Endurteil vom Landgericht München II - 34 O 7857/22

Tenor

1. Der Antrag der Verfügungsklägerinnen auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 08.07.2022 wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerinnen haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 100.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerinnen begehren von den Verfügungsbeklagten die umgehende Gewährung eines Einsichtsrechts im Wege der einstweiligen Verfügung.

Mit Vertrag vom 05.01.2017 erwarben die Verfügungsklägerinnen zu 1) bis 3) von u.a. den beiden Verfügungsbeklagten das Anwesen mit der postalischen Anschrift R. (A. AG 1, im Folgenden: „Mietobjekt“) zum Kaufpreis von … Millionen €.

Über das Mietobjekt schlossen die Verfügungsklägerinnen zu 1) bis 3) am 05.12.2017 mit den beiden Verfügungsbeklagten einen Generalmietvertrag (Anlage … 1, im Folgenden: „Generalmietvertrag“).

Die Verfügungsbeklagte zu 1) wird in dem Rubrum des Generalmietvertrags als „Generalmieter“ bezeichnet, die Verfügungsbeklagte zu 2) wird ebenda als „Unter-Generalmieter“ bezeichnet. Die mit der Verfügungsbeklagten zu 1) konzernverbundene Verfügungsbeklagte zu 2) schloss als Untermieterin ihrerseits weitere Untermietverträge mit Dritten und betreibt im Mietobjekt einen Konferenz- und Tagungsort.

Als Festlaufzeit des Generalmietvertrags wurden 6 Jahre vereinbart (Ziff. 3.2 des Generalmietvertrags), sie begann am 01.05.2017. Gemäß Ziff. 4.1 des Generalmietvertrages wurde für die ersten fünf Mietjahre eine gestaffelte Festmiete vereinbart, wobei die monatliche Nettokaltmiete im fünften Mietjahr 418.753,91 € betrug, während vereinbart war, dass die von der Verfügungsbeklagten zu 1) als Generalmieterin für das Mietobjekt zu zahlende monatliche Nettokaltmiete im sechsten Mietjahr, mithin ab 01.05.2022 „jeweils der Summe der beim Generalmieter von den Untermietern monatlich tatsächlich vereinnahmten Nettokaltmieten aus Untermieten und sonstigen Nutzungsüberlassungen an Dritte" entspricht. Weiter heißt es dort:

„(…) Der Generalmieter wird solche aus und in Zusammenhang mit Untermieten bei ihm eingehende Zahlungen unverzüglich vollständig an den Vermieter auf das in Ziffer 4.3 genannte Bankkonto weiterleiten.“

Ziffer 4.7 des Generalmietvertrags lautet wie folgt:

„Soweit nach und im Zusammenhang mit diesem Vertrag die Höhe der dem Generalmieter geschuldeten oder vom Generalmieter erzielten Untermieten maßgeblich ist, gelten als Untermieten auch solche Untermieten, die der Unter-Generalmieter erzielt; diese werden jedoch auf die Untermiete, die der Unter-Generalmieter an den Generalmieter zu entrichten hat bzw. entrichtet, angerechnet.“

Ziffer 5.3 des Generalmietvertrags lautet auszugsweise wie folgt:

„Darüber hinaus tritt der Generalmieter die ihm jetzt oder künftig zustehenden Ansprüche auf Zahlung von Miete und Nebenkosten gegen Untermieter des Mietobjekts bereits jetzt bis zur Höhe der Forderung des Vermieters an diesen ab, der diese Abtretung annimmt. (…) Der Unter-Generalmieter tritt die ihm jetzt oder künftig zustehenden Ansprüche auf Zahlung von Miete und Nebenkosten gegen seine Untermieter des Mietobjekts bereits jetzt, jedoch nur, soweit derartige Ansprüche nicht an den Generalmieter abgetreten und von der Weiterabtretung an die Vermieter nach der vorstehenden Bestimmung erfasst sind, an die Vermieter (als Gesamtgläubiger) ab. (…)"

Ziffer 9 des Generalmietvertrags lautet auszugsweise wie folgt:

„1. Der Generalmieter ist verpflichtet, bei Beendigung der Mietzeit das Mietobjekt geräumt und besenrein an den Vermieter zurückzugeben.

2. Die Verpflichtung des Generalmieters nach Ziffer 9.1 zur Rückgabe in geräumtem und besenreinem Zustand besteht jedoch für die Mietflächen nicht, deren Gebrauch zum Zeitpunkt der Beendigung des Generalmietvertrages Dritten vertraglich überlassen worden ist, ohne dass dem Generalmieter aus den nachfolgend aufgeführten Gründen das Recht zur vorzeitigen Beendigung des betreffenden Untermiet- oder sonstigen Nutzungsüberlassungsvertrages mit Wirkung zum Zeitpunkt der Beendigung des Generalmietvertrages zustünde. Im Hinblick auf diese Flächen tritt der Vermieter (im Innenverhältnis zum Generalmieter) bei Beendigung des Generalmietvertrages anstelle des Generalmieters in sämtliche Rechte und Pflichten des jeweiligen Mietverhältnisses mit den Drittnutzem ein und verpflichtet sich, den Generalmieter ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Generalmietverhältnisses von sämtlichen Pflichten aus diesen Nutzungsverhältnissen freizustellen. Gründe, die nach dieser Bestimmung zu einem Entfall der Rückgabepflicht führen, sind abschließend:

(a) (…)

(b) der Vermieter hat dem Abschluss oder der Verlängerung eines Mietvertrages mit einem Untermieter ausdrücklich schriftlich zugestimmt, der eine Festlaufzeit (…) besitzt, die über den Beendigungszeitpunkt dieses Generalmietvertrages hinausgeht;

(c) der Vermieter kündigt das Generalmietverhältnis unter Ausnutzung des ihm eingeräumten außerordentlichen Kündigungsrechts (Ziffer 3.3) und das jeweilige (Unter-)Mietverhältnis besitzt eine Festlaufzeit (…), die nicht über den Beendigungszeitpunkt dieses Generalmietvertrages hinausgeht. (…)"

Ziffer 13.1 des Generalmietvertrags lautet wie folgt:

„Der Generalmieter wird dem Vermieter jeweils zum Ende eines Kalendervierteljahres die folgenden Informationen im Zusammenhang mit der Untervermietung des Mietobjekts zur Verfügung stellen: Übersichten über bestehende Untermietverhältnisse mit Restlaufzeiten (unter gesondertem Ausweis etwaiger mieterseitiger Verlängerungsrechte) und Übersichten über wesentliche Capex-Maßnahmen. Der Vermieter ist wenigstens viermal je Kalenderjahr berechtigt, in die Originale der bestehenden (Unter-)Mietverträge nebst vertragsrelevanter Korrespondenz Einblick zu nehmen. Dieses Recht besteht nicht, wenn der Generalmieter dem Vermieter vollständige Abschriften der jeweils bestehenden (Unter-)Mietverträge (soweit diese seit der jeweils letzten Einsichtnahme geändert oder neu abgeschlossen worden sein sollten) und der seit der jeweils letzten Einsichtnahme erfolgten vertragsrelevanten Korrespondenz (nach Wahl des Generalmieters in Papier oder in elektronischer Form) verbunden mit der Erklärung, dass die übergebene Dokumentation vollständig ist, übergibt.“

Mit Schreiben vom 31.03.2022 erklärten die Verfügungsklägerinnen die ordentliche Kündigung des Generalmietvertrags zum 31.03.2023 (Anlage AG3).

Mit Schreiben vom 4. Mai 2022 (Anlage … K 7) forderten die Verfügungsklägerinnen die Verfügungsbeklagte zu 1) unter Fristsetzung bis spätestens 10. Mai 2022 auf, ihnen Abschriften aller Untermietverträge, einschließlich aller (Unter-)Untermietverträge nebst sämtlicher Korrespondenz mit den (Unter-)Untermietern zu übersenden, zusammen mit der Erklärung, dass die übersandte Dokumentation vollständig sei, oder den Verfügungsklägerinnen die persönliche Einsichtnahme in die Originale aller Verträge und der gesamten Korrespondenz vor Ort in der R., zu ermöglichen.

Mit Schreiben vom 13.06.2022 erklärten die Verfügungsklägerinnen die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses gegenüber der Verfügungsbeklagten zu 1) und forderten diese erneut zur Gewährung von Einsicht in die Untermietvertragsunterlagen auf (Anlage … K 8).

Mit weiterem Schreiben vom 01.07.2022 forderten die Verfügungsklägerinnen die Verfügungsbeklagte zu 1) erneut auf, bis spätestens Dienstag, 05. Juli 2022, Einsicht in sämtliche die Untermietverhältnisse betreffenden Unterlagen zu gewähren (Anlage … K 12).

Mit Schreiben vom 04.07.2022 (A. AG 8) forderten die Verfügungsbeklagten die Verfügungsklägerinnen unter Fristsetzung auf zu bestätigen, dass aus den außerordentlichen Kündigungen keinerlei Rechte mehr hergeleitet werden. Die dort gesetzte Frist verstrich fruchtlos.

Mit Schreiben vom 04.07.2022 erklärte die Verfügungsbeklagte zu 1) ihrerseits die außerordentliche Kündigung des Generalmietvertrags und kündigte an (Anlage … K 13), sämtliche Dienstleistungs- und Versorgungsverträge sowie von ihr geschlossene Mietverhältnisse zum nächstmöglichen Zeitpunkt kündigen.

Die Verfügungsklägerinnen schrieben daraufhin alle ihnen bekannten Unter-Untermieter des Mietobjekts an und wiesen auf eine Abtretung von Mietzahlungsansprüchen hin. Zugleich wurde eine Mietübernahmevereinbarung angeboten (A. AG 7).

Die Verfügungsbeklagte zu 1) teilte den Verfügungsklägerinnen mit Schreiben von Freitag, den 08.07.2022 mit, dass eine Einsicht in die verfahrensgegenständlichen Unterlagen am 12.07.2022 für zwei Stunden von 10:00 Uhr bis 12:00 Uhr ermöglicht werde (Anlage … K 15).

Im Rahmen des streitgegenständlichen Rechtsstreits übermittelte die Verfügungsbeklagte zu 1) den Verfügungsklägerinnen mit Schriftsatz vom 13.07.2022 als Anlagenkonvolut AG 2 Untermietverträge zwischen der Verfügungsbeklagten zu 1) und der Verfügungsbeklagten zu 2). Die Anlage AG2 umfasst 534 Seiten. Am 13.07.2022 gewährten die Verfügungsbeklagten den Verfügungsklägerinnen den Zugriff auf einen virtuellen Datenraum (A. AG 12).

Die Verfügungsklägerinnen tragen vor, bis zum heutigen Tage hätten die Verfügungsbeklagten den Verfügungsklägerinnen keine Einsicht in die (Unter-)Mietvertragsunterlagen gewährt oder Fotokopien übermittelt. Ein zweistündiges Einsichtsnahmerecht am 12.07.2022 sei bereits angesichts der Vielzahl von Unterlagen zeitlich unzureichend. Durch die Vorlage der Anlage AG2 sei das Einsichtsnahmerecht der Verfügungsklägerinnen schon deswegen nicht erfüllt, weil diese Anlage nicht die Verträge enthalte, welche die Verfügungsbeklagte zu 2) mit Dritten geschlossen habe. Die Verfügungsbeklagten, vor allem die Verfügungsbeklagte zu 1), dokumentierten mit diesem Verhalten nachdrücklich, dass sie sich vorsätzlich nicht an die mietvertraglich getroffene Vereinbarung halten wollten. Der angekündigte Zugang zu dem Datenraum sei den Verfügungsklägerinnen zwar tatsächlich am 13. Juli 2022 gewährt worden, wobei der Datenraum von den Verfügungsbeklagten jedoch so ausgestaltet worden sei, dass die Daten weder kopiert noch anderweitig gesichert werden können. Damit liegt schon keine Übergabe von Kopien im Sinne der Ziff. 13.1 des Generalmietvertrags vor. Zudem seien die Daten unvollständig. Offensichtlich werde dies dadurch, dass etwa die Ordner „Mietsicherheiten“, „Schriftverkehr“ und „Dauermietrechnungen“ bei zahlreichen Mietern vollständig leer seien. Ferner fänden sich in dem Datenraum keine Mietverträge oder Vereinbarungen der Verfügungsbeklagten zu 2) über die von ihr genutzten Konferenzflächen.

Die Verfügungsklägerinnen meinen, die Aktivlegitimation der Verfügungsklägerin zu 4) ergebe sich aus § 566 BGB. Primäre Anspruchsgrundlage für den Verfügungsanspruch sei Ziff. 13.1 des Generalmietvertrages. Nach der Regelung in Ziff. 4.7 des Generalmietvertrags erstrecke sich dieses Einsichtsrecht der Verfügungsklägerinnen auch auf die von der Verfügungsbeklagten zu 2) abgeschlossenen Verträge nebst zugehöriger Unterlagen, sodass die Auskunftspflicht für die Verfügungsbeklagte zu 1) hinsichtlich sämtlicher Untermietverträge, auch die der Verfügungsbeklagten zu 2), bestehe und unabhängig hiervon auch die Verfügungsbeklagte zu 2) Einsicht in die von ihr abgeschlossenen Verträge gewähren müsse. Weitere Anspruchsgrundlage sei hier § 402 1. Hs. BGB aufgrund der in Ziffern 4.7 i.V.m. Ziffer 5.3 des Generalmietvertrags vorgesehen und wirksamen Abtretung. Der Auskunftsanspruch ergebe sich zudem aus dem Gesetz, etwa § 260 BGB und § 242 BGB.

Ein Verfügungsgrund liege vor. Angesichts der angekündigten Rückgabe des Mietobjekts zum 31.07.2022 drohe den Verfügungsklägerinnen bei Durchführung des Hauptsacheverfahrens ein unverhältnismäßig großer irreparabler Schaden. Die Einsicht sei zwingend unverzüglich erforderlich, um einen geordneten Übergang des Objekts sicherzustellen. Eine fehlende Kenntnis der Verfügungsklägerinnen über die tatsächlich abgeschlossenen Verträge und die einzelnen Vertragspartner führe insoweit zwangsläufig zu unübersichtlichen Zuständen und möglicherweise erheblichen Schäden bei der Übernahme des Objekts, da die Verfügungsklägerinnen dann ggf. nicht einmal beurteilen könnten, welcher Mieter berechtigt ist, welche Mietflächen in welchem Zeitraum zu nutzen oder sogar ob überhaupt eine entsprechende Berechtigung besteht. Gerade bei einer solch ungeordneten Übergabe bestehe daher für die Verfügungsklägerinnen die evidente Gefahr erheblicher wirtschaftlicher Schäden, etwa durch den Verlust von Mietern, mit denen aufgrund fehlender Kenntnis nicht rechtzeitig neue Mietverträge geschlossen werden könnten. Zudem benötigten die Verfügungsklägerinnen das Einsichtsrecht, um den Konferenz- und Tagungsbetrieb ungestört fortlaufen zu lassen. Auch im Hinblick auf Ziffer 9.2 des Generalmietvertrags benötigten die Verfügungsklägerinnen dringend das Einsichtsrecht. Zudem könne nur durch Einsicht in die (Unter-)Mietvertragsunterlagen geprüft werden, ob die von der Verfügungsbeklagen zu 1) weiterzuleitenden Mietzahlungen in zutreffender Höhe weitergeleitet worden seien. Nach einer Schätzung der Verfügungsklägerinnen seien im Zusammenhang mit dem Mietobjekt insgesamt etwa 250 (Unter-) Mietverträge abgeschlossen worden.

Die Verfügungsklägerinnen beantragen:

1. Der Verfügungsbeklagten zu 1) wird aufgegeben, die Verfügungsklägerinnen unverzüglich Einblick in die Originale aller von ihr und der Verfügungsbeklagten zu 2) geschlossenen, bestehenden (Unter-)Mietverträge nebst vertragsrelevanter Korrespondenz betreffend das Mietobjekt in der R. am Ort des Mietobjekts nehmen zu lassen.

2. Der Verfügungsbeklagten zu 2) wird aufgegeben, die Verfügungsklägerinnen unverzüglich Einblick in die Originale aller von ihr geschlossenen, bestehenden (Unter-)Mietverträge nebst vertragsrelevanter Korrespondenz betreffend das Mietobjekt in der R. am Ort des Mietobjekts nehmen zu lassen.

Die Verfügungsbeklagten beantragen,

die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung werden zurückgewiesen.

Die Verfügungsbeklagten bestreiten einen Verfügungsanspruch. Soweit ein solcher überhaupt bestehe, sei dieser zudem bereits durch Erfüllung erloschen.

Die Verfügungsbeklagten tragen vor, die mit der Anlage AG2 vorgelegten Unterlagen lägen den Verfügungsklägerinnen schon lange vor. Eine entsprechende Datenraum-DVD sei den Verfügungsklägerinnen bereits beim Ankauf übergeben worden.

Sie meinen, Ziffer 13 des Generalmietvertrags sehe allein die Verpflichtung der Verfügungsbeklagten zu 1) zur Vorlage der von ihr abgeschlossenen Untermietverträge vor. Der Wortlaut der Bestimmung sei bewusst gewählt und gebe den Willen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss wieder. Wie man bereits der Vertragsurkunde entnehmen könne, hätten die Parteien bei Vertragsabschluss zwischen den von der Verfügungsbeklagten zu 1) abgeschlossenen Untermietverträgen einerseits und von der Verfügungsbeklagten zu 2) andererseits abgeschlossenen Unter-Untermietverträgen bewusst differenziert. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Ziffer 4.7 des Generalmietvertrags. Das Schweigen der Urkunde sei beredt. Die Verfügungsklägerinnen wollten sich nunmehr im Handstreich den über Jahre von der Verfügungsbeklagten zu 2) aufgebauten Geschäftsbetrieb kostenlos aneignen, obwohl hierauf kein Anspruch bestehe. Die Verfügungsbeklagten erklären, sie werden das Mietobjekt zum 31.07.2022 zurückgeben, wobei sie die sich aus Ziffer 9.1 des Mietvertrags ergebende Verpflichtung, das Mietobjekt geräumt und besenrein zurückzugeben, einhalten werden. Soweit die Verfügungsklägerinnen argwöhnten, die Verfügungsbeklagte zu 1) würde mit ihrer Ankündigung, sämtliche Dienstleistungs- und Versorgungsverträge sowie von ihr geschlossene Mietverhältnisse zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen, sich nicht an ihre mietvertraglichen Pflichten halten, so würden die Verfügungsklägerinnen verkennen, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) gemäß Ziffer 9.1 des Generalmietvertrages geradezu verpflichtet sei, „das Mietobjekt geräumt und besenrein an den Vermieter zurückzugeben“.

Es fehle an einem Verfügungsgrund. Die Unteruntermietverträge gingen bei der durch die Kündigung der Verfügungsbeklagten herbeigeführten Beendigung des Generalmietvertrags bei Vertragsende nicht auf die Verfügungsklägerinnen über. Die Verfügungsklägerinnen seien allenfalls auf Namen und Adressen der Unteruntermieter angewiesen, um gemäß § 546 Abs. 2 BGB Herausgabeansprüche geltend machen zu können. Ihre vermeintlichen Auskunfts- und Einsichtsrechte im Zusammenhang mit der den Verfügungsklägerinnen ohnehin bereits bekannten Miethöhe, könnten die Verfügungsklägerinnen im Zweifelsfall und ohne „evidente Gefahr erheblicher wirtschaftlicher Schäden“ im Wege einer Stufenklage im ordentlichen Verfahren geltend machen.

Die Verfügungsbeklagte zu 2) ergänzt: Ziffer 13.1 des Generalmietvertrages stehe aufgrund ihrer systematischen Stellung im Vertrag und nach ihrem Sinn und Zweck in keinem Zusammenhang mit den Regelungen zur Miete in Ziffer 4.1. Die in Ziffer 13.1 geregelten Informationspflichten dienten gerade nicht der Ermittlung der Miethöhe im sechsten Mietjahr, sondern der Absicherung der in Ziffer 2.4 des Generalmietvertrages vorgesehenen Zustimmungsvorbehalte. Nach Ziffer 4.1 (6) des Generalmietvertrages komme es zur Ermittlung der Nettokaltmiete eben nicht auf die vertraglich vereinbarten, sondern allein auf die „monatlich tatsächlich vereinnahmten Nettokaltmieten aus Untermieten und sonstigen Nutzungsüberlassungen an Dritte“ an. Zur Überprüfung der Richtigkeit der weitergeleiteten Mieten sehe der Generalmietvertrag die Einsichtnahme „in die Mieteingangskonten, auf welche diese Zahlungen geleistet werden“ vor, Ziffer 2.3 letzter Absatz des Generalmietvertrages.

Beide Verfügungsbeklagten meinen, dass die im Generalmietvertrag in Ziffer 5.3 enthaltene Abtretung der Unteruntermietansprüche, die auf die jeweilige Höhe der Forderungen der Hauptvermieter beschränkt war, mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam sei. Mangels wirksamer Abtretung gehe die Berufung der Verfügungsklägerinnen auf § 402 BGB ins Leere. Entsprechendes gelte für vermeintliche Ansprüche § 260 BGB. Die Verfügungsbeklagten hätten insoweit nichts und vor allen Dingen keinen Inbegriff von Gegenständen herauszugeben.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.07.2022 auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie auf den gesamten weiteren Akteninhalt.

Gründe

Der zulässige Antrag ist ohne Erfolg.

I.

Es kann offen bleiben, ob die Verfügungsklägerinnen einen Verfügungsanspruch haben. Denn es fehlt jedenfalls an einem Verfügungsgrund.

1. Für das Vorliegen eines Verfügungsgrundes gilt hier folgender rechtlicher Maßstab:

Bei einer im Wege einstweiliger Verfügung geltend gemachten Auskunft handelt es sich um eine Leistungsverfügung. Ein solcher Verfügungsantrag ist nach dem Sinn und Zweck des Eilverfahrens grundsätzlich nicht zuzulassen, weil in der Auskunftserteilung eine Vorwegnahme der Hauptsache läge. Ausnahmen hiervon können nur dann gemacht werden, wenn der Gläubiger auf die Erfüllung dringend angewiesen ist. An die Dringlichkeit sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen. Sie kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn die Realisierung des Hauptanspruchs für den Gläubiger von existenzieller Bedeutung ist und von der umgehenden Erteilung der Auskunft abhängt (OLG Bremen, Beschluss vom 21.9.2018 - 1 W 25/18, NJW-RR 2019, 182; OLG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2018 - 12 W 6/18, BeckRS 2018, 37434 Rn. 17; OLG München, Urteil vom 28.11.2007 - 7 U 4498/07, NZG 2008, 230, 234; OLG Hamm, Beschluss vom 29.11.1991 - 26 W 15/91, NJW-RR 1992, 640; KG, Urteil vom 28.08.1987 - 5 U 3581/87, GRUR 1988, 403, beck-online; a.A. Drescher in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auf. 2020, § 938 Rn. 42). Mit einer existentiellen Bedeutung sind etwa die Gefährdung des Lebensunterhalts, der Bestand der Gesundheit oder der beruflichen Existenz gemeint (OLG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2018 - 12 W 6/18, BeckRS 2018, 37434 Rn. 17).

Zur Überzeugung des Gerichts ist diese zur Auskunftserteilung ergangene Rechtsprechung auf das streitgegenständliche Einsichtsrecht übertragbar (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 940 ZPO Rn. 8).

Die tatsächlichen Voraussetzungen für den Verfügungsgrund sind nicht zu beweisen, sondern nur glaubhaft zu machen (§§ 920 Abs. 2, 936, 294 ZPO). Die Glaubhaftmachung erfordert einen geringeren Grad der richterlichen Überzeugung gegenüber dem vollen Beweis nach § 286 ZPO. Ausreichend für die Glaubhaftmachung ist eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, nicht erforderlich ist eine vollständige Überzeugung.

2. Gemessen an diesem rechtlichen Maßstab haben die Verfügungsklägerinnen einen Verfügungsgrund weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.

Der Geschäftsführer der Verfügungsklägerinnen erklärte hierzu in der mündlichen Verhandlung vom 28.07.2022, es bestehe eine Fremdfinanzierung, welche die Antragstellerseite bedienen müsse. Wenn diese nicht bedient werde, dann komme es zu einer Existenzbedrohung. Die Verfügungsbeklagten haben dies mit Nichtwissen bestritten.

Dieser klägerische Vortrag ist zur Überzeugung des Einzelrichters ungenügend. Bei den Verfügungsklägerinnen handelt es sich um Kapitalgesellschaften. Soweit die Verfügungsklägerinnen offenbar meinen, das Gericht könne bei solchen aus dem bloßen Umstand, dass ein Ausfall von Mieteinnahmen droht, auf eine Existenzgefährdung rückschließen, geht dies fehl. Ohne einschlägige und glaubhaft gemachte Angaben zu Geschäfts- und Unternehmenszahlen der Verfügungsklägerinnen ist dies nicht möglich. Die Verfügungsklägerinnen tragen hierzu jedoch nichts vor. Insbesondere werden einschlägige Jahresabschlüsse, Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen usw. nicht vorgelegt.

Dabei verkennt der Einzelrichter nicht, dass die Verfügungsklägerinnen zu 1) bis 3) ausweislich der als Anlage AG1 vorgelegten Rahmenurkunde vom 05.01.2017 das Mietobjekt zu einem Kaufpreis von … Millionen € erworben haben. Bei einer derartigen Kaufpreishöhe wäre es nicht ungewöhnlich, wenn zumindest teilweise auch eine Fremdfinanzierung erfolgte. Die Verfügungsklägerinnen schweigen jedoch zu den Details der Fremdfinanzierung. Insbesondere zur Höhe und zur Laufzeit der Fremdfinanzierung wurde nichts vorgetragen. Es wurden auch keinerlei Finanzierungsverträge zur Glaubhaftmachung vorgelegt. Der Erwerbszeitpunkt liegt zudem schon über 5 ½ Jahre zurück und der streitgegenständliche Generalmietvertrag sah in Ziffer 4.1 erhebliche monatliche Mietzahlungen vor, die im ersten Mietjahr 416.666,67 € monatlich und im fünften Mietjahr 418.753,91 € monatlich betrugen, so dass sich die von der Verfügungsbeklagten zu 1) allein in den ersten fünf Mietjahren zu zahlende Nettokaltmiete auf über 25 Millionen € summierte. Der Einzelrichter muss daher davon ausgehen, dass eine etwaige Fremdfinanzierung, deren Höhe ja wie gezeigt noch nicht einmal mitgeteilt wurde, bereits teilweise zurückgeführt wurde.

Damit ist der Antrag bereits mangels dargelegter und glaubhaft gemachter Existenzgefährdung der Verfügungsklägerinnen für den Fall der Nichtgewährung des Einsichtsrechts zurückzuweisen. Nicht anderes gilt, wenn man es entgegen der hier vertretenen Auffassung ausreichen ließe, dass ohne die alsbaldige Einsichtnahme ein endgültiger Rechtsverlust einträte (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 21.9.2018 - 1 W 25/18, NJW-RR 2019, 182 Rn. 13 m.w.N.).

Die Verfügungsklägerinnen haben einen solchen noch nicht einmal dargelegt.

Ein allgemeines Interesse an einer geordneten Übergabe hat jeder Vermieter, dessen Mieter Untermietverträge abgeschlossen hat, so dass dieser Aspekt die Vorwegnahme der Hauptsache nicht rechtfertigen kann. Soweit die Verfügungsklägerinnen auf den möglichen und finanziell schmerzhaften Verlust von Unter-Untermietern abstellen bringen sie bereits selbst zum Ausdruck, dass die von ihnen begehrte einstweilige Verfügung gerade nicht der Sicherung von Räumungsansprüchen dienen soll. Zudem kann das Gericht nicht erkennen, dass die Verfügungsklägerinnen einen Anspruch darauf haben, mit den Untermietern der Verfügungsbeklagten zu 2) Folgeverträge abzuschließen. Im Übrigen schweigen die Verfügungsklägerinnen auch hier wieder dazu, ob und inwieweit ihre unstreitigen Bemühungen (A. AG 7), mit den ihnen bekannten Unter-Untermietern Kontakt aufzunehmen und Folgeverträge abzuschließen, Früchte getragen haben.

Auch der klägerische Hinweis auf Ziffer 9.2 des Generalmietvertrags verfängt nicht. Es handelt sich hier um eine Regelung im Innenverhältnis zwischen den Parteien des streitgegenständlichen Rechtsstreits, nicht jedoch im Außenverhältnis zu den Unter-Untermietern.

Soweit die Verfügungsklägerinnen meinen, sie benötigten das Einsichtsrecht um überprüfen zu können, ob die Verfügungsbeklage zu 1) Mietzahlungen in zutreffender Höhe gemäß Ziffer 4.1 (6) des Generalmietvertrags weitergeleitet habe, ist den Verfügungsklägerinnen die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens, ggf. in Form der Stufenklage, zumutbar.

Nach alledem war wie erkannt zu entscheiden.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711 S. 1 und 2 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO. Der Streitwert für einen Anspruch auf Auskunftserteilung bemisst sich auf einen Bruchteil des Betrags, den der Kläger nach dem Inhalt der Auskunft zu erstreiten erhofft. Der Bruchteil ist umso höher anzusetzen, je geringer die Kenntnisse des Klägers von den zur Begründung des Leistungsanspruchs maßgeblichen Tatsachen sind (BGH NJW-RR 2018, 1265, beck-online). Die Verfügungsklägerinnen ließen vortragen, dass sie bei der von ihnen befürchteten ungeordneten Übergabe Schäden in Höhe von ca. 500.000,00 € befürchten und sie davon ausgehen, dass die Miet-Weiterleitungen für die Monate Mai und Juni 2022 um ca. 500.000,00 € zu niedrig waren (Bl. 17 d.A.). Es erscheint daher als angemessen, hier einen Streitwert von 100.000,00 € festzusetzen.

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