Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 27 U 84/20
Tenor
Die Berufung der Kläger zu 1), zu 2) und zu 7) gegen das am 1. Juli 2020 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Klägern zu 1), zu 2) und zu 7) auferlegt.
Dieses und das angefochtene Urteil – soweit es Gegenstand des Berufungsverfahrens war – sind vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger zu 1), zu 2) und zu 7) können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Kläger machen unter dem Gesichtspunkt immaterieller Schäden Schmerzensgeldansprüche wegen eines Flugzeugabsturzes geltend, im Berufungsverfahren nur noch gegen die vormalige Zweitbeklagte, die Muttergesellschaft der Luftfrachtführerin.
41.
5Sie sind Angehörige der Passagiere, die beim Absturz eines Airbus A320 auf dem A-Flug 4U9525 von Barcelona nach Düsseldorf am Vormittag des 24. März 2015 in den südfranzösischen Alpen ums Leben gekommen sind. Luftfrachtführerin war die A GmbH mit Sitz in B, eine Tochtergesellschaft der Beklagten. Der Unfall wurde vom Kopiloten C im Rahmen eines sogenannten erweiterten Suizids bewusst herbeigeführt. An Bord waren 144 Passagiere und sechs Besatzungsmitglieder, die allesamt verstarben. Die Luftfrachtführerin zahlte – neben hier nicht streitgegenständlichen Vorschussleistungen auf materielle Schäden sowie wegen der Todesangst ihrer als Passagiere ums Leben gekommenen Angehörigen ererbtem Schmerzensgeld, das nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens ist – vorgerichtlich pro Todesfall an die nächsten Angehörigen für eigenes erlittenes Leid einen Pauschalbetrag von 10.000 Euro. Nunmehr beanspruchen die Kläger zu 1) und 2) jeweils noch ein eigenes Schmerzensgeld. Der Kläger zu 7) macht Ansprüche aus abgetretenem Recht weiterer Hinterbliebener auf ein eigenes Schmerzensgeld geltend.
6Zum Hintergrund des Unglücksfalls hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen: Der Kopilot absolvierte einen Teil seiner Ausbildung bei der in erster Instanz Erstbeklagten, die eine Flugschule mit Sitz in Phönix im US-Bundesstaat Arizona betrieb und bei der es sich um eine Tochtergesellschaft der U GmbH mit Sitz in Bremen handelte, die für die Ausbildung der Piloten der Beklagten und sämtlicher Konzerntöchter zuständig war. Ihre Klage gegen die Erstbeklagte verfolgen die Kläger in zweiter Instanz nicht weiter. Sie stützen diese nunmehr nur noch auf deliktische Ansprüche, die sie daraus herleiten, dass die flugmedizinischen Untersuchungen des Kopiloten nicht gründlich genug durchgeführt worden seien. Diese fanden in der Zeit von April 2008 bis Juli 2014 in den Aero Medical Centren (AeMC) der Beklagten in Frankfurt am Main und München statt. Kurz nachdem der Kopilot im September 2008 in das Verkehrsflugzeugführerprogramm der Beklagten aufgenommen wurde, setzte er Anfang November 2008 die Ausbildung aufgrund einer depressiven Erkrankung freiwillig aus und begab sich von Januar bis Juli 2009 in psychiatrische Behandlung bei einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in seiner Heimatstadt D. Ende August 2009 nahm er die Ausbildung bei der Beklagten wieder auf. Zuvor wurde ihm im Juli 2009 nach Überprüfung gemäß § 24c der Luftverkehrszulassung-Ordnung (LuftVZO) das Tauglichkeitszeugnis 1wiedererteilt und seitdem immer wieder verlängert, zuletzt durch die Untersuchung der Fliegerärztin E am 28. Juli 2014. Sowohl die erstmalige Wiedererteilung als auch sämtliche Verlängerungen enthielten jeweils einen sogenannten REV-Vermerk. Bei diesem Vermerk handelt es sich um einen Hinweis auf eine Vorerkrankung, die jedoch in dem Zeugnis nicht näher bezeichnet wird, sondern nur aus der Patientenakte des Piloten ersichtlich ist, in die nur dieser und der Fliegerarzt Einsicht haben.
7Die Kläger haben behauptet, jedenfalls bei den letzten Untersuchungen sei übersehen bzw. nicht in ausreichender Weise darauf reagiert worden, dass der Kopilot an einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung gelitten habe. Die Beklagte hätte den Kopiloten spätestens nach der letzten Untersuchung nicht mehr für den Flugbetrieb zulassen dürfen. Dann wäre es nicht zur Katastrophe gekommen und sie, die Kläger, hätten die geltend gemachten „Schockschäden“ nicht erlitten.
8Die Kläger haben – soweit es die am Berufungsverfahren noch beteiligten Parteien betrifft – erstinstanzlich nach mehrfacher Umstellung ihrer Klageanträge, wegen derer auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen wird, zuletzt beantragt,
9die Beklagte zu 2) als Gesamtschuldnerin neben der Beklagten zu 1) zu verurteilen, an die Kläger zu 1) und zu 2) jeweils ein angemessenes „eigenes“ Schmerzensgeld in Höhe von mindestens weiteren 30.000 Euro zu zahlen und an den Kläger zu 7) einen Betrag von mindestens weiteren 2.204.000 Euro aus abgetretenem Recht zu zahlen.
10Die Beklagte zu 2) hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat behauptet, die Erkrankung des Kopiloten sei bereits im Laufe des Jahres 2009 komplett ausgeheilt und daher zum Unfallzeitpunkt nicht mehr vorhanden gewesen. Bei den nachfolgenden Regeluntersuchungen sei dem die Untersuchung durchführenden flugmedizinischen Sachverständigen aufgrund des REV-Vermerks jeweils bekannt gewesen, dass bei ihm eine depressive Vorerkrankung vorgelegen habe. Diese Vorerkrankung sei in die jeweiligen Untersuchungen mit einbezogen worden. Keine dieser Untersuchungen habe Anhaltspunkte für den Verdacht auf das Vorliegen eines Rezidivs ergeben. Somit habe kein Anlass bestanden, weitere Untersuchungen zu veranlassen oder das Flugtauglichkeitszeugnis der Klasse 1 nicht zu erteilen bzw. zu verlängern. Die flugmedizinische Akte habe bei den Untersuchungen jeweils vorgelegen.
13Die Beklagte hat mit Nichtwissen bestritten, dass die Kläger die behaupteten „Schockschäden“ erlitten hätten, und gemeint, dass sie diese im Einzelnen darzulegen hätten und sich nicht darauf zurückziehen könnten, dass ohne weiteres davon auszugehen sei, dass sie, die Kläger, durch die Todesnachricht gesundheitlichen Schaden erlitten hätten.
14Schließlich hat sie die Einrede der Verjährung hinsichtlich der Ansprüche erhoben, die der Kläger zu 7) aus abgetretenem Recht verfolgt.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie die erstinstanzlichen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
162.
17Das Landgericht hat die Klage mit dem mit der Berufung angefochtenen, am 1. Juli 2020 verkündeten Urteil abgewiesen (veröffentlicht in der Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht (ZLW) 2020, S. 658 ff. und bei juris). Zur Begründung hat es – bezogen auf die am Berufungsverfahren noch beteiligten Parteien – im Wesentlichen ausgeführt:
18a) Eine vertragliche Haftung der Beklagten zu 2) bestehe nicht, da es sich bei dem Ausbildungsvertrag, den diese mit ihrem Piloten geschlossen habe, um keinen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gehandelt habe. Beim Vertragsschluss sei für sie weder der Umfang der im Laufe der beruflichen Tätigkeit beförderten Personen erkennbar gewesen, noch bestehe das für die Anwendung der Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erforderliche Schutzbedürfnis. Die Kläger seien dadurch, dass sie die Luftfrachtführerin aus den von ihren Angehörigen mit ihr geschlossenen Beförderungsverträgen in Anspruch nehmen könnten, in ausreichender Weise geschützt.
19b) Die Beklagte zu 2) hafte auch nicht aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz und Zahlung eines angemessenen Schmerzensgelds gemäß § 253 Abs. 2 BGB.
20aa) Die Beklagte zu 2) sei schon nicht passivlegitimiert, da die flugmedizinischen Sachverständigen hoheitlich gehandelt hätten und sich die Haftung daher nach den Grundsätzen der Amtshaftung gegen die Bundesrepublik Deutschland richte. Das Luftfahrt-Bundesamt (LBA), eine Bundesoberbehörde mit Sitz in Braunschweig, die dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) untergliedert ist, sei als Anstellungskörperschaft im Sinne von § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG verantwortlich. Die flugmedizinischen Sachverständigen seien bei den für die Erteilung und Verlängerung des Tauglichkeitszeugnisses durchgeführten Untersuchungen des Kopiloten in hoheitlicher Funktion tätig geworden.
21Dies ergebe sich durch Auslegung der geltenden Rechtslage zur Flugsicherheitsüberwachung: Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 LuftVG werde eine Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen nur erteilt, wenn die Tauglichkeit des Bewerbers nachgewiesen sei. Dieser Nachweis sei entsprechend der in dem hier maßgeblichen Zeitraum geltenden Vorschriften durch die Vorlage eines flugmedizinischen Tauglichkeitszeugnisses nach § 24 a Abs. 1 LuftVZO zu führen gewesen. Die Untersuchung zur erstmaligen Ausstellung des Flugtauglichkeitszeugnisses der Klasse 1 sei gemäß § 24 b Abs. 1 Satz 1 LuftVZO ebenso wie die weitergehende Überprüfung gemäß § 24 c Abs. 1 LuftVZO in der jeweils für den hier gegenständlichen Zeitraum gültigen Fassung von einem gemäß § 24 a Abs. 4 LuftVZO anerkannten flugmedizinischen Zentrum durchzuführen. Die sich hieran anschließenden Regeluntersuchungen hätten nach § 24 b Abs. 1 Satz 2 LuftVZO von einem gemäß § 24 e Abs. 4 LuftVZO anerkannten flugmedizinischen Zentrum oder einem gemäß § 24 e Abs. 3 LuftVZO anerkannten flugmedizinischem Sachverständigen durchgeführt werden können. Für die Aufsicht über die Tätigkeit der flugmedizinischen Sachverständigen und Zentren sei das LBA gemäß § 24 e Abs. 7 i. V. m. Abs. 3 bzw. 4 LuftVG verantwortlich. Dies ergebe sich auch daraus, dass das LBA die Erlaubnis widerrufen müsse, wenn es Kenntnis davon erlange, dass die von den flugmedizinischen Sachverständigen und Zentren zu beurteilende Tauglichkeit nachträglich weggefallen sei (§ 4 Abs. 3 LuftVZO).
22Bei einer Gesamtschau dieses Regelwerkes seien keine Gründe ersichtlich, die Überprüfung der Luftfahrzeuge durch technische Sachverständige anders zu beurteilen als die Überprüfung der diese Luftfahrzeuge bedienenden Piloten im Rahmen der medizinischen Untersuchungen. Beide Tätigkeiten würden auf Grundlage vergleichbarer gesetzlicher Regelungen durchgeführt und stellten sich als Teil der den zuständigen Luftfahrtbehörden zugewiesenen Aufgabe der Gefahrenabwehr im Zusammenhang mit dem durch die Luftfahrt für Dritte einhergehenden Risiko dar. Sie seien jeweils maßgeblicher Bestandteil der angestrebten Genehmigung, die Voraussetzung sowohl für die erstmalige Erteilung als auch für deren Fortbestehen sei.
23bb) Selbst wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen von einer Haftung der Beklagten für die bei ihr angestellten flugmedizinischen Sachverständigen ausgehen und Pflichtverletzungen der flugmedizinischen Sachverständigen im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Tauglichkeitsuntersuchungen des Kopiloten unterstellen würde, seien Ansprüche der Kläger nicht gegeben, da sie nicht dargelegt hätten, dass eine fehlerbehaftete Untersuchung Ursache für den Flugzeugabsturz geworden sei. Die Behauptung, bei ordnungsgemäßer Untersuchung hätte dem Kopiloten nicht weiterhin die Tauglichkeit bescheinigt werden dürfen, sodass er das Flugzeug nicht zum Absturz hätten bringen können, reiche dafür nicht aus. Die Kläger hätten nicht vorgetragen, dass im maßgeblichen Zeitraum seit Ende des Jahres 2014 eine psychische oder sonstige Pathologie diagnostizierbar gewesen sei und vorgelegen habe.
24cc) Schließlich hafte die Beklagte zu 2) auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines deliktischen Unterlassens, weil sie kein weitergehendes, eigenes System zur Erkennung und Überwachung psychisch kranker Piloten bzw. von Pilotenanwärtern eingerichtet und unterhalten habe. Denn eine derartige Verpflichtung habe nicht bestanden. Angesichts des gesetzlich etablierten Systems der staatlichen Überwachung der medizinischen Tauglichkeit der Kandidaten sei die Beklagte nicht gehalten gewesen, ein eigenes, paralleles Überwachungssystem zu implementieren. Aufgrund des nicht grundsätzlich bestehenden Gleichlaufs öffentlich-rechtlicher Vorschriften und Genehmigungen mit den deliktsrechtlichen Verkehrssicherungspflichten könne zwar auch in dem Fall, dass einer Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich mit der behördlichen Überprüfung Genüge getan sei, die Pflicht eines weiteren Beteiligten zum Ergreifen von Schutz- und Überwachungsmaßnahmen entstehen, wenn offensichtlich sei, dass die behördlichen und gesetzlichen Maßnahmen entweder nicht ausreichten oder aber nicht umgesetzt worden seien. Eine solche Situation ergebe sich aus dem Sachvortrag der Kläger aber nicht. Ihre Behauptung „außergewöhnlicher Vorfälle während der Ausbildung“ sei nicht hinreichend konkret und zudem nicht ersichtlich, dass diese zur Kenntnis der Beklagten gelangt seien.
25Selbst wenn man aber eine Pflicht der Beklagten zur Implementierung eines die gesetzlich vorgesehenen Tauglichkeitsuntersuchungen ergänzenden Überwachungssystems annehmen würde, könne jedenfalls nicht von einem Verschulden der Beklagten ausgegangen werden, da sie die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen dokumentieren könne und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass sie ihr Sicherheits- und/oder Kontrollsystem hätte ausweiten müssen.
26dd) Einem Anspruch der Kläger gegen die Beklagte stehe schließlich auch entgegen, dass sie zu den auf Rechtsfolgenseite für die Bemessung eines Schmerzensgeldes in die Abwägung einzubeziehenden Folgen nicht vorgetragen hätten. Für die gegen die Beklagten geltend gemachten „Schockschäden“ fehle es bereits an der konkreten Darlegung einer eigenen psychisch vermittelten Gesundheitsverletzung. Voraussetzung für ein eigenes Schmerzensgeld der Hinterbliebenen eines Verstorbenen sei, dass die Nachricht von dem Tod eines Angehörigen bei diesen einen feststellbaren pathologischen Zustand ausgelöst habe, der über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehe, denen Angehörige in Folge einer Todesnachricht regelmäßig ausgesetzt seien. Hierzu hätten die Kläger nur pauschal vorgetragen, es bestehe die ständige Angst, Angehörige zu verlieren, weil diese mit dem Verlust nicht klarkämen und Suizid begehen könnten, dass Ehen zerbrechen könnten oder beruflicher Erfolg beeinträchtigt werde und hinterbliebene Kinder selbst keine Familie gründen könnten. Hinzu kämen körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme, rapide Gewichtsabnahme, Herzrasen, erhöhter Blutdruck sowie psychische Beschwerden in Form von Antriebslosigkeit bis hin zur Lethargie, Schlaflosigkeit, Vergesslichkeit und Unkonzentriertheit. Diese Behauptungen hätten bezogen auf die einzelnen Geschädigten präzisiert werden müssen.
273.
28Mit ihrer fristgerecht eingelegten Berufung beanstanden die Kläger die Rechtsanwendung des Landgerichts als fehlerhaft i. S. v. §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO, da es ein eventuelles Fehlverhalten der Fliegerärzte der Beklagten als hoheitlich bewertet und daher dem LBA zugerechnet habe.
29Das BMVI habe sich bereits im Vorfeld der Entscheidung des Landgerichts mit der Thematik befasst und ein Rechtsgutachten eingeholt, das ergeben habe, dass flugmedizinische Sachverständige keine Beliehenen seien. Untersucht worden sei die Einbindung von deren Tätigkeit in den Rechtsrahmen des Europäischen Gemeinschaftsrechts. Dadurch habe sich ergeben, das Beweisthema von einem auf das europäische Luftfahrtrecht spezialisierten Sachverständigen analysieren zu lassen, zumal in den übrigen EU-Staaten die einschlägigen Vorschriften anders verstanden und nicht so praktiziert würden, dass sie auf die Übertragung von Hoheitsbefugnissen abzielten. Das Landgericht habe bei der Annahme einer Beleihung übersehen, dass das Luftfahrtrecht der EU generell auf einer Verlagerung der Sicherheitsverantwortung auf die unmittelbaren Akteure der Luftfahrt beruhe, die diese Aufgaben in Eigenverantwortung wahrzunehmen hätten. Die öffentlich-rechtliche Aufsicht beziehe sich auf die Kontrolle von deren Organisationsstrukturen. Die Kläger beantragen daher die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Frage, ob flugmedizinische Sachverständige bei Ausstellung von Tauglichkeitszeugnissen nach Gemeinschaftsrecht und in der Praxis der Mitgliedstaaten der EU im Auftrag der jeweiligen Aufsichtsbehörde bzw. in Deutschland als Beliehene des LBA tätig würden.
30Nicht überzeugend seien auch die Ausführungen des Landgerichts zur Kausalität der behaupteten Pflichtverletzung der Beklagten. Die Erwägung, dass bei einer ordnungsgemäßen psychiatrischen Untersuchung des Kopiloten, der die Katastrophe verursacht habe, möglicherweise keine Auffälligkeiten festgestellt worden wären, sei nicht tragfähig. Um diese These zu widerlegen, hätten die Kläger beweisen müssen, dass der Kopilot zur Zeit der letzten Untersuchungen im Juli 2014 objektiv erkennbare Anzeichen für psychische Beeinträchtigungen gezeigt habe. Damit werde von ihnen Unmögliches verlangt. Zudem stelle diese Überlegung einen Zirkelschluss dar, da die gebotenen Untersuchungen der Pilotenanwärter auf Flugtauglichkeit unabhängig von konkreten Anzeichen körperlicher oder psychischer Defizite durchzuführen seien. Wäre diese Erwägung richtig, könnten die Fliegerärzte generell auf die gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen in sämtlichen Fällen verzichten, in denen nicht bereits im Vorfeld konkrete Verdachtsmomente bestünden, die auch von Laien wie Familienmitgliedern und Freunden hätten erkannt werden können, die diese dann auch noch gegenüber den untersuchenden Ärzten bzw. dem Arbeitgeber zur Sprache gebracht hätten. Nur in diesem Ausnahmefall hätten Geschädigte wie die Kläger dann im Nachhinein eine Chance zu argumentieren, dass eine unterlassene oder unzureichende flugmedizinische Untersuchung ursächlich für die Herbeiführung eines Unglücksfalls gewesen sei.
31Schließlich habe das Landgericht seine Argumentation zur Kausalität auch nicht schlüssig zu Ende geführt, in dem es übersehen habe, dass sich der Kopilot im Dezember 2014 selbst freiwillig in psychiatrische Behandlung begeben und der von ihm privat aufgesuchte Psychologe ihm schwerste Antidepressiva verschrieben habe. Diese Behauptung der Kläger sei nicht vereinbar mit der Annahme des Landgerichts, dass bei der letzten fliegerärztlichen Untersuchung im Juli 2014 keine Anzeichen für eine psychische Erkrankung erkennbar gewesen seien. Wenn die Fliegerärzte der Beklagten diese letzte Untersuchung ordnungsgemäß durchgeführt hätten, hätten sie den Kopiloten aus dem Verkehr ziehen müssen und es wäre nicht zur Katastrophe gekommen. Das Landgericht habe die Beweislast in diesem Punkt rechtsfehlerhaft beurteilt. Es habe übersehen, dass diese im vorliegenden Fall umgekehrt gewesen sei: Die Beklagte habe darlegen und beweisen müssen, dass der Kopilot bei seiner letzten Untersuchung im Juli 2014 noch gesund und flugtauglich gewesen sei. Dagegen, dass dies der Fall gewesen sei, spreche aber schon ein Anscheinsbeweis, der darin begründet sei, dass er nach seiner letzten Untersuchung zu einem privaten Psychologen gegangen sei und dieser ihm schwerstwirkende Medikamente verschrieben habe.
32Die Kläger beantragen,
33die Aufhebung des Urteils und die Verurteilung der Beklagten zu 2) wie folgt:
34- 35
1. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger zu 1) ein eigenes Schmerzensgeld für den Tod seiner Tochter F in Höhe von 30.000 Euro zu zahlen.
- 37
2. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin zu 2) ein eigenes Schmerzensgeld für den Tod ihrer Tochter F in Höhe von 30.000 Euro zu zahlen.
- 39
3. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger zu 7) einen Betrag Höhe von 744.000 Euro aus abgetretenem Recht zu zahlen.
Im Einzelnen sind dies folgende Ansprüche:
41a) Todesfall H 1
42- von H 2 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
43- von H 3 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
44- von H 4 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
45- von H 5 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
46b) Todesfall I 1
47- von I 2 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
48c) Todesfall G 1
49- von G 2 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
50- von G 3 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
51d) Todesfall J 1
52- von J 2 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
53e) Todesfall K 1
54- von K 2 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
55- von K 3 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro
56- von L abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
57- von M abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro
58f) Todesfall N 1
59- von N 2 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
60- von N 3 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
61- von N 4 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
62g) Todesfall O 1
63- von O 2 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
64- von O 3 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
65- von P als Erbin der verstorbenen O 4 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 17.000 Euro
66- von O 2 als Erbe der verstorbenen O 4 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 17.000 Euro
67h) Todesfall Q 1
68- von Q 2 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
69- von Q 3 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
70- von Q 4 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
71- von Q 5 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
72i) Todesfall R 1
73- von R 2 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro
74- von R 3 abgetretenes eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro.
75Hilfsweise beantragen die Kläger,
76die Sache unter Aufhebung des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils an das Landgericht Essen zurückzuverweisen.
77Bezüglich des unter Ziffer 3 Buchstabe c) bezeichneten Todesfalls hat der Kläger mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2020 die Klage aus abgetretenem Recht der S in Höhe von 40.000 Euro zurückgenommen.
78Die Beklagte zu 2) hat der Teilklagerücknahme im Berufungsrechtszug zugestimmt und beantragt,
79die Berufung zurückzuweisen.
80Sie ist der Ansicht, die Berufung sei bereits unzulässig, da ihre Begründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 2 bis 4 ZPO nicht genüge. Die Berufung gehe nicht auf alle Begründungselemente des Urteils ein. Sie bringe nur Argumente zum Haftungsgrund vor, verhalte sich jedoch nicht zu den Beanstandungen des Landgerichts zur Höhe der geltend gemachten Ansprüche.
81Jedenfalls sei die Berufung unbegründet, da die Kläger keine Anhaltspunkte aufzeigten, die eine anderweitige Entscheidung rechtfertigten. Ihre Argumente gegen die Annahme des Landgerichts, dass die Beklagte zu 2) nicht passivlegitimiert sei, weil ihre Fliegerärzte hoheitlich tätig gewesen seien, seien nach § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO präkludiert, da das diesbezügliche Vorbringen erstmals in zweiter Instanz erfolgt sei. Dies gelte insbesondere für die Bezugnahme auf das Gutachten des BMVI und die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens zur europäischen Rechtsvergleichung. Abgesehen davon sei dieser Vortrag aber auch inhaltlich unzureichend, da sich aus ihm nicht ergebe, dass das angegriffene Urteil fehlerhaft sei. Denn auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Kläger in der Berufungsbegründung sei das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die flugmedizinischen Sachverständigen unter der in den Vorschriften der §§ 24e Abs. 7 LuftVZO a. F. und 65c Abs. 2 LuftVG detailliert geregelten Aufsicht des LBA hoheitlich tätig geworden seien. Der Vergleich mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. März 2001 zur Überprüfung der Lufttüchtigkeit eines Luftfahrtgeräts, den das Landgericht in diesem Zusammenhang vorgenommen habe, sei überzeugend. Denn es spiele qualitativ keine Rolle, ob die prüfende Tätigkeit die Feststellung der (technischen) Lufttüchtigkeit der Luftfahrtgeräte oder aber – wie hier – der (medizinischen) „Lufttüchtigkeit“ der diese steuernden Piloten zum Gegenstand habe.
82Schließlich hätten die Kläger auch zur Frage der Kausalität der behaupteten Pflichtverletzung der Beklagten nach wie vor nicht ausreichend vorgetragen. Ein solcher Ursachenzusammenhang komme nur in Betracht, wenn bei dem Kopiloten zum Zeitpunkt der Flugtauglichkeitsuntersuchungen, also letztmals bei der Untersuchung vom 28. Juli 2014, eine psychische Erkrankung objektiv vorhanden und bei deren pflichtgemäßer Durchführung durch die Fliegerärztin E auch feststellbar gewesen wäre. Dazu hätten die Kläger aber nach wie vor nicht substantiiert vorgetragen und auch aus der Berufungsbegründung ergebe sich keine Beweiserleichterung zu ihren Gunsten. Insbesondere könnten sie sich diesbezüglich nicht auf einen Anscheinsbeweis berufen, da es sich um keinen typischen Geschehensablauf handle, der auf ein bestimmtes Ergebnis hindeute. Aus dem Umstand allein, dass der Kopilot im Dezember 2014 (erneut) psychisch erkrankt sei, ließen sich keine Rückschlüsse auf die zuletzt durchgeführten Untersuchungen ziehen. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass es bereits einige Monate zuvor Anzeichen gegeben habe, die von Spezialisten wie den für die Beklagten tätigen Fliegerärzten hätten erkannt werden müssen.
83Jedenfalls aber hätten die Kläger nach wie vor zu den behaupteten Rechtsfolgen bzw. zu den geltend gemachten Rechtsgutverletzungen nicht substantiiert vorgetragen. Auch aus ihrem Schriftsatz vom 17. Dezember 2020 ergäben sich dazu keine ausreichenden Gesichtspunkte.
84Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
85II.
86Die Berufung ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
871.
88Der Senat hält die Berufung für noch zulässig.
89Sie ist statthaft nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und von den Klägern form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 517, 519 Abs. 1 und 2 ZPO). Das angefochtene Urteil ist ihnen am 9. Juli 2020 zugestellt worden und die Berufungsschrift vom 9. August 2020 am selben Tag per Telefax beim Oberlandesgericht eingegangen. Die Berufungsschrift genügt den Anforderungen des § 519 Abs. 1 und 2 ZPO. Mit ihr ist auch eine Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt worden (vgl. § 519 Abs. 3 ZPO).
90Auch die Berufungsbegründungsschrift vom 4. September 2020 ist fristgerecht eingegangen (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Frist ist am 9. September 2020 abgelaufen (§ 222 Abs. 1 ZPO i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Der Begründungsschriftsatz ist am 7. September 2020 eingegangen. Er genügt den Anforderungen, die die Vorschriften des Prozessrechts an eine Berufungsbegründung stellen.
91Die gegen die Einhaltung der Formalien des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 2 bis 4 ZPO vorgebrachten Argumente der Beklagten hat der Senat eingehend geprüft, im Ergebnis aber nicht für durchgreifend erachtet. Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang zwar zu Recht darauf, dass die Kläger gehalten sind, mit der Berufungsbegründung jede tragende Erwägung anzugreifen, wenn das Erstgericht die Abweisung der Klage erkennbar auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt hat. Andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (vgl. zuletzt BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2020 – VI ZB 54/19, NJW-RR 2020, 503 = juris, Rn. 4, und vom 7. Mai 2020 – IX ZB 62/18, NJW 2020, 2119 = juris, Rn. 12; Ball, in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Auflage 2021, § 520 Rn. 31; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 42. Auflage 2021, § 520 Rn. 22, jew. m. w. N.). Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung aber gleichwohl. Jedenfalls sinngemäß haben die Kläger nämlich – wie auch ihr Vorbingen im Schriftsatz vom 17. Dezember 2020 belegt – ihr erstinstanzliches Vorbringen zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht. Sie stehen insbesondere ersichtlich nach wie vor auf dem Standpunkt, aus Rechtsgründen jedenfalls im derzeitigen Verfahrensstadium nicht gehalten zu sein, zu den „Schockschäden“ im jeweiligen Einzelfall näher vortragen zu müssen, sondern Anspruch darauf zu haben, dass ihnen dazu Gelegenheit gegeben wird, wenn die Frage zum Haftungsgrund geklärt ist.
922.
93Die Berufung ist allerdings unbegründet. Die mit ihr angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO, noch rechtfertigen die vom Landgericht festgestellten und nach § 529 ZPO zu berücksichtigenden Tatsachen eine andere Entscheidung Das Landgericht hat die Klage jedenfalls aus folgenden zwei Gründen zu Recht abgewiesen: Die Beklagte zu 2) ist nicht passivlegitimiert (siehe dazu unter a)) und die von den Klägern behaupteten Rechtsgutverletzungen in Gestalt von „Schockschäden“ sind nach wie vor nicht hinreichend substantiiert von ihnen dargelegt worden (vgl. unter b)).
94a) Wie in der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2021 ausführlich mit den Parteien erörtert, folgt der Senat der Auffassung des Landgerichts, dass die bei der Beklagten zu 2) tätigen Fliegerärzte hoheitlich gehandelt haben und daher die Verantwortlichkeit für ihr Handeln nach den Grundsätzen des Staatshaftungsrechts gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 Satz 1 GG zu beurteilen ist.
95aa) Ob ein bestimmtes Verhalten einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes anzusehen ist, bestimmt sich nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn die Person tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob bejahendenfalls zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, d.h. auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (BGH, Urteile vom 4. Juni 1992 – III ZR 93/91, BGHZ 118, 304 = juris, Rn. 7, und vom 22. März 2001 – III ZR 394/99, BGHZ 147, 169 = juris, Rn. 7, jew. m. w. N.).
96Auf Grundlage dieser Rechtsprechung hat der Staatshaftungssenat des Bundesgerichtshofs schon vor mehr als fünfzig Jahren entschieden, dass die für die technischen Überwachungsvereine (TÜV) tätigen Kfz-Sachverständigen bei Wahrnehmung der ihnen durch die StVZO übertragenen Aufgaben hoheitliche Befugnisse ausüben. Ihre Gutachter- und Prüfertätigkeit hänge mit der (Wieder-) Erteilung der Erlaubnis für das Kraftfahrzeug durch die Verwaltungsbehörde aufs engste zusammen und bilde geradezu einen Bestandteil der von der Verwaltungsbehörde ausgeübten und in ihrem Verwaltungsakt sich niederschlagenden hoheitlichen Tätigkeit. Deshalb sei es berechtigt zu sagen, dass der Sachverständige selbst hoheitliche Tätigkeit ausübe (BGH, Urteil vom 30. November 1967 – VII ZR 34/65, BGHZ 49, 108 = juris, Rn. 15).
97Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass nach der StVZO zur Sicherung des Straßenverkehrs vor Gefahren für die Allgemeinheit auf öffentlichen Straßen grundsätzlich nur solche Fahrzeuge benutzt werden dürfen, die durch Erteilung einer Betriebserlaubnis zum Verkehr zugelassen sind. Die Betriebserlaubnis wird von einer Verwaltungsbehörde durch Verwaltungsakt erteilt. In diese Tätigkeit der Verwaltungsbehörde ist der amtlich anerkannte Sachverständige maßgeblich eingeschaltet. Er erlässt zwar nicht selbst Verwaltungsakte, nimmt aber Prüfungen vor und erstattet Gutachten, die als bedeutsamer Teil der dem Staat obliegenden Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs und damit als staatliche Verwaltungstätigkeit erscheinen. Wenn er auch nicht selbst die Erlaubnis zu erteilen oder zu versagen habe, sei die Entscheidung hierüber jedoch praktisch gefallen, wenn er sein Gutachten erstattet, seine Bescheinigung ausgestellt oder ihre Ausstellung abgelehnt habe (BGH, Urteil vom 25. März 1993 – III ZR 34/92, BGHZ 122, 85 = juris, Rn. 7, m. w. N.).
98In der vom Landgericht zitierten Entscheidung BGHZ 147, 169 hat der Staatshaftungssenat des Bundesgerichtshofs diesen Gedanken auf die technische Prüfung von Flugzeugen übertragen und ausgeführt, dass die Frage, ob der Sachverständige hoheitlich handle, in diesem Fall nicht anders beantwortet werden könne (BGH, Urteil vom 22. März 2001, a. a.O., Rn. 11). Für Pflichtverletzungen bei der Lufttüchtigkeitsprüfung von Fluggeräten sind daher die tätigen Sachverständigen und ihre Arbeitgeber nicht passivlegitimiert; richtiger Anspruchsgegner ist vielmehr der Bund als Anstellungskörperschaft (OLG Koblenz, Urteil vom 10. September 2008 – 1 U 1600/07, OLG-Report 2009, 363 = juris, Rn. 16).
99bb) Ausgehend von diesen Maßstäben ist der Senat davon überzeugt, dass die flugmedizinischen Sachverständigen im hier zu entscheidenden Fall ebenfalls hoheitlich gehandelt haben und die Beklagte zu 2) daher bereits nicht passivlegitimiert ist.
100(1) Das Landgericht hat im Ausgangspunkt zu Recht auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LuftVG abgestellt, wonach die Erlaubnis für die Führung eines Luftfahrzeugs nur erteilt werden darf, wenn der Bewerber seine Tauglichkeit nachgewiesen hat. Das dafür erforderliche Tauglichkeitszeugnis wird nach § 24a Abs. 1 Satz 1 LuftVZO jedem Flugzeugführer erteilt. Nach § 24e Abs. 1 Satz 1 LuftVZO in der bis zum 23. Dezember 2014 geltenden Fassung bedürfen flugmedizinische Zentren und Sachverständige für die Durchführung flugmedizinischer Untersuchungen des Luftpersonals und für die Erteilung der Tauglichkeitszeugnisse der Anerkennung. Für die Erteilung von Tauglichkeitszeugnissen der Klasse 1 können nur Ärzte mit einer Zusatzqualifikation für „Flugmedizin“ anerkannt werden (§ 24a Abs. 3 Satz 1 LuftVZO). Die Anerkennung erfolgt durch das LBA. Nach § 24c Abs. 1 Satz 1 LuftVZO kann der Bewerber bei einem anerkannten flugmedizinischem Zentrum den Befund nachprüfen lassen, wenn Tatsachen festgestellt worden sind, die Zweifel an seiner Tauglichkeit begründen. Der flugmedizinische Sachverständige prüft in diesem Fall gemäß § 24c Abs. 1 Satz 3 LuftVZO unter Anwendung international abgestimmter Richtlinien für die Lizensierung von Piloten (JAR-FCL 3 deutsch), ob ein Tauglichkeitszeugnis oder ein Tauglichkeitszeugnis mit Auflagen und Einschränkungen ausgestellt werden kann oder die Untauglichkeit zu bestätigen ist. Das nach abgeschlossener Überprüfung ausgestellte Tauglichkeitszeugnis oder die Bestätigung der Untauglichkeit wird dem Bewerber übergeben und in Kopie der für die Lizenzerteilung zuständigen Stelle übermittelt (§ 24c Abs. 1 Satz 4 i. V. m. § 24d Abs. 1 Satz 2 LuftVZO). Auch dies ist wiederum das LBA, ohne dass eine Einbindung des Arbeitgebers bzw. der Person vorgesehen ist, mit der der Pilot privatrechtlich verbunden ist. Auf Grundlage dieser gesetzlichen Bestimmungen geht der Senat davon aus, dass die Fliegerärzte ähnlich wie Amtsärzte bei der Ausstellung von Tauglichkeitszeugnissen hoheitlich gehandelt haben und der Beklagten zu 2) als ihrer Arbeitgeberin kein haftungsrechtlich relevanter Verantwortungsbeitrag zukommt.
101(2) Die von den Klägern im Senatstermin vom 14. September 2021 gegen diese Auffassung geäußerten Bedenken hält der Senat nicht für durchgreifend. Für die Qualifizierung eines Verhaltens als hoheitlich im staatshaftungsrechtlichen Sinne ist es nicht von ausschlaggebender Bedeutung, ob es eines staatlichen Umsetzungsakts in Bezug auf die Bescheinigung der Flugtauglichkeit des (Ko-) Piloten bedarf und ob es sich bei den von den Fliegerärzten ausgestellten Tauglichkeitsbescheinigungen um Verwaltungsakte im Sinne von § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) handelt. Diese formale Sichtweise, die darauf abstellt, ob ein sachverständig ermittelter Befund noch mit einem staatlichen „Stempel“ oder „Siegel“ versehen werden muss, widerspricht der oben unter aa) dargestellten funktionalen Betrachtungsweise, die der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen privatrechtlichem und hoheitlichem Handeln zugrunde legt.
102Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang schließlich auf die Haftung von Bausachverständigen für fehlerhafte Gutachten hinweisen, trägt dies schon deshalb nicht, weil der Gesetzgeber für diesen Fall mit § 839a BGB eine eigenständige Anspruchsgrundlage geschaffen hat, die innerhalb ihres Anwendungsbereichs eine abschließende Haftung von gerichtlich bestellten Sachverständigen geschaffen hat, mit der deren allgemeine deliktsrechtliche Haftung aus §§ 823 ff. BGB verdrängt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 – III ZR 345/12, NJW-RR 2014, 90 = juris, Rn. 14 unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 14/7752, S. 28). Die Kläger nehmen hier jedoch gerade nicht die Fliegerärzte selbst oder die Behörde – hier das LBA – in Anspruch, für die sie tätig geworden sind, sondern die Beklagte zu 2) als ihre Arbeitgeberin, deren Haftung indes – wie dargelegt – schon nach allgemeinen Amtshaftungsgrundsätzen ausgeschlossen ist.
103(3) Der Senat sieht sich nicht dazu veranlasst, das von den Kläger hierzu beantragte Sachverständigengutachten einzuholen, das auf eine internationale bzw. europäische Rechtsvergleichung angelegt ist. Maßgeblich für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist die Auslegung und Anwendung des deutschen Staatshaftungsrechts. Mit den Bestimmungen der §§ 24a ff. LuftVZO ist die EU-Verordnung Nr. 3922 vom 16. Dezember 1991 (ABl. Nr. L 373 S. 4) in das deutsche Recht umgesetzt worden. Hintergrund war eine internationale Vereinbarung eines Zusammenschlusses der zivilen Luftfahrtbehörden von 34 europäischen Ländern, der Joint Aviation Authorities (JAA), zu denen auch die Bundesrepublik Deutschland gehört. Zur Verantwortlichkeit für die Ausstellung der Tauglichkeitszeugnisse heißt es in der Gesetzesbegründung wie folgt (vgl. BR-Drucks. 842/02, S. 2): „ In § 24e wird die Anerkennung flugmedizinischer Sachverständiger und flugmedizinischer Zentren, die Aufrechterhaltung oder die Widerrufung der Anerkennung in Übereinstimmung mit den europäischen Bestimmungen geregelt, wobei die Verteilung der Zuständigkeit für berufliche Luftfahrer mit Tauglichkeitsklasse 1 auf den Bund (Luftfahrt-Bundesamt) und für nicht berufliche Luftfahrer mit Tauglichkeitsklasse 2 auf die Länder in Bundesauftragsverwaltung eine nationale Besonderheit darstellt“. Der Gesetzgeber hat damit eine eigenständige Regelung geschaffen, ohne damit von gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben abgewichen zu sein. Daher ist unerfindlich und wird von den Klägern auch nicht belegt, inwiefern die rechtliche Ausgestaltung der Haftung für fehlerhafte Begutachtungen durch Fliegerärzte in anderen Mitgliedstaaten für den vorliegenden Fall von Bedeutung sein könnte.
104Durch eine Änderung der EU-Verordnung Nr. 1178 vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt (ABl. L 311, S. 1), die am 9. April 2013 in Kraft getreten ist, ist deren Anlage IV (Teil-MED) geändert worden. Dabei handelt es sich zwar um unmittelbar geltendes Recht in sämtlichen Mitgliedstaaten, das jedenfalls bei der letzten Untersuchung des Kopiloten am 28. Juli 2014 anzuwenden war. Die geänderten materiellen und verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Erteilung von Tauglichkeitszeugnissen, die die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 7. August 2019 zutreffend beschrieben haben (dort S. 30 ff. = Bl. 896 ff. d.A.), haben jedoch nicht zu einer Änderung der Rechtslage in Bezug auf die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit für die Ausstellung dieser Testate geführt. Diese lag auch nach Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung nach wie vor beim LBA.
105b) Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen scheitert eine Haftung der Beklagten zu 2) aber auch dann, wenn man entgegen der Rechtsauffassung des Senats zugunsten der Kläger hilfsgutachtlich unterstellt, dass die Beklagte zu 2) für ein etwaiges Fehlverhalten ihrer Fliegerärzte bei der Begutachtung der Tauglichkeit des Kopiloten zur Führung von Luftfahrzeugen verantwortlich wäre. Eine Rechtsgutverletzung der Kläger zu 1) und zu 2) und der Zedenten, aus deren abgetretenen Rechten der Kläger zu 7) Ansprüche verfolgt, ist nämlich weder dem Grunde noch der Höhe nach schlüssig dargelegt worden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Berufungsrechtszug nur noch eigene „Schockschäden“ der Kläger bzw. der Zedenten und nicht mehr auf sie übergegangene Ansprüche ihrer bei dem Flugzeugabsturz verstorbenen Angehörigen streitgegenständlich sind.
106aa) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Mitteilung des Todes einer nahestehenden oder verwandten Person für sich gesehen nicht ausreichend, um einen ersatzfähigen „Schockschaden“ anzunehmen, sondern zusätzlich erforderlich, dass sie gesundheitliche Beeinträchtigungen zur Folge hat, die „pathologisch fassbar“ sind und über das hinausgehen, dem Hinterbliebene bei der Benachrichtigung von dem Unfall eines nahen Angehörigen oder dem Miterleben eines solchen Unfalls erfahrungsgemäß ausgesetzt sind (vgl. u.a. BGH, Urteile vom 4. April 1989 – VI ZR 97/98, NJW 1989, 2317 = juris, Rn. 9 für den Verkehrsunfalltod des 22-jährigen Sohns der Klägerin, und vom 10. März 2012 – VI ZR 114/11, BGHZ 193, 34 = juris, Rn. 8, vom 27. Januar 2015 – VI ZR 548/12, NJW 2015, 1451 = juris, Rn. 6, vom 10. Februar 2015 – VI ZR 8/14, NJW 2015, 2246 = juris, Rn. 9, und vom 21. Mai 2019 – VI ZR 299/17, BGHZ 222, 125 = juris, Rn. 8, jew. m. w. N.). Für die Höhe der Bemessung des Schmerzensgelds nach § 253 Abs. 2 BGB i. V. m. § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist zudem erforderlich, dass die Kläger tatsächliche Grundlagen für die Bezifferung angeben (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1951 – III ZR 144/50, BGHZ 4, 138 = juris, Rn. 7; Versäumnisurteil vom 10. Oktober 2002 – III ZR 205/01, NJW 2002, 1521 = juris, Rn. 11; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 253 Rn. 24; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 42. Aufl. 2021, § 253 Rn. 12, jew. m. w. N.).
107bb) Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Kläger auch unter Berücksichtigung ihrer ergänzenden Ausführungen im Berufungsrechtszug nicht. Nach wie vor haben sie nur allgemein zu den Auswirkungen der Todesnachricht für die Hinterbliebenen des Flugzeugabsturzes vom 24. März 2015 vorgetragen, ohne auf die Umstände des Einzelfalls einzugehen, unter denen sie die jeweilige Todesnachricht erhalten haben, und ohne darzulegen, welche Auswirkungen diese konkret auf ihr körperliches und seelisches Wohlbefinden hatte. Der Senat verkennt dabei nicht, dass es sich dabei um eine Katastrophe epischen Ausmaßes gehandelt hat, wie sie sich bisher in der privaten deutschen Luftfahrt noch nicht ereignet hat. Aber auch dann, wenn man mit den Klägern davon ausgeht, dass aufgrund der außerordentlich tragischen Art des Ausscheidens ihrer Angehörigen aus dem Leben, ihrer Bergung am Ort des Aufschlags des Flugzeugs und der Überstellung ihrer sterblichen Überreste nach Deutschland bei lebensnaher Betrachtungsweise bei jedem vernünftigen Menschen ein erheblicher „Schockschaden“ entstanden sein dürfte, entbindet sie dies nicht von der prozessualen Obliegenheit, zu jedem dieser tragischen Einzelfälle näher vorzutragen. Denn nur auf dieser Basis kann ein Gericht über die Bemessung eines Schmerzensgelds im konkreten Fall entscheiden. Wie der Prozessbevollmächtigte der Kläger im Senatstermin vom 14. September 2021 eingeräumt hat, sind die Auswirkungen des Unglücksfalls abhängig von der Nähebeziehung zu den getöteten Personen und den Spätfolgen, die das Ereignis für die jeweils Betroffenen nach sich gezogen hat, und können im Einzelfall durchaus unterschiedlich sein. Indessen lautet sein Antrag sowohl in erster als auch in zweiter Instanz auf die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgelds in bestimmter Höhe und ist nicht darauf ausgerichtet, die Haftpflicht der Beklagten zu 2) lediglich dem Grunde nach festzustellen, um in einem späteren Betragsverfahren über die jeweiligen Verletzungsfolgen zu entscheiden.
108Wie der Senat im Termin vom 14. September 2021 dargelegt hat, wäre ein Vortrag zu den Auswirkungen der Verletzungsfolgen im Einzelfall gerade auch wegen dieser Antragstellung erforderlich. Denn die Höhe des geltend gemachten Schmerzensgelds ist unter anderem vom Näheverhältnis etwa der Zedenten zur getöteten Person abhängig. Dem wird schon der zuletzt noch im Berufungsrechtszug verfolgte Klageantrag unter Berücksichtigung der insoweit festzustellenden Unterschiede nicht gerecht. Während es bei den Klägern zu 1) und 2) sowie der Mehrzahl der Zedenten um ein weiteres Schmerzensgeld von 30.000 Euro unter Anrechnung der vorgerichtlichen Zahlung der Luftfrachtführerin von 10.000 Euro pro Todesfall geht, ist beispielsweise im Falle der beiden Erben der verstorbenen O 4 jeweils ein weiteres Schmerzensgeld von 17.000 Euro streitgegenständlich. Für den Todesfall K 1 wird hingegen jeweils der volle Betrag von 40.000 Euro gefordert. Zudem lässt der Klägervortrag in vielen Fällen nicht erkennen, warum trotz unterschiedlicher Verwandtschafts- und Nähebeziehung zur getöteten Person derselbe Schmerzensgeldbetrag geltend gemacht wird. Beispielhaft sei insoweit auf den Tod von H 1 verwiesen, für den es bei ihren Eltern und Geschwistern jeweils um ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro geht. In erster Instanz wurde zudem noch für ihre beiden Großmütter, H 6 und T, in selbiger Höhe ein weiteres Schmerzensgeld geltend gemacht. Es liegt auf der Hand, dass die konkret bestehende Nähebeziehung zur getöteten Person, von der nicht allein aufgrund eines bestimmten Verwandtschaftsverhältnisses ausgegangen werden kann, für die Bemessung des Schmerzensgeld entscheidend sein kann. Auf Grundlage dieses Sachvortrags war es für das Landgericht und ist es für den Senat unmöglich, ein der Höhe nach im Einzelfall angemessenes Schmerzensgeld zuzuerkennen.
1093.
110Auch der Hilfsantrag der Kläger, gerichtet auf Aufhebung und Zurückverweisung, ist unbegründet.
111a) Soweit sich die Kläger auf § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO berufen, liegt die dort beschriebene prozessuale Konstellation hier nicht vor. Mangels entsprechender Antragstellung hat das Landgericht – wie bereits dargelegt – weder formal noch inhaltlich zunächst über den Grund entschieden und sich vorbehalten, später noch zur Höhe zu verhandeln.
112b) Soweit sich die Kläger zwar nicht ausdrücklich, aber der Sache nach auf einen Verfahrensfehler im Sinne von § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO berufen, nämlich eine Überraschungsentscheidung zur Frage der Voraussetzungen für die Zuerkennung von Schockschäden, vermag der Senat einen wesentlichen Mangel in diesem Sinne auf Grundlage des erstinstanzlichen Verfahrensverlaufs unter Berücksichtigung des Akteninhalts nicht zu erkennen. Unabhängig davon besteht auch kein Anlass für eine Zurückverweisung. Das Berufungsgericht muss selbst entscheiden, wenn die Sache ohne weitere Verhandlung spruchreif ist, etwa durch Klageabweisung (BGH, Urteil vom 28. Februar 2005 – II ZR 220/03, FamRZ 2005, 882 = juris, Rn. 12; Heßler, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 538 Rn. 6; Rimmelspacher, in: Münchener Kommentar, ZPO, Band 2, 6. Aufl. 2020, § 538 Rn. 76, jew. m. w. N.). Genau diese prozessuale Konstellation liegt hier nach den obigen Ausführungen zur Überzeugung des Senats vor.
113III.
114Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
115Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 Satz 2, 1. Alt., § 711 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit § 709 Satz 2 ZPO.
116Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision folgt aus § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 ZPO. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Sowohl in Bezug auf die Frage nach der Qualifikation des Handelns einer Person als Beamtem im Sinne des Staatshaftungsrechts als auch nach den Anforderungen an die Darlegung von „Schockschäden“ gibt es umfassende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die der Senat lediglich auf den Einzelfall anzuwenden hatte. Divergierende Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte zu den dabei zu entscheidenden Einzel- und Vorfragen ist von den Klägern nicht ins Feld geführt worden und auch nicht ersichtlich.
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