Urteil vom Landgericht Köln - 111 Ks 2/16
Tenor
Der Angeklagte wird wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung, wegen Mordes und wegen Diebstahls zu
lebenslanger Freiheitsstrafe
als Gesamtstrafe verurteilt. Von dieser gelten 2 Monate als bereits verbüßt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Angeklagten auferlegt.
Angewandte Vorschriften:
§§ 211 Abs. 1, Abs. 2, Var. 9, 242 Abs. 1, 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alt., 22, 23, 49, 53, 54 Abs. 1 S. 1 StGB
1
Gründe:
2I. Zur Person
31. Werdegang
4Der heute 36-jährige Angeklagte wurde am ### als viertes von acht Kindern seiner Eltern in der Türkei geboren. Er ist kurdischer Abstammung. In der Türkei besuchte er die Grundschule. Er war ein intelligentes Kind, das seinen Eltern keine Schwierigkeiten machte. 1990 zog der Vater des Angeklagten zunächst nach Graz in Österreich, sechs bis sieben Jahre später folgten ihm der Angeklagte und der Rest der Familie nach. Nur der älteste Bruder des Angeklagten, der heute 41-jährige Zeuge B1, verblieb zunächst in der Türkei, bevor er 1997 ebenfalls nach Deutschland zog.
5Im Jahr 2003 heiratete der Angeklagte in der Türkei seine Cousine, die damals etwa 21 Jahre alte Zeugin B2, eine gelernte Zahnarzthelferin, die bereits zuvor in Köln gelebt hatte. Nach der Eheschließung bezogen die Eheleute im März 2003 gemeinsam eine Wohnung in L. Auch weitere Angehörige des Angeklagten zogen in der Folgezeit nach Deutschland, seine Eltern verblieben in Österreich.
6Die Anfangszeit der Ehe des Angeklagten in Deutschland war glücklich. Zwischen dem Angeklagten und seiner Frau entwickelte sich eine Liebesbeziehung. Nachdem er in Deutschland einen etwa 6-monatigen Sprachkurs absolviert hatte, fand der Angeklagte, der über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, Arbeit in der Brotfabrikation bei der Firma L1 in Köln, zunächst über eine Zeitarbeitsfirma, später als Angestellter. Bereits nach kurzer Zeit stellten sich jedoch Probleme in der Ehe ein, weil der Angeklagte begonnen hatte, regelmäßig Geld bei Sportwetten und bei Glücksspielautomaten einzusetzen und zu verspielen. Dies führte zu finanziellen Engpässen und zu Streit zwischen den Eheleuten. Bei den Streitigkeiten wurde der Angeklagte mitunter auch handgreiflich gegenüber seiner Ehefrau.
7Am 04.08.2005 kam die gemeinsame Tochter F zur Welt. Über die Geburt seiner Tochter war der Angeklagte glücklich. Allerdings hatte der Angeklagte auch während der Schwangerschaft seine Frau im Zuge der beschriebenen Streitigkeiten geschlagen.
8Nach der Geburt der Tochter setzten sich die Probleme in der Ehe fort, weil der Angeklagte weiterhin seiner Spielleidenschaft nachging. Er verspielte immer wieder das für den Familienunterhalt vorgesehene Geld. Aufgrund rückständiger Zahlungen wurde zudem der Strom in der Wohnung mehrmals abgestellt. Abgesehen davon, dass die Ehefrau des Angeklagten sich ohnehin darüber ärgerte, dass ihr Mann seinen Lohn verspielte, sorgte sie sich auch darum, dass ihre Tochter durch fehlenden Strom und unzureichende Wärme Schaden nehmen könnte. Die hieraus resultierende erhebliche Belastung der Ehe steigerte sich in der Folgezeit zunehmend. Schließlich veräußerte der Angeklagte sogar den Schmuck, den seine Frau zur Hochzeit geschenkt bekommen hatte, um an Geld zu kommen, was wiederum zu Streit zwischen den Eheleuten führte. Angesichts der Tätlichkeiten des Angeklagten hatte seine Ehefrau im Laufe der Zeit Angst vor ihm. Nach einer weiteren Tätlichkeit des Angeklagten gegen seine Ehefrau erließ das Amtsgericht Köln schließlich auf ihren Antrag unter dem 16.11.2006 eine Gewaltschutzverfügung, mit der dem Angeklagten unter anderem untersagt wurde, sich seiner Frau zu nähern und durch Fernkommunikationsmittel Verbindung zu ihr aufzunehmen.
9In der Folgezeit unternahmen die Eheleute dennoch einen weiteren Versuch des Zusammenlebens in der ehelichen Wohnung. Dort kam es am 05.12.2006 zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Angeklagte seiner Frau mit der Faust schmerzhaft auf den Kopf schlug und sie gegen den rechten Arm boxte. Am 11.02.2007 rief der Angeklagte zudem seine Frau dreimal auf deren Mobiltelefon an und sprach ihr auf die Mailbox. Bei dem ersten Anruf äußerte er, dass er sie umbringen werde, bei den beiden weiteren Anrufen erklärte er, er werde ihr den Kopf abschlagen.
10In den Zeitraum Ende 2006/Anfang 2007 fällt auch die endgültige Trennung der Eheleute B/B2. Die Tochter verblieb bei seiner Ehefrau. Der Angeklagte litt unter der Trennung, da er seine Frau und seine Tochter nach wie vor liebte. Er bemühte sich in der Folgezeit, den Kontakt zu seiner Tochter nicht vollständig abreißen zu lassen, auch nicht, als seine Frau zu einem späteren Zeitpunkt mit der Tochter nach Hamburg zog. Unterhalt zahlte der Angeklagte in der Folgezeit weder für seine Ehefrau noch für seine Tochter. Nach dem endgültigen Auszug aus der ehelichen Wohnung fand der Angeklagte zeitweise Unterkunft in F1, wo sein Bruder B1 und seine Schwester B3 lebten.
11Am 22.07.2007 beging der Angeklagte die Tat zum Nachteil der Geschädigten T, die Gegenstand des vorliegenden Strafverfahrens ist (dazu nachfolgend unter II.).
12In der Zeit vor und nach dieser Tat arbeitete der Angeklagte wiederholt für begrenzte Zeiträume für die Firma L1 in der Brotproduktion. Er übte auch weitere Gelegenheitsjobs aus, wodurch er Einkünfte erzielte. Zeitweise ließ sein Bruder, der Zeuge B1, den Angeklagten auf 400-€-Basis in seiner Verputzer-Firma arbeiten. Zudem arbeitete der Angeklagte regelmäßig „schwarz“ im Imbissbereich. Im Übrigen war der Werdegang des Angeklagten nach der Tatbegehung von häufigen Wohnungswechseln, andauernder Spielsucht und der Begehung von Vermögensdelikten (dazu sogleich) geprägt. Er lebte bisweilen bei Verwandten und Bekannten, die ihn – auch finanziell – unterstützten. Bei einer Gelegenheit nach der vorliegend in Rede stehenden Tat entwendete er aus dem Zimmer seines ältesten Bruders B1, der ihm Unterkunft gewährt hatte, einen Bargeldbetrag in Höhe von 20.000 bis 25.000 €, den er in der Folgezeit verspielte. Nach diesem Vorfall mied der Angeklagte den Kontakt zu seinem Bruder B1.
13Im Jahre 2008 lernte der Angeklagte die Zeugin G kennen, die seinerzeit in einer Spielhalle arbeitete. Sie ging eine Beziehung mit ihm ein. Die Zeugin G wurde schwanger von dem Angeklagten und brachte im Jahre 2009 einen Jungen zur Welt. Zu diesem Zeitpunkt war die Beziehung mit dem Angeklagten jedoch bereits wieder beendet. Auch die Zeugin G hatte sich aufgrund der weiterhin anhaltenden Spielsucht des Angeklagten von ihm getrennt. Der Angeklagte akzeptierte die Trennung, verließ die Wohnung und nahm einen Ring der Zeugin G mit, den er nachfolgend zu Geld machte. Kontakt zu seinem Sohn K unterhielt der Angeklagte in der Folgezeit so gut wie nicht. Unterhalt zahlte er nicht für seinen Sohn.
14Im Jahre 2011 lernte der Angeklagte in einer Unterbringung für Obdachlose den Zeugen B4 kennen. Zwischen ihnen entwickelte sich eine Bekanntschaft, die für etwa zwei Jahre Bestand hatte.
15Im Jahr 2011 oder 2012 lernte der Angeklagte die Zeugin P kennen, die im Jahr 2010 eine Spielhalle in Köln-Kalk als Inhaberin übernommen hatte, in der der Angeklagte regelmäßig verkehrte. Zwischen beiden entwickelte sich eine Freundschaft, aber keine Liebesbeziehung. Der Angeklagte erzählte der Zeugin von seiner Tochter und dass diese in Hamburg lebe. Die Zeugin half ihm in Behördenangelegenheiten und bei Bewerbungen. Der Angeklagte bewahrte in dieser Zeit seine offiziellen Unterlagen in zwei Aktenordnern in der Spielhalle der Zeugin auf. Zudem kaufte sie ihm mehrmals Fahrkarten nach Hamburg, damit er seine Tochter besuchen konnte. Anfang 2014 riss der Kontakt zwischen dem Angeklagten und der Zeugin ab, die zwischenzeitlich von ihrem Ehemann ein Kind erwartete.
16Der Angeklagte litt an Magengeschwüren, die auch operativ behandelt werden mussten. Sonstige Erkrankungen oder Folgen erlittener Unfälle sind nicht bekannt geworden. Er trank keinen Alkohol, gelegentlich konsumierte er Marihuana. Sonstige Drogen nahm der Angeklagte nicht.
172. Vorstrafenstrong>
18Der Angeklagte ist vielfach vorbestraft. Der ihn betreffende Bundeszentralregisterauszug vom 07.06.2016 weist 12 Eintragungen auf.
19a) Aufgrund der festgestellten Vorfälle zum Nachteil seiner früheren Ehefrau B2 im Zeitraum Dezember 2006 bis Februar 2007 wurde der Angeklagte am 26.11.2007 – mithin nach dem vorliegend in Rede stehenden Delikt – durch das Amtsgericht Köln wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Bedrohung in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt (521 Ds 240/07). Die Entscheidung ist seit dem 04.12.2007 rechtskräftig.
20b) Sämtliche weiteren Verurteilungen des Angeklagten beruhen auf Delikten, die er nach der vorliegend in Rede stehenden Tat beging.
21aa) Am 17.08.2009 verurteilte das Amtsgericht Köln den Angeklagten wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30,00 € (521 Ds 112/09). Die Entscheidung ist seit dem 25.08.2009 rechtskräftig. Der Angeklagte war am 13.12.2008 vor der Stadthalle in Köln-Mülheim seiner Frau B2 begegnet, hatte ihr ins Gesicht gespuckt und sie als Hure bezeichnet.
22bb) Am 12.04.2011 setzte das Amtsgericht Brühl gegen den Angeklagten wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall durch Strafbefehl eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10,00 € (50 Ds 8/11) fest. Die Entscheidung ist seit dem 18.11.2011 rechtskräftig.
23Der Angeklagte war in der Nacht vom 21. auf den 22.07.2010 durch die unverschlossene Hintertür in einen Kiosk in der F2 Straße 21 in C eingedrungen. Dort hatte er den rechten von zwei im Kiosk befindlichen Geldspielautomaten aufgebrochen und aus dem Kassenbehälter Bargeld in Höhe von etwa 655,00 € entwendet. Im Anschluss hatte er sich mit der erlangten Beute durch die Hintertür des Ladenlokals vom Tatort entfernt.
24cc) Am 30.03.2012 wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht Köln durch Strafbefehl wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt (521 Cs 137/12). Die Entscheidung ist seit dem 08.05.2012 rechtskräftig.
25Er hatte am 14.11.2011 in Köln seine Wohnung an einen Bekannten untervermietet, ohne den Wohnungseigentümer zuvor um Zustimmung gebeten zu haben. Von dem Bekannten hatte er 700,00 € Kaution kassiert, obwohl er davon ausging, keine Zustimmung zur Untervermietung zu erhalten, die letztlich auch versagt blieb. Dem Angeklagten kam es auf Grund seines Geldmangels darauf an, Barmittel zu erhalten.
26dd) Am 12.04.2012 wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht Köln durch Strafbefehl wegen Erschleichens von Leistungen in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt (521 Cs 153/12). Die Entscheidung ist seit dem 03.05.2012 rechtskräftig.
bsatzRechts">27Er hatte im November/Dezember 2011 bei drei Gelegenheiten Regionalzüge der Deutschen Bahn ohne gültigen Fahrausweis benutzt.
28ee) Am 25.09.2012 verurteilte das Amtsgericht Köln den Angeklagten wegen Erschleichens von Leistungen zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10,00 € (520 Ds 582/12). Die Entscheidung ist seit dem 25.09.2012 rechtskräftig
29Er hatte am 24.04.2012 einen Regionalzug der Deutschen Bahn ohne gültigen Fahrausweis benutzt.
30ff) Am 21.03.2013 wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht Köln durch Strafbefehl wegen Erschleichens von Leistungen zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt (521 Cs 11/13), weil er am 20.10.2012 einen Regionalzug der Deutschen Bahn ohne gültigen Fahrausweis benutzt hatte. Die Entscheidung ist seit dem 12.02.2013 rechtskräftig.
31gg) Am 14.02.2014 wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht Siegburg durch Strafbefehl wegen Erschleichens von Leistungen in sieben Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt (203 Ds 111/13). Die Entscheidung ist seit dem 07.03.2014 rechtskräftig.
32zLinks">Er hatte im Februar/März 2013 bei sieben Gelegenheiten Verkehrsmittel der Deutschen Bahn ohne gültigen Fahrausweis benutzt.
33hh) Am 05.03.2014 wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht Paderborn wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt (75 Ds 1011/13). Die Entscheidung ist seit dem 13.03.2014 rechtskräftig.
34Der Angeklagte hatte am Abend des 19.04.2013 aus der Wohnung einer Bekannten einen Laptop Macbook Pro entwendet und anschließend für 100,00 € weiterverkauft.
35ii) Am 07.03.2014 wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht Bergisch Gladbach durch Strafbefehl wegen Erschleichens von Leistungen zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt (46 Ds 261/13), weil er am 19.11.2012 einen Regionalzug der Deutschen Bahn ohne gültigen Fahrausweis benutzt hatte. Die Entscheidung ist seit dem 04.04.2014 rechtskräftig.
36jj) Unter dem 30.05.2014 bildete das Amtsgericht Paderborn aus den vorgenannten Entscheidungen vom 05.03.2014 und vom 14.02.2014 – unter Auflösung der dortigen Gesamtgeldstrafe – eine Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Die Entscheidung ist seit dem 26.07.2014 rechtskräftig. Die Strafaussetzung wurde in der Folgezeit widerrufen.
37kk) Unter dem 17.06.2014 bildete das Amtsgericht Bergisch Gladbach aus den beiden vorgenannten Entscheidungen vom 07.03.2014 und vom 21.01.2013 eine Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 10,00 €. Die Entscheidung ist seit dem 16.07.2015 rechtskräftig.
38c) Sämtliche vorgenannten Verurteilungen sind vollstreckt. Die Geldstrafen wurden von dem Angeklagten – wenn auch in der Regel erst nach wiederholter Aufforderung und zum Teil auch erst nach konkreter Androhung von Ersatzfreiheitsstrafe – fast vollständig gezahlt. Nur hinsichtlich der am 17.06.2014 gebildeten Gesamtgeldstrafe über 110 Tagessätze zu je 10,00 € zahlte der Angeklagte lediglich 100,00 €. Im Übrigen wurde die Strafe im Jahr 2015 im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt.
39Auch die vorgenannte sechsmonatige Gesamtfreiheitsstrafe verbüßte der Angeklagte in 2015/2016 vollständig. Die Strafvollstreckung ist seit dem 29.02.2016 erledigt.
40II. Zum Tatgeschehen
411. T/Salatbar „T1“
42a) Werdegang Ts
43T, das spätere Tatopfer, wurde am ### als zweites von drei Kindern ihrer Eltern T2 und T3 in M geboren. Im Alter von drei Jahren erlitt sie eine Tumorerkrankung an einem Eierstock und musste im Rahmen der Behandlung eine Vielzahl von Untersuchungen über sich ergehen lassen. Hierüber entwickelte sie eine ausgeprägte Phobie gegenüber Spritzen und sonstigen spitzen Gegenständen, die bis in das Erwachsenenalter fortbestand.
44T verlebte in M eine glückliche Kindheit und Jugend. Sie hatte viele Verwandte sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Aufgrund ihrer offenen und herzlichen Art war sie bei Freunden und Verwandten gleichermaßen beliebt.
45Nachdem sie in M die Schule absolviert und mit dem Fachabitur erfolgreich abgeschlossen hatte, machte sie zunächst im Großbäckereibetrieb ihrer Eltern eine Ausbildung zur Bürokauffrau. Anschließend besuchte sie in Köln ein Jahr lang eine Kosmetikschule, bevor sie in einem Hotel ein Praktikum im Wellnessbereich machte. Danach arbeitete sie aushilfsweise in verschiedenen Bereichen. Im Jahr 2006 entwickelte sie gemeinsam mit ihrem Bruder, dem Zeugen T4, die Idee, ein Ladenlokal zu eröffnen, das auf Gesundheitsfastfood spezialisiert ist. Ihr Bruder T4 hatte zuvor auf einer Australienreise entsprechende Ladenlokale kennengelernt. Nach einer weiteren gemeinsamen Australienreise waren die Geschwister davon überzeugt, dass diese Geschäftsidee auch in Deutschland erfolgreich sein könnte. Sie entwickelten ein entsprechendes Konzept und einen Businessplan. Nachdem über Familienmitglieder die Finanzierung gesichert werden konnte, eröffneten die Geschwister im Frühjahr 2007 die Salatbar „T1“ in der Hstraße 33 und damit in zentraler Lage in Köln. Zwischen den Geschwistern war die Arbeit so aufgeteilt, dass T im Verkaufsraum für die Annahme der Bestellungen und die Kasse zuständig war, während der Zeuge T4 im Küchenbereich Speisen zubereitete. Die Salatbar war von montags bis samstags jeweils von 10:00 Uhr bis 20:00 Uhr geöffnet. Nach Ladenschluss wurden in der Regel die Lebensmittelbestellungen für den nächsten Tag vorbereitet und die Kasse abgerechnet. T und ihr Bruder T4 ließen immer einen Geldbetrag von mehreren hundert Euro in dem Ladenlokal, um hiermit am nächsten Verkaufstag wieder die Kasse bestücken zu können. Auch brachten sie die Einnahmen nicht täglich zur Bank, sondern warteten mitunter mehrere Tage, bis es sich aus ihrer Sicht lohnte, diese zur Bank zu bringen.
46Die Salatbar lief von Beginn an ausgesprochen erfolgreich, die Geschwister mussten bereits in den ersten Monaten mehrere Mitarbeiter einstellen, um dem Kundenandrang gerecht werden zu können. Auch bei ihren Kunden und Angestellten war T ausgesprochen beliebt.
47b) Tatortbeschreibung
48Die Hstraße liegt im Kölner Innenstadtbereich in der Nähe des Neumarkts. Die einspurige Straße verläuft in Nord-Süd-Richtung und wird nördlich von der Breiten Straße, südlich von der Apostelnstraße begrenzt. Sie ist beidseitig mit mehrgeschossigen, in geschlossener Bauweise errichteten Wohnhäusern bebaut, in deren Erdgeschoss sich jeweils in der Regel Geschäfts- oder Gastronomiebetriebe befinden. Die Gesamtlänge der Hstraße beträgt ca. 200 Meter. Etwa mittig mündet von Osten kommend die Wolfsstraße in einer T-Kreuzung in die Hstraße. Die Salatbar „T1“ liegt etwas nördlich von der Einmündung der Wolfsstraße auf der westlichen Seite der Hstraße. Wegen der Einzelheiten wird ergänzend auf das Lichtbild 1.5, Bl. 29 BMH, verwiesen, das den nördlichen Bereich der Hstraße von der Einmündung der Wolfsstraße aus zeigt,
49Die Salatbar „T1“ war in einen Verkaufsraum und einen zweigeteilten Küchenbereich unterteilt. Durch eine im linken Bereich der Ladenfront gelegene, gläserne Eingangstür erreichte man über die Hstraße den Verkaufsraum des Lokals. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder 1.6 bis 1.9, Bl. 29 ff. BMH, Bezug genommen. Der Verkaufsraum hat eine Grundfläche von ca. 20 m². Nach wenigen Schritten erreichte man die ca. 3,50 Meter lange und 1,20 Meter hohe Verkaufstheke, die bei Draufsicht links mit der Seitenwand des Raumes abschloss. Im rechten Bereich der Theke befand sich die Kasse. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder 2.1 bis 2.3, Bl. 32 f. BMH, verwiesen. Unterhalb der Kasse war ein von der Verkaufsseite aus erreichbares offenes Regal mit vier Fächern angebracht, neben diesem ein Unterschrank mit nicht verschließbaren Flügeltüren. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf die Lichtbilder 2.7, 2.9, Bl. 35 f. BMH, Bezug genommen.
50Im rechten Bereich war der Verkaufsraum zur Tatzeit mit zwei Stehtischen und Barhockern ausgestattet. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf die Lichtbilder 2.3, 2.4, Bl. 33 d. A., und 1.9., Bl. 31 BMH, Bezug genommen. Vor der parallel zur Ladenfront verlaufenden Rückwand des Verkaufsraumes standen zur Tatzeit Anrichten, Regale und Aufbewahrungsmöglichkeiten für Speisen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder 2.11, 2.12, Bl. 37 BMH, verwiesen.
51Durch eine etwa 2 mal 1 Meter große Öffnung im mittleren Bereich der rückwärtigen Wand des Verkaufsraums erreichte man die Küche. Diese war durch eine parallel zur Ladenfront verlaufende Wand in zwei etwa gleich große Bereiche unterteilt. Die Wand wies im rechten und im linken Bereich jeweils Durchgänge zwischen vorderem und hinterem Küchenbereich auf. Im vorderen Küchenbereich befanden sich zur Tatzeit insbesondere Regale, ein Backofen und eine große Anrichte aus Edelstahl, auf der diverse Küchengerätschaften platziert waren. Die Anrichte verfügte über zwei Unterschränke mit Schiebetüren. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder 3.4 und 3.5, Bl. 40 f. BMH, Bezug genommen.
52Die Anrichte war so positioniert, dass sie den linken Durchgang zum hinteren Küchenbereich versperrte. In diesem Durchgang befand sich zudem ein von dem hinteren Küchenbereich aus zugänglicher, etwa hüfthoher Kühlschrank. Durch die darüber befindliche verbliebene Öffnung des linken Durchgangs war der hintere Küchenbereich einsehbar. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder 3.4 und 3.5, Bl. 40 f. BMH, verwiesen. Der hintere Küchenbereich war mit weiteren Regalen, mehreren Spülbecken und – im hinteren Bereich etwa gegenüber dem vorgenannten linken Durchgang gelegen – einem Kühlraum ausgestattet. Wegen der Einzelheiten wird auf das Lichtbild 4.2, Bl. 44 BMH, Bezug genommen. Die Grundfläche des Kühlraums betrug etwa 1,5 x 1,5 Meter, die Höhe etwa 1,80 Meter. Der Kühlraum war von der Außenseite durch Zug an dem Griff im rechten Bereich der Tür in etwa 0,7 Meter Höhe zu öffnen. Auch von innen ließ sich die Tür durch Druck gegen den dort auf gleicher Höhe befindlichen Türgriff entriegeln.
53c) Tatvorgeschehen bezüglich T
54Das Wochenende vor der Tat verbrachte T in M, weil dort die Hochzeitsfeier eines Cousins stattfand, zu der sie eingeladen war. Sie reiste am Donnerstag, den 19.07.2007, an. Die Zeit in M verbrachte sie mit ihrer Familie sowie – in erster Linie – mit dem Zeugen A, mit dem sie wenige Monate zuvor eine Beziehung eingegangen war. Am Sonntagabend, den 22.07.2007, fuhr T – alleine – mit dem Zug um 19:44 Uhr wieder von M zurück nach Köln. Sie führte eine Sporttasche der Marke Dunlop, ihre Handtasche und eine Plastiktüte mit sich. In einer der Taschen befand sich ihr Mobiltelefon sowie ihr Portemonnaie und eine Rolle Euro-Münzen. Während der Fahrt telefonierte sie mit ihrem Bruder T4 und teilte diesem mit, dass sie sich nach der Ankunft in Köln in die unweit vom Hauptbahnhof gelegene Salatbar begeben werde, um die Bestellungen für den nächsten Tag vorzubereiten. Kurz danach riss das Gespräch ab, weil der Akku ihres Mobiltelefons leer war. Nach ihrer Ankunft am Kölner Hauptbahnhof um 22:14 Uhr begab sich T mit der U-Bahn zu der Salatbar. Dort traf sie zwischen 22:30 Uhr und 22:45 Uhr ein. Sie schloss die Tür zur Salatbar auf, ließ den Schlüssel von außen im Schloss stecken und die Tür – angesichts sommerlicher Temperaturen – offen stehen. Sie schaltete die Beleuchtung des Ladenlokals ein. Ihre Taschen legte sie auf den hinteren Stehtisch im rechten Bereich des Verkaufsraums, die Plastiktüte auf einen Hocker vor diesem Tisch. In dem Ladenlokal befand sich zu diesem Zeitpunkt ein Bargeldbetrag iHv. insgesamt 1.831,61 €. 755,00 € lagen frei zugänglich in dem vom Verkaufsbereich zugänglichen Unterschrank in der Verkaufstheke. Weitere 1.076,61 € wurden in einer verschlossenen Geldkassette im linken Unterschrank der Anrichte im vorderen Küchenbereich aufbewahrt. Der Schlüssel zu dieser Geldkassette lag zur Tatzeit auf einer Metallstrebe des linksseitig der Anrichte positionierten Backofens.
55Kurz nachdem T die Salatbar betreten hatte, passierten – zeitlich nacheinander – die Zeuginnen T5 und I das Ladenlokal und bemerkten, dass in diesem das Licht eingeschaltet war.
562. Tatvorgeschehen bezüglich des Angeklagten
57Der Angeklagte lebte zur Tatzeit in F1 und war dort als Aushilfskraft in der Verputzer-Firma „D-Bau“ seines Bruders B1 tätig. Den Tattag, den 22.07.2007, hatte er in Köln verbracht. Gegen Abend hielt er sich im Bereich des Neumarkts und des Rudolfplatzes unter anderem in einer Spielhalle auf. Dort verspielte er einen Betrag von 100,00 €, den er sich zuvor von einem Bekannten geliehen hatte. Im Laufe des Abends rauchte der Angeklagte 1,5 bis 2 Joints Marihuana. In den späten Abendstunden – vermutlich kurz nach 23:00 Uhr – ging er die Hstraße entlang. Zu diesem Zeitpunkt führte er Bargeld in Höhe von mindestens 20,00 € und in seiner Jacke ein langes Messer mit einer feststehenden scharfen Klinge mit sich. Dieses Messer hatte er zuvor einem Bekannten entwendet, der den Angeklagten bei sich hatte übernachten lassen.
58Der Angeklagte bemerkte die offen stehende Eingangstür der Salatbar. Er sah niemanden in dem beleuchteten Verkaufsraum.
593. Die Tat
60In der Hoffnung, Stehlenswertes zu finden, und der Absicht, sich dieses rechtswidrig zuzueignen, betrat der Angeklagte die Salatbar. Er rauchte zu diesem Zeitpunkt eine Zigarette. Diese legte er, ohne sie vorher auszudrücken, im Ladeninneren auf die Theke neben der Kasse, vermutlich um die Hände frei zu haben, um nach Stehlenswertem suchen zu können. T befand sich zu diesem Zeitpunkt im hinteren Bereich des Ladenlokals vor dem Kühlraum und notierte die Warenbestellungen für den nächsten Tag. Sie erschrak, als sie den Angeklagten bemerkte und sprach ihn an. Als der Angeklagte sie erblickte, fasste er in der Absicht, sich zu Unrecht zu bereichern, den Entschluss, sie zu zwingen, ihm Geld zu geben. Er begab sich deshalb zu ihr, griff ihr an den Hals und forderte sie auf, ihm Geld zu geben. T antwortete, dass sie das tun werde und flehte ihn an, ihr nichts anzutun. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, zog der Angeklagte dennoch das von ihm mitgeführte Messer hervor. Als T dieses erblickte, begann sie vor Angst laut zu schreien.
61Mit dieser Reaktion hatte der Angeklagte nicht gerechnet. Er fürchtete, dass durch die Schreie andere Personen auf das Geschehen aufmerksam würden, einschreiten und ihn daran hindern könnten, vom Tatort zu fliehen. In dieser Situation entschloss er sich spontan, das Messer gegen T einzusetzen, um sie zum Schweigen zu bringen. Während sie vergeblich versuchte, die Stiche abzuwehren, stach er mehrfach wuchtvoll auf sie ein. Hierbei erkannte er, dass T an den Folgen der ihr zugefügten Verletzungen versterben könnte, und nahm ihren Tod zumindest billigend in Kauf.
62Er fügte ihr insgesamt sieben Stich- und vier Schnittverletzungen zu. Ein Stich traf T in der rechten Schläfenregion, durchstieß das Jochbein, den Oberkieferknochen und den Gaumen und endete in der Mundregion. Ein weiterer Stich verlief im Bereich der Kinnspitze parallel zum Mundboden von vorne nach hinten bis kurz vor den Rachenraum. Im Verlauf wurde die linke große Halsvene kurzstreckig eröffnet. Die minimale Stichkanallänge betrug ca. 11 cm. Ein weiterer Stich verlief im Bereich der rechten Brust annähernd horizontal von rechts außen vorne nach links innen hinten. Im Verlauf wurden die Brustwarze, der Brustdrüsenkörper, die 4. Rippe im knorpeligen Anteil, der rechte Lungenmittellappen am herznahen Anteil, der Herzbeutel, das rechte Herzohr und der aufsteigende Ast der Körperhauptschlagader durchsetzt. Die minimale Stichkanallänge betrug ca. 16,5 cm. Ein Stich traf das rechte Knie Ts und führte zu einer kompletten Durchtrennung der Kniescheibe. Zudem fügte der Angeklagte dem Tatopfer drei Stichverletzungen im rechten Oberarm zu. Eine von diesen wies eine minimale Stichkanallänge von 6 cm, eine weitere eine solche von 15 cm auf. Die dritte Stichverletzung im rechten Oberarm verlief nur oberflächlich an der rechten Oberarmrückseite. Die – wenig tiefgreifenden – Schnittverletzungen erlitt T im Bereich der rechten, speichenwärtigen Unterarmbeugeseite, des linken Daumengrundgelenks und der linken Handkante.
63T war im Verlauf des Tatgeschehens zu Boden gegangen. Der Angeklagte schob die schwerverletzte T in den Kühlraum und schloss von außen die Tür. Er wollte hierdurch für einen möglichst langen Zeitraum verhindern, dass das Tatopfer von Passanten oder Anwohnern gesehen und/oder gehört würde, um sich unerkannt und unbehelligt vom Tatort entfernen zu können.
64Anschließend begab der Angeklagte sich in Richtung des Ausgangs der Salatbar. Auf dem Weg dorthin fiel sein Blick auf die Taschen auf dem Stehtisch im Verkaufsbereich. In der Absicht die Taschen T dauerhaft zu entziehen und deren womöglich werthaltigen Inhalt jedenfalls zeitweise seinem Vermögen einzuverleiben, nahm er diese an sich.
65Ohne in dem Ladenlokal weiter nach Bargeld zu suchen, verließ er die Salatbar, schloss die Eingangstür und flüchtete anschließend unerkannt vom Tatort. Die von ihm angerauchte Zigarette blieb auf der Theke liegen und brannte sich in diese ein, bis sie schließlich erlosch.
66Der Angeklagte war im Zeitpunkt der Tatausführung uneingeschränkt schuldfähig.
67T verstarb binnen kurzer Zeit – etwa 15 Minuten nach Beibringung der Verletzungen – aufgrund des erheblichen Blutverlustes. Sie wurde am nächsten Morgen gegen 08:00 Uhr von ihrem Bruder T4 tot in dem Kühlraum aufgefunden.
684. Nachtatgeschehen
69Der Angeklagte begab sich kurze Zeit nach der Tat zu seiner Wohnung in F1. Die Taschen der Getöteten sowie seine eigene Kleidung entsorgte er in einem Altkleidercontainer. Die Ausweispapiere und sonstigen Karten aus dem Portemonnaie von T, auch die SIM-Karte des Mobiltelefons, verbrannte er. Die Münzgeldrolle nahm er an sich. Einen ebenfalls in der Tasche befindlichen Schlüsselbund warf der Angeklagte in F1 in einen Teich. Auf dem Firmengelände der Verputzer-Firma seines Bruders beseitigte er das Tatmesser in einem Container, in dem Metallteile entsorgt wurden. Dort las er zudem in einer Zeitung, dass T in der Salatbar am Morgen nach der Tat tot aufgefunden worden war. Daraufhin verließ er seine Wohnung zunächst für einige Tage nicht. Im weiteren Verlauf begab sich der Angeklagte mit dem Bus von F1 über Frankfurt und Wien zunächst nach Graz zu seinen Eltern. Am Wiener Hauptbahnhof entsorgte er das Mobiltelefon von T in einem Abfalleimer. Von Österreich aus flog der Angeklagte in die Türkei, bevor er später – wahrscheinlich im September 2007 – wieder nach Deutschland zurückkehrte. Hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Werdegangs des Angeklagten bis zu seiner Festnahme im Jahr 2015 wird auf die Ausführungen unter I.1. verwiesen.
705. Polizeiliche Ermittlungen
71a)
72Die Ermittlungen wurden in der Folge von der Mordkommission „MK T1“ des Polizeipräsidiums Köln geführt. Am Tatort war an der auf der Theke zurückgelassenen Zigarettenkippe eine DNA-Spur einer männlichen Person detektiert worden. Diese konnte dem Angeklagten nicht zugeordnet werden, da er zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in der DNA-Analyse-Datei (DAD) erfasst war. Weiterhin wurde festgestellt, dass sich das betreffende DNA-Muster auch in einer Mischspur am äußeren Griff der Kühlraumtür befand.
73Die übrigen sowohl in Köln als auch in M umfangreich geführten Ermittlungen erbrachten keinen Hinweis auf einen möglichen Tatverdächtigen.
74b)
75Am 14.10.2015 übermittelte das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen einen zu der DNA-Spur an der Zigarettenkippe von der Theke der Salatbar passenden Treffer aus der DNA-Analyse-Datei, nachdem der Angeklagte in einem anderen Ermittlungsverfahren eine Speichelprobe abgegeben hatte und sein DNA-Muster in die DNA-Analyse-Datei eingestellt worden war. Das Amtsgericht Köln erließ daraufhin auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 30.10.2015 Haftbefehl (506 Gs 1896/15) gegen den Angeklagten. Zudem wurde mit Beschluss vom selben Tag auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Durchsuchung des Haftraumes des Angeklagten (506 Gs 1897/15) angeordnet.
766. Polizeiliche Beschuldigtenvernehmung
77Der Angeklagte befand sich zu dieser Zeit in der JVA Hamburg-Billwerder in Strafhaft. Dort verbüßte er die unter I.2. genannte sechsmonatige Gesamtfreiheitsstrafe (Amtsgericht Paderborn, Az.: 75 Ds 1011/13). Am Morgen des 04.11.2015 wurde er mit einem Gefangenentransport in den Gewahrsamstrakt des LKA Hamburg verbracht. Dass er dort von den aus Köln angereisten Kriminalbeamten KHK L2 und KHK L2 zu dem hier in Rede stehenden Tatvorwurf vernommen werden sollte, wurde dem Angeklagten vor Eintreffen im LKA nicht mitgeteilt.
78Die Beschuldigtenvernehmung des Angeklagten fand in Anwesenheit eines Dolmetschers für die türkische Sprache, des Zeugen B5, statt. Der Angeklagte wurde zu Beginn der Vernehmung unter anderem darüber informiert, dass gegen ihn der dringende Tatverdacht bestehe, im Jahre 2007 in Köln ein Tötungsdelikt zum Nachteil der T begangen zu haben. Er wurde darauf hingewiesen, dass es ihm freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor der Vernehmung, einen von ihm gewählten Verteidiger zu befragen.
79Gleich zu Beginn der Vernehmung hat der Angeklagte spontan angegeben, dass er auf diesen Tag gewartet habe. Er habe Tag und Nacht darauf gewartet, dass irgendwann die Polizei wegen dieser Sache zu ihm komme. Er benötige keinen Anwalt, er werde alles sagen.
80Er hat den Kriminalbeamten sodann zunächst eine Einlassung unterbreitet, die er sich zuvor für den Fall, dass er von der Polizei auf die Tat angesprochen würde, zurechtgelegt hatte. Hiernach habe er vor der Tat in Köln "drei Leute" kennengelernt, mit denen er sich seinerzeit Tag und Nacht in Spielhallen aufgehalten habe. Hierbei habe es sich um einen B6, einen B7 und einen Z gehandelt. Mit diesen Personen sei er damals auf der Suche nach Geld immer nachts zu Fuß unterwegs gewesen. Am Tattag habe man sich in der Kölner Innenstadt aufgehalten.
81An die Straße, in der sich der Laden befunden habe, in dem das Mädchen gewesen sei, könne er sich nicht erinnern. Z und B7 hätten sich in die Bar begeben, während er selbst vor der Tür eine Zigarette geraucht habe. B6 habe an einem benachbarten Fotoladen Schmiere gestanden. Er habe gehört, wie in dem Laden ein Mädchen laut gerufen habe: „Ich gebe euch, ich gebe euch. Bitte, bitte.“ Schließlich sei Z aus dem Laden gekommen, habe geflucht und gesagt, dass alles schiefgegangen sei. Später sei B7 mit Taschen aus dem Laden gekommen. An dessen Händen und seiner Kleidung sei Blut gewesen. B7 habe an diesem Abend ein großes, scharfes, ca. 20 cm langes „Rambomesser“ mitgeführt. Am Folgetag habe er der Kölner Tageszeitung „F4“ entnommen, dass es sich bei der Tat um einen Mord gehandelt habe. Er selbst sei zu keinem Zeitpunkt im Inneren der Salatbar gewesen. Auch auf wiederholte Nachfrage ist der Angeklagte zunächst dabei geblieben, dass er selbst nicht in der Salatbar gewesen sei.
82Als der Zeuge KHK L2 dem Angeklagten sodann vorgehalten hat, dass dieser jetzt bereits dreimal die Frage verneint habe, ob er in dem Laden gewesen sei und ihn daran erinnert hatte, dass er, der Angeklagte, angekündigt habe, die Wahrheit zu sagen, hat der Angeklagte geantwortet: „das kommt sowieso raus.“ Er entschuldige sich dafür, dass er nicht ehrlich gewesen sei. Er wolle ein Geständnis ablegen.
83Sodann hat der Angeklagte zunächst Angaben zu seinem Werdegang gemacht. Er sei damals mit seiner Frau so glücklich gewesen, habe eine gute Familie gehabt. Auf dem Weg zu seiner Abreit bei der Firma L1 hätten fünf türkische Kneipen gelegen, in denen er am Wochenende immer Fußball geschaut habe. In dieser Zeit sei er spielsüchtig geworden. Er habe zunächst Geld gewonnen, die Gewinne anschließend jedoch wieder verspielt. Wegen der Spielerei habe er auch seine Frau geschlagen, obwohl sie schwanger gewesen sei. Seine Spielsucht habe zu Streit in der gesamten Großfamilie geführt. Selbst wenn der Kühlschrank leer und der Strom abgestellt gewesen sei, sei er weiter spielen gegangen.
84Zum Tatgeschehen hat er sich anschließend dahingehend eingelassen, dass er die Tat alleine begangen habe. Sonst sei niemand dabei gewesen. "Diese Leute", die er zunächst benannt habe, kenne er zwar, er habe mit ihnen aber nichts zu tun. Er habe jemand anderen für die Tat verantwortlich machen wollen, obwohl er genau gewusst habe, dass er selbst der Täter sei.
85Am Tattag sei er unterwegs gewesen und habe in verschiedenen Spielhallen Geld verspielt. Er habe sich bei einem Mitarbeiter einer Spielhalle 100,00 € geliehen, die er anschließend ebenfalls verspielt habe. Sodann sei er „in diese Straße“ gegangen. er glaube, es sei dunkel gewesen, könne sich jedoch nicht an die Uhrzeit erinnern. Er sei durcheinander gewesen. In seiner Jacke habe er das zuvor beschriebene „Rambomesser“ bei sich geführt. Dieses habe er zuvor einem Bekannten entwendet, der ihn bei sich habe übernachten lassen. Die Ladentüre zu dem Salatladen habe weit offen gestanden. Er habe niemanden gesehen. Er habe schon vor der Türe geraucht. Als er reingegangen sei, sei in dem Laden keiner gewesen. Er sei nach hinten gegangen.
86Zum Kerngeschehen hat sich der Angeklagte dahingehend eingelassen, dass „sie“ sich erschreckt habe. Er habe zu ihr gesagt, dass sie ihm Geld geben solle. Sie habe ihn angefleht. Dann habe er das Messer genommen. Er könne sich nicht mehr genau erinnern. Er habe mit dem Messer gefuchtelt. Er habe nicht hingeschaut. Dann habe er sie am Hals verletzt. Wo genau, wisse er nicht. Er habe auch noch gesehen, dass er sie an den Händen verletzt habe.
87Auf Befragen hat der Angeklagte weiter angegeben, dass T hinten im Laden gewesen sei. Er glaube, dort habe sich ein Kühlraum befunden. Sie sei wohl gerade dabei gewesen, aufzuschreiben, was sie alles brauche. Als sie auf dem Boden gewesen sei, habe er nicht gewusst, was er machen solle. Er habe die Taschen genommen und sei raus.
88Auf die Frage, wie oft er zugestochen habe, hat der Angeklagte sich dahingehend eingelassen, dass dies zweimal, vielleicht auch dreimal gewesen sei, er könne sich nicht erinnern. T habe ihm gesagt, dass sie ihm Geld geben würde. Er habe trotzdem das Messer genommen. Sie habe angefangen zu schreien. Er habe ihr gesagt, sie solle damit aufhören. Dann habe er zugestochen, immer wieder. In dem Moment sei sie runtergefallen. Er habe Blut gesehen und sich gedacht, was er bloß getan habe.
89Im weiteren Verlauf der Vernehmung hat sich der Angeklagte zum Kerngeschehen dahingehend eingelassen, dass „sie“ immer wieder gesagt habe: „Ich bitte dich, ich bitte dich, tu mir nichts.“ Auf die Frage, ob er da schon das Messer in der Hand gehabt habe, hat der Angeklagte geantwortet, dass er sie erst mit seinen Händen angefasst habe. Er habe ihr gesagt, dass er nichts machen werde und sie keine Angst zu haben brauche. Dann habe sie geschrien. In dem Moment habe er Angst bekommen, dass jemand kommen könnte. Dann habe er das Messer aus der Jacke genommen. Er habe eine Bewegung mit dem Messer gemacht und sie am Hals, vielleicht auch im Gesicht, verletzt. Er habe auf jeden Fall zweimal, vielleicht auch dreimal zugestochen. Auf Nachfrage, ob es auch mehr Stiche gewesen sein könnten, hat er angegeben, dies nicht zu wissen. Es könne sein, dass er mehrmals zugestochen habe. Er wisse nicht, warum er das gemacht habe. Sie sei auf den Boden gefallen. Als er Blut von ihr gesehen habe, sei er schockiert gewesen.
90Auf Nachfrage hat der Angeklagte seine Angabe wiederholt, dass das Tatopfer nach den Stichen auf dem Boden vor der Kühlraumtür gelegen habe. Auf den Vorhalt, dass sie in dem Kühlraum aufgefunden worden sei und die Tür des Kühlraumes geschlossen gewesen sei, hat der Angeklagte geäußert, dass es möglich sei, dass er sie eingesperrt habe. Er könne sich daran aber nicht mehr erinnern. Wenn die Tür ganz zu gewesen sei, so habe er sie auch zugemacht. Wörtlich hat er hierzu angegeben: „Wer soll es sonst gewesen sein?“.
91Er habe sodann die Taschen an sich genommen und das Ladenlokal verlassen. Er habe nicht gewusst, ob sie lebe oder tot sei. Draußen habe er sich gefragt, warum er die Taschen überhaupt mitgenommen habe. Es seien drei oder vier Taschen gewesen. Eine kleine Tasche sei in einer großen Tasche gewesen. In der kleinen Tasche habe sich ein Schlüssel und ein Schiebe-Handy der Marke Samsung befunden. In einem Portemonnaie seien Karten und Ausweise des Tatopfers gewesen. In einer der Taschen habe sich zudem eine Rolle Münzgeld befunden.
92Auf Nachfrage hat der Angeklagte angegeben, dass er noch nie in seinem Leben Alkohol getrunken habe. Er habe jedoch am Tattag zwei Joints Marihuana geraucht. Süchtig sei er nicht gewesen.
93Zu seinem Verhalten nach der Tat hat der Angeklagte sich wie festgestellt eingelassen. Gegen Ende der Vernehmung hat der Angeklagte noch einmal betont, dass es ihm für alle Beteiligten leid tue, dass das passiert sei. Er hätte alles gemacht, wenn er die Sache hätte rückgängig machen können. Dies sei jedoch nicht möglich. Er sei froh, dass jetzt alles rausgekommen sei. Er wolle sich bei allen Leuten entschuldigen. Er wisse nicht, warum er das getan habe.
94Nach Abschluss der Vernehmung hat der Zeuge KHK L2 den Angeklagten ergänzend befragt, ob dieser irgendwem von der Tat erzählt habe. Dies hat der Angeklagte bejaht. Sein Bruder B1 wisse, dass er ein Mädchen umgebracht habe. Details habe er ihm nicht geschildert.
95Dem Angeklagten ist während der Vernehmung gestattet worden, zu rauchen, zudem ist ihm Wasser und Kaffee zum Trinken gereicht worden. Ihm ist auch angeboten worden, etwas zu essen, was er jedoch dankend abgelehnt hat. Er konnte auch regelmäßig auf die Toilette gehen, wenn der danach gefragt hat. Insgesamt wurde die Vernehmung für drei Toilettenpausen unterbrochen.
967. Angaben auf der Fahrt zur JVA
97Nach der Beschuldigtenvernnehmung wurde der Angeklagte durch die Kölner Polizeibeamten KHK I1 und KOK W im Gewahrsamstrakt des LKA Hamburg aufgesucht, um ihn dort abzuholen, ihn in die JVA Hamburg-Billwerder zu überführen und dort den Beschluss zur Durchsuchung seiner Zelle zu vollstrecken. Dies wurde dem Angeklagten durch die beiden Polizeibeamten erklärt. Schon vor Fahrtantritt suchte der Angeklagte den Gesprächskontakt zu den beiden Polizeibeamten. Der Zeuge KHK I1 belehrte den Angeklagten, dass dieser nach wie vor das Recht habe zu schweigen und dass Gespräche zwischen ihm und der Polizei eine Aussage darstellten und als solche schriftlich niedergelegt werden müssten. Der Angeklagte hat daraufhin angegeben, dass ihm dies egal sei, weil er schon eben bei den Kollegen „alles ausgesagt“ habe. Er habe das Leben seiner Familie und das der Familie des Opfers zerstört.
98Auf der ca. 40-minütigen Fahrt zur JVA hat der Angeklagte unter anderem gegenüber den Polizeibeamten angegeben, dass sein Bruder nichts mit der Tat zu tun habe, dass dieser aber zu 90% wisse, wie und warum sich die Tat ereignet habe. Auf die Frage, ob er seinem Bruder denn auch die Geschichte mit den drei Tätern erzählt habe, hat er geantwortet, dass er seinem Bruder berichtet habe, wie es wirklich passiert sei. Er hat weiter angegeben, dass er, der Angeklagte, das Mädchen erstochen habe. Ungefragt hat er hinzugefügt, dass das nicht passiert wäre, wenn sie ihm das Geld gegeben und nicht geschrien hätte.
998. Angaben gegenüber dem Haftrichter
100Am 09.11.2015 ist der Angeklagte dem Haftrichter am Amtsgericht Hamburg vorgeführt und von diesem als Beschuldigter zu dem auf Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge lautenden Tatvorwurf vernommen worden. Diesem gegenüber hat er sich zur Sache wie folgt eingelassen:
101„Ich möchte heute auch ohne Anwalt zur Sache aussagen. Der Tatvorwurf trifft zu. Ich kann mich aber nicht erinnern, wie oft ich zugestochen habe und warum ich das überhaupt getan habe. Ich bin jetzt aber froh und erleichtert, dass die Sache aufgeklärt ist; ich musste 8 Jahre mit dieser Schuld leben, das hat mich sehr belastet. Ich bereue es zutiefst. Ich werde mit der Schuld bis zu meinem Tod leben müssen. Ich habe nicht nur diese Frau getötet, ich habe auch das Leben meiner Tochter ruiniert.
102Ich bin damals zufällig am Imbiss in der Hstraße vorbeigegangen. Die Tür war offen. Ich bin dann reingegangen. Drinnen war zunächst niemand zu sehen. Wenn die Frau vorne im Imbiss gewesen wäre, wäre ich wohl gar nicht reingegangen. Ich hatte damals 200,00 € oder 300,00 € verzockt. Ich hatte aber immer Geld. Ich habe damals am Tag 80,00 € bis 90,00 € verdient. Ich habe als Pizzabäcker und Dönerverkäufer gearbeitet. Ich kann gar nicht sagen, warum ich in den Salatimbiss reingegangen bin. Wenn man reinkommt war rechts ein Tisch und dann ein Tresen. Darüber dann beleuchtete Schilder mit dem Speisenangebot. Zunächst war niemand zu sehen. Man konnte rechts am Tresen vorbeigehen. Hinter dem Tresen, vom Eingang aus links, hinter einer kleinen Trennwand, stand die Frau. Die war mit Papieren beschäftigt, soweit ich erinnere. Schon als ich in den Laden reingekommen bin, hatte ich bei dem rechtsstehenden Stehtisch zwei Taschen gesehen. Ich war ja nun hinter dem Tresen und die Frau sagte, es sei schon geschlossen. Ich habe ihr gesagt, ich bräuchte Geld. Sie hat gesagt, sie würde mir was geben. Ich habe gesagt, ich würde ihr nichts tun. Ich habe sie dann am Hals gehalten, als ich das gesagt habe. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch kein Messer in der Hand gehabt. Ich hatte das Messer in der Jackentasche. Das war ein größeres Kampfmesser, sehr scharf, mit spitzer Klinge. Ich habe das Messer dann rausgeholt. Die Frau hat dann laut geschrien.
103Die Frau ist dann umgestürzt und ich habe das Blut gesehen. Ich wusste dann gar nicht mehr was ich machen soll. Sie tat mir dann auch leid. Ich habe überlegt, dass ich etwas unternehmen sollte, um das Blut zu stoppen. Als ich dann rauskam, daneben war so ein Sportgeschäft, habe ich gemerkt, dass ich die beiden Taschen in der Hand hatte. Ich kann mir gar nicht erklären, wieso ich sie dabei hatte. Ich habe erst von der Polizei erfahren, dass ich auch ins Gesicht gestochen haben soll.“
104Auf Frage:
105„Ich erinnere nur, dass ich zweimal zugestochen habe.“
106Der Angeklagte hat in diesem Moment spontan auf den oberen Brustbereich links und rechts unterhalb der Schultern und auf die Unterarme gezeigt.
107„Ein Stich ging oben auf die Brust und einer in den Bereich eines Armes. Es kann auch sein, dass ich auch am Bein gestochen habe. Ich erinnere aber nicht wie oft ich insgesamt zugestochen habe. Ich bin ja schon von der Polizei vernommen worden und erst jetzt im Rahmen des Tatvorhaltes habe ich gehört, dass es so viele Stiche gewesen sein sollen.“
108Auf weitere Frage:
109„Als ich gestochen habe, hat die Frau geschrien. Sie ist dann gleich umgefallen. Ich habe viel Blut gesehen.“
110Bei dieser Antwort hat der Angeklagte mit der Hand auf den oberen Brustbereich gezeigt.
111„Ich wünschte, sie wäre am Leben geblieben. Ich hätte dafür mein Leben geopfert. Nach unserer Religion darf man niemanden töten. Von der Polizei habe ich gehört, dass ich die Frau dann in den Kühlraum geschafft haben soll. Ich kann mich daran nicht erinnern. Man soll dort auch meine Fingerabdrücke gefunden haben. Ich habe damals keine Handschuhe getragen. Ich war auch nicht maskiert. Ich war damals ganz normal spazieren gegangen und hatte so etwas gar nicht vorgehabt.“
112Auf weitere Frage:
113„Ich habe dort nicht nach Geld gesucht; ich habe dann dort überhaupt nichts mehr gesucht. Ich habe nur die beiden Taschen mitgenommen und habe dann ein Taxi genommen. In der Tasche waren aber nur Klamotten drin. Ich bin mit dem Taxi da vom Neumarkt nach L gefahren in die T6straße, wo ich damals gearbeitet habe bei Firma L1. Ich bin dann mit der S-Bahn zu meiner Wohnung gefahren. Ich wohnte damals in der Straße J, die Hausnummer weiß ich nicht mehr. Die Taschen habe ich dann vernichtet, die Sachen gingen in einen Altkleider-Container.
114Ich hatte 20,00 € dabei. Die Fahrt hat ca. 12,00 € gekostet. Die Karten, die ich in den Taschen gefunden habe, habe ich mit der Schere zerkleinert.“
115Auf Frage. ob in den Taschen eine Geldbörse gewesen sei:
116„Ich glaube ja. Da war noch ein Samsung-Handy drin, das habe ich am Westbahnhof in Wien in den Müll geworfen. Meine Eltern und andere Angehörige wohnen in Österreich, und zwar in Graz in der Steiermark.“
117Auf Frage:
118„Vor dem Vorfall war ich am Neumarkt in einem Lokal. Ich hatte dort um einen Döner auf Kredit gebeten. Das hat man aber abgelehnt.“
119Auf Nachfrage:
120„Es ist richtig, dass ich noch 20,00 € dabei hatte. Ich war damals aber spielsüchtig und habe viele Leute getäuscht und betrogen. Ich habe häufig gesagt, ich hätte kein Geld, um Sachen ohne Bezahlung zu bekommen, obwohl ich noch Geld dabei hatte. Ich will hier die Wahrheit sagen. Ich bin sicher, dass ich noch 20,00 € selbst dabei hatte. Es kann aber durchaus sein, dass ich das Taxi mit dem Geld aus den Taschen der Frau bezahlt hatte. In der Tasche war gerolltes Münzgeld, da waren keine Scheine.“
121Auf Frage:
122„Ich hatte an dem Abend keinen Alkohol getrunken, ich trinke generell keinen Alkohol. Zwei bis drei Stunden vor dem Vorfall habe ich aber Marihuana geraucht, das waren 1 1/2 Joints. Ich habe damals nur so ein, zwei oder drei Mal im Monat einen Joint geraucht, wenn ich schlecht drauf war.
123Ich kann mich nicht mehr an das Datum des Vorfalls erinnern. Ich weiß auch nicht mehr, wie viel Uhr es war, als ich in den Imbiss reingegangen bin.
124Am nächsten Tag habe ich eine Zeitung gekauft. Dort stand dann: Mord im "T1". Da habe ich erfahren, dass die Frau gestorben ist. Das Messer habe ich dann entsorgt. Mein Bruder hatte eine Verputz-Firma D-Bau. Dort bin ich auch mitgegangen und habe geholfen. Da habe ich das Messer in einen Container geworfen, in dem auch Metallteile entsorgt werden. Als ich das damals in der Zeitung gelesen habe, bin ich ganz blass geworden und mir ist der Kaffee aus der Hand gefallen. Das hat damals noch ein Mitarbeiter der D-Bau gesehen. Ich habe damals in der Firma meines Bruder gearbeitet auf 400,00-Euro-Basis.
125Zu meinem Bruder B1 habe seit längerem keinen Kontakt mehr. Ich hatte ihm 25.000,00 € weggenommen.“
126Auf Frage:
127„Wenn mir im weiteren Verfahren ein Verteidiger beigeordnet werden soll, so kann ich derzeit keinen Anwalt oder Anwältin vorschlagen.“
128III. Einlassung in der Hauptverhandlung
1291.
130Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Q, hat am ersten Hauptverhandlungstag eine kurze Erklärung verlesen und angekündigt, dass eine ausführlichere Einlassung an einem späteren Verhandlungstag erfolgen werde. In der Erklärung ist ausgeführt worden, dass sein Mandant die Tat an sich einräume. Er entschuldige sich in aller Form. Er könne das Geschehene nicht rückgängig machen. Seine Tat sei erschreckend und kaum erklärbar. Er wisse, dass seine Entschuldigung nicht angenommen werden könne. Der Vorfall sei unverzeihlich. Er wünsche keine Verteidigung, welche das Leid der Familie des Tatopfers T weiter verstärke. Auf Nachfrage des Gerichts hat der Angeklagte bestätigt, dass er sich diese Erklärung vollumfänglich zu Eigen mache.
1312.
132Am dritten Hauptverhandlungstag, der am 18.08.2016 stattfand, hat Rechtsanwalt Q sodann eine ausführlichere Erklärung verlesen. Auch diese Erklärung hat der Angeklagte im Anschluss auf Nachfrage des Gerichts zum Gegenstand seiner Einlassung gemacht. Der Verteidiger hat auf gerichtliche Nachfrage erklärt, dass Nachfragen zu dieser Erklärung nicht beantwortet werden würden.
133Die Erklärung verhielt sich zum Werdegang des Angeklagten, zur Vernehmungssituation am 04.11.2015 sowie zum Tatgeschehen. Im Wesentlichen hat der Angeklagte sich in dieser Erklärung dahingehend eingelassen, dass der Ablauf in dem Vernehmungsprotokoll vom 04.11.2015 nur zum Teil zutreffend wiedergegeben sei. Die Vernehmung sei für ihn unangekündigt und überraschend gekommen und er habe ihr nur schwer folgen können. Zur Sache hat er sich zusammengefasst dahingehend eingelassen, dass er das Tatopfer nicht angefasst habe, bevor er das Messer gezogen habe und dass er das Messer nicht hervorgeholt habe, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Als T zu schreien begonnen habe, sei er in Panik geraten und habe das Messer schnell nach oben gerissen. Hierbei habe er sie verletzt. Das Messer sei länger gewesen, als er gedacht habe. In einem Ablauf ohne Unterbrechung habe er ihr sodann die weiteren Stiche zugefügt. Angst, dass jemand kommen könnte, habe er erst gehabt, als alles vorbei gewesen sei.
134Im Einzelnen lautete die an diesem Tattag von dem Verteidiger verlesene Erklärung wie folgt:
135„In vorbezeichneter Angelegenheit wird namens und in Vollmacht des Angeklagten folgende Erklärung abgegeben:
136I.
137Persönliche Umstände/Suchtverhalten:
138Zum damaligen Tatzeitpunkt war der Mandant hochgradig spielsüchtig. Seit Jahren ist er nicht mehr spielsüchtig, damals hat dieses jedoch sein Leben geprägt. Die Spielsucht ging soweit, dass deren Befriedigung über das Wohl der Familie hinausging. Sein Leben, seine Lebensweise und sein handeln war geprägt von dieser Sucht. Eher hat der Mandant auf Essen verzichtet, nur um das Geld für das Spielen verbrauchen zu können. Es gab erhebliche persönliche Probleme, der Mandant hatte nahezu keine Freunde. Eine familiäre Bindung hatte er aufgrund dieser gesamten Umstände nicht, auch wenn er seine Familie liebte, aber die Spielsucht ging vor und zerstörte auch das Familienleben.
139Ab und an hat der Mandant Marihuana geraucht, dieses hat ihn beruhigt/berauscht, so dass er für die Zeit der Wirkung neben sich stand. Am Tatabend hatte er 1 1/2 bis 2 Joints geraucht.
140II
141Aussage Polizei/Vernehmung:
142Die Vernehmung kam für den Mandanten unangekündigt und überraschend. Der vorherige Tag, der 03.11.2015, war ein normaler Tag in der JVA. Er hat, wie üblich, die letzte Mahlzeit gegen 17:00 Uhr zu sich genommen, es war keinesfalls später als 18:00 Uhr. Am 04.11.2015 wurde er unerwartet geweckt und über den Transport zum LKA informiert. Ein Grund, zumindest der Grund einer Vernehmung wurde ihm nicht vorbereitend mitgeteilt. Nach der Erinnerung des Mandanten musste er gegen 06:30 losfahren und war nach der Fahrt beim LKA. Die Zeiten der Ankunft weiß der Mandant nicht mehr genau. Der Mandant wurde sodann überraschend mit dem Vorwurf des hiesigen Falles konfrontiert. Der Mandant hatte zwar damit gerechnet, dass dieses irgendwann passieren wird, dennoch war der Moment überraschend.
143In diesem Moment fing er an nur noch an die sich ursprünglich zurechtgelegte Geschichte an zu denken. Daran, einen Rechtsanwalt zu befragen dachte er nicht, zumal er auch die Kosten nicht hätte tragen können. Das diese Kosten bei dem hier in Rede stehenden Vorwurf übernommen worden wären, wusste er nicht, wurde ihm auch nicht gesagt. Deshalb sagte er, er brauche keinen Anwalt Er kannte auch keinen und hätte nicht gewusst, wie er einen befragen hätte sollen. Er war überrascht und gänzlich unvorbereitet.
144Sodann erfolgte die Vernehmung. Der Mandant hat versucht die Vernehmung durchzuhalten. Er konnte dem teilweise nur schwierig folgen. Er hat Fragen beantwortet, schwiff ab und hatte auch immer mehr Erinnerungslücken. Er erzählte etwas ohne nachzudenken, weil er auch endlich fertig werden wollte. Er war unkonzentriert, zeigte dieses nicht, damit es nicht noch länger dauerte. Letztlich hatte der Mandant auch Hunger, welchen er versuchte mit Rauchen zu unterdrücken. Bis zum Ende der Vernehmung um 14:10, also 21 Stunden, hatte der Mandant nichts gegessen und auch nichts zum Essen angeboten bekommen. Es gab lediglich zwei kurze Pausen für Toilettengänge.
145Der Dolmetscher hatte einen türkischen Akzent, welches das Verständnis nicht unmöglich, aber auch nicht besonders hilfreich machte. Die Belehrung hat der Mandant nicht mehr erinnerlich. Er hat sie zumindest nicht wahrgenommen, übersetzt worden ist sie ihm nicht, aber er erinnert sich auch nicht an diese. Dass er sie nicht wahrgenommen hat kann daran liegen. dass er aufgrund der Überraschung neben sich stand und durchweg überlegte, wie er seine Darstellung beginnen sollte. Weder wurde gefragt ob er die Belehrung verstanden hat, noch wurde dieses kontrolliert.
146Dem Mandanten sind seitens der Verteidigung folgende Vernehmungs- bzw.
147Antwortenpassagen aus den Vernehmungen vorgehalten worden:
148Vernehmung vom 04.11.2015:
149Seite 18:
150´An die Uhrzeit kann ich mich nicht erinnern. Ich war durcheinander. Die Ladentür zu diesem Salatladen stand weit offen .... Ich bin reingegangen. Im Laden war kein Mensch. Gar keiner war da. Ich bin nach hinten gegangen. Sie hat sich erschreckt. Dann habe ich zu ihr gesagt: "Gib mir Geld!" Dann sagte sie zu mir: "Bitte, Bitte, Bitte" Ich kann mich nicht erinnern. Dann habe ich Messer genommen. Ich kann mich nicht mehr erinnern. Dann habe ich mit dem Messer gefuchtelt. Ich habe nicht hingeschaut. Dann war habe ich sie am Hals verletzt Wo genau, weiß ich nicht. Dann habe auch noch gesehen, dass ich sie an den Händen verletzt habe. Ich habe nicht hingeschaut.´
151Seite 19:
152Auf die Frage wie oft gestochen:
153´Zweimal. Vielleicht auch dreimal. Ich kann mich nicht erinnern. Es war Zufall. Ich bin in den Laden rein und dachte. ich könnte mir dort Geld holen. Ich wollte Geld von ihr. Sie sagte mir, sie würde mir Geld geben. Ich nahm aber trotzdem das Messer. Sie fing an zu schreien. Ich sagte, sie solle aufhören zu schreien. Dann habe ich zugestochen. Immer wieder. In dem Moment fiel sie runter. Ich habe nicht hingeschaut Ich habe Blut gesehen. Ich dachte mir, was ich bloß getan habe.´
154Seite 21:
155´Ich habe sie erst angefasst mit meinen Händen. Ich habe ihr gesagt, dass ich nichts machen würde. Sie bräuchte keine Angst haben. Dann hat sie geschrieen. "Ich bitte dich, mach das nicht Ich gebe die Geld". In dem Moment, als sie geschrien hat, habe ich Angst bekommen, dass jemand kommt. Dann habe ich das Messer aus meiner Jacke genommen. Ich habe eine Bewegung gemacht mit dem Messer. In dem Moment habe ich sie am Halsbereich verletzt. Ich weiß es nicht, vielleicht auch im Gesicht. Ich habe auf jeden Fall zweimal zugestochen, Vielleicht auch dreimal´
156…
157Auf die Frage warum der Mandant zugestochen hat:
158´Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht, warum ich das machte. Sie fiel auf den Boden. Als ich Blut von ihr gesehen habe, war ich schockiert. Ich stand unter Schock.´
159Seite 26:
160´Ich habe noch nicht einmal in der Kasse des Ladens nach Geld geschaut.´
161Aussage Fahrt mit dem Beamten:
162BI. 1159:
163´Ungefragt fügte er hinzu, dass das nicht passiert wäre, wenn sie ihm das Geld gegeben hätte und nicht geschrien hätte.´
164Aussage bei dem Haftrichter:
165BI. 1037:
166´Ich bin damals zufällig am Imbiss in der Hstraße vorbeigegangen .... .Ich war ja nun hinter dem Tresen und die Frau sagte, es sei schon geschlossen. Ich habe ihr gesagt, ich bräuchte Geld. Sie hat gesagt, sie würde mir was geben. Ich habe gesagt, ich würde ihr nichts tun. Ich habe sie dann am Hals gehalten, als ich das gesagt habe. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch kein Messer in der Hand gehabt. ... Ich habe das Messer dann rausgeholt. Die Frau hat dann lautstark geschrien. Die Frau ist dann umgestürzt und ich habe das Blut gesehen ...´
167BI. 1038:
168´Von der Polizei habe ich gehört, dass ich die Frau dann in den Kühlraum geschafft haben soll Ich kann mich daran nicht erinnern ..... Ich habe dort nicht nach Geld gesucht; ich habe dann dort überhaupt nichts mehr gesucht.´
169III.
170Der Mandant äußerte daraufhin, dass hier Unklarheiten bestehen und der Ablauf teilweise richtig aufgenommen ist, teilweise aber auch nicht und anders gemeint war, wobei sich der richtige Ablauf auch teilweise in den Aussagen und verschiedenen Darstellungen widerfindet.
171Der Mandant war teilweise unkonzentriert und wollte nur noch fertig werden. Der Dolmetscher hat am Ende nur schnell zusammengefasst vorgelesen, der Mandant wollte fertig werden, konnte dem aber kaum mehr folgen. Dieses wurde bereits dargelegt. Der Dolmetscher war "Türke", der Mandant ist "Kurde". Ob vor diesem Hintergrund eine absolut korrekte Übersetzung erfolgt ist, ist fraglich. Der Mandant kann nicht beurteilen, ob die Teile, die er nicht verstand, im Kontext richtig widergegeben worden sind. Wenn er heute die Antwortenpassagen liest so sagt er, dass seine Antworten nicht genau so widergegeben sind, wie er sie gemeint hat bzw. auch teils nach Übersetzung einzelner Worte gesagt hat. Der Sinn, welcher sich aus seinen Antworten teilweise ergibt, auch die Reihenfolge, war so nicht gemeint.
172Der Mandant denkt oftmals er hat verstanden. Lässt man den Mandanten Passagen widerholen, so fällt auf, dass doch etwas anderes verstanden worden ist, als gemeint oder gesagt worden ist. Dieses viel dem Mandanten bei der Besprechung in der JVA am 17.08.2016 beispielsweise auf. Der Mandant äußerte, dass er das Opfer nicht über die Fliesen gezogen habe und es falsch sei, dass der Polizeibeamte im letzten Termin bekundet habe, er, der Mandant, habe das Opfer über den Boden hingezogen habe und dadurch die Schleifspuren entstanden seien. Übersetzen ließ er sich das Wort ´hingezogen´ und hat sodann die eigenen Schlüsse aus dem was er meinte verstanden zu haben, gezogen. Tatsächlich war es so, dass der Bruder die Schwester aus dem Kühlschrank gezogen hatte. So hatte der Mandant es aber nicht verstanden.
173Weiterhin soll der Mandant gegenüber dem Beamten gesagt haben, er habe gegenüber seinem Bruder 90 % der Sache gestanden habe. Der Mandant hat geäußert, dass ´der Bruder 90 % die Sachen weiߴ, also damit meinte er von seinem Leben.
174Deutlich wird, dass nicht immer das zum Ausdruck kommt, was der Mandant meint und er auch nicht alles so versteht, wie es gemeint ist. Dieses trotz Dolmetscher.
175IV.
176Der Punktuelle Vorfall ab dem Zusammentreffen mit dem späteren Opfer war wie folgt:
177Der Mandant wollte zum Friesenplatz und eine Abkürzung nehmen. Er ist zuvor noch
178nicht durch diese Straße gegangen, in welcher sich die Salatbar befand. Er sah die offene Tür und fasste plötzlich den Entschluss, da er niemanden im Laden sah, nachzuschauen, ob er dort Geld finden würde. Er kam noch nicht zu einem gezielten Suchen, er war gerade im Ladenbereich/Thekenbereich.
179Der Mandant traf auf T. Sie hatte etwas in der Hand als sie ihn ansprach. Er hatte sie vorher nicht wahrgenommen und war erschrocken. Der Mandant erinnert sich nicht mehr wie der Bewegungsablauf bis zum Kühlschrank war, er erinnert sich allerdings, dass der Vorfall selber, also das Ziehen des Messers, sich vor dem Kühlschrank ereignet hat. Er erinnert sich nicht daran, den Kühlschrank verschlossen zu haben. Er stellt jedoch nicht in Abrede, dass er T letztlich im Kühlschrank eingeschlossen hat.
180Der Mandant sagte: ´Gib mir Geld´ und kam ihr nahe und fasste mit beiden Händen in Richtung der Nähe des Halses und sie sagte: ´bitte bitte tue mir nichts. ich gebe dir Geld´. Der Mandant nahm seine Hände wider zu sich und sagte, dass sie keine Angst haben müsse. Er holte das Messer hervor. Nicht um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. sondern weil er Frau T einerseits auf Abstand halten wollte aber auch, dass sie tut, was er sagt. Er wollte verhindern, dass Frau T selber zu einem Messer oder anderen Gerätschaften greift. Ob der Mandant mit dem Messer drohen wollte, weiß er nicht, zumindest kam es nicht dazu.
181Als sie, T, das Messer beim Rausziehen bemerkte, fing Frau T an zu schreien.
182Der Mandant geriet in Panik und zog das Messer nun schnell hektisch aus der Tasche, riss das Messer nach oben und fuchtelte damit vor ihr herum. Er sagte hierbei, warum schreist Du, es passiert doch nichts. Er war selber sehr panisch und aufgeregt. Hierbei, beim Herausziehen und hochreißen des Messers, verletzte er sie und fügte ihr Schnittwunden zu, wahrscheinlich in den Händen und Gesicht oder Hals. Genau. also die Reihenfolge der Verletzungen. weiß der Mandant das nicht mehr, er hat nicht genau hingesehen. Das Messer war für den Abstand zu Frau T länger als er es dachte. Verletzen wollte er sie nicht, als er das Messer herausholte. Sie sagte ja, dass sie Geld geben würde, dennoch holte der Mandant das Messer heraus, währenddessen, nach dem Beginn des Rausholens, als es sichtbar wurde, begann sie zu schreien. Das war alles in einer Bewegung und einem Zug. Das Messer hatte er bereits längere Zeit dabei, ohne das Ziel einer konkreten Verwendung.
183Der Mandant ist nicht der Meinung und erinnert sich nicht daran, dass er gesagt habe, dass er das Messer herausgeholt habe, weil sie schrie und er Angst hatte, dass man sie hört. Sie fing erst an zu schreien, als er beim Rausholen des Messers war. Die Verletzung beruhte aber nicht auf dem Schreien, sondern aufgrund des mangelnden Abstandes. Nach der ersten Verletzung schwieg sie, möglicherweise aufgrund eines Schocks. Die Stiche, der Mandant erinnert sich nur an 2-3, folgten unmittelbar ohne Pause.
184Vor den Stichen hatte er keine Angst, dass jemand kommt, diese hatte er später, als alles vorbei war. Da dachte er, hoffentlich hat das niemand gehört, aber da war es schon zu spät, da der Messereinsatz beendet war.
185Tatsache ist, sie fing erst an zu schreien, als sie das Messer sah und der Mandant hat ungewollt beim hektischen Herausziehen eine erste Verletzung zugefügt und sodann die weiteren Stiche, alles in einem Ablauf ohne Unterbrechung.
186Im Nachhinein. also nach der Tat habe sich der Mandant gedacht, warum sie nur geschrien hat. Hätte sie nicht geschrien beim Herausholen des Messers, dann wäre es gar nicht zu einer Verletzung gekommen, denn dann hätte er sie beim Herausholen gar nicht ungewollt verletzt und nicht in Panik geraten.
187V.
188Der Mandant ist dann geschockt weglegelaufen, er hat nicht mehr nach Geld gesucht. Warum er die Taschen mitgenommen hat, weiß er nicht. Er hat nicht mehr daran gedacht, irgendetwas wertvolles mitzunehmen oder nach Geld zu suchen, obwohl Frau T sagte, dass sie Geld geben wolle und dieses nicht in der Nähe ihrer Taschen. Er ist nicht davon ausgegangen, dass in den Taschen etwas wertvolles enthalten war. Auch hat er nicht zugestochen, um an Wertsachen zu gelangen.“
1893.
190Am zehnten Hauptverhandlungstag, dem 05.10.2016, hat der Verteidiger, Rechtsanwalt Q, eine weitere Erklärung verlesen, die der Angeklagte auf Nachfrage ebenfalls zum Gegenstand seiner Einlassung gemacht hat.
191In dieser Erklärung wurde unter anderem wiederholt, dass der Angeklagte das Tatopfer nicht angefasst habe. Er habe seine Hände hochgehalten, um ihr zu zeigen, dass er ihr nichts tun wolle. Das Messer habe er hervorgeholt, weil er Sorge gehabt habe, dass er angegriffen werden könnte. Er habe T auf Abstand halten und sicher gehen wollen, dass sie tue, was er sage. Er habe das Gefühl gehabt, T käme ihm näher.
192Im Einzelnen lautete die an diesem Hauptverhandlungstag von dem Verteidiger verlesene Erklärung wie folgt:
193„Der Mandant wollte zum Friesenplatz und eine Abkürzung nehmen. Er ist zuvor noch nicht durch diese Straße gegangen, in welcher sich die Salatbar befand. Er sah die offene Tür und fasste plötzlich den Entschluss, da er niemanden im Laden sah, nachzuschauen, ob er dort Geld finden würde. Er war bis dahin, also bis zu diesem spontanen Entschluss, ohne Vorsatz, etwas klauen zu wollen. Das Messer hatte er bereits lange Zeit bei sich, ohne konkrete Verwendungsabsicht.
194Er kam noch nicht zu einem gezielten Suchen, er war gerade im Ladenbereich/Thekenbereich. Er schaute sich oberflächlich um Der Mandant traf auf T. Sie hatte etwas in der Hand als sie ihn ansprach. Er hatte sie vorher nicht wahrgenommen und war erschrocken. Der Mandant erinnert sich nicht mehr wie der Bewegungsablauf bis zum Kühlschrank war, er erinnert sich allerdings, dass der Vorfall selber, also das Ziehen des Messers, sich vor dem Kühlschrank ereignet hat. Er erinnert sich nicht daran, den Kühlschrank verschlossen zu haben. Er stellt jedoch nicht in Abrede, dass er T letztlich im Kühlschrank eingeschlossen hat.
195Der Mandant sagte: ´Gib mir Geld´ oder ´Hast Du Geld oder ich suche Geld oder wo hast Du Dein Geld´, genau weiß er das nicht mehr. Er ist der Meinung, aber da weißer nicht mehr genau, dass er auch gesagt hat, ´ich tue Dir nicht´. Der Angeklagte sagte dem Unterzeichner, dass er mit beiden Händen in Richtung bzw. Höhe des Halses ´fasste´. Als. er es vor machte, hob er die Hände hoch, er fasste aber nicht und ging auch nicht meine Richtung. Nach Aufklärung was es bedeutet nach etwas zu fassen teilte der Angeklagte mit, dass er die Hände hoch hob und Frau T zeigen wollte, dass er ihr nichts tun wolle, daher hob er die Hände auf die Höhe des Halses/Gesichts. Es lag also an der fehlerhaften Ausdrucksweise des Angeklagten und dem Unterschied zwischen dem, was er meinte und sagte. Als er es vormachte, konnte klar herausgearbeitet werden, wie diese Situation war. Er sagte, dass er sie nicht verletzten, und nicht bedrohen wollte, zumal sie sofort auch sagte, dass sie Geld geben würde. Er wollte ihr zeigen, dass sie keine Angst haben müsse und er ihr nichts tun werde und auch nichts in diesem Moment in Händen hielt.
196Er hatte gut einen Schritt Abstand zu der Frau T, hob also die Hände auf die Höhe des Halses/Gesichts, so dass sie seine leeren Handflächen sehen konnte. Er streckte sie leicht nach vorne, aber erhoben. Das war nur ein sehr sehr kurzer Moment, vielleicht 1-2 Sekunden und er nahm die Hände wieder zu sich runter. Der Angeklagte selber befand sich nie vorher in einer solchen Situation und war auch überfordert, er selber ging in dieser Situation nicht davon aus, dass er drohen würde, sondern nur, dass er nah Geld fragte, welches er gerne hätte.
197Daraufhin sagte sie: bitte bitte tue mir nichts, ich gebe dir Geld´. Der Angeklagte nahm seine Hände also wider zu sich und sagte, dass sie keine Angst haben müsse. Der Angeklagte nahm die Hände zu sich, nachdem er sagte ´Gib mir Geld´, sie waren also nicht mehr in Richtung der Frau T, als sie ihm sagte, dass sie ihm Geld geben werde. Für den Angeklagten war klar, dass er in jedem Falle Geld erhalten werde, ohne dass er etwas tun müsse.
198Er holte das Messer dann dennoch hervor. Der Angeklagte befand sich nie zuvor in einer solchen Situation. Er hatte Sorge, dass er angegriffen werden könnte, da es sich um einen Imbiss handelte und dort auch Gerätschaften lagen. Der Ablauf war wie folgt:
199Er griff nach dem Messer und war dabei es herauszuziehen. Nicht um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, sondern weil er Frau T einerseits auf Abstand halten wollte aber auch, dass sie tut, was er sagt. Damit (tut was er sagt) ging es nicht um Geld, denn dieses wollte sie ihm sowieso geben, sondern darum, dass sie nicht zu anderen Gegenständen greift um sich zu wehren und ihr das notfalls mit Nachdruck sagen zu können, dass sie einen möglichen Gegenstand wider weglegt. Er wollte verhindern, dass Frau T selber zu einem Messer oder anderen Gerätschaften greift.
200Als sie, T, das Messer beim Rausziehen bemerkte, fing Frau T an zu schreien.
201Der Mandant geriet in Panik und zog das Messer nun schnell hektisch aus der Tasche, Hierbei riss er es nach oben. Er hatte das Gefühl Frau T käme ihm näher, er geht auch nach wie vor davon aus, weil der Abstand vor dem Herausnehmen zu groß war, als dass er sie hätte treffen können, er wollte sie gerade auf Abstand halten aber zudem dafür Sorge tragen, dass Sie nicht selber zu einem Messer o.ä. greift. Der Angeklagte hatte sich allerdings auch etwas in der Größe des Messers verschätzt, so dass beide Faktoren zusammenkamen. Verletzten wollte der Angeklagte Frau T mit dem Messer nicht, zumal sie ja bereit war, ihm Geld zu geben.
202Bereits bei dem panischen Hochrei3;en des Messers verletzte er die Frau T, wobei es sich um eine Schnittverletzung handeln muss. Frau T schrie nach der Erinnerung des Mandanten von dem Moment, als sie das Messer bemerkte, bis zu ersten Schnittverletzung, danach war sofortige Ruhe. Möglicherweise eine Ruhe vor Schock, das kann der Angeklagte jedoch nicht beurteilen.
203Da Frau T die Hände oben hatte, fuchtelte der Angeklagte mit dem Messer weiter vor ihrem Kopf-Oberkörperbereich herum und fügte ihr möglicherweise dadurch weitere Schnittverletzungen zu. Dieses beruhte auf der eigenen Panik, der aufgekommenen Nähe zwischen Frau T und ihm und ihren oben gehaltenen Händen sowie, die Situation nicht mehr unter Kontrolle zu haben.
204Der Angeklagte meint, dass Schnittwunden an Händen, Gesicht und Hals entstanden sein können, er kann es jedoch nicht beurteilen. Der Angeklagte war panisch und hat nicht mehr genau hingesehen.
205Der Angeklagte ist nicht der Meinung und erinnert sich nicht daran, dass er gesagt habe, dass er das Messer herausgeholt habe, weil sie schrie und er Angst hatte, dass man sie hört. Sie fing erst an zu schreien, als er beim Rausholen des Messers war. Die Verletzung beruhte aber nicht auf dem Schreien, sondern aufgrund des mangelnden Abstandes. Nach der ersten Verletzung schwieg sie.
206Der Angeklagte ist sich nur aus der Nachschau sicher, dass er auch zugestochen haben muss. Es liegt keine klare Erinnerung vor, aber ein Rückschluss. Dieser geht aber nur auf 2 bis 3 Bewegungen hin, somit 2 bis 3 Stiche, die sofort nach der letzten Schnittbewegung ausgeführt worden sind.
207Der Angeklagte hat nicht gezielt reagiert, war vielmehr wie in einem Rausch und erinnert sich nur noch an Bewegungsabläufe, An die Schnitte und hinterher auch an Stichbewegungen wobei dieses auch Rückschlüsse sein können. An 11 Stich- und Schnittverletzungen erinnert er sich nicht.
208Er kann daher auch nicht sagen, wohin er gestochen hat.
209Weder vor, noch bei den Stichen hatte er Angst, dass jemand kommt. Er hatte auch keine Angst vor Entdeckung, denn selbst bei einer Täterbeschreibung, wäre es unwahrscheinlich gewesen, dass er entdeckt worden wäre, denn er war das erste Mal in der Straße, hatte kaum Bindung und konnte jederzeit weg.
210Als alles vorbei war dachte er, hoffentlich hat das niemand gehört, aber da war es schon zu spät, da der Messereinsatz beendet war.
211Im Nachhinein, also nach der Tat hat sich der Angeklagte gedacht, warum sie nur geschrien hat. Hätte sie nicht geschrien beim Herausholen des Messers, dann wäre es gar nicht zu einer Verletzung gekommen, denn dann hätte er sie beim Herausholen gar nicht ungewollt verletzt und wäre nicht in Panik geraten.
212Warum er die Tasche mitgenommen hat, kann er nicht sagen, er war in Panik und hat nicht nachgedacht. Erst späterhin hat er dieses realisiert und sich auch gewisse Sachen angeeignet.“
213IV. Beweiswürdigung
214zu I.1. Werdegang
215Der Angeklagte hat sich zu seiner Kindheit und Jugend nicht eingelassen. Die diesbezüglichen Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf der Aussage seines Bruders B1 in der Hauptverhandlung, gestützt durch die Bekundung des Zeugen B8, seines Cousins, der zudem der Bruder der Ehefrau des Angeklagten, B2, ist und den Angeklagten seit Kindheitstagen kennt.
216Die Feststellungen zu dem Werdegang des Angeklagten bis zur Begehung der hier in Rede stehenden Tat beruhen im Wesentlichen auf der Einlassung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung. Ergänzend hat die Kammer hierzu die Zeugen B1, B8 und B9 vernommen, die insbesondere die Angaben des Angeklagten zu seiner Spielsucht bestätigt haben. Hinsichtlich der Gewaltschutzverfügung vom 16.11.2006 sowie der Tätlichkeiten vom 05.12.2006 und vom 11.02.2007 beruhen die Feststellungen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Urteil des Amtsgericht Köln vom 26.11.2007 sowie auf den ebenfalls verlesenen, im Urteil in Bezug genommenen Anklageschriften der Staatsanwaltschaft Köln vom 07.09.2007 (Az.: 26 Js 16/07) und vom 12.04.2007 (Az.: 26 Js 302/07).
217Im Übrigen beruhen die unter I.1. getroffenen Feststellungen in erster Linie auf den Angaben des Angeklagten im Rahmen seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 04.11.2015, in die Hauptverhandlung eingeführt durch Vernehmung der Zeugen KHK L2 und KHK L2. Zudem hat die Kammer die Zeugen G, B4 und P vernommen, die jeweils Angaben zu ihrem Kontakt zu dem Angeklagten gemacht haben.
218zu I.2. Vorstrafen
219Hinsichtlich der Vorstrafen des Angeklagten sind der ihn betreffende Bundeszentralregisterauszug vom 07.06.2016 und die den Verurteilungen zugrunde liegenden Verfahrensakten nach Maßgabe des Sitzungsprotokolls in der Hauptverhandlung verlesen worden.
220zu II.1.a) Werdegang T
221Die Feststellungen zum Werdegang des Tatopfers beruhen im Wesentlichen auf den in der Hauptverhandlung erfolgten Vernehmungen ihrer Eltern, der Zeugen T3 und T2 sowie ihres Bruders, dem Zeugen T4. Diese Zeugen haben übereinstimmend zu der bei T bis in das Erwachsenenalter hinein bestehenden Phobie gegenüber Spritzen und sonstigen spitzen Gegenständen bekundet. Die Feststellung, dass T bei ihren Kunden und Angestellten ausgesprochen beliebt war, stützt sich zudem auf die Bekundungen des Zeugen KHK L2, der in der Hauptverhandlung dargelegt hat, dass nach der Tat mehrere Mitarbeiter aus der Salatbar polizeilich vernommen worden seien, die dies gleichlautend beschrieben hätten.
222zu II.1.b) Tatortbeschreibung
223Die Feststellungen zum Tatort beruhen auf den zeugenschaftlichen Bekundungen der Zeugen KHK L2 und POM N, auf dem im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführten Tatortbefundbericht vom 27.08.2007, Bl. 1 ff. BMH. sowie auf den im Rahmen der Hauptverhandlung nach Maßgabe des Sitzungsprotokolls in Augenschein genommenen und von den vorgenannten Zeugen erläuterten Lichtbildaufnahmen.
224zu II.1.c) Tatvorgeschehen bzgl. T
225Die diesbezüglichen Feststellungen beruhen auf den Aussagen der Zeugen T3, T2 und T4 sowie der Zeugen A und KHK L2.
226Der Zeuge KHK L2 hat in der Hauptverhandlung bekundet, dass anhand von Videoaufnahmen im Kölner Hauptbahnhof rekonstruiert worden sei, dass T am Abend des 22.07.2007 am Kölner Hauptbahnhof um 22:14 Uhr eintraf und diesen schließlich in Richtung der U-Bahnhaltestelle verlassen habe.
227Dass T die Tür zur Salatbar offen stehen ließ und ihre Taschen auf den hinteren Stehtisch im rechten Bereich des Verkaufsraums legte, folgert die Kammer aus der Einlassung des Angeklagten gegenüber der Polizei. Dort hat er angegeben, dass die Tür des Ladenlokals offen gestanden habe und dass sich die Taschen an der vorgenannten Stelle befunden hätten. Die Feststellungen zu den in dem Ladenlokal im Tatzeitpunkt vorhandenen Geldbeträgen beruhen neben der Aussage des Zeugen KHK L2 auf dem im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführten Tatortbefundbericht vom 27.08.2007, Bl. 61 ff. BMH. Ebenfalls im Selbstleseverfahren wurden im allseitigen Einvernehmen gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO die im Ermittlungsverfahren getätigten Aussagen der Zeuginnen T5 und I in die Hauptverhandlung eingeführt, auf denen die festgestellten Beobachtungen dieser Zeuginnen beruhen.
228zu II.2. Tatvorgeschehen bzgl. des Angeklagten
229Die insoweit getroffenen Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren. Dieser hatte gegenüber dem Haftrichter betont, dass er sich sicher sei, dass er 20,00 € bei sich geführt habe, als er die Salatbar betreten habe.
230zu II.3. Tatgeschehen
231Der von der Kammer zum Tatgeschehen festgestellte Sachverhalt stützt sich im Wesentlichen neben den objektiven Beweisergebnissen, insbesondere den am Tatort vorgefundenen DNA-Spuren des Angeklagten (dazu nachfolgend unter 1.), auf dessen Einlassung gegenüber der Polizei bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 04.11. und gegenüber dem Haftrichter bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 09.11.2015. Anders als seinen Einlassungen in der Hauptverhandlung kommt diesen Einlassungen ein hoher Beweiswert zu (2.). Demgegenüber konnten die Angaben des Angeklagten in seinen Einlassungen in der Hauptverhandlung nur sehr eingeschränkt den Feststellungen zugrunde gelegt werden (3.). Wie die Kammer auf dieser Grundlage im Einzelnen zu den unter II.3. getroffenen Feststellungen gelangt ist, wird nachfolgend unter 4. dargelegt.
2321. DNA-Spuren
233Der Zeuge KHK L2 hat dargelegt, dass im Rahmen der Tatortarbeit auf dem Verkaufstresen des Ladenlokals im Bereich der Kasse eine runter gebrannte Zigarettenkippe vorgefunden und im Original sichergestellt worden sei. Diese habe sich in die Oberfläche der Theke eingebrannt. Die so beschriebene Auffindesituation deckt sich mit der Lichtbildaufnahme 2.8, Bl. 35 d. BMH., auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird. Der Zeuge KHK L2 hat ferner bekundet, dass diverse Bakteriettenabriebe erstellt worden seien, unter anderem von dem äußeren Türgriff des Kühlraums, in dem der Leichnam der T vorgefunden worden sei. Entsprechendes ist dem Spurensicherungsbericht der KOK`in M3 vom 24.07.2007, BMH II, Bl. 200 ff. zu entnehmen, der im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Der Zeuge KHK L2 hat weiter ausgesagt, diese Spuren seien anschließend dem Landeskriminalamt NRW mit dem Antrag übersandt worden, diese auf DNA-Spuren zu untersuchen.
234Zu den Ergebnissen dieser Untersuchung hat der Sachverständige Dr. M1 vom Landeskriminalamt NRW im Rahmen seiner Gutachtenerstattung in der Hauptverhandlung ausgeführt, dass von dem Filter der Zigarettenkippe ein Stück abgeschnitten, daraus die DNA isoliert und diese anschließend zur STR-Analyse eingesetzt worden sei. Hierbei seien mit hoher Intensität ausschließlich solche DNA-Merkmale festgestellt worden, wie sie von einer damals noch unbekannten Person A zu fordern seien. Ferner seien an den Abrieben des äußeren Türgriffs des Kühlraums mit hoher Signalstärke solche Allele festgestellt worden, wie sie das Tatopfer T aufweise. Daneben seien mit etwas geringerer Signalstärke als deutliche Beimengung diejenigen Allele der noch unbekannten Person A detektiert worden, die auch an der Zigarettenkippe gefunden worden seien. Zusätzlich seien in diesem Abrieb mit minimaler Intensität, teilweise unterhalb der Nachweisgrenze, DNA-Merkmale von mindestens zwei weiteren Personen aufgetreten. Bezüglich der Person A sei ein DAD-Meldebogen mit Daten für 8 STR-Systeme erstellt und in die DNA-Analyse-Datei eingestellt worden. Der Abgleich mit zahlreichen DNA-Spuren, die aus dem Umfeld des Tatopfers gewonnen worden seien, habe zu keiner Zuordnung der Spur geführt.
235Am 14.10.2015 sei es sodann zu einem Dateitreffer zwischen dem vorgenannten Datensatz und einem für den Angeklagten zwischenzeitlich erstellten Meldebogen gekommen. Daraufhin seien die der Zigarettenkippe und dem Kühlraumtürgriff entnommenen Spuren auf 16 STR-Systeme auftypisiert worden. Sowohl bezüglich der Zigarettenkippe als auch der Mischspur an dem Türgriff habe sodann in allen 16 STR-Systemen die für den Angeklagten geltende Merkmalskombination festgestellt werden können. Die untersuchten STR-Systeme seien unabhängig voneinander vererblich. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei dem Spurenverursacher nicht um den Angeklagten handele, liege bezüglich der Zigarettenkippe bei 1 zu 1024, mithin im Quadrillionenbereich und bezüglich der Spur am Türgriff bei 1 zu 3,52 mal 1016, mithin im zweistelligen Billiardenbereich. Je nach Ethnie würden sich diese Werte etwas verschieben, bei Zugrundelegung einer kurdischen Vergleichspopulation allerdings nur minimal. Eine solche Einschränkung würde jedoch nur Sinn machen, wenn man davon ausginge, dass nur Kurden als Täter in Betracht kämen. Aus wissenschaftlicher Sicht bestünde daher kein Zweifel daran, dass es sich bei dem Spurenverursacher um den Angeklagten handele.
236Die Kammer folgt den Ausführungen des Sachverständigen. Dieser hat die Untersuchungsmethode und die hierbei erzielten Ergebnisse nachvollziehbar dargelegt. Die von ihm aus wissenschaftlicher Sicht hieraus gezogenen Schlussfolgerungen sind überzeugend. An der Sachkunde des Sachverständigen zweifelt die Kammer nicht.
2372. Zum Beweiswert der Einlassung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren
238Der geständigen Einlassung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren gegenüber der Polizei und dem Haftrichter und seiner dortigen Schilderung des Tatablaufs kommt ein hoher Beweiswert zu.
239Die Zeugen KHK L2, KHK L2 und B5 haben unabhängig voneinander bekundet, dass die Vernehmung am 04.11.2015 im LKA Hamburg ruhig und sachlich abgelaufen sei und dass der Angeklagte dieser stets konzentriert habe folgen können. Am Ende habe der Angeklagte auf die Vernehmungsbeamten einen erleichterten Eindruck gemacht. Der Angeklagte habe gesagt, er sei froh, dass „alles raus“ sei und dass er mit dieser Tat nicht mehr habe leben können. Diese Bekundungen stehen im Einklang mit der Aussage des Zeugen KHK I1 zu dem Verhalten des Angeklagten während der sich an die Vernehmung anschließenden Fahrt vom LKA zurück zur JVA. Nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen KHK I1 war der Angeklagte auf dieser Fahrt sehr redselig, freundlich zugewandt und aufgeschlossen.
240Es bestehen auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte im Rahmen der Vernehmung durch Überraschung, Nervosität oder Hunger in einem die Zuverlässigkeit seiner Angaben infrage stellenden Maße beeinträchtigt gewesen sein könnte. Der Angeklagte hat ausweislich der übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen KHK L2 und KHK L2 selbst angegeben, dass er sich die zunächst präsentierte Version des Tatgeschehens mit den drei Mittätern im Vorfeld für den Fall zurechtgelegt habe, dass er von der Polizei auf die Tat angesprochen werde. Schon der Umstand, dass es ihm möglich war, diese „Story“ zu Beginn der Vernehmung abzurufen, spricht somit gegen eine maßgebliche Überraschung oder Nervosität des Angeklagten. Die Präsentation einer vorbereiteten „Lügengeschichte“ intellektuell stellt höhere Anforderungen an die bekundende Person als Erlebtes aus der Erinnerung wiederzugeben, auch wenn dieses lange zurückliegt.
241Auch ein die Aussagetüchtigkeit des Angeklagten beeinträchtigendes Hungergefühl kann ausgeschlossen werden, da dem Angeklagten während der Vernehmung Essen angeboten worden ist, was dieser jedoch dankend abgelehnt hat. Dies hat der Zeuge KHK L2 für die Kammer überzeugend bekundet, es ist auch entsprechend protokolliert.
242Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es im Rahmen der Vernehmung zu sinnverstellenden Verständigungsschwierigkeiten gekommen ist. Zum Einen steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Angeklagte über gute Deutschkenntnisse verfügt. Dies haben neben weiteren Zeugen insbesondere der als Zeuge vernommene Dolmetscher B5, der Schwager des Angeklagten, B8, und der Zeuge KHK I1 übereinstimmend bestätigt. Letzterer hat glaubhaft bekundet, dass die Verständigung mit dem Angeklagten auf Deutsch während der etwa 40-minütigen Fahrt vom LKA Hamburg zur JVA Hamburg-Billwerder vollkommen problemlos verlaufen sei. Es kommt hinzu, dass die Zeugen KHK L2 und und KHK L2 von keinerlei Verständigungsschwierigkeiten während der Beschuldigtenvernehmung vom 04.11.2015 zu berichten wussten. Sie haben übereinstimmend ausgesagt, die Vernehmung sei auf Deutsch geführt worden, lediglich einzelne Worte habe der Angeklagte sich übersetzen lassen, dann jedoch wiederum auf Deutsch geantwortet. Dafür, dass es zwischen dem Angeklagten und dem Dolmetscher Verständigungsschwierigkeiten gab, haben für die Vernehmungsbeamten keine Anhaltspunkte bestanden, wie sie übereinstimmend ausgesagt haben. Auch der als Zeuge vernommene Dolmetscher B5 hat hierzu passend bekundet, es habe keinerlei Verständigungsprobleme zwischen ihm und dem Angeklagten gegeben, insbesondere habe der Angeklagte auch keine diesbezüglichen Beanstandungen ihm gegenüber erhoben. Zu Antworten, die nicht zu der gestellten Frage passten, ist es nach den glaubhaften Bekundungen der vorgenannten Zeugen zu keiner Zeit der Vernehmung gekommen.
243Insgesamt ergeben sich aus den vorstehend erörterten Umständen keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Angeklagte in der Beschuldigtenvernehmung vom 04.11.2015 nicht das zum Ausdruck gebracht hat, was er damals zum Ausdruck bringen wollte.
244Es kommt hinzu, dass die Einlassung des Angeklagten bei der Beschuldigtenvernehmung vom 09.11.2015 gegenüber dem Haftrichter weitestgehend derjenigen gegenüber den vorgenannten Polizeibeamten entspricht, ohne dass irgendwelche Umstände seitens des Angeklagten oder der Verteidigung angeführt worden wären, die die Frage aufwerfen könnten, ob der Angeklagte bei dieser Gelegenheit in der Lage war, sich so einzulassen, wie von ihm beabsichtigt. Beanstandungen hinsichtlich der zutreffenden Protokollierung seiner Einlassung bei dieser Gelegenheit wurden von keinem Verfahrensbeteiligten vorgebracht.
2453. Zum Beweiswert der Einlassungen in der Hauptverhandlung
246Demgegenüber konnte den Einlassungen in der Hauptverhandlung, soweit sie von den Angaben des Angeklagten im Ermittlungsverfahren abwichen, nur geringer Beweiswert beigemessen werden. Insoweit war zu berücksichtigen, dass es sich um keine frei vorgetragenen Ausführungen des Angeklagten handelte, und dass keine Rückfragen an den Angeklagten zugelassen wurden.
247Hinzu kommt, dass schon bei isolierter Betrachtung dieser Einlassungen der dort geschilderte Verlauf des Tatgeschehens teilweise lebensfremd anmutet. Dies betrifft insbesondere die Schilderung in der Einlassung vom 05.10.2016 wonach der Angeklagte seine Hände in Höhe des Halses/Gesichts der T gehalten habe, um ihr zu zeigen, dass er ihr nichts tun wolle und dass er das Messer aus Sorge hervorgeholt habe, dass er angegriffen werden könnte. Beides ist angesichts der in Rede stehenden Tatsituation lebensfremd. Es lässt sich zudem nicht mit der Schilderung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren in Einklang bringen, wonach T erschrocken gewesen sei, als sie den Angeklagten bemerkt habe und ihn angefleht habe, ihr nichts zu tun. Dafür, dass er in einer solchen Situation Sorge gehabt haben könnte von T angegriffen zu werden, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Es gibt zudem keine plausible Begründung, warum der Angeklagte den in der Hauptverhandlung behaupteten Geschehensablauf nicht bereits bei der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 04.11.2015 oder bei der Beschuldigtenvernehmung durch den Haftrichter am 09.11.2015 geschildert hat, wenn die nunmehrige Einlassung denn die zutreffende wäre. Eine einleuchtende Erklärung dafür, warum der Angeklagte in der von der Verteidigung beanstandeten Vernehmungssituation am 04.11.2015 einen ihm deutlich ungünstigeren Ablauf des Tatgeschehens gestanden haben und – ohne Einwendungen gegen die Vernehmungssituation vom 04.11.2015 – am 09.11.2015 vor dem Haftrichter weitgehend wiederholt haben sollte, ist nicht ersichtlich. Es kommt hinzu, dass – worauf nachfolgend unter 4.c. noch näher einzugehen sein wird – die Einlassungen des Angeklagten in der Hauptverhandlung keinen Erklärungsansatz dafür bieten, aus welchem Grund der Angeklagte das Messer gegen T eingesetzt hat.
2484. Beweiswürdigung zum Tatgeschehen im Einzelnen
249Dies zugrunde gelegt, ist die Kammer im Einzelnen wie folgt zu den unter II.3. getroffenen Feststellungen gelangt:
250a)
251Die Täterschaft des Angeklagten steht außer Zweifel. Er hat sowohl gegenüber der Polizei als auch gegenüber dem Haftrichter und der Kammer eingeräumt, für den Tod Ts verantwortlich zu sein.
252Zwar konnte die Angabe des Angeklagten auf der Fahrt vom LKA Hamburg zur JVA Hamburg-Billwerder, wonach er seinem Bruder von dem Tatgeschehen berichtet habe, nicht näher verifiziert werden, weil dieser in der Hauptverhandlung in Abrede gestellt hat, über eine solche Information verfügt zu haben und hierbei auch auf Vorhalt der Angaben des Angeklagten geblieben ist.
253Die Richtigkeit des Geständnisses des Angeklagten wird jedoch bereits durch das dargestellte Ergebnis der DNA-Untersuchung belegt, wonach sich dem Angeklagten zuzuordnende DNA-Spuren an der neben der Kasse abgelegten Zigarettenkippe festgestellt wurden sowie eine unter anderem dem Angeklagten zuzuordnende DNA-Mischspur an der Außenseite der Tür zum Kühlraum. Beide Spuren wurden bereits zu Beginn des Ermittlungsverfahrens als tatrelevant eingeordnet. Die Zigarettenkippe hatte sich – im Gegensatz zu der ansonsten neuen und gepflegten Inneneinrichtung des Ladenlokals – in die Thekenoberfläche eingebrannt und lag dort bei der Entdeckung der Tat. Dass sich das in der Zigarettenkippe detektierte DNA-Muster auch am äußeren Griff der Tür des Kühlraums wiederfand, in dem T von ihrem Bruder tot aufgefunden worden war, zeigt, dass der Täter Kontakt mit diesem Türgriff gehabt haben muss, als er die Tür schloss, nachdem er T in den Kühlraum verbracht hatte. Schließlich kommt hinzu, dass der Angeklagte unter anderem dadurch unmittelbares Täterwissen offenbart hat, dass er angegeben hat, T habe sich am Kühlraum befunden und Notizen gemacht, als er das Ladenlokal betreten habe, was sich ohne Weiteres zu dem Umstand fügt, dass im Rahmen der Tatortarbeit ein einlaminiertes, mit Nahrungsmitteln beschriebenes DIN-A4-Blatt sowie ein Folienschreiber und die zugehörige Verschlusskappe auf dem Boden des Kühlraumes vorgefunden wurden.
254Insgesamt begründen diese Umstände die sichere Überzeugung der Kammer, dass es sich bei dem Angeklagten um die Person handelt, die T die ihren Tod herbeiführenden Verletzungen beibrachte.
255Soweit der Angeklagte gegenüber der Polizei zunächst Personen aus seinem Umfeld für die Tatbegehung verantwortlich gemacht hat, hat er hieran im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht festgehalten, vielmehr ausdrücklich mitgeteilt, dass es sich hierbei um eine von ihm für den Fall zurechtgelegte Geschichte gehandelt habe, dass er von der Polizei auf das Tatgeschehen angesprochen werde. Der Zeuge KHK L2 hat überzeugend bekundet, dass im Umfeld des Angeklagten zwar drei Personen mit den von dem Angeklagten genannten Vornamen ermittelt werden konnten, dass jedoch die weiteren Ermittlungen ergeben hätten, dass im Tatzeitpunkt noch kein Kontakt zwischen diesen Personen und dem Angeklagten bestand. Insgesamt haben sich weder auf der Grundlage der Einlassung noch nach Überprüfung der genannten Personen noch nach der Spurenlage am Tatort Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, dass diese Personen die Tat zum Nachteil von T begangen haben oder an dieser beteiligt waren.
256b)
257Dass der Angeklagte die Salatbar in der Hoffnung betrat, Stehlenswertes zu finden, entspricht seiner Einlassung sowohl im Ermittlungsverfahren als auch in der Hauptverhandlung. Die Feststellung, dass der Angeklagte in der Salatbar eine brennende Zigarettenkippe auf den Tresen neben der Kasse ablegte, folgt aus dem Umstand, dass von der Polizei an dieser Stelle eine Kippe mit der DNA des Angeklagten sicher- und auf dem Tresen eine Brandspur festgestellt wurde. Die Bekundung der Zeugen KHK L2 und KHK L2, wonach der Angeklagte im Rahmen seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren keine Erinnerung mehr daran hatte, dort eine Zigarette abgelegt zu haben, fügt sich zu dem Umstand, dass diese am Tatort zurückblieb. Offenbar hatte der Angeklagte bereits im Zeitpunkt des Verlassens vergessen, die Kippe dort abgelegt zu haben.
258Dass T erschrak, als sie den Angeklagten sah und dass sie ihn ansprach, entspricht der Einlassung des Angeklagten im Rahmen der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung. Aus dem weiteren Tatgeschehen schließt die Kammer, dass der Angeklagte in dem Augenblick, in dem er T erblickte, den Entschluss fasste, diese zu zwingen, ihm Geld zu geben.
259Dass er T an den Hals griff und sie aufforderte, ihm Geld zu geben, entspricht der Einlassung des Angeklagten beim Haftrichter am 09.11.2015. Auch im Rahmen der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 04.11.2015 hat der Angeklagte angegeben, dass er T zu Beginn des Geschehens mit den Händen angefasst habe. Soweit in der Einlassung in der Hauptverhandlung angegeben wurde, dass der Angeklagte lediglich „mit beiden Händen in Richtung der Nähe des Halses“ gegriffen habe, folgt die Kammer dem im Hinblick auf den geringen Beweiswert dieser Einlassung nicht, zumal sich dies – wie bereits oben unter IV.zu_II.3.3. dargelegt – weder mit den vorgenannten Äußerungen noch mit dem weiteren Ablauf des Tatgeschehens in Einklang bringen lässt.
260Dass T dem Angeklagten in Aussicht stellte, ihm Geld zu geben und dass sie ihn anflehte, ihr nichts zu tun, entspricht der Einlassung des Angeklagten im Rahmen der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung. Auch gegenüber dem Haftrichter hat der Angeklagte angegeben, dass T ihm angekündigt habe, ihm Geld zu geben. Die von dem Angeklagten insoweit geschilderten Verhaltensweisen von T passen stimmig zu der von dem Angeklagten selbst beschriebenen Tatsituation.
261Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Angeklagte sodann das Messer zog, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Eine anderweitige Erklärung für das Ziehen des Messers ist in Anbetracht des vor- und nachgelagerten Tatgeschehens nicht ersichtlich. Nichts anderes wird im Übrigen mit der Darstellung in der Einlassung des Angeklagten beschrieben, wonach er das Messer gezogen habe, damit das Tatopfer tue, was er sage. Dass der Angeklagte Angst hatte, dass T ihn angreifen könnte und verhindern wollte, dass diese ihrerseits zu einem Messer oder anderweitigen Gerätschaften griffe, schließt die Kammer – wie vorstehend unter IV.zu_II.3.3. bereits ausgeführt – schon deshalb aus, weil sich diese Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung in keiner Weise mit seinen Ausführungen im Ermittlungsverfahren in Einklang bringen lässt.
262Für die Kammer steht fest, dass T erst zu schreien begann, als sie das Messer sah. Dies entspricht der Einlassung des Angeklagten gegenüber dem Haftrichter sowie den in der Hauptverhandlung verlesenen Einlassungen. Zwar hat sich der Angeklagte im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung vom 04.11.2016 zu diesem Punkt unterschiedlich eingelassen. Zunächst hat er angegeben, dass sie ihm gesagt habe, dass sie ihm Geld geben werde, er dennoch das Messer genommen und sie dann angefangen habe zu schreien. Später hat er sich in derselben Vernehmung dahingehend eingelassen, dass er sie erst mit seinen Händen angefasst und ihr gesagt habe, dass er nichts machen werde und sie keine Angst zu haben brauche. Dann habe sie geschrien. In dem Moment habe er Angst bekommen, dass jemand kommen könnte und das Messer aus der Jacke genommen.
263Bei der Beschuldigtenvernehmung durch den Haftrichter am 09.11.2015 sowie bei den unterschiedlichen Einlassungen in der Hauptverhandlung hat er sich jedoch durchgängig dahingehend eingelassen, dass T erst zu schreien begonnen habe, als sie das Messer gesehen habe. Für diese Reihenfolge des Geschehensablaufs spricht zudem die festgestellte Phobie der T vor spitzen Gegenständen, die es als sehr naheliegend erscheinen lässt, dass sie auf den Anblick des Messers mit Schreien reagierte.
264c)
265Zu der Feststellung, dass der Angeklagte mit dieser Reaktion nicht gerechnet hatte, dass er befürchtete, dass durch die Schreie andere Personen auf das geschehen aufmerksam würden, einschreiten und ihn daran hindern könnten, vom Tatort zu fliehen und dass er sich in dieser Situation spontan dazu entschloss, das Messer gegen T einzusetzen um sie zum Schweigen zu bringen, ist die Kammer wie folgt gelangt:
266Die Feststellungen stützen sich zunächst auf die Einlassung des Angeklagten im Rahmen der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 04.11.2015. Die in der Hauptverhandlung zeugenschaftlich hierzu vernommenen Polizeibeamten KHK L2 und KHK L2 haben übereinstimmend ausgesagt, dass der Angeklagte sich dahingehend eingelassen habe, dass er in dem Moment, als T schrie, Angst gehabt habe, dass jemand kommen könnte. Eine anderweitige Erklärung, warum es zu dem Messereinsatz gekommen sei, habe der Angeklagte nicht abgegeben.
267Die Feststellung, dass der Angeklagte mit dieser Reaktion von T nicht gerechnet hatte, fügt sich zudem zu dem weiteren Tatgeschehen, aus dem die Kammer den Schluss zieht, dass es dem Angeklagten von dem Zeitpunkt an, in dem T zu schreien begann, in erster Linie nicht mehr darum ging, einen – möglichst hohen – Geldbetrag zu erbeuten. Dies folgt zum Einen aus dem Umstand, dass im Rahmen der polizeilichen Tatortarbeit das in dem unverschlossenen Unterschrank im Verkaufsthresen befindliche Bargeld vorgefunden wurde. Der Angeklagte hätte dieses Geld an der leicht zugänglichen Stelle gefunden, wenn er in dem Laden nach Geld gesucht hätte. Aus dem Umstand, dass das Geld liegen blieb, folgt somit, dass der Angeklagte nicht mehr nach Geld suchte, bevor er den Laden verließ. Dies wiederum zeigt, dass sich seine Absichten geändert hatten, nachdem T begonnen hatte, zu schreien. Dem steht nicht der Umstand entgegen, dass der Angeklagte beim Verlassen der Salatbar Ts Taschen an sich nahm. Diese ließen erwarten, dass sich in ihnen auch Bargeld befand. Der Angeklagte musste sie lediglich ergreifen und konnte sie ohne weitergehenden Zeitverlust mitnehmen. Auch der Umstand, dass der Angeklagte – nachdem er T in den Kühlraum verbracht hatte – sich vom Tatort entfernte, ohne die auf dem Tresen befindliche Zigarettenkippe mitzunehmen, belegt, dass er die Salatbar überstürzt verließ.
268Wenn jedoch die Ermöglichung der Mitnahme von Diebesgut als handlungsleitendes Motiv für den Messereinsatz ausscheidet, ist die festgestellte Absicht, zu verhindern, dass durch die Schreie andere Personen auf das Geschehen aufmerksam würden, die einzig verbleibende Motivation, die zu erklären vermag, warum der Angeklagte überhaupt zustach. Eine dritte Variante, die dies begründen könnte, ist weder von dem Angeklagten noch von einem der Verteidiger aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich. Dafür, dass es dem Angeklagten primär darum ging, T zum Schweigen zu bringen, sprechen auch die – ungewöhnlichen – Stiche in die rechte Schläfenregion und in die Kinnspitze. Wie festgestellt, endeten die hierdurch verursachten Stichkanäle jeweils im Mund- bzw. Rachenraum, mithin in dem Bereich der Herkunft der Schreie, die bei dem Angeklagten die Befürchtung auslösten, dass jemand auf das Geschehen aufmerksam werden und einschreiten könnte.
269Der festgestellten Tatmotivation des Angeklagten steht auch nicht entgegen, dass er das von ihm verfolgte Ziel der Verhinderung seiner Entdeckung womöglich auch dadurch hätte erreichen können, dass er den Tatort sofort verließ, als T zu schreien begann. Die Kammer geht insoweit davon aus, dass die unerwartet eingetretene Situation, die aufgrund seiner Befürchtung, dass jemand auf die Situation aufmerksam werden könnte, ihn aufgrund eines spontan gefassten Entschlusses zu dem Messereinsatz veranlasste, ohne die verbleibenden Handlungsmöglichkeiten abzuwägen.
270d)
271Dass der Angeklagte mehrfach wuchtvoll auf T einstach und ihr dabei die in den Feststellungen im Einzelnen dargelegten Verletzungen zufügte, folgt aus den Angaben des Angeklagten im Ermittlungsverfahren und aus den gutachterlichen Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. T7 in der Hauptverhandlung.
272Zwar hat der Angeklagte nicht eingeräumt, T die festgestellte Anzahl von Stich- und Schnittverletzungen beigebracht zu haben. Er hat vielmehr wiederholt angegeben, sich nur an zwei bis drei Stichverletzungen zu erinnern. Dem stehen jedoch auch Angaben des Angeklagten gegenüber, wonach er „immer wieder“ auf das Tatopfer eingestochen habe und dass es auch sein könne, dass er mehrmals zugestochen habe. Auch die variierenden Angaben des Angeklagten zu der Frage, wo er das Tatopfer getroffen habe, legen den Schluss nahe, dass er tatsächlich mehr als zwei bis drei zugefügte Stichverletzungen in Erinnerung hat. Denn während er gegenüber der Polizei angegeben hat, dass er sie am Hals, vielleicht auch im Gesicht verletzt habe, hat er sich gegenüber dem Haftrichter dahingehend eingelassen, sie im oberen Brustbereich und am Arm getroffen zu haben. Im Übrigen ist es häufig zu beobachten, dass Täter sich nicht im Einzelnen an die Anzahl und die genaue Platzierung sämtlicher Stiche erinnern.
273Die Art und Weise der Verletzungen von T stehen für die Kammer aufgrund der gutachterlichen Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. T7 in der Hauptverhandlung fest. Dieser hat die Art und Anzahl der Verletzungen, die Tiefe des jeweiligen Stichkanals in der Hauptverhandlungen im Einzelnen dargelegt und durch die Erläuterung von Lichtbildern veranschaulicht. Er hat weiter ausgeführt, dass die Stiche wuchtvoll geführt worden sein müssen. Es erfordere schon eine gewisse Kraftentfaltung, um überhaupt den Hautwiderstand zu überwinden und mit einem scharfkantigen Gegenstand, wie z.B. einem Messer, in die Unterhaut vorzudringen. Vorliegend seien durch die Stiche verschiedene knöcherne Strukturen, das Jochbein, der Oberkieferknochen, der knorpelige Anteil der 4. Rippe und die Kniescheibe durchsetzt worden, was nur bei einem wuchtvollem Einsatz des Tatmessers möglich sei. Diesen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen folgt die Kammer.
274Dass T versuchte, die Stiche abzuwehren, liegt bei lebensnaher Sachverhaltsbetrachtung auf der Hand und fügt sich zudem zu den von dem rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. T7 in der Hauptverhandlung wie festgestellt dargelegten Schnittverletzungen, die sie davontrug. Der Sachverständige hat hierzu angegeben, dass es sich bei den Verletzungen am rechten Arm und an der linken Hand um typische Abwehrverletzungen handele. Dies entspricht auch dem Erfahrungswissen der Kammer, so dass sie diesen Ausführungen des Sachverständigen Dr. T7 folgt.
275Soweit der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung dahingehend eingelassen hat, dass er dem Tatopfer beim hektischen Herausziehen des Messer ungewollt eine erste Verletzung zugefügt und sodann die weiteren Stiche ausgeführt habe, alles in einem Ablauf ohne Unterbrechung, hat der Sachverständige Dr. T7 keinen Zweifel daran gelassen, dass sich das gesamte Verletzungsbild nicht durch einen einheitlichen Bewegungsablauf des Täters erklären lasse. Zwar könne die Beibringung einer Stichverletzung mit der Zufügung einer Schnittverletzung im Zuge einer Abwehrbewegung des Opfers einhergegangen sein. Es sei aber sicher auszuschließen, dass die sieben Stichverletzungen durch eine einheitliche Bewegung des Täters entstanden seien. Erst recht sei angesichts der Tiefe der Stichverletzungen sowie der Durchdringung knöcherner Strukturen auch auszuschließen, dass diese durch ein „Herumfuchteln“ des Täters mit dem Tatwerkzeug entstanden seien.
276Der Sachverständige Dr. T7 hat weiter ausgeführt, dass nicht davon auszugehen sei, dass die Geschädigte sofort handlungsunfähig geworden sei. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass der Blutverlust erst nach einer gewissen Zeitspanne – etwa 15 Minuten – zum Tod der Geschädigten geführt habe. In dieser Zeit habe die Handlungsfähigkeit der Geschädigten bis zum Todeseintritt immer mehr abgenommen. Aus rechtsmedizinischer Sicht sei daher ohne Weiteres nachvollziehbar, dass das Opfer sich selbst nicht mehr aus dem Kühlraum habe befreien können.
277Die Kammer folgt auch diesen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. T7, an dessen Sachkunde keine Zweifel bestehen.
278e)
279Dass T im Laufe des Tatgeschehens zu Boden gegangen war, entspricht der Einlassung des Angeklagten.
280Die Feststellung, dass der Angeklagte sie sodann in den Kühlraum verbrachte und er die Tür von außen schloss, folgt aus dem Umstand, dass sie dort am Morgen nach der Tat durch ihren Bruder T4 aufgefunden wurde und dass an dem Griff der Tür zum Kühlraum die DNA des Angeklagten in Form einer Mischspur festgestellt wurde. Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, dass er sich zwar an diesen Umstand nicht erinnere, ihn jedoch nicht in Abrede stelle. Wenn sich seine DNA-Spur an der Tür befunden habe, müsse er es ja gewesen sein.
281f)
282Dass der Angeklagte im Tatzeitpunkt mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, beruht auf den folgenden Erwägungen:
283Wie festgestellt, kam es dem Angeklagten in der Tatsituation nicht darauf an, T zu töten. Ihm ging es vielmehr darum, sie zum Schweigen zu bringen, damit kein Dritter auf die Situation aufmerksam und einschreiten würde. Es liegt jedoch in Anbetracht der massiven Gefährlichkeit der Tathandlung auf der Hand, dass der Angeklagte in der Tatsituation erkannt hat, dass das Geschehen einen für das Tatopfer tödlichen Verlauf nehmen könnte (aa.) und dass er dies billigend in Kauf nahm (bb.).
284aa.
285Es handelt sich um grundlegendes Wissen eines jeden Menschen, dass in die Brust und in den Kopf-/Halsbereich geführte Messerstiche in hohem Maße geeignet sind, tödliche Verletzungen herbeizuführen. Über dieses Wissen verfügt auch der Angeklagte. Die Intelligenz des Angeklagten liegt nach den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen, die sich mit dem Eindruck der Kammer decken, im Durchschnittsbereich. Die im Alltag geltenden Normen sind dem Angeklagten bekannt, was sich insbesondere daran zeigt, dass er selbst im Rahmen seiner Einlassung vielfach sein Bedauern über das Tatgeschehen zum Ausdruck gebracht hat.
286Anhaltspunkte dafür, dass ihm dieses Wissen im Tatzeitpunkt nicht zugänglich war, bestehen nicht. Dem Angeklagten war im Tatzeitpunkt zudem bewusst, wo er das Opfer getroffen hatte. Dies ergibt sich aus den vorstehend unter d) zitierten Angaben des Angeklagten gegenüber der Polizei und dem Ermittlungsrichter.
287Gegen die Annahme von Tötungsvorsatz spricht auch nicht, dass der Angeklagte nicht damit gerechnet hatte, dass T schreien würde, als sie das Messer sah, dass er sodann fürchtete, dass andere Personen auf die Situation aufmerksam werden würden, einschreiten und ihn daran hindern könnten, vom Tatort zu fliehen und er sich in dieser Situation spontan entschloss, auf T einzustechen, um sie zum Schweigen zu bringen. Die Gefährlichkeit der Tathandlung war aufgrund der einfachen Struktur und plakativen Anschaulichkeit des Tatgeschehens auch für einen spontan agierenden Täter ohne Weiteres zu erfassen.
288Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass der Angeklagte im Laufe des Tatabends anderthalb bis zwei Joints Marihuana geraucht hatte. Dafür, dass das von dem Angeklagten im Vorfeld der Tat konsumierte Marihuana im Tatzeitpunkt eine relevante psychotrope Wirkung entfaltet hätte, sind keine Umstände ersichtlich. Der psychiatrische Sachverständige Dr. M2, dessen Ausführungen sich die Kammer anschließt, hat dargelegt, dass keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine relevante Drogenintoxikation des Angeklagten im Tatzeitpunkt bestünden. Der durch den Angeklagten beschriebene Cannabiskonsum führe zu keiner psychiatrischen Diagnose, eine schädigende Wirkung durch die Substanz sei nicht erkennbar. Bei der Dosierung von 1,5 bis 2 Joints sei ein milder Rausch zu erwarten. Das Maximum werde nach etwa 15 Minuten erreicht, nach 30 bis 60 Minuten beginne die Wirkung abzuklingen. Auch in den Einlassungen des Angeklagten sei ein drogeninduzierter Rausch zur Tatzeit zu keiner Zeit beschrieben worden.
289In der Hauptverhandlung sind auch weder für die Kammer noch für den psychiatrischen Sachverständigen Anhaltspunkte für eine hirnorganische Schädigung des Angeklagten zutage getreten. Ebenso wenig kann angenommen werden, dass die bei dem Angeklagten bestehende Spielsucht ihm in irgendeiner Weise den Zugang zu dem Wissen über die Gefährlichkeit der Tathandlung versperrt haben könnte.
290bb.
291Aus dem Umstand, dass der Angeklagte um die Gefährlichkeit der Messerstiche wusste, er aber gleichwohl zustach, schließt die Kammer unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Tatgeschehens darauf, dass der Angeklagte bei Tatbegehung Ts Tod billigend in Kauf nahm.
292Die Kammer hat bei der Bewertung des voluntativen Vorsatzelementes folgende Umstände berücksichtigt: Der Angeklagte ist zwar wegen einer vorsätzlichen Körperverletzung zum Nachteil seiner Ehefrau vorbestraft, jedoch nicht wegen weiterer gravierender Gewaltdelikte. Er hat das Messer in der Tatsituation spontan eingesetzt, weil er mit den Schreien von T als Reaktion auf den Anblick des Messers nicht gerechnet hatte. Er hat sich nach der Tat entsetzt über seine eigene Vorgehensweise gezeigt. Diese und die sonstigen vorstehend unter aa. genannten Gesichtspunkte rechtfertigen angesichts der auf der Hand liegenden Lebensgefährlichkeit der Tathandlung indes – auch unter Berücksichtigung des vorangegangenen Marihuanakonsums und der Spielsucht des Angeklagten – nicht den Rückschluss, der Angeklagte habe ernsthaft auf das Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut. Der Umstand, dass der Angeklagte das Tatopfer, nachdem dieses zu Boden gegangen war, in den Kühlraum verbrachte und die Tür schloss, zeigt vielmehr, dass er sich mit einem für das Opfer tödlichen Verlauf abgefunden hatte, auch wenn er die Gewissheit über den Todeseintritt Ts erst erlangte, als er hiervon in der Zeitung las.
293g)
294Dass der Angeklagte die von dem Tatopfer an diesem Abend mitgeführten und auf einem Stehtisch in dem Ladenlokal abgelegten Taschen mitnahm, entspricht seinen Angaben gegenüber der Polizei, dem Ermittlungsrichter und in der Hauptverhandlung. Die Kammer schließt aus diesem Umstand, dass er die Taschen mitnahm, um diese dem Berechtigten dauerhaft zu entziehen und deren werthaltigen Inhalt seinem Vermögen einzuverleiben. Eine anderweitige Erklärung für die Mitnahme der Taschen ist nicht ersichtlich. Die – somit widerlegte – Einlassung, dass der Angeklagte nicht mehr daran gedacht habe, irgendetwas Wertvolles mitzunehmen und nicht davon ausgegangen sei, dass in den Taschen etwas Wertvolles enthalten gewesen sei, liefert ebenfalls keine Erklärung, für den Umstand, dass er sie überhaupt mitnahm. Folgerichtig hat er das in den Taschen enthaltene Münzgeld für sich verwendet, während er die Taschen, die Ausweispapiere und sonstigen Karten von T, die SIM-Karte ihres Mobiltelefons und das Mobiltelefon entsorgte, naheliegend, weil er befürchtete, dass er durch diese als Täter des Tötungsdelikts zum Nachteil von T überführt werden könnte.
295h)
296Zur Beurteilung der Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit hat die Kammer sich der Hilfe des forensischen Psychiaters Dr. med. M2 aus Köln bedient. Dieser hat an den ersten fünf Hauptverhandlungstagen der Beweisaufnahme beigewohnt und am Ende des fünften Hauptverhandlungstages – der Angeklagte hatte sich nicht explorieren lassen – auf Grundlage der in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse ein Gutachten erstattet. Der psychiatrische Sachverständige ist hierbei von vollständigen und zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen. Seine Ausführungen und Schlussfolgerungen waren einleuchtend und überzeugend. Auch an seiner Sachkunde bestehen keine Zweifel.
297Auf der Grundlage dieses Gutachtens ist die Kammer nach eigener Würdigung und Pr252;fung zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte im Tatzeitpunkt keines der in § 20 StGB genannten Eingangsmerkmale erfüllte. Im Einzelnen:
">298ass="absatzLinks">aa.
299class="absatzLinks">Wie bereits ausgeführt, hat der von dem Angeklagten angegebene Marihuanakonsum im Tatzeitpunkt zu keinem akuten Rausch geführt. Es haben sich aufgrund des von ihm beschriebenen Drogenkonsums auch keine Anzeichen für eine drogenbedingte Wesensänderung des Angeklagten ergeben. Da auch weder für die Kammer noch für den psychiatrischen Sachverständigen Hinweise auf eine andere psychiatrisch relevante Erkrankung bestehen, scheidet das Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung des Angeklagten im Tatzeitpunkt aus.
300bb.
301Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass Anhaltspunkte für das Vorliegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung bei dem Angeklagen zur Tatzeit nicht bestünden. Im zur Tat führenden Geschehen, der Tatsausführung und dem Geschehen nach der Tat ließen sich keine Anzeichen einer Affekttat im engeren Sinne belegen. Auch das Eingangsmerkmal des Schwachsinns sei auszuschließen. Wie sein Lebenswandel zeige, liege ein Intelligenzmangel bei dem Angeklagten sicher nicht vor. Auch insoweit folgt die Kammer dem Sachverständigen.
302cc.
303Die Kammer ist zudem mit dem Sachverständigen der Überzeugung, dass auch die Voraussetzungen des Eingangsmerkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit nicht erfüllt sind.
304Der Angeklagte war zwar zur Tatzeit spielsüchtig. Aus den unter I.1. getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass sein Alltag und seine zwischenmenschlichen Beziehungen vom Glücksspiel geprägt waren. Dementsprechend ist auch der psychiatrische Sachverständige Dr. M2 im Rahmen seines Gutachtens zu dem Ergebnis gekommen, dass unter Zugrundelegung der Angaben des Angeklagten und der in der Hauptverhandlung hierzu vernommenen Zeugen eine zumindest mittelgradig ausgeprägte Spielsucht im Sinne des Klassifikationssystems DSM-5 belegt sei.
305Eine Spielsucht stellt für sich genommen jedoch keine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB dar. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist – wie bei einer stoffgebundenen Sucht – insoweit vielmehr erforderlich, dass die Spielsucht zu einer schwersten dauerhaften Persönlichkeitsveränderung, die in ihrer Ausprägung einer krankhaften seelischen Störung gleichkommt, geführt oder dass der Täter im Tatzeitpunkt unter starken Entzugserscheinungen gelitten hat. Die Überzeugung davon, dass weder das eine noch das andere vorliegend der Fall ist, hat die Kammer ebenfalls auf der Grundlage des von dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. M2 erstatteten Gutachtens gewonnen:
306(1)
307Die Kammer hat in der Hauptverhandlung eine Reihe von Zeugen aus dem Umfeld des Angeklagten vernommen, die sich auch zu dessen Persönlichkeit geäußert haben. Der Zeuge B8 hat zwar angegeben, dass der Angeklagte nicht er selbst gewesen sei, wenn er gespielt habe. Die weiteren Zeugen aus seinem Umfeld haben jedoch überwiegend positiv von dem Angeklagten berichtet. Sein Bruder, der Zeuge B1, hat ausgesagt, dass es sich bei dem Angeklagten um einen sehr netten Menschen handele, der nur Probleme „mit den Automaten“ gehabt habe. Auch die Zeugin B9, die Ehefrau des Zeugen B1, hat ausgesagt, dass der Angeklagte sich ihr gegenüber nie unhöflich und immer respektvoll geriert habe. Die Zeugin G hat bekundet, dass sie den Angeklagten als ruhigen Menschen kennen gelernt habe. Eine Situation, in der er gereizt oder aggressiv reagiert habe, sei ihr nicht in Erinnerung. Der Angeklagte habe seinerzeit bei verschiedenen Schnellrestaurants und auch eine Zeit lang bei L1 gearbeitet. Ihr sei nicht bekannt geworden, dass es auf seinen Arbeitsplätzen zu Problemen gekommen sei, dass er dort beispielsweise unpünktlich erschienen sei. Die Zeugin P hat ausgesagt, dass der Angeklagte auf sie den Eindruck eines Menschen mit einem großen Herz gemacht habe. Zudem hat der Zeuge B4 bestätigt, dass der Angeklagte immer wieder gearbeitet und nicht ungepflegt gewirkt habe.
308Der Sachverständige Dr. M2 hat in seinem Gutachten unter zusammenfassender Würdigung dieser Angaben überzeugend dargelegt, dass eine Depravation der Persönlichkeit des Angeklagten nicht erkennbar sei. Daher sei erst recht auszuschließen, dass es bei dem Angeklagten zu einer schwersten Persönlichkeitsveränderung gekommen sei, die in ihrer Ausprägung einer krankhaften seelischen Störung gleichkomme. Insbesondere die von den Zeugen und dem Angeklagten selbst geschilderte regelmäßige Berufstätigkeit sei hiermit nicht vereinbar.
309(2)
310Daneben hat der psychiatrische Sachverständige ausgeführt, dass auch für die Annahme starker Entzugserscheinungen im Tatzeitpunkt keine zureichenden Anhaltspunkte bestünden. Zwar habe sich der Angeklagte in die Salatbar begeben, weil er gedacht habe, er könne dort an Geld kommen. Er habe jedoch nach eigenen Angaben seine Wohnung in F1 nach dem Vorfall tagelang nicht verlassen. Daher sei ein Bezug zwischen dem Spielen und der Tat nicht erkennbar. Hätte der Angeklagte unter starken Entzugserscheinungen gelitten, wäre zu erwarten gewesen, dass er nach der Tat mit der Beute in eine Spielhalle gegangen wäre, um direkt weiterzuspielen. Dies habe der Angeklagte jedoch zu keinem Zeitpunkt beschrieben. Es komme hinzu, dass der Angeklagte selbst angegeben habe, zum Tatzeitpunkt noch über 20 € verfügt zu haben, und dass er an keiner Stelle von starken Entzugserscheinungen zum Tatzeitpunkt berichtet habe. Auch diesen überzeugenden Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen folgt die Kammer.
311zu II.4 Nachtatgeschehen
312Diese Feststellungen entsprechen den Angaben des Angeklagten gegenüber der Polizei im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung vom 04.11.2015.
313zu II.5. Polizeiliche Ermittlungen
314Bei den diesbezüglichen Feststellungen hat sich die Kammer wiederum auf die Angaben des Zeugen KHK L2 in der Hauptverhandlung gestützt. Hinsichtlich der Zuordnung der DNA-Spuren wird auf die obigen Ausführungen unter IV.zu II.3.1. verwiesen.
315Die Feststellungen zu Inhalt und Verlauf der Vernehmung vom 04.11.2015 beruhen auf den Bekundungen der Zeugen KHK L2 und KHK L2. Ergänzend ist hierzu der Zeuge B5 vernommen worden. Der Zeuge KHK I1 hat zu der Fahrt vom LKA Hamburg zur JVA Hamburg-Billwerder wie festgestellt ausgesagt. Hinsichtlich der Angaben des Angeklagten gegenüber dem Haftrichter (II.6.) ist das richterliche Protokoll vom 09.11.2015 in der Hauptverhandlung verlesen worden.
316V. Rechtliche Würdigung
317satzLinks">Hinsichtlich des ersten Teils des festgestellten Tatgeschehens war der Angeklagte wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung gem. §§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alt., 22, 23 StGB, hinsichtlich des Tötungsgeschehens wegen Mordes in Verdeckungsabsicht gem. § 211 Abs. 1, Abs. 2, Var. 9 StGB und hinsichtlich der Mitnahme der Taschen der Geschädigten wegen Diebstahls gem. § 242 Abs. 1 StGB zu verurteilen. Die Taten stehen zueinander in Tatmehrheit gem. § 53 StGB.
3181. Versuchte besonders schwere räuberische Erpressung
319Als der Angeklagte T erblickte, fasste er in der Absicht, sich zu Unrecht zu bereichern, den Plan, diese unter Einsatz von Gewalt, dazu zu nötigen, ihm Geld zu geben, wobei er bei der Tat ein gefährliches Werkzeug verwendete, indem er das mitgeführte Messer zog, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen.
ss="absatzRechts">320Zu einer Vollendung des Versuchs kam es nicht. Ein strafbefreiender Rücktritt liegt jedoch nicht vor. Aus Sicht des Angeklagten war der Taterfolg mit den bereits eingesetzten Mitteln nicht mehr zu erreichen, als T zu schreien begann. Das weitere Tatgeschehen zeigt, dass er in diesem Moment keine Möglichkeit mehr sah, T unter Androhung von Gewalt dazu zu bringen, ihm Geld zu geben, ohne Gefahr zu laufen, dass dritte Personen auf das Geschehen aufmerksam werden, einschreiten und ihn daran hindern könnten, vom Tatort zu fliehen.
3212. Mord in Verdeckungsabsicht
322Der Angeklagte hat T vorsätzlich getötet. Die festgestellte Tat erfüllt zudem die Voraussetzungen des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht, da der Angeklagte sich seiner Ergreifung durch Personen entziehen wollte, die von den Schreien Ts hätten alarmiert werden können.
323Der Annahme des Mordmerkmals steht nicht entgegen, dass der Angeklagte den Tötungsentschluss spontan in einer unvorhergesehenen Augenblickssituation gefasst hat. Die Absicht zur Verdeckung einer anderen Tat, hier der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung, erfordert keine Überlegung des Täters im Sinne eines abwägenden Reflektierens über die eigenen Ziele (BGHR, StGB, § 211 Abs. 2,Verdeckung 18 m.w.N.). Ein gedankliches Mitbewusstsein genügt. Dieses ist in der Regel vorhanden (BGH, Urteil vom 23. Dezember 1998 – 3 StR 319/98 –, Rn. 10, juris). Dass dies auch vorliegend beim Angeklagten der Fall war, zeigt sich bereits an dessen Einlassung im Ermittlungsverfahren, wonach er in dem Moment, als T anfing zu schreien, Angst gehabt habe, dass jemand kommen könnte.
3243. Diebstahl
325Die Mitnahme der Taschen durch den Angeklagten, in der Absicht sich diese und deren werthaltigen Inhalt rechtswidrig zuzueignen, erfüllt den Tatbestand des Diebstahls gem. § 242 StGB. Wie festgestellt, lebte T noch, als der Angeklagte ihre Taschen an sich nahm. Sie hatte damit weiterhin – gelockerten – Gewahrsam an diesen.
326Von einem Raub – mit Todesfolge – gem. §§ 249, 251 StGB war nicht auszugehen, da es insoweit an dem nötigen Kausalzusammenhang fehlt. Nach den Feststellungen zur subjektiven Tatseite hat der Angeklagte T nicht erstochen, um sich in den Besitz dieser Taschen bringen zu können.
327VI. Strafzumessung
328Im Rahmen der Strafzumessung ist die Kammer wie folgt zu der von ihr verhängten Gesamtfreiheitsstrafe gelangt:
3291.
330Hinsichtlich der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung sieht das Gesetz gem. § 250 Abs. 2 StGB einen Strafrahmen von fünf bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe vor. Ein minder schwerer Fall der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung gem. § 250 Abs. 3 StGB, der eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren nach sich ziehen würde, liegt nicht vor. Die strafmildernden Gesichtspunkte überwiegen die strafschärfenden Aspekte nicht so deutlich, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens tat- und schuldungangemessen wäre.
331Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung hat die Kammer die folgenden Gesichtspunkte zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt:
332Die Lebenssituation des Angeklagten in Deutschland war dadurch erschwert, dass es ihm nicht gelungen ist, sich in Deutschland zu integrieren. Die Ausgangsbedingungen waren zwar nicht schlecht. Er hatte eine Frau geheiratet, die er liebte. Mit dieser hatte er eine Tochter, worüber er glücklich war. Beide hatten eine gemeinsame Wohnung. Der Angeklagte hatte Arbeit. Gleichwohl begann er mit dem Glücksspiel. Hierüber scheiterte seine Ehe, er hatte nur noch gelegentlich Kontakt zu seiner Tochter und musste – trotz seiner Erwerbstätigkeit in unterschiedlichen Jobs – häufig die Unterkunft wechseln.
333Der Angeklagte war zur Zeit der Begehung dieser Tat nicht vorbestraft.
334Es handelte sich um keine geplante Tat. Den Entschluss, in der Salatbar nach Stehlenswertem zu suchen, fasste er spontan, als er diese passierte.
335In Anbetracht der Spielsucht des Angeklagten und den durch ihn an diesem Abend bereits erlittenen Verlusten muss davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte unter einem gewissen inneren Druck stand, an Geld gelangen zu wollen, auch wenn – wie dargelegt – die Schwelle zur verminderten Schuldfähigkeit nicht erreicht war.
336Der Angeklagte hat die Tat gestanden, auch wenn insoweit einschränkend zu berücksichtigen war, dass er – anders als gegenüber der Polizei und dem Haftrichter – in der Hauptverhandlung hinsichtlich der Gewaltanwendung und der Verwendung des Messers teilweise von seinem ursprünglichen Geständnis abgerückt ist.
337Die Begehung der Tat liegt lange Zeit zurück. Der Angeklagte bedauert diese.
338Zu Lasten des Angeklagten war demgegenüber Folgendes zu berücksichtigen:
339Die Tat als solche hat Gewicht. Der Angeklagte nutzte die geöffnete Ladentür, um in den Laden einzudringen, in der Hoffnung dort Stehlenswertes zu finden. Dabei musste er damit rechnen, dass in dem Laden eine Person anwesend war, da anderenfalls das Ladenlokal nicht erleuchtet gewesen wäre und die Ladentür nicht offen gestanden hätte. Als er auf T traf, setzte er sogleich Gewalt ein, um sie zu zwingen, ihm Geld zu geben, indem er ihr an den Hals griff. Obwohl T auf diese Forderung einging und ihn anflehte, ihm nichts anzutun, zog er dennoch das von ihm mitgeführte große Messer, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen.
340Bei Abwägung der vorstehenden, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erschien die Anwendung des Regelstrafrahmens durchaus tat- und schuldangemessen.
341Nichts anderes ergibt sich, wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass es bei dem Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung geblieben ist. In Anbetracht der in dem Tatgeschehen zutage getretenen kriminellen Energie und der Gefährlichkeit des Versuchs sind auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes gemäß § 23 Abs. 2 StGB die Voraussetzungen für einen minder schweren Fall nicht erfüllt.
342Dass es unter den dargelegten Umständen beim Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung geblieben ist, hat die Kammer jedoch zum Anlass genommen, den Regelstrafrahmen gem. §§ 23 Abs. 2, 49 StGB zu mindern, womit zur Ahndung dieser Tat ein Strafrahmen von Freiheitsstrafe von zwei Jahren bis zu 11 Jahren und drei Monaten zur Verfügung stand.
343Die Kammer hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung die vorstehend genannten Umstände erneut gegeneinander abgewogen. Insgesamt hielt die Kammer nach Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände für die versuchte besonders schwere räuberische Erpressung eine Freiheitsstrafe von
344drei Jahren
345für tat- und schuldangemessen.
3462.
347Für den verwirklichten Verdeckungsmord war der Angeklagte gem. § 211 Abs. 1 StGB zu lebenslanger Freiheitsstrafe zu verurteilen.
348Eine Strafrahmenverschiebung gem. § 49 StGB über die so genannte Rechtsfolgenlösung war – unabhängig von der Frage, ob man diese auf den Verdeckungsmord für übertragbar hält – nicht vorzunehmen. Dass sich das Tötungsdelikt zum Nachteil der T als Spontantat darstellt, zu der es kam, weil der Angeklagte die Reaktion der Betroffenen angesichts des Ziehens des Messer nicht vorhergesehen hatte, bedeutet keinen derart außergewöhnlichen Umstand, dass die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe unverhältnismäßig erschiene, zumal der Angeklagte sich selbst freiwillig in die Tatsituation hineinbegab, in der er das Messer bereits bei sich führte, während das Tatopfer zu deren Entstehung keinerlei ihm vorwerfbaren Beitrag leistete.
3493.
350Zur Ahndung des daneben verwirklichten Diebstahls gem. § 242 StGB sieht das Gesetz Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor.
351Insoweit hat die Kammer zugunsten des Angeklagten seine bereits dargelegte Entwicklung in Deutschland, die fehlenden Vorstrafen im Tatzeitpunkt, die Spielsucht, die spontane Tatbegehung, die geringe Tatbeute, das Geständnis jedenfalls hinsichtlich der objektiven Tatumstände und den Zeitablauf seit Tatbegehung gewertet.
352Zu Lasten des Angeklagten war demgegenüber in die Abwägung einzustellen, dass die Tat davon geprägt ist, dass der Angeklagte den Umstand, dass er T zuvor niedergestochen hatte, zur Mitnahme ihrer Taschen ausnutzte, auch wenn er einen entsprechenden Vorsatz im Zeitpunkt des Messereinsatzes nicht hatte.
353Unter Abwägung dieser Umstände erschien insgesamt die Verhängung einer Einzelstrafe von
354sechs Monaten
355als tat- und schuldangemessen.
3564.
357Aus den vorstehenden Einzelstrafen war gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 StGB eine
358lebenslange Freiheitsstrafe
359als Gesamtstrafe zu bilden.
3605.
361Die besondere Schwere der Schuld im Sinne des § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB hat die Kammer nicht festgestellt. Bei zusammenfassender Würdigung der insoweit in den Blick zu nehmenden Gesichtspunkte hat die Kammer insbesondere berücksichtigt, dass der Angeklagte im Zeitpunkt der Tatbegehung nicht vorbestraft war und dass die Taten, die den späteren Verurteilungen zugrunde lagen, nicht annähernd das Gewicht der hier abgeurteilten Tat erreicht haben.
3626.
363Zugunsten des Angeklagten war der tenorierte Härteausgleich vorzunehmen. Wie festgestellt, wurde der Angeklagte nach dem hier in Rede stehenden Tatgeschehen vielfach verurteilt. Die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe mit einer dieser Verurteilungen gemäß § 55 Abs. 1 StGB war nicht möglich, da sämtliche insoweit ausgesprochenen Strafen bereits vollständig vollstreckt waren. Daher war ein Härtefallausgleich vorzunehmen. Dieser wirkt sich bei Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe dergestalt aus, dass ein Teil der Strafe bereits als verbüßt gilt. Die Kammer ist insoweit von dem dem Angeklagten günstigsten hypothetischen Fall ausgegangen, dass die vorliegende Tat gemeinsam mit denjenigen Taten abgeurteilt worden wäre, wegen derer der Angeklagte nachträglich zu einer sechsmonatigen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt wurde (vgl. I.2.b.jj.). Dies zugrunde gelegt, erschien ein Vollstreckungsabschlag in Höhe von zwei Monaten angemessen.
364VII. Kosten
365Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- StGB § 250 Schwerer Raub 3x
- StGB § 57a Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe 1x
- StGB § 253 Erpressung 1x
- StGB § 2 Zeitliche Geltung 1x
- StGB § 249 Raub 1x
- StGB § 23 Strafbarkeit des Versuchs 3x
- 3 StR 319/98 1x (nicht zugeordnet)
- StPO § 251 Urkundenbeweis durch Verlesung von Protokollen 1x
- 26 Js 302/07 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 242 Diebstahl 3x
- 46 Ds 261/13 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe 1x
- 521 Cs 153/12 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 54 Bildung der Gesamtstrafe 1x
- 521 Cs 11/13 1x (nicht zugeordnet)
- 203 Ds 111/13 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 255 Räuberische Erpressung 1x
- 26 Js 16/07 1x (nicht zugeordnet)
- 506 Gs 1897/15 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen 2x
- 521 Ds 240/07 1x (nicht zugeordnet)
- 520 Ds 582/12 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 251 Raub mit Todesfolge 1x
- StGB § 211 Mord 3x
- StGB § 22 Begriffsbestimmung 1x
- StPO § 465 Kostentragungspflicht des Verurteilten 1x
- 506 Gs 1896/15 1x (nicht zugeordnet)
- 521 Cs 137/12 1x (nicht zugeordnet)
- 50 Ds 8/11 1x (nicht zugeordnet)
- 521 Ds 112/09 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 53 Tatmehrheit 1x
- StGB § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe 2x
- 75 Ds 1011/13 2x (nicht zugeordnet)