Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (3. Senat für Familiensachen) - 4 UF 101/12

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der als Entscheidung auf Grund eines Anerkenntnisses bezeichnete Beschluss des Amtsgerichts Quedlinburg vom 16. Februar 2012, Az.: 4 F 550/11 UK, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 09. März 2012, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antragsgegner wird verpflichtet, für das Kind F. H., geboren am 13. April 1995, zu Händen der Kindesmutter 100 % des Mindestunterhalts im Sinne des § 1612 a BGB der jeweils geltenden Altersstufe (derzeit 426,-- €) abzüglich des auf das Kind entfallenden hälftigen Kindergelds (derzeit 92,-- €), mithin einen Betrag von derzeit 334,-- € monatlich im Voraus ab dem 01. Oktober 2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird der vorbezeichnete Beschluss des Amtsgerichts Quedlinburg vom 16. Februar 2012 aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht Quedlinburg zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten der Beschwerde, zurückverwiesen.

2. Der Beschluss ist sofort wirksam.

3. Gerichtskosten für die Beschwerdeinstanz werden nicht erhoben.

4. Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 4.008,-- € festgesetzt.

5. Sowohl dem Antragsteller als auch dem Antragsgegner wird Verfahrenskostenhilfe für die Beschwerdeinstanz jeweils ohne Zahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Rechtsanwalt P. bzw. Rechtsanwalt Sch. zu ihrer Vertretung bewilligt.

Gründe

I.

1

Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 63 Abs. 1, 64 FamFG eingelegte und ebenso fristgerecht nach § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG begründete Beschwerde des Antragsgegners (Bl. 71, 72 d. A.) gegen den ihn auf Grund seines in der Sitzung vom 16. Februar 2012 (Bl. 55, 56 d. A.) erklärten Anerkenntnisses zur Zahlung von rückständigem und laufendem Mindestunterhalt verpflichtenden Beschluss des Amtsgerichts Quedlinburg vom 16. Februar 2012 (Bl. 57 - 59 d. A.), in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 09. März 2012 (Bl. 63, 64 d. A.), hat auch in der Sache den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.

2

Die zum Anfechtungsumfang gebotene Auslegung der Beschwerde ergibt, dass sich der Antragsgegner mit seinem Rechtsmittel lediglich insoweit gegen den Beschluss des Amtsgerichts Quedlinburg wendet, als rückständige Unterhaltsansprüche betroffen sind, die der geleisteten Unterhaltsvorschüsse wegen auf die Unterhaltsvorschusskasse gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG übergegangen sind, wohingegen Einwände gegen den laufenden Unterhalt, bei dem ein solcher Anspruchsübergang im Falle der Zahlung nicht in Betracht kommt, nicht erhoben werden.

3

Das Amtsgericht hat abweichend von § 307 Satz 1 ZPO (in Verb. mit § 113 Abs. 1 FamFG) nicht dem Anerkenntnis gemäß entschieden, sondern verfahrensfehlerhaft den im Anerkenntnis laut Sitzung am 16. Februar 2012 (Bl. 55, 56 d. A.) enthaltenen Vorbehalt des Antragsgegners, dass Zahlungen an die KoBa zu erbringen sind, soweit ein Forderungsübergang eingetreten sein sollte, gänzlich unberücksichtigt gelassen.

4

In Anbetracht dieses Verfahrensdefizits und in Ansehung des insoweit eröffneten Ermessens macht der Senat entsprechend dem Hilfsantrag des Antragsgegners aus dem Schriftsatz vom 5. September, ausgehend von § 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG, wegen der Unterhaltsrückstände von der Aufhebungs- und Zurückverweisungsmöglichkeit des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 ZPO Gebrauch. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf Anerkenntnisurteile ist angesichts der vom Gesetzgeber weitgehend vorgenommenen Gleichstellung mit Versäumnisurteilen gerechtfertigt (vgl. § 313 b ZPO) und dementsprechend anerkannt (Rimmelspacher, in: MüKo, ZPO, 3. Aufl., 2007, § 538 Rdnr. 63; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., 2008, § 307 Rdnr. 58; Heßler, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl., 2012, § 538 Rdnr. 54).

5

Das Amtsgericht wird nach der ausgesprochenen Zurückverweisung Gelegenheit haben, den genauen Umfang der auf die Unterhaltsvorschusskasse übergegangenen Ansprüche festzustellen, und diesen bei der sodann zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen haben, wobei der Senat in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass sich die Höhe des monatlichen Unterhaltsanspruches bereits aus dem weiterhin wirksam bestehenden Anerkenntnis ergibt und keiner weiteren Aufklärung bedarf. Zu beachten ist allerdings, dass lediglich wegen der ab Rechtshängigkeit des Verfahrens gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG auf die Unterhaltsvorschusskasse übergegangenen Unterhaltsansprüche eine Geltendmachung in gesetzlicher Prozessstandschaft nach § 265 ZPO (in Verb. mit § 113 Abs. 1 FamFG) durch den Antragsteller möglich ist, für zuvor übergegangene Ansprüche ohne eine entsprechende Rückübertragung hingegen ausscheidet.

II.

6

Über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat noch das Amtsgericht zu befinden, während die in der Beschwerdeinstanz angefallenen Gerichtskosten wegen der unrichtigen Sachbehandlung in erster Instanz gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG nicht erhoben worden sind.

7

Der Verfahrenswert nach Maßgabe der in der Beschwerdeinstanz nur streitgegenständlichen Unterhaltsrückstände ist gemäß den §§ 55 Abs. 2, 40 Abs. 1 Satz 1, 51 Abs. 1 FamGKG allein im Hinblick auf die außergerichtlichen Kosten und die insoweit bewilligte Verfahrenskostenhilfe festgesetzt worden.

8

Der Ausspruch zur sofortigen Wirksamkeit des Beschlusses entspricht § 116 Abs. 3 Satz 2 FamFG.

III.

9

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG sind nicht ersichtlich.

10

Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im konkreten Fall eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

11

Da die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen und damit gemäß § 70 Abs. 1 FamFG unstatthaft ist, bedarf es entgegen § 39 FamFG, der an sich sonst nach § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG Anwendung findet, keiner Rechtsbehelfsbelehrung.

IV.

12

Sowohl dem Antragsteller als auch dem Antragsgegner war für die Beschwerdeinstanz Verfahrenskostenhilfe, ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechend ohne Zahlungsverpflichtung, aber unter notwendiger Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen (§§ 114 Satz 1, 115, 119 Abs. 1 Satz 1 und 2, 121 Abs. 1 ZPO in Verb. mit den §§ 113 Abs. 1, 114 Abs. 1 FamFG).


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