Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 17 U 242/12

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 27. Juni 2012 - 10 O 20/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 10.710 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gründungsgesellschafter einer Fondsgesellschaft auf Schadensersatz wegen Verwendung eines fehlerhaften Emissionsprospekts in Anspruch.
Die Klägerin unterzeichnete am 21. Dezember 2005 eine Beitrittserklärung zu dem deutschen Fondsunternehmen C. AG & Co. US L. 2012 KG (im Folgenden: Fonds) über einen Anteil in Höhe von 10.000 EUR zuzüglich 5% Agio (Anlage K 2), nachdem sie durch einen Vertriebsmitarbeiter der mit der Werbung unterbeauftragten P. AG (Sitz: Mannheim) unter Verwendung des Emissionsprospekts des Fonds (Stand vom 19. August 2005) beraten worden war. Das Geschäftsmodell des Fonds befasst sich mit dem Erwerb und dem Handel eines Portfolios US-amerikanischer Sekundärmarkt-Lebensversicherungspolicen. Der Fonds hat seinen Sitz in B. S. (T.).
Initiatorin, Gründungsgesellschafterin und Komplementärin des Fonds sowie Herausgeberin des Emissionsprospekts ist ausweislich des Prospekts die Unternehmung C. AG, die nach Namensänderung in C. AG ihren Sitz nach U. bei F. verlegt hat und als solche unter Ziffer 2 Beklagte ist. Der Beklagte Ziffer 1 ist Treuhandkommanditist und Gründungsgesellschafter des Fonds, für die Vermögensanlage verantwortlich und im Prospekt den Anlegern gegenüber aufgetreten. Mit Schriftsatz vom 14. November 2011 ist die Streithelferin aufgrund ihrer Stellung als Prospektgutachterin dem Rechtsstreit beigetreten, nachdem ihr von der Beklagten Ziffer 2 der Streit verkündet worden war.
Mit Schreiben vom 27. August 2010 (Anlage K 5) wurde der Klägerin durch die A. GmbH, die die Geschäftsbesorgung für den Fonds übernommen hatte, mitgeteilt, aus den Angaben der früheren Geschäftsführung des Fonds ergebe sich, dass - bei einem vorhandenen Eigenkapital von 5.386.000 EUR - Gründungskosten in Höhe von rund 1.009.399 EUR angefallen seien, womit sich die Gründungskosten tatsächlich auf 18% beliefen. Der Fonds war insgesamt in eine wirtschaftliche Schieflage geraten.
Die Klägerin hat behauptet, der Emissionsprospekt sei fehlerhaft. Für einen unbefangenen Anlageinteressenten werde der Eindruck erweckt, es müssten nur 6,2 % des Anlagebetrags - gegebenenfalls zuzüglich des fünfprozentigen Agios - für sog. „weiche Kosten“ aufgewendet werden. Im Umkehrschluss habe angenommen werden können, dass 93,8 % des anzulegenden Geldbetrags tatsächlich den geplanten Investitionen zugeführt würden. An keiner Stelle des Prospekts finde sich ein Hinweis darauf, dass dieses Szenario nur für den günstigsten Fall des Erreichens der geplanten Zeichnungssumme von 25 Mio. EUR gelte. Es fehle auch ein Hinweis im Fondsprospekt, wonach sich die Gründungskosten vervielfachen, wenn der Fonds seine Geschäftstätigkeit mit einem geringeren Kapital aufnehme. Die Klägerin hätte sich nicht am Fonds beteiligt, wenn die Kostenstruktur richtig dargestellt worden wäre. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, das Landgericht Mannheim sei gemäß § 29 ZPO örtlich zuständig, da die sich aus dem Anlageberatungsverhältnis ergebenden Pflichten in den Geschäftsräumen der P. AG in Mannheim zu erfüllen gewesen wären. § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO sei nicht anwendbar, denn die Klägerin mache einen vertraglichen Schadensersatzanspruch geltend. Die Regelung erfasse lediglich außervertragliche Haftungsansprüche. Die Klägerin hat die Rückabwicklung der Anlage nebst Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten verlangt.
Die Beklagten und die Streithelferin haben Klageabweisung beantragt. Der Emissionsprospekt sei fehlerfrei. Der Beklagte Ziffer 1 hat zudem die Auffassung vertreten, er sei lediglich Treuhandkommanditist und kein Gesellschafter des Fonds. Leitende Funktion habe allein die Beklagte Ziffer 2 ausgeübt. Die Beklagte Ziffer 2 hat sich auf die Verjährung des Anspruchs berufen. Die Streithelferin hat ausgeführt, eine vertragliche Beziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten Ziffer 2 habe nicht existiert, denn der Treuhandvertrag sei nur mit dem Beklagten Ziffer 1 abgeschlossen worden. Auch sie erhebt die Einrede der Verjährung. In erster Linier haben die Beklagten und die Streithelferin sich auf die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Mannheim berufen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens und des Vorbringens der Streithelferin, der erstinstanzlichen Anträge und der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, das Landgericht Mannheim sei für das Verfahren nicht örtlich zuständig. Mit Beschluss vom 8. Februar 2012 (AS I 91) hat das Gericht darauf hingewiesen, dass mit § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ein ausschließlicher örtlicher Gerichtsstand am Sitz des Emittenten oder Anbieters eingreife. Der der Klage zugrunde liegende Emissionsprospekt sei eine öffentliche Kapitalmarktinformation im Sinne des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Beklagten seien auch Prospektverantwortliche im Sinne des § 32b ZPO, wobei das Landgericht die Beklagte Ziffer 2 irrtümlich als geschäftsführende Kommanditistin des Fonds (tatsächlich hat diese Funktion die C. M. GmbH inne, S. 17 des Emissionsprospekts) bezeichnet. Entgegen der Ansicht der Klägerin erfasse § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht nur Ansprüche aus außervertraglichen Haftungsgrundlagen, sondern auch vertragliche oder vertragsähnliche Haftungstatbestände. Entscheidend sei lediglich, dass eine falsche öffentliche Kapitalmarktinformation für die Entstehung des Schadens unmittelbar ursächlich sei. Dies sei nur dann nicht der Fall, wenn der Schaden aufgrund einer Falschberatung durch einen vom Emittenten unabhängigen Anlageberater bzw. Anlagevermittler entstanden sei. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf außervertragliche Anspruchsgrundlagen ergebe sich weder aus dem Wortlaut der Norm, aus den gesetzgeberischen Motiven noch aus Sinn und Zweck. Im vorliegenden Fall werde der Anspruch ausschließlich aus einer falschen oder irreführenden Kapitalmarktinformation abgeleitet. Verklagt seien nicht die Vermittler, sondern ausschließlich die Emittenten, wobei auch nicht individuelle Umstände der Vermittlung zur Begründung des Anspruchs nicht herangezogen würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausführungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die in erster Linie die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Mannheim und hilfsweise die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Verurteilung entsprechend der erstinstanzlich gestellten Anträge begehrt. Die Klägerin habe geltend gemacht, dass die Untervertriebsbeauftragte der Beklagten, die P. AG, im Rahmen der mündlichen Beratungsgespräche unzutreffende Angaben über die Höhe und die Voraussetzungen des Anfalls der weichen Gründungskosten des Fonds gemacht habe. Diese unzureichenden Beratungsleistungen seien den Beklagten nach § 278 BGB zuzurechnen. Das Landgericht verkenne die sich aus der Gesetzesbegründung ergebenden Gesetzesmotive, wenn es § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO auch auf vertragliche Schadensersatzansprüche anwende. Die Systematik des Gesetzes in § 32b Abs. 1 ZPO unterscheide offenkundig zwischen außervertraglichen (Nr. 1) und vertraglichen (Nr. 2) Ansprüchen. Auch der Sinn und Zweck des Gesetzes rechtfertige diese Sicht, denn individuelle Vermittlungssituationen sollten von dem ausschließlichen Gerichtsstand des Emittenten nicht erfasst sein. Die Klage rüge nämlich nicht nur die Fehlerhaftigkeit der öffentlichen Kapitalmarktinformation, sondern gerade auch die individuelle Informationserteilung des Anlagevermittlers. Für diese Ansicht sprächen auch zwei vom Landgericht insoweit missverstandene Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. Es sei zudem nicht entscheidend, dass vorliegend der Anlageberater nicht mit verklagt worden sei. Dafür gäbe es viele Gründe, die keinen Rückschluss auf die örtliche Zuständigkeit zuließen. Schließlich streite für die Ansicht der Klägerin auch die mit Wirkung vom 1. November 2012 erfolgte Erweiterung des Anwendungsbereichs der Nr. 2 des § 32b Abs.1 ZPO. Dieser Erweiterung hätte es nicht bedurft, wenn die Klagen gegen Emittenten von Kapitalanlagen wegen Verwendung falscher oder wegen des Unterlassens der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch ist, bisher schon unter die Zuständigkeit des § 32b ZPO gefallen wäre. Zudem rügt die Klägerin nun weitere Beratungsfehler.
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Die Klägerin beantragt:
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Das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 27.06.2012, Az. 10 O 20/11 wird aufgehoben und die Sache zur weiteren Entscheidung an das LG Mannheim, 10. Zivilkammer, zurückverwiesen.
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Hilfsweise für den Fall, dass nicht zurückverwiesen wird:
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1. Das Urteil des LG Mannheim vom 27.06.2012, Az. 10 O 20/11, wird aufgehoben. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin EUR 10.710,00 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins p.a. seit 01.07.2011 Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche und Rechte, die die Klägerin an der C. L. C. AG & Co. US L. 2012 KG inne hat, zu bezahlen. Es wird festgestellt, dass die Beklagten mit der Annahme der in Satz 2 bezeichneten Rechte an der C. L. C. AG & Co. US L. 2012 KG in Verzug sind.
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2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von EUR 493,26 (0,75 Geschäftsgebühr, Auslagen und Mehrwertsteuer aus Gegenstandswert EUR 12.547) zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins p.a. seit 01.07.2011 zu bezahlen.
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Die Beklagten und die Streithelferin haben die Zurückweisung der Berufung unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens beantragt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien und der Streithelferin wird auf die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).
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Auf den hier geltend gemachten Anspruch ist § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO in der Fassung vom 1. November 2005 bis zum 31. Oktober 2012 (im Folgenden § 32b ZPO a.F.) anwendbar. Das Landgericht hat die Norm zu Recht für einschlägig erachtet. Die Klägerin macht Prospekthaftung im weiteren Sinn (auch uneigentliche Prospekthaftung, zu den Begriffen siehe Leuering/Rubner NJW-Spezial 2013, 143) gegen die Gründungsgesellschafter des F. gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 Satz 1 BGB geltend. Sie ist der Ansicht, (vor-)vertragliche Ansprüche seien generell nicht von § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfasst. Dem folgt der Senat nicht.
20 
§ 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO a.F. betrifft Klagen auf Ersatz eines aufgrund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen verursachten Schadens. Was als öffentliche Kapitalmarktinformation zu verstehen ist, richtet sich nach § 1 Abs. 2 KapMuG (Kölner Kommentar zum KapMuG/Hess, 2. Aufl., § 32b ZPO Rn. 6). Es handelt sich um Informationen über Tatsachen, Umstände und Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmt sind und einen Emittenten von Wertpapieren oder einen Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen betreffen. Der (als Anlage K 1 vorgelegte) Emissionsprospekt des Fonds stellt danach eine öffentliche Kapitalmarktinformation dar.
21 
Die Prospekthaftung im weiteren Sinn knüpft als Anspruch aus Verschulden an die (vor-)vertraglichen Beziehungen zum Anleger an (BGH, WM 2012, 1184 - juris Rn. 10). Als haftende Personen kommen in erster Linie die Anlageberater und -vermittler in Betracht. Jedoch kommen auch die Gründungsgesellschafter und Treuhänder in Frage, die als Vertreter, Sachwalter oder Verhandlungsführer persönliches Vertrauen des Anlegers in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss beeinflusst haben (Nobbe, WM 2013, 193, 202, 203). Die Klägerin macht im vorliegenden Fall ihre Ansprüche ausschließlich gegen Gründungsgesellschafter des Fonds geltend.
22 
1. Nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO a.F. ergibt sich ein ausschließlicher örtlicher Gerichtsstand am Sitz des Emittenten, des Anbieters von sonstigen Vermögensanlagen oder der Zielgesellschaft für Klagen, mit denen Schadensersatz aufgrund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen geltend gemacht werden. Die Klägerin ist der Ansicht, hiermit seien ausschließlich außervertragliche Ansprüche erfasst.
23 
a) Der Wortlaut des Gesetzes stützt die Auffassung der Klägerin nicht. In Abs. 1 Nr. 1 a.F. des § 32b ZPO findet sich keinerlei Einschränkung auf außervertragliche Schadensersatzansprüche (ebenso Kölner Kommentar zum KapMuG/Hess, 2. Aufl., § 32b ZPO, Rn. 6 und Kruis zu § 1 KapMuG Rn. 70; Mormann, ZIP 2011, 1182, 1185).
24 
b) Auch der systematische Zusammenhang mit Nr. 2 des selben Absatzes lässt einen solchen Schluss nicht zu. Zwar werden hier ausdrücklich Erfüllungsansprüche aus Vertrag behandelt. Daraus ist jedoch kein systematischer Gegensatz zu Nr. 1 dahingehend zu erkennen, dass von Nr. 1 lediglich außervertragliche Ansprüche erfasst werden sollen. Vielmehr liegt der Schwerpunkt der systematischen Unterscheidung offensichtlich darin, dass Nr. 1 Schadensersatzansprüche erfasst, während Nr. 2 Erfüllungsansprüche betrifft (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 32b Rn. 2).
25 
c) Die Begründung für den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 14. März 2005 (BT-Drucks. 15/5091, S. 33) zur Einführung des § 32b ZPO ist zu der hier entscheidenden Frage nicht eindeutig. Zwar findet sich der Hinweis, dass der ausschließliche Gerichtsstand nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO a.F. für „außervertragliche Schadensersatzklagen aufgrund falscher Kapitalmarktinformationen“ gilt. Sodann erfolgt eine Aufzählung verschiedener Anspruchsgrundlagen wie §§ 37b und 37c WpHG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB (BT-Drucks. 15/5091, S. 33, 34). Es bleibt jedoch offen, ob diese Beschreibung des Anwendungsbereichs vom Gesetzgeber abschließend oder exemplarisch zu verstehen ist. Ein Ausschluss der Anwendbarkeit auf vertragliche Ansprüche kann aus der Formulierung jedoch entsprechend der Argumentation des Landgerichts (s. LGU S. 7) nicht herausgelesen werden. Zudem fällt auf, dass der Schwerpunkt der Regelung durch eine personelle Einschränkung der Haftenden beschrieben wird: „In diesem Gerichtsstand können unter anderem der Emittent, sein Emissionsbegleiter, die Mitglieder des Verwaltungs- und Aufsichtsrats und ein Bieter im Sinne des § 2 Abs. 4 WpÜG in Anspruch genommen werden.“ (BT-Drucks. 15/5091, S.33).
26 
Die von der Rechtsprechung entwickelten Haftungstatbestände der Prospekthaftung im engeren wie im weiteren Sinn sind zwar systematisch über § 280 Abs. 1 BGB dem Vertragsrecht unterstellt, inhaltlich jedoch den spezialgesetzlichen Haftungstatbeständen beispielsweise nach §§ 37b, 37c WpHG so nahe stehend, dass sie jedenfalls dann durch die gesetzlichen Spezialregelungen verdrängt werden, wenn sie sich gegen die Prospektverantwortlichen richten und nicht gegen Abschlussvertreter oder Anlagevermittler (Nobbe, WM 2013, 193, 201, 204; Gregor Vollkommer, NJW 2007, 3094). Unabhängig von der Frage, ob der Haftungstatbestand der Prospekthaftung im weiteren Sinn daher bereits durch einen spezialgesetzlichen Anspruch aus § 13a VerkProspG verdrängt ist, ist § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO a.F. auf den vorliegenden Fall anwendbar, denn bereits aus dieser Anspruchsgrundlagenkonkurrenz kann geschlossen werden, dass ein genereller Ausschluss von Anspruchsgrundlagen aus dem Anwendungsbereich des § 32b ZPO, die auf Vertragsrecht gestützt werden, durch den Gesetzgeber nicht gewollt war. Zumindest ist dies der Begründung zum § 32b ZPO nicht ausdrücklich zu entnehmen.
27 
d) Entscheidend für die Frage der Anwendbarkeit auf vertragliche Ansprüche ist die teleologische Auslegung der Norm. Die Vorschrift bezweckt die Verbesserung des Kapitalanlegerschutzes im Bereich kollektiver Rechtschutzformen. Der ausschließliche Gerichtsstand soll durch die Bündelung gleichgerichteter Verfahren den Anlegerschutz erleichtern. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass in den so bei einem Gericht konzentrierten Verfahren nur ein Sachverständigengutachten erforderlich sein würde, was zu einer Beschleunigung und Kostenersparnis für alle Beteiligten führe. Der Erfolgsort stelle bei der Aufklärung der Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit von Kapitalmarktinformationen kein geeignetes Anknüpfungsmoment dar (BT-Drucks. 15/5091, S. 16 ff., 33, 52). Die Bündelung paralleler Verfahren zur kollektiven Rechtsverfolgung erfordert deren Kanalisierung bei (möglichst) einem zuständigen Gericht. Die Konzentration muss an den allgemeinen Gerichtsstand eines Beklagten (Prospektverantwortlicher) anknüpfen, weil die Geschädigten sonst an den zersplitterten, besonderen Gerichtsständen des vertraglichen Erfüllungs- und des deliktischen Erfolgsorts prozessieren könnten, was eine Zusammenführung paralleler Verfahren erheblich erschweren würde. Die gewünschte Zuständigkeitskonzentration fördert so auch eine Spezialisierung der befassten Richter mit der Folge einer effektiveren Bearbeitung von Kapitalmarktstreitigkeiten. Insofern stellt der § 32b ZPO einen Gerichtsstand der Sachnähe dar (Kölner Kommentar KapMuG/Hess, § 32b ZPO Rn. 1 bis 3; BGH, WM 2013, 1643 - juris Rn. 15). Zusätzlich ergänzt § 32b ZPO das am 1. November 2005 in Kraft getretene KapMuG, wobei jedoch der Gerichtsstand unabhängig davon besteht, ob ein Antrag nach § 2 KapMuG gestellt wird (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 32b Rn. 1).
28 
Aus dieser Zweckrichtung ergibt sich, dass es für die Anwendbarkeit entscheidend ist, ob der geltend gemachte Schadensersatzanspruch an die Veröffentlichung eines unrichtigen Prospekts anknüpft. Der Anwendungsbereich der Norm ist damit nur dann eröffnet, wenn ein ausreichender Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation vorliegt (BGH, WM 2013, 1643 - juris Rn. 30 mit Bezug auch auf die alte Fassung des § 32b ZPO; Kölner Kommentar KapMuG/Kruis, § 1 KapMuG, Rn. 67). Anders als Emittenten und Anbieter von Kapitalanlagen schulden Anlageberater keine „öffentliche“ Kapitalmarktinformationen und es trifft sie keine Prospektpflicht (Gregor Vollkommer, NJW 2007, 3094, 3095). Bei Klagen gegen den Berater beruht die Schadensersatzpflicht mithin auf individuellem Verschulden. Die Haftung des Emittenten oder auch der Gründungsgesellschafter hat ihren eigentlichen Ursprung dagegen in der Erstellung und Verwendung eines fehlerhaften Emissionsprospekts. Werden also lediglich diese Personen auf Schadensersatz wegen Verwendung eines fehlerhaften Emissionsprospekts in Anspruch genommen, so ist es gerade mit Blick auf die vom Gesetzgeber gewollte Beschleunigung und Kostenersparnis angezeigt, die insoweit möglichen Klagen am Sitz des Emittenten oder Anbieters zu bündeln, um einheitliche Entscheidungen zu fördern und zusätzlich die speziellen Voraussetzungen eines möglichen Antrags (ob sie letztlich vorliegen oder nicht) nach dem KapMuG erkennen zu können. Etwaige individuelle Beratungsfehler des Vermittlers oder Beraters treten hier wegen des reinen Bezugs auf die Fehlerhaftigkeit des Prospekts in den Hintergrund. Die Pflichtverletzung der Gründungsgesellschafter liegt ausschließlich in der Verwendung des fehlerhaften Prospekts. Individuelle Beratungsfehler des Vermittlers oder Beraters sind diesem gegenüber geltend zu machen. Daraus ergibt sich mithin, dass eine Unterscheidung zwischen gesetzlichen und (vor-)vertraglichen Schadensersatzansprüchen keine zuverlässige Beschreibung des Anwendungsbereichs jedenfalls des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO a.F. zulässt (Kölner Kommentar zum KapMuG/Kruis, § 1 KapMuG, Rn. 70).
29 
Im vorliegenden Fall richtet sich die Klage ausschließlich gegen die Gründungsgesellschafter des Fonds. Die wesentlichen Argumente der Klägerin beziehen sich auf behauptete Fehler in den Angaben des Prospekts, insbesondere zu den weichen Kosten, aber auch zu den spezifischen Risiken in den vertraglichen Vereinbarungen der amerikanischen Lebensversicherungsverträge. Sofern die Berufung darauf abhebt, dass auch der individuelle Beratungssachverhalt zur Begründung des Anspruchs genutzt worden sei, kann dem Vortrag nicht gefolgt werden. Die erwähnten individuellen Beratungsfehler des Zeugen H. beruhen ausschließlich auf der Verwendung des Prospekts und den darin nach Ansicht der Klägerin fehlerhaften bzw. nicht ausreichenden Informationen, für die die Beklagten einzustehen hätten. Eine individuelle Komponente, die gegen eine Konzentration der Zuständigkeit sprechen könnte, ist nicht erkennbar.
30 
Daher ist auf den vorliegenden Fall der Prozessführung ausschließlich gegen die Kapitalmarktakteure und in der Sache ausschließlich mit Bezug auf die behauptete Fehlerhaftigkeit des verwendeten Prospekts die Zuständigkeitsregelung des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO a.F. anwendbar (Unterscheidung nach dem Anspruchsgegner auch in BGH, WM 2013, 1643, NJW 2007, 1364; OLG München, NJW-RR 2013, 1386 - juris Rn. 16; ebenso Gregor Vollkommer, NJW 2007, 3094, 3095; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 32b Rn. 5; Parigger, in: Vorwerk/Wolf, KapMuG, 1. Aufl., § 32b ZPO Rn. 7 u. 8; ähnlich Kölner Kommentar zum KapMuG/Kruis, 2. Aufl., § 1 KapMuG Rn. 70 und ausführlich in der Vorauflage Rn. 22 ff.). Auf welche Anspruchsgrundlage sich die Klage stützt, kommt es in diesem Fall nicht an.
31 
Die vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 30. Oktober 2008 (ZIP 2009, 290) allgemein geäußerte Ansicht, § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO gelte lediglich für außervertragliche Ansprüche, ist ersichtlich auf den dort entschiedenen Einzelfall bezogen, in dem lediglich Schadensersatzansprüche gegen Anlageberater und Anlagevermittler Gegenstand waren und es darum ging, ob in einem solchen Fall ein Musterfeststellungsverfahren nach dem KapMuG durchgeführt werden kann. Jedenfalls wird auch in diesem Urteil entscheidend darauf abgestellt, ob eine hinreichende Verknüpfung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs mit einer Kapitalmarktinformation vorliegt. Diese Verknüpfung sah der Bundesgerichtshof gerade dadurch gehindert, dass der einzelne Vermittler bzw. Berater in Anspruch genommen wurde und damit dessen individuelles Verschulden im Vordergrund stand (BGH, ZIP 2009, 290 - juris Rn. 12 u. 15). In seiner Entscheidung vom 13. Dezember 2011 (WM 2012, 115) führt der Bundesgerichtshof unter Berufung auf seine ständige Rechtsprechung zum Anwendungsbereich des § 1 KapMuG aus, Schadensersatzansprüche u.a. aus Prospekthaftung im weiteren Sinn, könnten von vornherein nicht Gegenstand eines Musterverfahrens gemäß § 1 Abs. 1 KapMuG sein. Inhaltlich ging es um die Frage, ob Gegenstand eines Musterverfahrens das Feststellungsziel sein könne, ob die Musterbeklagte als Haftungsadressatin für Ansprüche der Anleger aus culpa in contrahendo, mithin aus Prospekthaftung im weiteren Sinne in Betracht komme (BGH, WM 2012, 115 - juris Rn. 12 und 14).
32 
Der Senat sieht sich jedoch auch mit Blick auf diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall nicht daran gehindert, die Anwendbarkeit des § 32b Abs. 1 ZPO a.F. zu bejahen. Zwar handelt es sich im genannten Urteil des Bundesgerichtshofs bei dem die Rechtsbeschwerde führenden Musterbeklagten zu 1 um die geschäftsführende Gründungskommanditistin des betroffenen Fonds. Aus den Entscheidungsgründen ist jedoch nicht erkennbar, wer daneben weiterer Beklagter des Musterverfahrens war. Auch ist nicht erkennbar, inwieweit individuelle Beratungsfehler bei der Begründung des Klageanspruchs eine Rolle spielten. Der hier zu entscheidende Fall liegt aber wie gezeigt anders. Zum einen werden ausschließlich die Gründungsgesellschafter in Haftung genommen. Die Anlageberater bzw. Vermittler werden ausdrücklich nicht verklagt. Die Begründung des Anspruchs stützt sich ausschließlich auf den Inhalt des Prospekts. Deutlich wird dies nicht zuletzt durch den Beitritt der Streithelferin, die den Prozess auf Beklagtenseite federführend leitet. Sie hatte im Vorfeld der Emission den Prospekt auf seine Fehlerfreiheit untersucht. Zum anderen geht es vorliegend um die Frage der Anwendbarkeit des ausschließlichen örtlichen Gerichtsstands nach § 32b ZPO und nicht um die Möglichkeit der Durchführung eines Musterverfahrens. Zwar decken sich die sachliche Reichweite von § 1 Abs. 1 KapMuG und § 32b Abs. 1 ZPO im Kern (Kölner Kommentar zum KapMuG/Hess, § 32b Rn. 1; BGH NJW 2007, 1364). Die vom Gesetzgeber durch die Zuständigkeitskonzentration über § 32b ZPO a.F. erhofften Synergieeffekte erschöpfen sich jedoch nicht in der späteren tatsächlichen Durchführung eines Musterverfahrens nach dem KapMuG (s.o., Kölner Kommentar zum KapMuG/Hess, § 32b Rn. 2 und 3). Anerkanntermaßen ist die spätere Antragstellung nach dem KapMuG auch keine Voraussetzung des § 32b ZPO (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 32b Rn. 1).
33 
Auch aus der Neuregelung des § 32b ZPO kann nicht auf ein anderes Ergebnis geschlossen werden. Mit Wirkung zum 1. November 2012 wurde § 32b ZPO (im Folgenden: § 32b n.F.) durch einen neuen Abs. 1 Nr. 2 ergänzt. Nunmehr sind ausdrücklich Schadensersatzansprüche wegen Verwendung falscher öffentlicher Kapitalmarktinformationen erfasst. Die Neuregelung eröffnet also nunmehr sogar den ausschließlichen Gerichtsstand, wenn sich die Klage neben den Emittenten und Anbietern auch gegen den Anlagevermittler oder -berater richtet und insoweit lediglich ein mittelbarer Bezug zur öffentlichen Kapitalmarktinformation besteht (BGH, WM 2013, 1643 - juris Rn. 26; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 32b Rn. 5 u. 6). Denn in diesen Fällen hatte die Rechtsprechung die Anwendbarkeit des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO a. F. bisher verneint (Wolf/Lange, NJW 2012, 3751, 3752 m.w.N.; bereits unter der Altregelung führte jedoch auch ein solcher Fall streitgenössischer Schadensersatzklagen über den Weg der Gerichtsstandbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO letztlich zu einer Zuständigkeitskonzentration beim Gericht am Sitz des Emittenten, s. Gregor Vollkommer, NJW 2007, 3094, 3096). Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich der Sitz des Beklagten, etwa eines Anlageberaters oder -vermittlers, in vielen Fällen in örtlicher Nähe zum Kläger befindet, so dass es nicht ohne weiteres angemessen wäre, einen ausschließlichen Gerichtsstand an einem möglicherweise weit entfernten Ort zu begründen (BT-Drucks. 17/8799, S. 27), nennt hierfür (nach BGH, WM 2013, 1643 - juris Rn.22 ff. jedoch lediglich für Abs. 1 Nr. 2 - n.F.) § 32b Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO n.F. die zusätzliche Voraussetzung, dass sich die Klage auch gegen den Emittenten, den Anbieter oder die Zielgesellschaft richten muss. Der Gesetzgeber stellt also auch in der Neuregelung - in Kenntnis der ergangenen Rechtsprechung - nicht auf die Unterscheidung nach der Herkunft der Anspruchsgrundlage (gesetzlich oder vertraglich) ab, sondern verbleibt bei dem ursprünglichen Regelungskonzept, welches darauf abstellt, welche Personen in Haftung genommen werden sollen. Rückschlüsse auf die alte Rechtslage im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme ausschließlich der Gründungsgesellschafter und Prospektverantwortlichen lässt die Neuregelung aus Sicht des Senats insoweit nur zu, als wiederum eine Unterscheidung nach Haftungsgrundlagen gerade nicht erfolgte.
34 
2. Nach alldem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
III.
35 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO; § 26 Nr. 8 EGZPO.
36 
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zum sachlichen Anwendungsbereich des § 23b Abs. 1 Nr. 1 ZPO a.F. gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen.
37 
Gemäß § 63 Abs. 2 GKG war der Streitwert für den Berufungsrechtszug festzusetzen.

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