Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (5. Zivilsenat) - 5 U 104/13
Gründe
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Sachverhalt:
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Der Kläger, ein Notar mit Amtssitz in B., beansprucht von der beklagten Bank Schadenersatz aufgrund einer fehlgeleiteten Überweisung in Höhe von 25.019,44 €.
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Mit Überweisungsauftrag vom 2. Februar 2009 beauftragte der Kläger die Beklagte, von seinem Notaranderkonto in Erfüllung eines Treuhandauftrages einen Betrag in Höhe von 25.019,44 € auf das Konto Nr. 5088xxx der Frau J. S. bei der X Bank (BLZ 111 ...) zu überweisen. Beim Ausfüllen des Überweisungsauftrags wurde im Büro des Klägers versehentlich jedoch statt der richtigen Bankleitzahl 111 ... die Bankleitzahl 222 ... (Ybank) angegeben. Dies führte dazu, dass die Beklagte den Überweisungsbetrag statt an die X Bank tatsächlich an die Ybank weiterleitete, die den Überweisungsbetrag einer (anderen) J. S. aus ihrem Haus mit der Kontonummer 6380xxx gutschrieb. Die Streitverkündete ist die Rechtsnachfolgerin der Ybank. Es gelang weder dem Kläger noch der Streitverkündeten, die Gutschrift aus der fehlgeleiteten Überweisung von der tatsächlichen Zahlungsempfängerin J.S. in xxxxx T., A.-straße 7, zurückzuerlangen. Nunmehr streiten sich die Parteien, wer das Ausfallrisiko trägt.
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Der Kläger meint, weil auf dem Überweisungsbeleg Bankleitzahl und Empfängerbank nicht identisch waren, sei die Beklagte ihrer Kontrollpflicht nicht nachgekommen und habe fehlerhaft die maßgebliche Klarschriftbezeichnung der Empfängerbank nicht beachtet.
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Der Kläger beansprucht von der Beklagten die Zahlung von 25.019,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (26. Januar 2013).
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Die Beklagte meint, eine eigene Pflichtverletzung läge nicht vor. Nur der Empfängerbank (hier der Ybank) obläge ein Abgleich zwischen Bankleitzahl und Klarschriftbezeichnung. Sie sei deshalb berechtigt gewesen, den Überweisungsbetrag zunächst an die Rechtsvorgängerin der Streitverkündeten weiterzuleiten. Auch ein Mitverschulden falle ihr nicht zur Last.
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Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 15.011,66 € nebst Zinsen zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass nach dem Grundsatz der formalen Auftragsstrenge die Beklagte im beleggebundenen Überweisungsverkehr gehalten gewesen sei, die auf dem Überweisungsauftrag befindliche Bankleitzahl mit der eingetragenen Empfängerbank abzugleichen. Jedoch sei andererseits auch der Überweisende zu einer sorgfältigen Ausfüllung des Überweisungsauftrags verpflichtet. Dazu gehöre auch die Bankverbindung und die Angabe der korrekten Bankleitzahl. Die Mitverschuldensquote des Klägers hat das Landgericht deshalb mit 40 % bemessen und folglich in dieser Höhe die Klage abgewiesen.
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Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers.
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Er meint, ein Mitverschulden falle im hier nicht zur Last. Der Überweisungsauftrag sei insoweit eindeutig, als die Beklagte die Überweisung an die im Auftrag angegebene Empfängerbank (X Bank) schuldete. Im Übrigen sei durch die falsche Angabe einer einzigen Ziffer innerhalb der achtstelligen Bankleitzahl kein kausaler Schaden eingetreten. Dieser sei vielmehr ausschließlich durch das nachfolgende Fehlverhalten der Beklagte eingetreten. Der Mitverursachungsbeitrag des Klägers als Privatkunde im Rahmen der Teilnahme am beleghaften Überweisungsverkehr falle letztlich nicht ins Gewicht.
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Der Kläger beansprucht von der Beklagten über den ausgeurteilten Betrag hinaus die Zahlung der vollen Schadenersatzsumme von 25.019,44 € nebst Zinsen.
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Die Beklagte meint, nur der Empfängerbank (hier der Ybank) hätte eine Prüfung bzw. ein Abgleich zwischen Bankleitzahl und Klarschriftbezeichnung der Bank oblegen. Der Kläger müsse sich deshalb an die Empfängerbank halten. Im Übrigen habe der Kläger bei Erteilung des Überweisungsauftrags die Richtigkeit der Bankleitzahl nicht sorgfältig geprüft. Bei dem Kläger in seiner Funktion als Notar handele es sich auch nicht um einen „Privatkunden“, sondern um einen Unternehmer im Sinne von § 14 BGB. Im Wege der unselbständigen Anschlussberufung beantragt sie, die Klage vollständig abzuweisen.
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Auf den Hinweis des Senats wegen offensichtlicher Erfolglosigkeit der Berufung hat der Kläger am 13.1.2014 seine Berufung zurückgenommen. Die Anschlussberufung ist damit wirkungslos geworden (§§ 516, 524 ZPO)
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Aus den Gründen:
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Die Berufung des Klägers hat im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO offensichtlich keine Aussicht auf Die Ausführungen des Klägers aus der Berufungsbegründung vom 9. Oktober 2013 rechtfertigen keine andere Entscheidung. Zu Recht hat die Kammer die Mitverschuldensquote des Klägers gemäß § 254 BGB auf 40 % bemessen.
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Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:
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1. Zu Recht hat die Kammer einen vertraglichen Schadenersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 675, 662, 676a ff. BGB a.F. in Höhe der zuerkannten Forderung angenommen.
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Beim sogenannten mehrgliedrigen Überweisungsverkehr bestehen vertragliche Beziehungen nur zwischen Überweisendem und seinem Kreditinstitut (überweisendes Kreditinstitut) einerseits sowie der Überweisungsbank und der Empfängerbank andererseits und schließlich noch zwischen Empfängerbank und Überweisungsempfänger, nicht aber zwischen Überweisendem und Empfängerbank (BGH, Urteil vom 3. Oktober 1989, XI ZR 163/88, Versicherungsrecht 1990, 55). Zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt (2. Februar 2009) galten noch nicht die neuen Vorschriften über Zahlungsdienste (§§ 675 c ff. BGB), sondern die Vorschriften des Überweisungsgesetzes vom 21. Juli 1999 (BGBl. I, 1642) gemäß §§ 676a ff. BGB a.F.
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Neben der betragsmäßig begrenzten Garantiehaftung nach § 676 b Abs. 3 BGB a.F. (begrenzt auf den Gegenwert von 12.500,00 €) lässt das Überweisungsgesetz jedoch die Verschuldenshaftung nach §§ 676 c Abs. 1 Satz 2 BGB a.F., 280, 675, 676a BGB a.F. unberührt. Gemäß § 676 c Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. hat das überweisende Kreditinstitut ein Verschulden des zwischengeschalteten Kreditinstituts wie eigenes Verschulden zu vertreten, es sei denn, dass die wesentliche Ursache bei einem zwischengeschalteten Kreditinstitut lag, das der Überweisende vorgegeben hat. Danach muss sich die Beklagte ein etwaiges Verschulden der im Interbankenverkehr eingeschalteten Zwischenbank wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. Hält sich die Bank nicht strikt an die ihr erteilten Weisungen, erwirbt sie keinen Vergütungsanspruch nach §§ 670, 675 BGB a.F. (Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch Bd. I, 3. Aufl. § 49 Rn. 93 m.w.N.). Eine erlangte Deckung muss sie daher ohne Rücksicht davon zurückerstatten, ob sie die Verfügungsgewalt über den Gegenwert noch hat (§§ 667, 675 BGB; Schimansky, a.a.O. mit Hinweis auf BGH, Urteil vom 3.12.1989, WM 1989, 1754 -1762; BGH, Urteil vom 8.10.1991, WM 1991, 1912 - 1915). Gegenüber dem Rückzahlungsanspruch des Auftraggebers (Überweisender) ist der Einwand des Mitschuldens zulässig. Ein solches Mitverschulden setzt die Verletzung eigener Sorgfaltspflichten des Auftraggebers voraus (Schimansky, a.a.O. § 49 Rn. 99 m.w.N.).
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2. Der Kläger hat hier eigene Sorgfaltspflichten als Überweisender verletzt. Der Überweisende ist zur sorgfältigen Ausfüllung der für die korrekte Ausführung des Auftrags notwendigen Rubriken, insbesondere die Angabe des Empfängers, der Kontonummer, der Bankverbindung und der Bankleitzahl verpflichtet (BGH, Urteil vom 8.10.1991, a.a.O., WM 1991, 1912 -1915). Insoweit wiederholt Nr. 11 Abs. 2 der Banken-AGB nur Selbstverständliches. Für die Richtigkeit der Angaben ist der Auftraggeber selbst verantwortlich. Bei der Erfüllung dieser girovertraglichen Sorgfaltspflichten haftet der Kontoinhaber nach § 278 BGB auch für seine Hilfspersonen (Schimansky, a.a.O., § 49 Rn. 125). Hier hat das Büropersonal des Klägers beim Ausfüllen des Überweisungsauftrags versehentlich eine falsche Bankleitzahl eingetragen (222 ...), die mit der gewünschten Empfängerbank (X Bank) nicht übereinstimmte. Da es sich hier um eine Überweisung von einem Notaranderkonto handelte und gerade beim Umgang mit Fremdgeld immer besondere Sorgfalt erforderlich ist, ist die Höhe der vom Landgericht angenommene Mitverschuldensquote nicht zu beanstanden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger als Notar insoweit nicht als Verbraucher oder Privatperson gehandelt hat. Gerade im beleggebundenen Überweisungsverkehr, in dem weder Kontonummer noch Bankleitzahl des Empfängers vorcodiert sind, ist eine besonders sorgfältige Ausfüllung aller erforderlichen Daten der Empfängerbank notwendig. Ein Notar hat bei Verfügungen vom Notaranderkonto die Identität von Bankleitzahl und Empfängerbank nochmals zu kontrollieren.
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Die BGH-Entscheidung vom 12. Oktober 1999 (XI ZR 294/1998, WM 1999, 2255 - 2256) ist vom Sachverhalt nicht vergleichbar. Sie betrifft den beleglosen Überweisungsverkehr und einen Fall der Haftung der Empfängerbank gegenüber der überweisenden Bank.
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Die sorgfaltswidrige Ausfüllung des Überweisungsauftrages durch den Kläger (fehlerhafte Bankleitzahl) ist schließlich auch kausal für den eingetretenen Schaden geworden. Die Zurechnung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass auch andere Ursachen zur Entstehung des Schadens beigetragen haben können. Wer eine gesteigerte Gefahrenlage schafft, bei der Fehlleistungen anderer erfahrungsgemäß vorkommen, hat auch den durch das Fehlverhalten Dritter entstandenen Schaden in der Regel zurechenbar mitverursacht (Palandt - Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 249 Rn. 48). Hier handelt es sich um einen Auftrag im beleggebundenen Überweisungsverkehr bei dem auch dem geschäftlich erfahrenen Kläger bekannt gewesen sein dürfte, dass bereits durch die Angabe einer falschen Bankleitzahl im Massenverfahren des Überweisungsverkehrs die Gefahr einer Fehlüberweisung angelegt war. Dadurch ist eine gesteigerte Gefahrenlage geschaffen worden, die sich durch eine unterlassene Kontrolle der überweisenden Bank im nachfolgenden Interbankenverkehr zu einem Schaden realisiert hat.
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Der Senat weist darauf hin, dass es sich bei der Anschlussberufung der Beklagten vom 5. November 2013 um eine unselbstständige Anschlussberufung im Sinne von § 524 Abs. 2 Satz 1 ZPO handelt. Die Anschließung verliert gemäß § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.
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3. Die Haftung der Beklagten als überweisender Bank im Umfang von 60 % ist nicht zu beanstanden. Bei der Festlegung der Mitverschuldensquote ist in erster Linie auf das Maß der beiderseitigen Schadensverursachung und in zweiter Linie auf das Maß des beiderseitigen Verschuldens abzustellen. Es kommt für die Haftungsverteilung demnach wesentlich darauf an, ob das Verhalten des Schädigers oder das des Geschädigten den Eintritt des Schadens in erheblich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat (BGH, Urteil vom 12. Oktober 1999, XI ZR 294/1998, WM 1999, 2255 - 2256). Die unter diesen Gesichtspunkten vorzunehmende Abwägung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden.
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Die Regelungen des Überweisungsrechts durch das Überweisungsgesetz (Geltung seit dem 1. Januar 2002) bürden gemäß §§ 676a ff., 676c Abs. 1 Satz 3 BGB a.F bei der Kettenüberweisung der Erstbank die Haftung für schuldhaftes Verhalten der Zwischenbank auf (Schimansky, a.a.O. § 49 Rn. 97).
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Stimmen - wie hier - Bankleitzahl und Empfängerbank nicht überein, ist die klarschriftliche Bezeichnung der Empfängerbank maßgebend (für den Fall der fehlenden Übereinstimmung zwischen Kontonummer und Empfängerbezeichnung vgl. BGH, Urteil vom 14.1.2003, WM 2003, 430 -433). Der klarschriftlich bezeichnete Name der Empfängerbank ermöglicht regelmäßig eine sichere Individualisierung im Gegensatz zur Eintragung der achtstelligen Ziffernfolge bei der Bankleitzahl, die fehleranfällig ist. Von der Maßgeblichkeit der Empfängerbezeichnung geht schließlich auch die gesetzliche Regelung in § 676a Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. aus. Die überweisende Bank darf Inhalt und Umfang ihrer Kontrollpflichten schließlich nicht durch die Wahl des Übermittlungsweges reduzieren. Wandelt die überweisende Bank im Interesse der beleglosen Abwicklung im Interbankenverkehr beleghaft erteilte Überweisungsaufträge in Datensätze um, so verändert sie eigenmächtig den ihr vom Kunden erteilten Auftrag, wenn sie damit die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten in der Kette der nachfolgenden Banken herabsetzt. Ob dieser Entschluss freiwillig ist oder auf ein Abkommen zwischen den Kreditinstituten (vgl. Nr. 1 Abs. 2 des Abkommens zum Überweisungsverkehr) beruht, ist im Verhältnis zum Auftraggeber belanglos (Schimansky, a.a.O. § 49 Rn. 85). Insoweit haftet die Beklagte auch für ein etwaiges Verschulden der Empfängerbank (hier der Streitverkündeten) wegen fehlender Kontrolle des Kontonummer-Namen Abgleichs.
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