Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg - 5 U 44/17

Tenor

Auf die Berufungen der Parteien wird das am 6. April 2017 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu befinden haben wird.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 356.670,95 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin verlangt die Zahlung einer weitergehenden Vergütung für auf der Grundlage eines Architektenvertrages und im Anschluss an dessen Beendigung erbrachte Planungsleistungen. Widerklagend begehrt der Beklagte Schadensersatz wegen der behaupteten Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten.

2

Im Jahre 2013 erwog der Beklagte den Kauf des Grundstückes S. Straße 7 in M. und die Sanierung des auf demselben befindlichen Gebäudes mit dem Ziel dessen anschließender Nutzung zu Wohnzwecken.

3

Nachdem der Lebenspartner des Beklagten, der Zeuge M. D., das Grundstück im Mai 2013 gemeinsam mit einem Makler und der Klägerin und der Beklagte das Grundstück im Juni 2013 besichtigt hatten, erstellte die Klägerin am 26. Juni 2013 ein Honorarangebot, in dem sie von einer Vergütungsforderung in Höhe von 414.669,94 € ausging.

4

Auf das Honorarangebot (Anlage K2 [Bd. I, Bl. 38 - 42 d. A.]) wird Bezug genommen.

5

In einer am 26. Juni 2013 erstellten Kostenschätzung, wegen deren Einzelheiten auf Bd. I, Bl. 43 - 45 d. A. verwiesen wird, schätzte die Klägerin die Gesamtkosten auf 2.310.349,49 €.

6

Im Ergebnis eines mit dem Zeugen D. nach der Erstellung der Kostenschätzung geführten Telefonates, in dem er sich u. a. nach den Möglichkeiten der Verringerung der Baukosten erkundigte, erstellte die Klägerin am 15. Juli 2013 eine weitere Kostenschätzung, in der sie von geschätzten Gesamtkosten in Höhe von 1.725.658,75 € ausging.

7

Wegen weitergehender Einzelheiten wird auf die Kostenschätzung vom 15. Juli 2013 (Anlage B3 [Bd. I, Bl. 115 - 117 d. A.]) Bezug genommen.

8

In einem am 1. September 2013 abgeschlossenen Architektenvertrag übertrug der Beklagte der Klägerin die Ausführung der im Zusammenhang mit dem Umbau und der Sanierung des Gebäudes S. Straße 7 in M. erforderlichen Architektenleistungen in den Leistungsphasen 1 bis 9 HOAI. Er beauftragte sie darüber hinaus mit der Durchführung einer Bestandsaufnahme in 3D, die mittels Lasermesstechnik durchgeführt werden sollte. Für diese zusätzliche Leistung sollte die Klägerin ein Honorar von 10.000,00 € netto erhalten.

9

Auf den Architektenvertrag (Anlage K1 [Bd. I, Bl. 22 - 37 d. A.]) wird Bezug genommen.

10

Im Auftrag des Beklagten erstellte die Klägerin in der Folgezeit einen Antrag auf Städtebauförderung mit dem Ziel der Gewährung von Fördermitteln zur Sicherung und Instandsetzung der äußeren Bauhülle des Gebäudes. In dem Antrag, den der Beklagte bei der Landeshauptstadt M. einreichte, ging die Klägerin von geschätzten Gesamtkosten in Höhe von 995.000,00 € aus, auf deren Grundlage sie eine Förderung von 398.000,00 € errechnete.

11

Wegen weitergehender Einzelheiten wird auf die Anlage K8 verwiesen.

12

Im April 2014 informierte der Beklagte die Klägerin darüber, dass die finanzierende Bank die Vergabe eines Kredites von der Schaffung für behinderte Menschen geeigneten Wohnraumes abhängig mache. Ergänzend teilte der Beklagte mit, dass eine Kreditvergabe nicht pauschal für das Objekt, sondern in Höhe von 75.000,00 € je Wohneinheit vergeben würde.

13

Im Anschluss an eine zwischen dem Zeugen D. und einer Mitarbeiterin der Klägerin, der Zeugin Me. N., am 19. Juni 2014 geführten Unterredung beantragte der Beklagte gegenüber der Landeshauptstadt M. am 1. Juli 2014 die Erteilung einer Baugenehmigung. Der von der Klägerin vorbereitete Antrag hatte die Schaffung von 20 Wohnungen und einer Gewerbeeinheit zum Gegenstand.

14

Wegen weitergehender Einzelheiten wird auf den Antrag (Anlage K 12) verwiesen.

15

Mit E-Mail-Nachricht vom 2. Juli 2014 (Anlage K15) beanstandete der Zeuge D. im Auftrage des Beklagten die diesem durch die Klägerin am 30. Juni 2014 erteilte Rechnung Nr. 1227-4. Insbesondere wandte er sich gegen die Höhe der bis zur Aufnahme der Bauarbeiten voraussichtlich entstehenden Kosten und gegen die Vergabe einzelner Leistungen an Dritte und die Berechnung der von diesen verlangten Vergütung.

16

In Beantwortung dieser E-Mail-Nachricht brachte die Klägerin gegenüber dem Beklagten und dem Zeugen D. mit Schreiben vom 3. Juli 2014 zum Ausdruck, die Kostenobergrenze für die Gesamtfinanzierung einschließlich sämtlicher Nebenkosten und Gebühren von 1,7 bis 1,8 Millionen € brutto könne auch im Falle des Wegfalls beantragter Fördermittel eingehalten werden.

17

Auf das Schreiben vom 3. Juli 2014 (Anlage B4 [Bd. I, Bl. 118 - 120 d. A.]) wird verwiesen.

18

Die in dem Schreiben vom 3. Juli 2014 getroffene Aussage bekräftigte die Klägerin gegenüber dem Zeugen D. während einer am 16. Juli 2014 geführten Unterredung.

19

Im Übrigen wird wegen der im ersten Rechtszug festgestellten Tatsachen und der durch die Parteien gestellten Anträge gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bd. III, Bl. 31 - 36 d. A.) in der gemäß Beschluss des Landgerichts vom 12. Mai 2017 (Bd. III, Bl. 68 f. d. A.) berichtigten Fassung Bezug genommen.

20

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage nach durchgeführter Beweisaufnahme abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage verurteilt, dem Beklagten 101.762,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Januar 2015 zu zahlen. Die weitergehende Widerklage hat es abgewiesen.

21

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin könne von dem Beklagten nach §§ 631, 632 BGB in Verb. mit dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Architektenvertrag ein Honorar lediglich für die in den Leistungsphasen 1 und 2 erbrachten Leistungen der Grundlagenermittlung und der Vorplanung sowie die im Zusammenhang mit der mittels Lasermesstechnik vorgenommenen Bestandsaufnahme beanspruchen. Ein weitergehender Vergütungsanspruch der Klägerin sei nicht durchsetzbar, weil sie verpflichtet sei, den Beklagten im Wege des Schadensersatzes, den er nach §§ 280 Abs. 1, 249 BGB beanspruchen könne, von einer weitergehenden Vergütungsforderung freizustellen. Die Klägerin habe schuldhaft gegen ihre aus dem Architektenvertrag resultierende Nebenpflicht, das Bauvorhaben des Beklagten wirtschaftlich zu betreuen und ihren Vertragspartner über die Entwicklung der Kosten fortlaufend umfassend zu informieren, verletzt. Bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, im September 2013, sei der Klägerin bekannt gewesen, dass die Kostenobergrenze 1,7 Millionen € habe betragen sollen. Soweit die Klägerin in ihrer am 26. Juni 2013 erstellten Kostenschätzung (Anlage K3 [Bd. I, Bl. 43 - 45 d. A.]) Kosten von 2,3 Millionen € in Ansatz gebracht habe, sei ihr - wie von dem Zeugen D. bekundet - aufgrund eines mit dem Beklagten geführten Telefonates bekannt gewesen, dass dieser den zugrunde gelegten Betrag als überhöht erachtet habe. Im Anschluss an dieses Telefonat habe die Klägerin am 15. Juli 2013 eine weitere Kostenschätzung (Anlage B3 [Bd. I, Bl. 115 - 117 d. A.]) erstellt, in der sie von niedrigeren Kosten ausgegangen sei. Ihr sei daher bereits vor Abschluss des Architektenvertrages bekannt gewesen, dass ein Kostenrahmen von 1,7 Millionen € habe eingehalten werden müssen. Soweit sie in ihren nach Vertragsabschluss erarbeiteten Planungen von höheren Kosten ausgegangen sei, trage sie hierfür die Verantwortung. Aus den durch die Klägerin am 13. Oktober 2014 erstellten Kostenberechnungen (Anlagen K4.1 bis K4.4 [Bd. I, Bl. 46 - 79 d. A.]) gehe hervor, dass eine vollständige Sanierung des auf dem Grundstück S. Straße 7 in M. befindlichen Gebäudes im Falle der Schaffung von zehn bis elf Wohneinheiten nicht zu einem Preis von 1,7 Millionen € habe realisiert werden können. Daher sei bereits aus den Kostenberechnungen ersichtlich, dass eine Komplettsanierung nicht möglich sei. Im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme gehe die Kammer zudem davon aus, dass das Interesse des Beklagten darauf gerichtet gewesen sei, das Gebäude vollständig zu sanieren. Diese Einschätzung gründe sich auf die Tatsache, dass die Parteien bereits im Mai oder Juni 2013 über konkrete, teilweise hochwertige Ausstattungsmerkmale des Objektes gesprochen hätten. Obgleich die Parteien eine konkrete Vereinbarung, dass die erwogenen hochwertigen Ausstattungsmerkmale durch die Klägerin zu einem Preis von 1,7 Millionen € hätten erbracht werden sollen, nicht getroffen hätten, habe der Klägerin aufgrund der ihr gegenüber seitens des Beklagten und des Zeugen M. D. geäußerten Wünsche bewusst sein müssen, dass beide das Gebäude hochwertig hätten ausstatten wollen. Die Klägerin sei daher verpflichtet gewesen, den Beklagten bereits im Rahmen der Ausführung der in den Leistungsphasen 1 und 2 geschuldeten Arbeiten auf die Tatsache hinzuweisen, dass das Kostenvolumen von 1,7 Millionen € im Falle der Ausführung einer hochwertigen Ausstattung nicht würde eingehalten werden können. Auch auf die Tatsache, dass ein Kostenvolumen in dieser Höhe im Falle der Schaffung von 20 Wohneinheiten nicht habe eingehalten werden können, hätte die Klägerin hinweisen müssen. Pflichten habe die Klägerin auch insoweit verletzt, als sie ihren Mitarbeitern, der Zeugin Me. N. und dem Zeugen O. Z., die Obergrenze der Baukosten von 1,7 Millionen € nicht mitgeteilt habe. Nach den Bekundungen der Zeugin N. habe diese den Beklagten nicht über die mit der Realisierung einer hochwertigen Ausstattung einhergehenden Überschreitung des Kostenvolumens beraten. Ihre Pflichten habe die Klägerin auch insoweit verletzt, als sie den Beklagten in dem zwischen der Erstellung der Kostenschätzung vom 15. Juli 2013 und der im Oktober 2014 vorgenommenen Erarbeitung der Kostenberechnungen liegenden Zeitraum nicht über die Entwicklung der Kosten beraten habe. Da die Parteien eine Obergrenze der Baukosten von 1,7 Millionen € vereinbart hätten, habe es sich der Klägerin aufdrängen müssen, den Beklagten über die Überschreitung des Kostenrahmens zu informieren. Aus dem durch die Klägerin selbst gefertigten Protokoll über das mit dem Zeugen D. am 16. Juli 2014 geführte Gespräch (Anlage B5 [Bd. I, Bl. 121 f. d. A.]) sei ersichtlich, dass sie seinerzeit davon ausgegangen sei, dass die „verbindliche“ Kostenobergrenze würde eingehalten werden können. Die Tatsache, dass die Klägerin in dem durch den Beklagten im Januar 2014 eingereichten Antrag auf Städtebauförderung (Anlage K8 [Anlagenband]) bereits für die äußere Bauhülle Kosten von 995.000,00 € zugrunde gelegt habe, sei nicht geeignet, die Klägerin zu entlasten. Da der Beklagte und der Zeuge D. über keine Erfahrungen in bautechnischer Hinsicht verfügt hätten, habe für beide keine Veranlassung bestanden, von dem Betrag der in dem Antrag in Ansatz gebrachten Kosten auf die Überschreitung der Obergrenze der Baukosten zu schließen. Einer absehbaren Überschreitung der Obergrenze der Baukosten habe der Beklagte nicht widersprechen müssen. Vielmehr habe es der Klägerin oblegen, ihren Vertragspartner insoweit fachkundig zu beraten. Da die durch den Beklagten gewünschte Planung mit dem vorgegebenen Kostenrahmen von 1,7 Millionen € nicht habe realisiert werden können, seien die durch die Klägerin in den auf die Leistungsphase 2 folgenden Leistungsphasen erbrachten Planungsleistungen für den Beklagten unbrauchbar gewesen. Für die Leistungsphasen 1 und 2 könne die Klägerin eine Vergütung beanspruchen, weil die in beiden Leistungsphasen erbrachten Arbeiten die Klägerin in die Lage versetzt hätten, den Beklagten sachgerecht zu beraten. Darüber hinaus könne die Klägerin den Ersatz der Kosten der unter von Lasermesstechnik durchgeführten Bestandsaufnahme verlangen. Hinsichtlich dieser Kosten sei das Gericht im Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere aufgrund der Aussage des Zeugen Z. , davon überzeugt, dass es sich bei den im Jahre 2013 eingesetzten Verfahren seinerzeit um ein Standardverfahren gehandelt habe. Soweit die Klägerin Kosten der Fachplanung in Höhe von 42.589,55 € netto in Ansatz gebracht habe, sei nicht ersichtlich, dass diese Kosten im Zusammenhang mit den in den Leistungsphasen 1 und 2 geschuldeten Arbeiten gestanden hätten. Darüber hinaus sei die Klägerin für ihre Behauptung, der Fachplanung habe ein Auftrag des Beklagten zugrunde gelegen, beweisfällig geblieben. Der Vergütungsanspruch der Klägerin belaufe sich auf den Betrag von 44.526,65 €. Demgegenüber habe der Beklagte an die Klägerin Zahlungen in Höhe von 146.289,59 € gelistet. Er könne daher von der Klägerin im Wege des Schadensersatzes die Erstattung des überzahlten Betrages von 101.762,94 € verlangen.

22

Wegen weitergehender Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bd. III, Bl. 36 – 44 d. A.) in der Fassung des Beschlusses des Landgerichts vom 12. Mai 2017 (Bd. III, Bl. 68 f. d. A.) Bezug genommen.

23

Die Klägerin, der das erstinstanzliche Urteil am 11. April 2017 zugestellt worden ist, hat gegen die Entscheidung am 4. Mai 2017 Berufung eingelegt, die sie innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 26. Juni 2017 begründet hat. Der Beklagte hat nach der an ihn am 12. April 2017 erfolgten Zustellung des landgerichtlichen Urteils am 12. Mai 2017 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel am 12. Juni 2017 begründet.

24

Mit ihrer Berufung wendet sich die Klägerin gegen die durch das Landgericht getroffene rechtliche Beurteilung. In diesem Zusammenhang beanstandet sie eine nur unzureichende Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes durch das Gericht des ersten Rechtszuges und die durch das Landgericht wahrgenommene Verfahrensleitung.

25

Sie meint, soweit das Landgericht die Verpflichtung der Klägerin zum Schadensersatz auf eine aus seiner Sicht unzureichende Aufklärung des Beklagten über die Überschreitung eines vorgegebenen Kostenrahmens gestützt habe, stelle das angefochtene Urteil eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar. Insoweit habe das Landgericht seine Entscheidung auf einen Gesichtspunkt gestützt, auf den es die Parteien bis zum Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung nicht gemäß § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO hingewiesen habe. Von einem fehlerhaft festgestellten Sachverhalt sei das Landgericht insoweit ausgegangen, als es von einer im Zeitpunkt des Abschlusses des Architektenvertrages, am 1. September 2013, getroffenen Vereinbarung einer Baukostenobergrenze von 1,7 Millionen € ausgegangen sei. Eine solche Vereinbarung hätten die Parteien weder ausdrücklich in dem Architektenvertrag getroffen, noch sei eine Baukostenobergrenze in Höhe des vorgenannten Betrages durch schlüssiges Handeln vereinbart worden. Seine Einschätzung, der zufolge der Klägerin bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine einzuhaltende Kostenobergrenze von 1,7 Millionen € bekannt gewesen sei, lasse eine Würdigung der Aussage des Zeugen D. und des umfangreichen Parteivorbringens nicht erkennen. Unter Verstoß gegen Denkgesetze habe das Landgericht aus der Tatsache, dass die Klägerin in ihrem an den Beklagten und den Zeugen D. gerichteten Schreiben vom 3. Juli 2014 (Anlage B4 [Bd. I, Bl. 118 – 120 d. A.]) und in dem über die zwischen ihr und dem Zeugen D. am 16. Juli 2014 geführte Unterredung aufgenommenen Protokoll (Anlage B5 [Bd. I, Bl. 121 f. d. A.]) zum Ausdruck gebracht habe, sie könne die verbindliche Kostenobergrenze für die Gesamtmaßnahme in Höhe von 1,7 bis 1,8 Millionen € einhalten, den Schluss gezogen, eine seitens des Beklagten gehegte Erwartung, das Vorhaben könne mit einem Kostenaufwand in dieser Größenordnung realisiert werden, sei bereits Grundlage des zwischen den Parteien am 1. September 2013 abgeschlossenen Architektenvertrages gewesen. Da der Beklagte einen Kostenrahmen von 1,7 Millionen € erst im Juli 2014 vorgegeben habe, sei sie in dem vorangegangenen Zeitraum seit Abschluss des Vertrages nicht gehalten gewesen, den Beklagten auf eine drohende Überschreitung dieses Kostenrahmens hinzuweisen. Aus der Aussage der Zeugin N., soweit durch den jeweiligen Bauherrn Kosten vorgegeben würden, werde sie durch die Klägerin hierüber regelmäßig informiert, eine Vorgabe habe bei dem Vorhaben des Beklagten nicht bestanden, könne entgegen der Auffassung des Landgerichts der Schluss gezogen werden, dass im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses keine Obergrenze der Baukosten vereinbart worden sei.

26

Die Klägerin behauptet, da das auf dem Grundstück S. Straße 7 in M. befindliche Gebäude als Verwaltungsgebäude errichtet und genutzt worden sei, habe sie eine zuverlässige Aussage über die Art und Weise der Sanierung und die Anzahl der zu schaffenden Wohnungen erst nach Einschaltung eines Fachplaners treffen können. Der Einschaltung eines Fachplaners habe es auch deshalb bedurft, weil der Beklagte nach Abschluss des Architektenvertrages neue Anforderungen im Hinblick auf die Energieeffizienz des Gebäudes und die Barrierefreiheit der in demselben zu schaffenden Wohnungen vorgegeben habe.

27

Erneut behauptet die Klägerin, in dem Gebäude könnten 20 barrierefreie Wohnungen eingerichtet werden, ohne dass die Baukosten von 1,7 bis 1,8 Millionen € überschritten werden müssten. Diese von ihr bereits im ersten Rechtszug behauptete Tatsache, die sie unter Beweis durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens gestellt habe, habe das Landgericht bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen. Zu Unrecht habe das Landgericht von der Erhebung des angetretenen Sachverständigenbeweises abgesehen. Dass das Landgericht hinsichtlich seiner gegenteiligen Einschätzung über die notwendige Sachkunde verfüge, gehe aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nicht hervor.

28

Die Klägerin ist weiter der Ansicht, da sie den Beklagten über den Stand der Planungsarbeiten fortlaufend informiert und ihre planerischen Leistungen an den geänderten Vorgaben des Beklagten ausgerichtet habe, falle ihr eine Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten nicht zur Last. Da die durch den Beklagten verfolgte Zielstellung, in dem Gebäude 20 barrierefreie Wohneinheiten einzurichten, unter Einhaltung einer Baukostenobergrenze von 1,7 bis 1,8 Millionen € erfüllt werden könne, habe für ihn kein Anlass bestanden, von dem Abschluss des Architektenvertrages Abstand zu nehmen oder sich von dem Vertrag wegen einer drohenden Überschreitung dieser Obergrenze zu lösen. Eine Vergütung für die unter den Leistungsphasen 3 und 4 abgerechneten Leistungen könne sie von dem Beklagten auch deshalb beanspruchen, weil sie die zu den beiden Leistungsphasen gehörenden Arbeiten in dem Zeitpunkt, in dem ihr der Beklagte die Einhaltung eines Kostenrahmens von 1,7 bis 1,8 Millionen € vorgegeben habe, nach den übereinstimmenden Bekundungen der Zeugin N. und des Zeugen Z. im Wesentlichen erbracht habe. Im Übrigen habe sie bereits in ihrem Schriftsatz vom 30. März 2016 die Einzelheiten im Zusammenhang mit der Beauftragung der fachplanerischen Leistungen dargelegt und für ihre Behauptung Beweis durch die Vernehmung der Zeugin N. angetreten. Die Leistung der Fachplaner habe sie dem Beklagten am 30. Juni 2014 in Rechnung gestellt. Mit der Begleichung dieser Rechnung habe der Beklagte die geltend gemachten Kosten anerkannt. Dass eine Beauftragung der Fachplaner dem Willen des Beklagten entsprochen habe, werde letztlich aus der E-Mail-Nachricht des Zeugen D. vom 2. Juli 2014 (Anlage K15 [Anlagenband]) erkennbar. Für den Fall, dass die Beauftragung fachplanerischer Leistungen den Willen des Beklagten widersprochen habe, hätte es nahegelegen, dass der Zeuge D. die Beauftragung dieser Leistungen in der E-Mail-Nachricht beanstandet hätte.

29

Die Klägerin meint, da dem Beklagten kein Schadensersatzanspruch zustehe, sei er zur Zahlung des mit der Rechnung Nr. 1227-5 vom 17. Dezember 2014 (Anlage K5 [Bd. I, Bl. 80 - 83 d. A.]) geforderten Honorars in Höhe des noch ausstehenden Teilbetrages von 13.306,59 € verpflichtet. Da der Beklagte den Architektenvertrag mit Schreiben vom 22. Dezember 2014 (Anlage B10 [Bd. I, Bl. 149 - 154 d. A.]) nicht wirksam außerordentlich gekündigt habe, könne sie von ihm für die nicht erbrachten Architektenleistungen in den Leistungsphasen 5 bis 9 die mit der Honorarschlussrechnung Nr. 1227-SR vom 6. Juni 2016 [Anlage K21 [Bd. II, Bl. 50 - 52 d. A.]) geltend gemachte Vergütung von 191.176,88 € verlangen.

30

Sie beantragt,

31

das angefochtene Urteil abzuändern und

32

den Beklagten zu verurteilen, ihr 204.483,47 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von 13.306,59 € seitdem 8. Januar 2015 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von 191.176,88 € seit Rechtshängigkeit, mithin seit dem 7. September 2016, zu zahlen und

33

die Widerklage abzuweisen,

34

hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

35

Die Klägerin beantragt darüber hinaus,

36

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

37

Der Beklagte beantragt,

38

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen, ihm weitere 50.424,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Januar 2015 zu zahlen und

39

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

40

Der Beklagte meint, zu Unrecht habe das Landgericht der Klägerin eine Vergütung für die unter den Leistungsphasen 1 und 2 abgerechneten Leistungen zuerkannt. Wie zwischen den Parteien unstreitig sei, habe ihm die Klägerin nach Erarbeitung der Kostenschätzung vom Juli 2013 (Anlage B3 [Bd. I, Bl. 115 - 117 d. A.]) bis zur Übergabe der vom 13. Oktober 2014 datierenden Kostenberechnungen (Anlagen K4.1 bis K4.4 [Bd. I, Bl. 46 - 79 d. A.]) eine Beratung über die Entwicklung der Kosten nicht zuteil werden lassen. Nachdem er mit dem an die Klägerin gerichteten Schreiben seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 22. Dezember 2014 (Anlage B10 [Bd. I, Bl. 149 - 154 d. A.]) den Architektenvertrag wirksam außerordentlich gekündigt habe, könne er von der Klägerin die Rückzahlung des an sie geleisteten Honorars von 141.828,87 € verlangen. Die Klägerin sei darüber hinaus verpflichtet, im Wege des Schadensersatzes eine im Zusammenhang mit Leistungen der I. erbrachten Überzahlung von 6.959,72 € zu erstatten. Darüber hinaus habe er aufgrund der Zurücknahme seines Bauantrages an die Landeshauptstadt M. 8.137,65 € geleistet, die die Körperschaft gegen ihn mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 20. November 2015 (Anlage BB4 [Bd. III, Bl. 130 d. A.]) festgesetzt habe. Leistungen für Tätigkeiten von Fachplanern könne die Klägerin nicht beanspruchen, da er an der Auswahl dieser Sonderfachleute nicht beteiligt worden sei. Zudem hätten die Parteien vereinbart, dass er selbst Fachplaner habe beauftragen sollen. Die Verpflichtung der Klägerin zur Erstattung des für die in den Leistungsphasen 1 und 2 erbrachten Leistungen abgerechneten Honorars ergebe sich darüber hinaus unter dem Gesichtspunkt der Minderung der Vergütung aus §§ 634 Nr. 3, 638 BGB.

41

Im Umfang ihres jeweiligen Obsiegens verteidigen die Parteien die landgerichtliche Entscheidung.

42

Wegen weitergehender Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Niederschriften über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II.

43

Die Berufungen der Klägerin und des Beklagten sind jeweils gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen nach §§ 517, 519, 520 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

44

In der Sache haben die Rechtsmittel den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.

45

Auf den durch die Klägerin nach § 538 Abs. 2 Satz 1 ZPO gestellten Antrag, den diese in zulässiger Weise als Hilfsantrag gestellt hat (Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 538, Rn. 56, m. w. Nachw.), ist die Sache nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen, weil das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund des Mangels eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig ist.

46

Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts leidet an einem wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne der Regelung des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, denn das Gericht erster Instanz hat seine Entscheidung auf einen nur unzureichend aufgeklärten Sachverhalt gestützt und dadurch den Anspruch beider Parteien auf die Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Die im ersten Rechtszug festgestellten Tatsachen vermögen die Entscheidung über die Klage und die Widerklage nicht zu tragen.

47

Die Frage, ob die Klägerin die Zahlung weitergehenden Architektenhonorars in Höhe von 13.306,59 € gemäß §§ 631 Abs. 1, 632, 640 Abs. 1, 641 Abs. 1 BGB und die Zahlung eines um die erzielten eigenen Vorteile verminderten weitergehenden Vergütungsbetrages von 191.176,88 € aus § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB beanspruchen kann, erfordert eine weitergehende Aufklärung des Sachverhaltes.

48

Nach dem zwischen den Parteien am 1. September 2013 abgeschlossenen Architektenvertrag oblag der Klägerin die Ausführung der Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 9 des § 15 Abs. 2 HOAI, die der Sanierung des Hauses S. Straße 7 in M. dienen sollten.

49

Zur Klärung der Frage, ob die Klägerin die Leistungen der Leistungsphasen 1 bis 4 des § 15 Abs. 2 HOAI vertragsgemäß erbracht hat, bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen.

50

Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin den Beklagten über die wirtschaftliche Tragweite des durch ihn in Aussicht genommenen Bauvorhabens nur unzureichend beraten hat.

51

Auf der Grundlage des mit dem Beklagten abgeschlossenen Architektenvertrages war die Klägerin verpflichtet, bereits im Rahmen der Grundlagenermittlung den wirtschaftlichen Rahmen abzustecken (BGH, Urteil vom 17. Januar 1991, Az.: VII ZR 47/90, zitiert nach juris, Rn. 7). Sie war darüber hinaus verpflichtet, den Beklagten zur Höhe der Baukosten und zu deren Ermittlung allgemein zu beraten (BGH, Urteil vom 3. Juli 1997, Az.: VII ZR 159/96, zitiert nach juris). Diese Kostenberatung diente dem Zweck, den Beklagten über die zu erwartenden Kosten des Bauvorhabens zu informieren, damit er Entscheidungen über die Durchführung des Vorhabens auf einer geeigneten Grundlage treffen konnte (BGH, Urteil vom 11. November 2004, Az.: VII ZR 128/03, zitiert nach juris, Rn. 28). Diese allgemeine Beratungspflicht erfährt keine Einschränkung dadurch, dass Kostenangaben der Klägerin zu besonderen Zwecken benötigt wurden. Sofern sich aus den Umständen nichts Besonderes ergab, durfte der Beklagte davon ausgehen, dass zu solchen Zwecken abgegebene Kostenschätzungen zutreffend waren. War dies nicht der Fall, musste die Klägerin über die Schwächen der Kostenangaben aufklären. Sie musste deshalb darüber aufklären, dass ihre Kostenangaben im Bauantrag oder zur Unterstützung von Kreditanträgen sowie zur Sicherung von Fördermöglichkeiten ungenau oder sogar fehlerhaft und deshalb keine geeignete Grundlage für die Investitionsentscheidung sein konnten (BGH, a.a.O., Rn. 30). Die Klägerin war darüber hinaus verpflichtet, in den Zeitpunkten, in denen sie die Vorlage von Kostenermittlungen schuldete, zutreffende Kostenangaben zu machen. Soweit sie unabhängig davon fehlerhafte Kostenschätzungen zu besonderen Zwecken vorgelegt haben sollte, bestand für sie eine gesteigerte Aufklärungspflicht über deren Fehler bezogen auf den jeweiligen Zeitpunkt der Vorlage der jeweiligen Kostenschätzungen. Diese Verpflichtung war nicht deshalb Einschränkungen unterworfen, weil der Beklagte die Ungenauigkeit oder Fehlerhaftigkeit später erkennen konnte. In Ausnahmefällen konnte die Aufklärungspflicht entfallen, wenn der Beklagte positive Kenntnis von den aufzuklärenden Umständen besaß und auch in der Lage war, die Konsequenzen für die weitere Planung und Durchführung des Bauvorhabens selbstständig zu erkennen, so dass er einer Beratung durch die Klägerin nicht bedurfte (BGH, a.a.O., Rn. 30, m. w. Nachw.).

52

Die Klägerin war darüber hinaus verpflichtet, bei ihrer Planung die ihr bekannten Kostenvorstellungen des Beklagten zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 24. Juni 1999, Az.: VII ZR 196/98, zitiert nach juris, BGH, Urteil vom 21. März 2013, Az.: VII ZR 230/11, zitiert nach juris, Rn. 9). Kostenvorstellungen des Beklagten musste sie im Rahmen der Kostenermittlung erfragen. Da es sich bei dem Beklagten um einen privaten Auftraggeber handelte, dessen wirtschaftliche Verhältnisse nicht offenlagen und der die ihm aufgrund seiner Bauvorstellungen entstehenden Kosten nicht einzuschätzen vermochte, war eine gründliche Aufklärung erforderlich (BGH, Urteil vom 21. März 2013, a.a.O.). Soweit der Beklagte der Klägerin den Eindruck vermittelte, die Aufbringung finanzieller Mittel gestalte sich für ihn unproblematisch, führte auch dieser Umstand nicht zu einer Einschränkung der für sie bestehenden Beratungspflicht.

53

Seine Kostenvorstellungen hat der Beklagte gegenüber der Klägerin bereits vor Abschluss des Architektenvertrages hinreichend klar zum Ausdruck gebracht. In ihrer am 26. Juni 2013 erstellten Kostenschätzung (Anlage K3 [Bd. I, Bl. 43 - 45 d. A.]) ist die Klägerin von geschätzten Gesamtkosten von 2.310.349,49 € ausgegangen. Nachdem diese Kostenschätzung dem Beklagten zugegangen war, hat dessen Bevollmächtigter, der Zeuge D., an die Klägerin in einem Telefonat die Frage gerichtet, ob das Vorhaben auch dann zu realisieren sei, wenn geringere Kosten aufgewendet würden. Dass der Zeuge D. diese Anfrage nicht im eigenen Namen, sondern als Bevollmächtigter des Beklagten an die Klägerin herangetragen hat, war für sie deshalb erkennbar, weil ihr bereits seinerzeit bekannt war, dass nicht der Zeuge D., sondern der Beklagte das Grundstück S. Straße 7 in M. zu kaufen und das auf demselben befindliche Gebäude zu sanieren beabsichtigte. In ihrer im Anschluss an das mit dem Zeugen D. geführte Telefonat am 15. Juli 2013 erstellten weiteren Kostenschätzung (Anlage B3 [Bd. I, Bl. 115 - 117 d. A.]) ist die Klägerin von geschätzten Baukosten in Höhe von nur noch 1.725.658,75 € ausgegangen. Dieser Kostenschätzung haben bis zum Abschluss des Architektenvertrages am 1. September 2013 weder der Beklagte noch die Klägerin selbst widersprochen. Sie ist daher Inhalt des zwischen den Parteien abgeschlossenen Architektenvertrages geworden (BGH, a.a.O., Rn. 10).

54

Dass die Klägerin die Kostenvorstellungen des Beklagten kannte und selbst davon ausging, dass diese Vertragsgrundlagen geworden sind, wird aus ihrem an den Beklagten und den Zeugen D. gerichteten Schreiben vom 3. Juli 2014 (Anlage B4 [Bd. I, Bl. 118 – 120 d. A.]) deutlich. In diesem Schreiben hat sie zudem zum Ausdruck gebracht, von Seiten ihres Büros sei mehrfach verbindlich versichert worden, den für den Beklagten maximalen Finanzrahmen auch im Falle des Wegfalls beantragter Fördermittel gesichert einhalten zu können. Ob die durch die Klägerin erbrachten Planungsleistungen der vereinbarten Beschaffenheit deshalb nicht entsprechen, weil die Sanierung des in der S. Straße 7 in M. befindlichen Gebäudes höhere Kosten erfordert, als sie von den Parteien des Architektenvertrages vereinbart worden sind (BGH, a.a.O.), bedarf es weitergehender tatsächlicher Feststellungen.

55

Das Landgericht hat den erhobenen Zeugenbeweis fehlerfrei und deshalb mit Bindungswirkung für den Senat (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) dahin gewürdigt, dass der Beklagte der Klägerin im Zusammenhang mit dem Abschluss des Architektenvertrages eine konkrete, insbesondere eine hochwertige Ausstattung des Gebäudes, nicht vorgegeben hat. Allein aus dem Umstand, dass die Klägerin Planungen auch unter Zugrundelegung geschätzter Baukosten von mehr als 1.700.000,00 € erstellt hat, kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, die durch sie erbrachten Planungsleistungen seien i. S. v. § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB mangelhaft, weil sie nicht der vereinbarten Beschaffenheit entsprechen.

56

Die Klägerin hat für ihre Behauptung, das durch den Beklagten in Aussicht genommene Bauvorhaben könne unter Zugrundelegung der durch sie erbrachten Planungsleistungen auch für den Fall realisiert werden, dass die Baukosten auf 1.700.000,00 € bis 1.800.000,00 € begrenzt würden, bereits im ersten Rechtszug Beweis durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens angetreten (vgl. den Schriftsatz vom 30. März 2016 [Bd. I, Bl. 184 - 200 d. A.]). Diesem Beweisantritt ist das Landgericht unter Verletzung des Anspruches der Klägerin auf die Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht nachgegangen. Dass das Landgericht hinsichtlich der Beurteilung einer möglicherweise bestehenden Mangelhaftigkeit der durch die Klägerin erbrachten Planungsleistungen über die notwendige Sachkunde verfügt, geht aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nicht hervor (MünchKommZPO/Zimmermann, 4. Aufl., § 402, Rn. 7). Vorab wird das Landgericht zu klären haben, von welcher Anzahl zu erstellender Wohnungen die Klägerin ausgehen musste. Für den Fall, dass erst im Frühjahr 2014 festgestanden haben sollte, dass 20 Wohnungen errichtet werden müssten, ist zu klären, in welchem Umfang die Klägerin ihre Planungsleistungen seinerzeit bereits erbracht hatte.

57

Von der Klärung der Frage, ob die Sanierung des Gebäudes unter Einhaltung der zwischen den Parteien des Architektenvertrages vereinbarten Kostenobergrenze von 1.725.658,75 € durchgeführt werden kann, hängt auch die Beurteilung der Ursächlichkeit des aus der Verletzung der Verpflichtung der Klägerin zur Beratung des Beklagten über die wirtschaftliche Tragweite des durch diesen ursprünglich in Aussicht genommenen Vorhabens für einen ihm entstandenen Schaden ab. Soweit eine Sanierung des Gebäudes im Falle der Festlegung einer Obergrenze der Baukosten von 1.725.658,75 € wirtschaftlich nicht sinnvoll realisiert werden könnte, stünde dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB, gerichtet auf Freistellung von dem Anspruch der Klägerin auf die Zahlung weitergehenden Architektenhonorars und auf Erstattung der an die Klägerin bereits geleisteten Vergütung sowie auf Ersatz nutzlos aufgewendeter Kosten und Gebühren, zu (KG, Urteil vom 10. Juli 2014, Az.: 27 U 50/13, zitiert nach juris, Rn. 43, m. w. Nachw.).

58

Auch hinsichtlich der Frage, ob die Klägerin von dem Beklagten nach § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB die Zahlung des weitergehenden Betrages von 191.176,88 € beanspruchen kann, bedarf es weitergehender tatsächlicher Feststellungen. Insbesondere hängt die Beurteilung dieser Frage davon ab, ob der Beklagte den mit der Klägerin am 1. September 2013 abgeschlossenen Architektenvertrag mit dem Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 22. Dezember 2014 (Anlage B10 [Bd. I, Bl. 149 - 154 d. A.]) in entsprechender Anwendung der Regelung des § 314 Abs. 1 BGB wirksam außerordentlich gekündigt hat.

59

Soweit die Sanierung des in der S. Straße 7 in M. befindlichen Gebäudes einen 1.725.658,75 € übersteigenden Kostenrahmen erfordern sollte, wäre der Beklagte am 22. Dezember 2014 berechtigt gewesen, das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich zu kündigen. Gleiches gilt für den Fall, dass die Klägerin - wie durch den Beklagten in seinem Kündigungsschreiben geltend gemacht - keine Kostenberechnung gemäß DIN 276 erstellt haben sollte.

60

Soweit der Beklagte seine Kündigung darüber hinaus auf eine aus seiner Sicht vertragswidrige Beauftragung von Sonderfachleuten durch die Klägerin gestützt hat, bedarf es ebenfalls einer weitergehenden Aufklärung des Sachverhaltes.

61

Allein aus dem Abschluss des Architektenvertrages kann nicht darauf geschlossen werden, dass die Klägerin zugleich bevollmächtigt war, den Beklagten rechtsgeschäftlich zu vertreten. Eine abweichende Beurteilung ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Beklagte der Klägerin sämtliche Leistungsphasen der HOAI übertragen und sie darüber hinaus mit der Beratung hinsichtlich des Einsatzes von Sonderfachleuten beauftragt hat (MünchKommBGB/Busche, 6. Aufl., § 631, Rn. 211, m. w. Nachw.).

62

Soweit die Klägerin Dritte mit der Erstellung des statischen Nachweises und der Erstellung von Nachweisen auf den Gebieten des Wärme-, Schall- und Brandschutzes beauftragt hat, ohne dass dieser Beauftragung eine Vollmacht des Beklagten zugrunde lag, käme eine Genehmigung des vollmachtlosen Handelns durch den Beklagten nach § 177 Abs. 1 BGB dadurch in Betracht, dass er die ihm durch die Klägerin am 30. Juni 2014 erteilte Teilrechnung Nr. 1227-4 (Anlage B9 [Bd. I, Bl. 145 - 148 d. A.]), in der die Klägerin Leistungen der von ihr beauftragten Sonderfachleute ausgewiesen und dem Beklagten in Rechnung gestellt hat, ausgeglichen hat. Sollte in dem Ausgleich dieser Rechnung keine Genehmigung des vollmachtlosen Handelns der Klägerin gelegen haben - wozu sich der Beklagte weitergehend zu erklären hat -, sind ausgehend von dem in dem Schriftsatz der Klägerin vom 30. März 2016 enthaltenen Vorbringen der Zeuge D. und die Zeugin N. zu den Umständen der Beauftragung der Sonderfachleute zu vernehmen. Hinsichtlich der insoweit abgerechneten Leistungen wird auch der Behauptung der Klägerin, die Beauftragung der Sonderfachleute sei wegen der Besonderheiten des Objektes bereits in der ersten und zweiten Leistungsphase erforderlich gewesen, nachzugehen sein.

63

Für den Fall, dass dem Beklagten im Zeitpunkt des Ausspruches seiner außerordentlichen Kündigung, am 22. Dezember 2014, ein die Kündigung rechtfertigender wichtiger Grund analog § 314 Abs. 1 BGB nicht zur Seite gestanden haben sollte, hätte er das Vertragsverhältnis nicht wirksam außerordentlich gekündigt. Insbesondere kann seine Kündigungserklärung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in eine freie Kündigung nach § 649 Satz 1 BGB umgedeutet werden. Der Beklagte hat seine Kündigung auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes gestützt und ausdrücklich erklärt, eine sog. "freie Kündigung" sei nicht gewollt und solle mit dieser Erklärung ausdrücklich nicht verbunden sein. Eine Kündigung, die ausschließlich für den Fall erklärt wird, dass ein außerordentlicher Kündigungsgrund vorliegt, ist unwirksam, wenn ein solcher tatsächlich nicht gegeben ist. Im Falle der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung hätte das Vertragsverhältnis über den Zeitpunkt des Zuganges der Kündigungserklärung bei den Prozessbevollmächtigten der Klägerin hinaus fortgedauert, die wechselseitigen vertraglichen Pflichten wären unverändert bestehen geblieben (BGH, Versäumnisurteil vom 24. Juli 2003, Az.: VII ZR 218/02, zitiert nach juris, Rn. 19, 21, m. w. Nachw.).

64

Im Falle des Fortbestehens des Architektenvertrages hätte die Klägerin, nachdem der Beklagte durch die Verweigerung notwendiger Mitwirkungshandlungen die Fortsetzung ihrer Leistungen unmöglich gemacht hat, nach § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB ihren Anspruch auf das vertraglich vereinbarte Honorar abzüglich der Ersparnis, des anderweitigen Erwerbs oder des böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerbs behalten (BGH, a.a.O., Rn. 24).

65

Da das Landgericht von der notwendigen Beweiserhebung abgesehen hat, leidet das Verfahren des ersten Rechtszuges an einem im Sinne der Regelung des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO wesentlichen Mangel (Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 538, Rn. 25, m. w. Nachw.).

66

Mit Rücksicht auf die Fehlerhaftigkeit des dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden erstinstanzlichen Verfahrens und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass aufgrund der bestehenden Verfahrensfehlerhaftigkeit eine aufwändige Beweisaufnahme erforderlich ist, erachtet es der Senat in dem zu entscheidenden Einzelfall als sachgerecht, die für eine Beurteilung des Bestehens der durch die Parteien geltend gemachten wechselseitigen Ansprüche notwendigen tatsächlichen Feststellungen nicht selbst zu treffen, sondern statt dessen die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

67

Im Ergebnis der mit den Parteien während des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 27. September 2017 geführten Erörterungen geht der erkennende Senat davon aus, dass in dem zu entscheidenden Einzelfall das Interesse der Parteien an einer schnelleren Erledigung des Rechtsstreites gegenüber dem Verlust einer Tatsacheninstanz nicht überwiegt, eine Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz mithin sachdienlich ist (Zöller/Heßler, a.a.O., Rn. 7).

68

Sachgerecht ist die Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht zum Zwecke der erneuten Verhandlung und Entscheidung nach der Auffassung des Senates auch wegen des erheblichen Umfanges der in dem zu entscheidenden Rechtsstreit noch ausstehenden Beweisaufnahme, in deren Rahmen nicht lediglich die erneute Feststellung von Tatsachen, welche bereits das Gericht erster Instanz festgestellt hat, erforderlich ist, sondern vielmehr Tatsachen durch das Berufungsgericht erstmals festgestellt werden müssten (Zöller/Heßler, a. a. O., Rn. 7, 32).

69

Schließlich wird mit der Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zum Zwecke der erneuten Verhandlung und Entscheidung der Rechtsstreit mit Rücksicht darauf, dass tatsächliche Feststellungen ortsnäher getroffen werden können, nicht in einem nicht zu vertretenen Umfang verzögert.

III.

70

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Senat wegen des derzeit ungewissen Ausgangs des Rechtsstreites dem Landgericht übertragen (Zöller/Heßler, a.a.O., § 538, Rn. 58).

71

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Obgleich die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils gemäß § 717 Abs. 1 ZPO mit der Verkündung dieses Urteils außer Kraft tritt, bedarf es eines Ausspruches über die vorläufige Vollstreckbarkeit, weil das Vollstreckungsorgan die Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil nach §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO erst einstellen und bereits getroffene Vollstreckungsmaßregeln erst aufheben darf, wenn eine vollstreckbare Ausfertigung vorgelegt wird (Zöller/Heßler, a.a.O.; OLG München, Urteil vom 18. September 2002, Az.: 27 U 1011/01, zitiert nach juris, Rn. 75 m. w. Nachw.).

IV.

72

Gegen dieses Urteil hat der Senat die Revision nicht gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugelassen, weil der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und eine Entscheidung durch das Revisionsgericht weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

V.

73

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes des Berufungsverfahrens folgt aus den §§ 39 Abs. 1, 43 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG in Verb. mit § 3 ZPO.


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