 06.06.2014 ihre Antwort zu den von der Klägerin genannten Positionen zukommen lassen. Nachdem dies nicht geschah, erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 18.06.2014 den Rücktritt und forderte die Beklagte auf, bis zum 25.06.2014 den Kaufpreis zurückzuzahlen.

10

Die Klägerin ist der Ansicht, zum Rücktritt vom Kaufvertrag aus mehreren Gründen berechtigt gewesen zu sein. So genüge unter anderem die Dokumentation nicht den vertraglichen Anforderungen. Die Dokumentation von Genehmigungen und Gestattungen sei lückenhaft, insbesondere würden Gestattungsverträge der Forstämter G1, L., J., R1 und S1 in den übergebenen Unterlagen fehlen. Auch sei die Kabelrohranlage mangelhaft. Das gelte namentlich für die Querung der ICE-Trasse über eine Brücke bei B., die nicht dem Stand der Technik und den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechend verlegt worden sei. Ferner lägen keine Genehmigungen der Deutsche Bahn AG für die Kreuzungen der Schienentrassen vor.

11

Die Klägerin behauptet ferner, ein hochverfügbares Telekommunikationsnetz benötige Lagepläne, aus denen sich der Trassenverlauf bis auf 10 cm genau ergebe. Sie ist der Ansicht, damit seien GPS-Koordinaten oder Einmaßungen mit Abständen zu Festpunkten vertragliches Erfordernis. Diesen Anforderungen der Klägerin genügen die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Unterlagen unstreitig nicht. Die Klägerin trägt ferner vor, es würden die erforderlichen Bohrprotokolle mit eindeutiger Zuordnung zu den Lageplänen und vermaßten Start- und Zielgruben fehlen.

12

Die Klägerin beantragt,

13

wie erkannt.

14

Die Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen,

16

sowie hilfsweise,

17

nur Zug um Zug gegen Rückgabe der im Tenor unter 1. aufgeführten Gegenstände und Dateien sowie einer eidesstattlichen Versicherung, dass die Klägerin keine Kopien der übergegebenen Unterlagen/Dateien gezogen und behalten habe, leisten zu müssen.

18

Die Beklagte macht geltend, dass die Klägerin nur aus vorgeschobenen Gründen vom Kaufvertrag zurückgetreten sei. In Wahrheit habe sich die Klägerin von dem Vertrag lösen wollen, weil sie aufgrund der kurz nach Abschluss des Kaufvertrags erfolgten Liaison mit V. auf andere Trassen habe zurückgreifen können. Rücktrittsgründe hätten nicht vorgelegen. Sie (die Beklagte) habe ihren vertraglich übernommenen Dokumentationspflichten Genüge getan. Sie behauptet, es sei ein Trassenortungsband verlegt worden, das die Ortung des Trassenverlaufs genau und verlässlich ermögliche. Lediglich dort, wo aufgrund der besonderen örtlichen Situation Bohrungen erfolgt seien, sei kein Ortungsband verlegt. Mithilfe des Trassenortungsbands sei vor Ort eine cm-genaue Ortung der Rohranlage möglich, die der bereits veralteten GPS-Messtechnik überlegen sei. Die Klägerin benötige auch keine genaueren Dokumentationsunterlagen. Die Bestimmung des Verlaufs der Trasse könne anhand der dort ausgewiesenen Messpunkte erfolgen. In aller Regel verlaufe die Strecke zwischen zwei Messpunkten gradlinig, so dass der Trassenverlauf auch bestimmt werden könne, wenn die Messpunkte 100 m weit auseinanderlägen. Ohnehin dürfe die Klägerin nach dem mit ihr geschlossenen Vertrag keine eigenständigen Wartungsarbeiten an der Kabelleerrohrtrasse ausführen. Etwaige Anfragen von Tiefbauunternehmen müsse die Klägerin an die Beklagte weiterleiten und mit ihr die Antwort abstimmen. Außerdem dürfe ein Tiefbauunternehmen bei unklarem Terrain oder parallel zu Straßen nicht „blind“ losarbeiten, sondern müsse zunächst vor Ort die Baufreiheit zum Beispiel durch Handschachtungen vorsichtig prüfen. Gerade wegen des Trassenortungsbands werde das Auffinden der Rohranlage erleichtert und die Gefahr von Beschädigungen erheblich reduziert.

19

Die Beklagte macht ferner geltend, die erforderlichen Genehmigungen, insbesondere auch der Forstämter, mit der Dokumentation übergeben zu haben. Soweit nur Betretungs- und Bauerlaubnisse vorgelegt worden seien, bedürfe es keiner Vorlage gesonderter Gestattungsverträge, weil kein Forstamt eine Bauerlaubnis für eine 6-zügige Kabelleerrohranlage erteile, wenn sie nicht dort dauerhaft liegen bleiben könne. Im Übrigen habe die Beklagte nach dem TKG das Recht, im öffentlichen Eigentum Telekommunikationsleitungen und Leerrohranlagen zu verlegen, so dass keinem Zweifel unterliegen könne, dass das Rohrleitungssystem dort mit öffentlich-rechtlicher Gestattung verlegt sei und dort auch liegen bleiben könne. Dass man besondere Gestattungsverträge zusätzlich abschließen könne, ändere nichts daran, dass die Bauerlaubnis als Rechtsgrundlage für den dauerhaften Betrieb der Trasse ausreiche.

20

Die Beklagte vertritt ferner die Auffassung, dass ein Rücktrittsrecht der Klägerin wegen angeblich fehlender Unterlagen nach § 377 HGB ausgeschlossen sei. Außerdem sehe der Vertrag in § 4 Abs. 4 einen Rücktritt nur wegen Nichteinhaltung der in § 4 Abs. 1 abgegebenen Zusicherungen vor, die sich nicht auf die Vollständigkeit der Dokumentation bezögen. Etwa bestehende Unklarheiten gingen zu Lasten der Klägerin, weil es sich um AGB der Klägerin handele, die überdies an den §§ 305 ff. BGB zu messen seien. Zudem sei die ihr gesetzte Frist zu kurz gewesen.

21

Für die weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

22

Die Klage hat Erfolg, weil sie begründet ist.

23

1. Die Klägerin firmiert inzwischen unter der im Rubrum aufgeführten Bezeichnung V. K. D. GmbH. Dies hat sie durch die Vorlage des entsprechenden Handelsregisterauszugs (Anlage K 11) mit dem Schriftsatz vom 28.12.2015 nachgewiesen. Einwendungen sind diesbezüglich von der Beklagten nicht mehr erhoben worden. Das Aktivrubrum war deshalb entsprechend zu ändern.

24

2. Der von der Klägerin verfolgte Anspruch auf Rückzahlung des von ihr geleisteten Kaufpreises in Höhe von € 605.475,57 brutto folgt aus § 346 BGB. Die Klägerin war nach § 323 Abs. 1 BGB zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, weil die Beklagte die ihr nach dem Kaufvertrag obliegende Pflicht zur Übergabe einer ausführlichen Dokumentation des Kaufgegenstands mit den im Einzelnen in § 1 Abs. 4 des Kaufvertrags geregelten Angaben auch nach Fristsetzung nicht vertragsgemäß erfüllt hat.

25

a) Die von der Beklagten übergebene Dokumentation genügte nicht den vertraglichen Anforderungen aus § 1 Abs. 4 des Kaufvertrags, weil sie lückenhaft war. Das gilt zum einen hinsichtlich der Gestattungsverträge, insbesondere mit den Forstämtern, und zum anderen hinsichtlich der Querung der ICE-Trasse.

26

Anders als die Beklagte meint, ist der Vertrag bei einer Auslegung aus der Perspektive eines objektivierten Empfängers gemäß §§ 133, 157 BGB dahingehend zu verstehen, dass die Dokumentation der bereits existierenden Kabelrohrtrasse grundsätzlich vollständig übergeben werden musste. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 4 des Vertrags („ausführliche Dokumentation“) sowie aus der Obliegenheit des Käufers gemäß § 1 Abs. 5 „Die übergebene komplette Dokumentation (...) auf Vollständigkeit zu prüfen.“ Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 3 a.E.. Dort ist die Rede von einer Aktualisierung der Dokumentation, insbesondere bei zwischenzeitlicher Rechtsnachfolge von Grundstückseigentümern. Nach Wortlaut, Stellung im Vertragsgefüge und Zweck ändert diese Regelung nichts am Erfordernis der Vollständigkeit der Dokumentation, sondern entschuldigt die Beklagte nur für Fälle der fehlenden Aktualität der Nachweise, die darauf beruhen, dass sie die Anlage bereits etwa 15 Jahren zuvor erbaut hat. Dass die Aktualisierung formaler Eintragungsnachweise der Klägerin zufällt, verdeutlicht, dass im Übrigen die Dokumentationspflicht grundsätzlich bei der Beklagten liegt, wie in § 1 Abs. 4 des Vertrags bestimmt.

27

aa) Ein Dokumentationsmangel liegt hier zumindest in dem von der Klägerin beanstandeten Fehlen von Gestattungsverträgen mit den Forstämtern G1, L., J., R1 und S1 (laufende Nummern 97 bis 105 der Aufstellung gemäß Anlage K 2). Die Beklagte hat die insoweit notwendigen Nachweise mit ihrer Dokumentation nicht vorgelegt.

28

§ 1 Abs. 4 des Kaufvertrags regelt, dass die Beklagte der Klägerin unter anderem „sämtliche Genehmigungen für die vorhandene Kabelschutzrohrtrasse aus den Genehmigungsverfahren der Errichtung, Verträge und Grundbuchauszüge inkl. Flurkarten für Inanspruchnahmen nichtöffentlicher Flächen, Trassengenehmigungen und Verträge der Wegebaulastträger für öffentliche Flächen“ zu überlassen hat. Diese Regelung zeigt, dass die Trasse zum einen über alle erforderlichen Genehmigungen verfügen sollte. Zum anderen sollte dies aber auch so dokumentiert sein, dass die Klägerin dies anhand der ihr übergebenen Unterlagen jederzeit Dritten gegenüber nachweisen kann.

29

Dass die von der Beklagten übergebenen Unterlagen diesen Anforderungen offensichtlich nicht genügen, deutet bereits der Umstand an, dass sich die Beklagte zum Beweis, dass die erforderlichen Genehmigungen der Forstämter G1, L., J., R1 und S1 erteilt wurden, auf das Zeugnis der zuständigen Mitarbeiter der Forstämter beruft. Denn die Genehmigungen, die ihr als Bauherrin und Betreiberin im Jahr 1999/2000 ja erteilt worden sein müssten, müssten von ihr vorgelegt werden können, wenn sie eine vollständige Dokumentation erstellt hätte. Mit der Regelung in § 1 Abs. 4 des Kaufvertrags war bezweckt, dass sich die Klägerin nicht erst bei den durch die Trasse betroffenen Rechtsträgern vergewissern muss, ob sie ihre Genehmigung erteilt haben. Die entsprechenden Dokumente sollte ihr vielmehr die Beklagte überlassen, damit sie mit diesen Unterlagen im Rechtsverkehr den Beweis gegenüber Dritten führen kann. Aus diesem Grund haben sich die Parteien in § 1 Abs. 4 des Vertrags auf die reproduzierbaren Formen digital/schriftlich geeinigt.

30

Dass die Genehmigungen Teil der Dokumentationspflicht der Beklagten sind, ändert sich auch nicht dadurch, dass von den Forstämtern Betretungs- oder Bauerlaubnisse erteilt worden sein mögen. Entscheidend ist die dauerhafte Gestattung des Betriebs der Kabelrohrtrasse, die nicht schon allein durch die Vorlage einer Betretungs- oder Bauerlaubnis, sondern nur durch eine entsprechende Genehmigungserklärung oder den üblicherweise abzuschließenden Gestattungsvertrag dokumentiert wird. Denn nur dann ist von vornherein für und gegen Dritte, die später mit der Sache befasst werden, liquide nachweisbar, dass die Trasse dort auch liegen bleiben darf. Zwar mögen im Einzelfall auch gesetzliche Duldungspflichten der betroffenen Grundstückseigentümer nach dem TKG - etwa aus § 76 TKG - oder nach § 242 BGB bestehen. Die Beurteilung, ob die diesbezüglichen Voraussetzungen des Gesetzes vorliegen, bedarf aber weiterer Sachverhaltsermittlung, die der Klägerin nach Sinn und Zweck des § 1 Abs. 4 des Vertrags erspart bleiben sollte, wenn es dort unter anderem heißt, die zu überlassende ausführliche Dokumentation des Kaufgegenstands beinhalte sämtliche Genehmigungen aus den Genehmigungsverfahren der Errichtung, Verträge und Grundbuchauszüge.

31

Diese Anforderungen an die nach Vertragsschluss von ihr zu übergebende Dokumentation hat die Beklagte jedenfalls hinsichtlich der Flurstücke mehrerer Forstämter nicht erfüllt.

32

Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung hat sich die Beklagte hinsichtlich des von der Klägerin gerügten Fehlens von Gestattungsverträgen mit den Forstämter darauf berufen, dass es solcher Gestattungsverträge nicht bedürfe, weil sie Betretungs- bzw. Bauerlaubnisse der betreffenden Forstämter gehabt habe, was als Rechtsgrundlage für den dauerhaften Betrieb der Trasse in den betroffenen Forsten ausreiche. Auf den Hinweis des Gerichts in der Verfügung vom 18.09.2015, wonach erwogen werden könne, dass die Dokumentation der Beklagten unvollständig sei, weil sie offenbar nicht erkennen ließ, ob bei den von den Forstämtern verwalteten Grundstücken Gestattungsverträge vorliegen, die beispielsweise die Entschädigung regeln, änderte die Beklagte ihren Tatsachenvortrag nicht. Sie berief sich vielmehr darauf, dass sie die Kabelleerohranlage mit Recht in den Forsten eingebaut habe und eine darüberhinausgehende Absicherung nicht erforderlich sei.

33

Erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte ihren Sachvortrag mit dem Schriftsatz vom 18.01.2016, der ihr zur Erwiderung auf den Schriftsatz der Klägerin vom 09.12.2015 nachgelassen worden war, in diesem Punkt geändert. Während sie nämlich bis dahin den Vortrag der Klägerin nicht bestritten hatte, dass der Verwaltung der Forstämter unterliegende Flurstücke durch die Trasse in Anspruch genommen werden, die im Einzelnen in der Anlage K 2 aufgeführt sind, trägt die Beklage nun erstmals vor, dass in der Mehrzahl der in der Anlage K 2 aufgeführten Grundstücke der Forstämter die Trasse gar nicht verlaufe, sondern entlang der Bundesstraße 5. Die zuvor von ihr erwähnten Betretungserlaubnisse hätten dazu gedient, von den Grundstücken der Forstämter aus Arbeiten im Bereich der daran angrenzenden B5 auszuführen. Außerdem legt die Beklagte erstmalig einen mit dem Forstamt L. geschlossenen Gestattungsvertrag vor (Anlage B 15).

34

Dieses geänderte Vorbringen der Beklagten ist nicht der Entscheidung zugrunde zu legen, weil es verspätet ist. Der Beklagten war auf ihre Bitte gemäß § 283 ZPO ein Schriftsatz zur Erwiderung auf den kurz vor Ablauf der Wochenfrist vor der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz der Klägerin vom 09.12.2015 nachgelassen worden. Dieser Schriftsatz der Klägerin enthielt hinsichtlich der ihrer Ansicht nach fehlenden Gestattungsverträge kein neues tatsächliches Vorbringen. Der der Beklagten ausschließlich zur Erwiderung auf diesen Schriftsatz nachgelassene Schriftsatz vom 18.01.2016 ging daher, was den neuen Vortrag zum Verlauf der Trasse auf den Grundstücken der Forstämter betrifft, über eine bloße Replik auf den letzten Schriftsatz der Klägerin hinaus. Solches Vorbringen ist nicht mehr zu berücksichtigen (Zöller-Greger, ZPO, 31. Aufl., § 283 Rn. 5).

35

Das Gericht hält es auch nicht für geboten, aufgrund des neuen Vorbringens der Beklagten die mündliche Verhandlung nach § 156 ZPO wiederzueröffnen. Auch der neue Sachvortrag der Beklagten ist nicht von der Klarheit, dass bei der im Rahmen des § 156 ZPO zulässigen prognostischen Beurteilung eine andere Entscheidung wahrscheinlich erscheint, wenn die mündliche Verhandlung wiedereröffnet würde. Soweit die Beklagte einen einzelnen Gestattungsvertrag mit dem Forstamt L. (Anlage B 15) vorlegt, trägt sie nicht einmal vor, dass sich dieser Vertrag unter den der Klägerin übergegebenen Unterlagen befunden habe. Nur hierauf käme es aber für die Erfüllung der hier maßgeblichen Dokumentationspflicht an. Offenbar hatte die Klägerin jedenfalls diesen Vertrag nicht in den Unterlagen vorgefunden, weil sonst wohl nicht die Aufnahme unter der laufenden Nummer 100 der Anlage K 2 erfolgt wäre. Was die weiteren Flurstücke der Forstämter betrifft, ist dem Gericht nicht klar, ob mit dem neuen Vortrag der Beklagten unter Vorlage der Anlagen B 10 bis B 14 sämtliche Grundstücke abgedeckt sind, die nach der Anlage K 2 im Eigentum der dort bezeichneten Forstämter stehen sollen. Selbst wenn der nunmehrige Vortrag der Beklagten zuträfe, wonach die Trasse diese Grundstücke gar nicht in Anspruch nimmt, sondern entlang der B5 verläuft, würde dies nicht bedeuten, dass die Beklagte ihre Dokumentationspflichten in diesem Punkt erfüllt hat. Offensichtlich ist die Klägerin anhand der ihr übergebenen Unterlagen noch nicht einmal in der Lage gewesen, festzustellen, ob die Trasse im Bereich des Trägers der Wegebaulast oder über die angrenzenden Forstgrundstücke verläuft. Auch das würde einen Dokumentationsmangel begründen.

36

Auch aus anderen Gründen erscheint es nicht geboten, die mündliche Verhandlung zur Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 18.01.2016 wiederzueröffnen. Schon in der Klage hatte sich die Klägerin auf das Fehlen von Gestattungsverträgen mit den Forstämtern berufen und auf die Anlage K 2 verwiesen. In der ersten mündlichen Verhandlung vom 11.06.2015 wurde dieser Gesichtspunkt ausdrücklich vom Gericht problematisiert (vgl. Seite 4 des Protokolls). Auch in dem Hinweis des Gerichts vom 18.09.2015 war dieser Punkt angesprochen worden. Es bestand für die Beklagte damit aller Anlass, etwaigen Vortrag dazu, dass die Trasse gar nicht über die Grundstücke der Mehrzahl der von der Klägerin angeführten Forstämter verlaufe, rechtzeitig vor Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vom 17.12.2015 und nicht erst danach zu halten.

37

bb) Ein weiterer die Klägerin zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigender Dokumentationsmangel liegt darin begründet, dass die Beklagte nicht die für die Querung der ICE-Trasse erforderliche Genehmigung vorgelegt hat.

38

Die Querung einer Bahntrasse durch eine Telekommunikationslinie (§ 3 Nr. 26 TKG) ist zwar unter den Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 TKG von dem betreffenden Eigentümer unter den dort genannten Bedingungen zu dulden. Die Deutsche Bundesbahn und ihre Konzerngesellschaften verlangen aber zur Sicherheit der Bahnanlagen und der Eisenbahnsicherheit, dass die betreffenden Unternehmen bei ihr Anträge für die Querung stellen und - wenn danach keine Bedenken bestehen - ein Kreuzungsvertrag geschlossen wird (vgl. zu den Einzelheiten des Verfahrensablaufs das Merkblatt der DB Netz AG „Checkliste zur Verlegung von Leitungen auf Gelände der Deutschen Bahn“, abrufbar im Internet unter http://www.deutschebahn.com/de/geschaefte/immobilien/ Verlegung_von_Leitungen.html). Das gilt auch dann, wenn die Kreuzung der Bahnanlagen im Zuge vorhandener Brücken über die Bahnanlagen erfolgt (vgl. Punkt B.4 der vorgenannten Checkliste).

39

Einen Kreuzungsvertrag für die Querung der ICE-Trasse hat die Beklagte mit den der Klägerin seinerzeit übergebenen Unterlagen nicht vorgelegt. Soweit die Beklagte mit dem Schriftsatz vom 18.01.2016 vorträgt, dass es keines Kreuzungsvertrags bedürfe, weil sie einen Gestattungsvertrag mit dem Straßenbauamt S2 geschlossen habe, der es ihr erlaube, ihre Rohrbauwerke an dem Brückenkörper der B5 zu verlegen, kommt es aus zwei Gründen nicht darauf an. Zum einen trifft es aus rechtlichen Gründen nicht zu, dass ein Gestattungsvertrag mit dem Wegebaulastträger bei der Querung von Bahntrassen durch Telekommunikationslinien, die entlang Brücken für den Straßenverkehr verlegt werden, einen Kreuzungsvertrag mit dem Eigentümer der Bahntrasse entbehrlich macht. Denn das Eigentum erstreckt sich auch auf den Luftraum oberhalb des Grundstücks (§ 905 BGB). Zudem können die Belange der Bahnsicherheit auch bei der Verlegung von Telekommunikationslinien entlang vorhandener Straßenbrücken tangiert sein, weil beispielsweise gewisse Abstände zu den Oberleitungen einzuhalten sind. Die Zustimmung des Wegebaulastträgers ist daher nur eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für die Genehmigung durch die Bahn (vgl. B.4 der genannten Checkliste der DB Netz AG). Zum anderen bleibt unklar, ob die Beklagte wirklich behaupten will, die von ihr gewählte Art der Ausführung der Querung - nämlich durch eine Anbringung eines Kunststoffleerrohrs mit Kabelbindern am Brückengeländer (vgl. das Foto auf Seite 14 der Klage) und die anschließende freistehende Führung der Kabelrohre über den Fußgängernotweg (vgl. das Foto auf S. 13 der Klage) - sei in dieser Form von dem Träger der Wegebaulast genehmigt worden. Jedenfalls hat die Beklagte eine entsprechende Genehmigung nicht vorgelegt, obwohl die Klägerin schon in der Klage behauptet hatte, die Genehmigung der Querung der ICE-Trasse sei nicht dokumentiert und in dieser Form auch nicht genehmigungsfähig.

40

cc) Angesichts der vorstehend unter aa) und bb) behandelten Unvollständigkeiten der Dokumentation kann dahin stehen, ob die Dokumentation auch deshalb nicht den vertraglichen Anforderungen genügt, weil sie - wie die Klägerin geltend macht - nicht mit der erforderlichen Genauigkeit erkennen lässt, wo die Trasse verläuft. Insoweit sei lediglich angefügt, dass die Klägerin bereits anhand der ihr übergebenen Unterlagen - und nicht erst vor Ort mit Hilfe eines Trassenortungsbands - bestimmen können muss, wo die von ihr gekauften Rohre liegen. Diese Notwendigkeit besteht schon deshalb, weil die Klägerin bei Anfragen von Tiefbauunternehmen mitteilen können muss, ob ihre Leitungen in einem Bereich liegen, in dem Baumaßnahmen geplant sind. Die Beklagte missversteht den Kaufvertrag, wenn sie meint, aus § 4 Abs. 6 ergebe sich, dass solche Anfragen an sie weiterzuleiten und exklusiv von ihr zu bearbeiten seien. Aus der in § 4 Abs. 6 geregelten Verpflichtung der Klägerin, bei Arbeiten an den zwei von ihr erworbenen Leerrohren die weiteren vier der Beklagten zu schützen und diese zu informieren, folgt nichts dergleichen. Und selbstverständlich ändert der Umstand, dass Tiefbauunternehmen im Hinblick auf mögliche Versorgungsleitungen umsichtig arbeiten müssen, nichts daran, dass Telekommunikationsunternehmen wie die Klägerin schon im Vorhinein in der Lage sein müssen, bei entsprechenden Anfragen präzise Angaben zur Lage ihrer Leitungen machen zu können.

41

b) Die Klägerin war berechtigt, nach § 323 Abs. 1 BGB wegen der unzureichenden Dokumentation vom Kaufvertrag zurückzutreten. § 4 Abs. 4 des Kaufvertrags steht dem nicht entgegen. Mit § 4 Abs. 4 wurde der Käuferin das Recht eingeräumt, vom Vertrag zurückzutreten, wenn die Zusicherungen nach § 4 Abs. 1 nicht eingehalten werden. Ein Ausschluss anderer Rechte des Käufers ist damit nicht verbunden. Dass das nicht beabsichtigt war, zeigt namentlich der Einschub in § 4 Abs. 4, wonach das dort geregelte vertragliche Rücktrittsrecht „vorbehaltlich aller weiteren gesetzlichen und vertraglichen Rechte“ gewährt wird.

42

c) Anders als die Beklagte meint, scheitert der Rücktritt der Klägerin auch nicht an einer Verletzung der handelsrechtlichen Rügeobliegenheit aus § 377 HGB. Zum einen handelt es sich bei der unzureichenden Dokumentation um keinen Sachmangel des Kaufgegenstands, so dass § 377 HGB nicht anwendbar ist. Die im Kaufvertrag vereinbarte Dokumentation ist nicht Teil der Beschaffenheit der verkauften Kabelleerrohre im Sinne von § 434 BGB, sondern betrifft die Beziehungen des Kaufgegenstands zur Umwelt und deren schriftliche Fixierung. Zum anderen wäre die Rügeobliegenheit aus § 377 HGB nach dem Vertrag selbst dann ausgeschlossen, wenn es sich um bei der unzureichenden Dokumentation um einen Sachmangel handeln würde. Nach § 1 Abs. 5 des Kaufvertrags sollte der Käufer die übergebene komplette Dokumentation auf Vollständigkeit prüfen und fehlende oder mangelhafte Dokumentationsunterlagen innerhalb von 6 Monaten nach Übergabe beim Verkäufer nachfordern können. Aus dieser Bestimmung folgt, dass die Käuferin die Dokumentation in aller Ruhe prüfen können sollte und innerhalb von 6 Monaten entdeckte Unvollständigkeiten rügen durfte. Wenn § 377 HGB überhaupt grundsätzlich auf die Dokumentationspflicht anwendbar wäre, wäre er durch diese Regelung abbedungen. Die Prüffrist von 6 Monaten hielte auch einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Denn es erscheint durchaus sachgerecht, dem Käufer hinsichtlich der Dokumentation eine mehrmonatige Prüfungsfrist einzuräumen, da sich etwaige Unvollständigkeiten womöglich erst nach einer zeitaufwendigen und detaillierten Befassung mit den vorgelegten Genehmigungen zeigen.

43

d) Die Unvollständigkeit der Dokumentation ist von der Klägerin insbesondere hinsichtlich der hier interessierenden Gestattungsverträge mit den Forstämtern und der Querung der ICE-Trasse mit dem Schreiben vom 15.05.2014 (Anlage K 4) unter Ziffern 4. und 5. innerhalb der vertraglich eingeräumten Prüffrist gerügt worden. Die in diesem Schreiben gesetzte Frist zur Nacherfüllung bis zum 30.05.2014 war angemessen im Sinne von § 323 Abs. 1 BGB. Es ging nämlich nur um die Nachreichung von Unterlagen, deren Vorhandensein bei der Beklagten nach dem Kaufvertrag vorausgesetzt war. Da sich nämlich die Beklagte in § 1 Abs. 5 zur Übergabe einer kompletten Dokumentation verpflichtet hatte, musste diese vorhanden sein. Es ging also nur darum, dass die Beklagte etwaig fehlende Unterlagen heraussucht und der Klägerin übergibt. Dagegen war die Klägerin nicht verpflichtet, der Beklagten die Gelegenheit zu geben, fehlende Genehmigungen erst noch zu beschaffen, was Monate hätte dauern können. Für das Heraussuchen und die Übersendung vorhandener Unterlagen war aber die Frist von zwei Wochen vollkommen ausreichend. Im Übrigen hätte selbst bei einer zu kurz gesetzten Frist die objektiv erforderliche Frist zu laufen begonnen, die im Zeitpunkt des Rücktritts der Klägerin am 18.06.2014 allemal abgelaufen war.

44

e) Der Rücktritt ist schließlich nicht nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil die Pflichtverletzung unerheblich wäre. Die Klägerin hatte ein erhebliches und berechtigtes Interesse daran, dass die Dokumentation der Pläne, der Genehmigungen und der Gestattungsverträge vollständig ist, damit sie jederzeit gegenüber Dritten nachweisen kann, dass die von ihr gekaufte und in fremden Grund und Boden verlegte Kabelleerohranlage dort liegen bleiben und betrieben werden darf. Soweit die Beklagte mutmaßt, die Klägerin habe der Kauf der Anlage gereut, weil sie nach dem Zusammenschluss mit V. aus wirtschaftlichen Gründen kein Interesse mehr an dieser Trasse gehabt habe, kommt es hierauf nicht an. Die Klägerin war berechtigt, wegen der unvollständigen Dokumentation vom Kaufvertrag zurückzutreten, selbst wenn ihr die Lösung vom Kaufvertrag aus weiteren Gründen gelegen gekommen sein mag. Die Beklagte hätte dies vermeiden können, indem sie den geschlossenen Kaufvertrag auch hinsichtlich der Verpflichtung zur Übergabe einer kompletten Dokumentation ordnungsgemäß erfüllt. Für den von der Beklagten auf Seite 13 des Schriftsatzes vom 12.11.2015 gestellten prozessualen Antrag auf Vorlage von Unterlagen betreffend die nunmehr von der Klägerin genutzte Alternativtrasse gibt es keine rechtliche Grundlage.

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f) Die geforderten Zinsen stehen der Klägerin gemäß §§ 286 Abs. 3, 288 Abs. 1 BGB zu.

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g) Wie von der Klägerin bereits in ihrem zuletzt gestellten Antrag berücksichtigt, ist die Beklagte zur Zahlung Zug um Zug gegen Rückgabe der im Tenor zu 1. aufgeführten Gegenstände und Dateien zu verurteilen. Soweit die Klägerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, sie müsse einzelne Dateien nicht herausgeben, weil sie ihr bereits vor Vertragsschluss übersandt worden seien, kommt es angesichts des von ihr gestellten Antrags nicht darauf an (§ 308 ZPO).

47

h) Vergeblich macht die Beklagte ein weitergehendes Zurückbehaltungsrecht geltend, welches sie darauf stützt, dass die Klägerin verpflichtet sei, ihr an Eides Statt zu versichern, dass sie keine Kopien der zurückzugebenden Unterlagen und Dateien gezogen und behalten habe. Der Beklagten steht kein solcher Gegenanspruch zu, weil es dafür keine Anspruchsgrundlage gibt. Nach § 346 Abs. 1 BGB sind bei einem Rücktritt die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren. Dazu mag es im Einzelfall auch gehören, dass von der anderen Seite übergebene vertrauliche Unterlagen auch nicht in Form von Kopien beim Rückgewährschuldner verbleiben, sondern von diesem vernichtet werden. Einen von vornherein bestehenden Anspruch auf eine eidesstattliche Versicherung des Rückgewährschuldners, dass dies geschehen ist, kennt das Gesetz aber nicht.

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3. Auf den Antrag der Klägerin ist ferner festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der im Tenor zu 1. genannten Gegenstände und Dateien in Annahmeverzug befindet. Der Annahmeverzug der Beklagten folgt aus §§ 298, 294 BGB. Die Klägerin hat der Beklagten die Rückgabe der Ordner mit den Unterlagen und die Rücksendung der E-Mails mit den Dateien im Termin tatsächlich und ordnungsgemäß angeboten. Die Beklagte hat daraufhin die von ihr verlangte Zahlung weiterhin verweigert, weshalb sie nach § 298 BGB in Annahmeverzug geraten ist.

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4. Da die Beklagte unterliegt, hat sie nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

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5. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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6. Die Streitwertfestsetzung erfolgt nach § 63 Abs. 2 GKG. Von dem festgesetzten Streitwert entfallen € 605.475,57 auf den bezifferten Klagantrag zu 1. und € 20.000,00 auf den Klagantrag zu 2. (Feststellungsantrag).

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