Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (5. Zivilsenat) - 5 U 132/22

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 22. Februar 2022 abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 2.764,50 nebst hieraus Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. seit dem 21. Mai 2021 an den Kläger zu zahlen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem jeweiligen Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Der Kläger hatte bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte) ein Wertpapierdepot. Auf den Vertrag vom 2. Januar 2007 wird Bezug genommen (Blatt 25 f. der Akte).

2

Die Parteien schlossen am 1./2. Dezember 2017 einen Wertpapierkreditvertrag. Als Kreditrahmen vereinbarten die Parteien € 100.000,00. Auf den Vertrag wird Bezug genommen (Blatt 7 f. der Akte). In ihm heißt es (Blatt 7R der Akte):

3

Sicherheiten

4

„Als Sicherheit erhält ... [scil: die Beklagte] ... die Verpfändung von Guthaben auf Verrechnungskonten/Girokonten, Wertpapierdepots und Wertpapierkreditkonten. Einzelheiten, insbesondere der Sicherungszweck, werden im Rahmen der anliegenden Verpfändungsvereinbarung geregelt. Der Kreditnehmer ist zur Stellung weiterer gleichwertiger Sicherheiten verpflichtet, wenn die vereinbarten Deckungsrelationen nicht nur vorübergehend nicht eingehalten werden oder ein sonstiger unerwarteter Wegfall bzw. wesentliche Minderung des Wertes der genannten Sicherheiten gegeben ist. Für die Verstärkung der Sicherheiten wird ... [scil: die Beklagte] ... dem Kreditnehmer eine angemessene Frist einräumen. Die Bank darf den Wertpapierkredit fristlos kündigen, wenn die Verpflichtung zur Verstärkung der Sicherheiten nicht innerhalb der von der Bank gesetzten Frist erfüllt wird.“

5

Beleihungswert

6

Für die Einräumung des Wertpapierkredites sind die Beleihungswerte für die verschiedenen Wertpapiergattungen maßgeblich.

7

Die aktuellen Beleihungswerte entnehmen Sie bitte unserer Website www.comdirect.de.

8

Die [scil: Beklagte] ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, zur Wiederherstellung der vereinbarten Deckungsrelationen Depotwerte zu veräußern. Außerdem kann die [scil: Beklagte] anderweitige Sicherheiten verlangen, um die vereinbarte Sicherungsquote wiederherzustellen.“

9

Gleichlautende Regelungen enthalten die Allgemeinen und Produktbezogenen Geschäftsbedingungen der Beklagten für den Wertpapierkredit (Blatt 97 f., 99 der Akte unter Ziff. 10 [Sicherheiten] und Ziff. 12 [Beleihungswert]).

10

Ebenfalls am 2. Dezember 2017 schlossen die Parteien eine Vereinbarung über die Verpfändung von Guthaben und Wertpapierdepots (Anlage K 4 - Blatt 9 der Akte). Dort ist unter Ziffern 2. und 4. geregelt:

11

„2. Sicherungszweck

12

Die Verpfändung dient zur Sicherung aller bestehenden, künftigen, auch bedingten Ansprüche, die der Bank gegen den Verpfänder aus der Gewährung von Wertpapierkrediten zustehen.
...

13

4. Verwertungsrecht der Bank

14

a. Die Bank ist berechtigt, die Pfandgegenstände zu verwerten, wenn der Verpfänder mit fälligen Zahlungen auf die durch diese Verpfändungen gesicherten Forderungen in Verzug ist.

15

Diese Maßnahme darf die Bank nur ergreifen, als es zur Erfüllung der fälligen Forderungen erforderlich ist.

16

b. Die Bank wird dem Verpfänder die Verwertung der Pfandgegenstände unter Fristsetzung schriftlich androhen. Sofern der Abschluss dieses Vertrages für den Verpfänder ein Handelsgeschäft darstellt, beträgt diese Frist mindestens eine Woche. In allen übrigen Fällen einen Monat.“

17

Im März 2020 befanden sich im Depot des Klägers 20.673 Aktien der Deutsche Bank AG, die er für € 16,93 pro Aktie erworben hatte. Den Wertpapierkredit hatte der Kläger in voller Höhe - insgesamt in Höhe von € 100.005,94 - in Anspruch genommen. Ab Dezember 2019 waren die Aktienkurse flächendeckend eingebrochen, so auch der Kurs der Aktien der Deutsche Bank AG. Mit Schreiben vom 11. März 2020 (Blatt 8R der Akte) schrieb die Beklagte an den Kläger wie folgt:

18

„... Bei Einräumung des Wertpapierkredites ist vereinbart worden, dass sich die höchstmögliche Inanspruchnahme nach dem Beleihungswert der im Depot befindlichen Wertpapiere richtet. Ihr Wertpapierkreditkonto weist am 10.03.2020 einen Saldo von -100.005,94 EUR auf. Unter Berücksichtigung des aktuellen Beleihungswertes von 85.140,59 EUR ergibt sich eine Unterdeckung von 14.865,35 EUR. Bitte stellen Sie die vertraglich vereinbarten Deckungsrelationen wieder her und führen Sie die Inanspruchnahme des Wertpapierkredites bis 18.03.2020 wieder in den Beleihungswert Ihres Depots zurück. ... Sofern Sie die Frist verstreichen lassen, behalten wir uns vor, von unserem Recht Gebrauch zu machen, Wertpapiere aus ihrem Depot im erforderlichen Umfang zu veräußern. ...“

19

Das Schreiben stellte sie am 11. März 2020 in die Postbox des Klägers ein. Dieser öffnete es spätestens am 23. März 2020. Ebenfalls am 23. März 2020 veräußerte die Beklagte insgesamt 12.923 Aktien der Deutsche Bank AG; sie erlöste insgesamt € 71.417,89. Am 25. März 2020 überwies der Kläger € 20.000,00 und am 27. März 2020 weitere € 3.000,00 auf das Wertpapierkreditkonto.

20

Wegen des Sachverhalts wird im Übrigen auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat der auf Einbuchung von 12.923 Aktien der Deutsche Bank AG gegen Zahlung von € 71.417,89 gerichteten Klage stattgegeben. Den Antrag auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat es abgewiesen. Des Weiteren hat das Landgericht der Widerklage der Beklagten stattgegeben, festzustellen, dass der Kläger verpflichtet sei, der Beklagten den Mehraufwand zu ersetzen, der ihr im Vergleich zur Erfüllung der Klageforderung am 24. März 2020, 12 Uhr, entstanden ist.

21

Zur Begründung hat das Landgericht, soweit im Berufungsrechtszug von Interesse, ausgeführt:

22

Ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten bestehe nicht, weil sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht in Verzug befunden habe.

23

Der Anspruch der Beklagten gegen den Kläger, ihr den Mehraufwand zu erstatten, der ihr im Vergleich mit einer Einbuchung am 24. März 2020, 12 Uhr, entstehe, ergebe sich aus § 254 Abs. 1 BGB. Den Kläger treffe an der Entstehung des Schadens ein erhebliches Mitverschulden:

24

Er hätte seine Postbox regelmäßig kontrollieren und das Schreiben der Beklagten vom 11. März 2020 zeitnah zur Kenntnis nehmen müssen.

25

Er habe es unterlassen, die Beklagte telefonisch vorab darauf hinzuweisen, dass er am 25. März 2020 € 20.000,00 auf das Wertpapierkonto einzahlen werde.

26

Er hätte der Veräußerung sofort widersprechen müssen, wenn er sie für pflichtwidrig gehalten hätte. Der Kläger behaupte zwar, der Veräußerung telefonisch widersprochen zu haben. Er behaupte aber gerade nicht, der Veräußerung dem Grunde nach, sondern nur der Höhe nach widersprochen zu haben. Darüber hinaus hätte der Kläger in Textform widersprechen müssen.

27

Insgesamt habe er nicht zu erkennen gegeben, dass er eine Rückgängigmachung der Veräußerung begehre.

28

Nach Einzahlung der € 20.000,00 hätte der Kläger in der Folgezeit die Veräußerung durch einen Deckungskauf zu allenfalls sehr geringen Mehrkosten wirtschaftlich betrachtet rückgängig machen können.

29

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er die Abweisung der Widerklage und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt:

30

Den Kläger treffe kein Mitverschulden. Doch selbst wenn ihn ein Mitverschulden nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB träfe, sei dies als so gering einzustufen, dass es zu vernachlässigen sei. Der Kläger sei mit dem Verkauf nicht einverstanden gewesen und habe sich deshalb telefonisch an die Beklagte gewandt. Die Beklagte habe sich vorgerichtlich immer darauf berufen, dass es sich bei dem Verkauf um eine automatische Order gehandelt habe, auf die sie keinen Einfluss (mehr) habe nehmen können. Die Beklagte habe in außerordentlichem Maße schuldhaft gehandelt und sich über die vertragliche Vereinbarung hinweggesetzt. Die Beklagte habe zu keiner Zeit, auch nicht nach den jüngsten Kurseinbrüchen, versucht, die Aktien günstig zu erwerben. Die Annahme des angefochtenen Urteils, die Beklagte hätte bei einer schriftlichen Beschwer im März 2020 die Aktien in das Depot des Klägers zurückgebucht, sei substanzlos.

31

Die Beklagte sei spätestens nach dem ersten Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 1. Februar 2021 in Verzug geraten.

32

Der Kläger beantragt:

33

1. Das Urteil vom 22.02.2022 wird hinsichtlich der Widerklage aufgehoben und die Widerklage wird abgewiesen.

34

2. Die Beklagte wird verurteilt, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 2.764,50 nebst hieraus Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.05.2021 zu zahlen.

35

Die Beklagte beantragt,

36

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

37

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil:

38

Der Kläger habe sich nach seinem eigenen Vortrag nur gegen die Anzahl der veräußerten Aktien gewandt. Er hätte die Veräußerung verhindern können, wenn er die € 20.000,00 früher überwiesen und die Überweisung angekündigt hätte. Aufgrund der damaligen Situation hätte sich die Beklagte in der Annahme, zur Verwertung nach Ablauf der in dem Schreiben vom 11. März 2020 gesetzten Frist berechtigt zu sein, nicht auf eine vage Ankündigung eines nicht näher benannten Geldbetrages verlassen können. Der Kläger hätte die € 20.000,00 schon vor dem 23. März 2020 überweisen und so eine Verwertung verhindern können. Ein Gespräch hätte zumindest ergeben, dass der Kläger die Aktien zurückkaufen konnte. Dies hätte ihm auch oblegen, weil ihm die € 23.000,00 zur Verfügung standen.

39

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

40

Die Berufung hat Erfolg. Die Widerklage ist abzuweisen. Dem Kläger sind die von ihm begehrten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu erstatten.

41

1. Widerklage

42

Auf die Berufung ist das angefochtene Urteil abzuändern und die Widerklage abzuweisen. Die Beklagte ist dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie am 23. März 2020 pflichtwidrig und schuldhaft 12.923 der ihr verpfändeten Aktien der Deutsche Bank AG veräußerte. Den Kläger trifft kein Mitverschulden. Ein etwaiges Mitverschulden des Klägers träte überdies hinter die grob verschuldete Pflichtwidrigkeit der Beklagten zurück.

a)

43

Die Beklagte ist dem Kläger nach § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Sie hat die Aktien des Klägers - genauer: seine Miteigentumsanteile am Sammelbestand nach § 6 Abs. 1 Satz 1 DepotG (ggfl. i.V.m. § 9b Abs. 1 Satz 1 DepotG) - veräußert, ohne hierzu berechtigt gewesen zu sein. Hierdurch ist dem Kläger ein Schaden entstanden. Die Beklagte handelte auch schuldhaft.

44

Weder Schadensersatzanspruch noch Pflichtverletzung noch Grund der Pflichtverletzung stehen aufgrund der Rechtskraft der Entscheidung über den Klageantrag zu 1. fest. Denn das Landgericht hat den Klageantrag zu 1. auch deshalb als begründet erachtet, weil es das Verlangen des Klägers nach Schadensersatz auch als Kaufauftrag interpretiert hat (Seite 7 Ziff. 2 Abs. 2 des angefochtenen Urteils). Auf die Abgrenzung zu Präjudizialität und Vorfragen kommt es damit nicht an.

aa)

45

Die Beklagte veräußerte die Miteigentumsanteile des Klägers am Sammelbestand, ohne hierzu nach der Vereinbarung über die Verpfändung von Guthaben und Wertpapierdepots berechtigt gewesen zu sein.

(1)

46

Nach Ziff. 4 der Vereinbarung über die Verpfändung von Guthaben und Wertpapierdepots stand der Beklagten kein Recht zu, die Miteigentumsanteile zu verwerten. Der Sicherungsfall war nicht eingetreten. Überdies hat sie die vertraglich vereinbarte und gesetzlich geregelte Frist zwischen Verkaufsandrohung und Verwertung nicht eingehalten.

(a)

47

Die Beklagte hat die ihr sicherungshalber verpfändeten Aktien verwertet, ohne dass der Sicherungsfall eingetreten war. Der Sicherungsfall setzt die (Teil-)Kündigung des Wertpapierkredits voraus; eine derartige Kündigung hat die Beklagte weder angedroht noch ausgesprochen.

48

Der Sicherungsfall setzt die (Teil-)Kündigung des Wertpapierkredits voraus. Nach Ziffer 4.a) der Vereinbarung über die Verpfändung von Guthaben und Wertpapierdepots setzt die Verwertung voraus, dass der Verpfänder, hier also der Kläger, mit fälligen Zahlungen auf die durch die Verpfändung gesicherten Forderungen in Verzug ist. Diese Voraussetzung war vorliegend nicht erfüllt. Die Beklagte hatte das Wertpapierdarlehen zu keiner Zeit gekündigt und die Kündigung auch nicht angedroht.

(b)

49

Überdies hat die Beklagte die vertraglich vereinbarte und gesetzlich geregelte Frist zwischen Verkaufsandrohung und Verwertung nicht eingehalten.

50

Sie verletzte ihre Pflichten aus Ziffer 4.b) der Vereinbarung über die Verpfändung von Guthaben und Wertpapierdepots und aus § 1234 Abs. 2 Satz 1 BGB. Nach diesen Regelungen darf der Verkauf nicht vor dem Ablauf eines Monats nach der Verkaufsandrohung nach § 1234 Abs. 1 BGB erfolgen. Vorliegend hat die Beklagte die Aktien bereits zwölf Tage nach Zugang der Verkaufsandrohung veräußert und die Monatsfrist nicht abgewartet.

bb)

51

Die Beklagte war auch nicht nach dem Wertpapierkreditvertrag, Stichwort: Beleihungswert Abs. 2 Satz 1, bzw. nach Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 der Allgemeinen und Produktbezogenen Geschäftsbedingungen der Beklagten für den Wertpapierkredit (im Folgenden für beide Bestimmungen: Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1) dazu berechtigt, die Miteigentumsanteile des Klägers zu veräußern.

52

Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 ist unwirksam. Hiernach ist die Beklagte berechtigt, zur Wiederherstellung der vereinbarten Deckungsrelation Depotwerte zu veräußern. Diese Klausel hat, rechtlich gewendet, drei Regelungsgehalte: Sie ermächtigt die Beklagte, über das Eigentum des Klägers zu verfügen (§ 182 Abs. 1, § 185 Abs. 1 BGB), sie statuiert ein Recht der Beklagten, den Kreditrahmen herabzusetzen, und sie berechtigt die Beklagte, den aus der Veräußerung der Aktien erzielten Erlös zu vereinnahmen. Sämtliche drei Regelungen verstoßen gegen rechtliche Bestimmungen. Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 ist aus jedem der nachfolgend genannten Gründe unwirksam ((1) bis (3)), weil sich die Klausel nicht in ihre jeweiligen Regelungsinhalte aufteilen lässt.

(1)

53

Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 ist formnichtig (§ 125 Satz 1 BGB). Wie bereits erwähnt, räumt die Klausel der Beklagten unter anderem das Recht ein, über die Miteigentumsanteile des Klägers zu verfügen.

54

Nach § 13 Abs. 1 DepotG muss eine Erklärung, durch die der Verwahrer, hier also die Beklagte (vgl. § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 bis 3 DepotG) ermächtigt wird, sich die anvertrauten Wertpapiere anzueignen oder das Eigentum an ihnen auf einen Dritten zu übertragen, und alsdann nur verpflichtet sein soll, Wertpapiere derselben Art zurückzugewähren, für das einzelne Verwahrungsgeschäft ausdrücklich und schriftlich abgegeben werden. In der Erklärung muss zum Ausdruck kommen, dass mit der Ausübung der Ermächtigung das Eigentum auf den Verwahrer oder einen Dritten übergehen soll und mithin für den Hinterleger nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Lieferung nach Art und Zahl bestimmter Wertpapiere entsteht. Die Erklärung darf weder auf andere Urkunden verweisen noch mit anderen Erklärungen des Hinterlegers verbunden sein. Die Vorschriften zur Aneignungsermächtigung gelten auch für die Sammelverwahrung (Walz/Frey in: Scherer, DepotG, 2012, § 13 Rn. 3). Eine Ermächtigungserklärung, die die Formanforderungen des § 13 Abs. 1 DepotG nicht erfüllt, ist gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig (Walz/Frey in: Scherer, DepotG, 2012, § 13 Rn. 14).

55

So liegt es hier. Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 ermächtigt die Beklagte, Miteigentumsanteile des Klägers auf Dritte zu übertragen. Sie ist nicht ausdrücklich für das Verwahrgeschäft der Aktien der Deutsche Bank AG abgegeben worden. Überdies ist Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten und damit mit anderen Erklärungen des Klägers verbunden.

(2)

56

Das mit Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 einhergehende Recht, den Kreditrahmen herabzusetzen, ist nach § 499 Abs. 1, § 512 BGB und nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.

(a)

57

Die Klausel ist nach § 499 Abs. 1, § 512 BGB unwirksam.

58

Nach § 499 Abs. 1 Alt. 2 BGB ist in einem, wie hier (vgl. § 492 Abs. 2 Satz 1 BGB), Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag eine Vereinbarung über ein Kündigungsrecht des Darlehensgebers unwirksam, wenn die Kündigungsfrist zwei Monate unterschreitet. Eine Kündigung ist regelmäßig anzunehmen, wenn sich aus der Erklärung ergibt, dass das Darlehen mit Wirkung für die Zukunft beendet werden soll und die Darlehensvaluta zurückzuzahlen ist (Samhat in: Bankrechtshandbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Rn. 25). Nach § 512 Satz 2 BGB findet § 499 Abs. 1 Alt. 2 BGB auch Anwendung, wenn die Vorschrift durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden soll.

59

Das Recht der Beklagten, nach Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 den Kreditrahmen herabzusetzen, kommt einer Kündigung gleich und umgeht § 499 Abs. 1 Alt. 2 BGB, sofern und soweit der Darlehensnehmer das Darlehen in einem Umfang in Anspruch genommen hat, der den herabgesetzten Rahmen übersteigt. In diesem Fall beinhaltet die Herabsetzung des Kreditrahmens nämlich, dass der den neuen Rahmen übersteigende bereits in Anspruch genommene Teil des Darlehens von dem Darlehensnehmer zurückzuführen ist. Genau diese Regelung setzt Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 voraus, wenn sie der Beklagten das Recht einräumt, zur Wiederherstellung des Deckungswertes den Veräußerungserlös zu vereinnahmen.

(b)

60

Die Klausel ist insoweit auch nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.

61

Nach dieser Vorschrift ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen insbesondere die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders unwirksam, die versprochene Leistung zu ändern, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. § 308 Nr. 4 BGB verbietet es zum Beispiel dem Darlehensgeber, sich die Befugnis vorzubehalten, nur einen Teil des Darlehens auszuzahlen (Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 308 Rn. 24). Vorliegend behält sich die Beklagte in Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 das Recht vor, den vereinbarten Kreditrahmen von € 100.000,00 einseitig herabzusetzen. Damit räumt sie sich das Recht ein, den Wertpapierkreditvertrag einseitig zu ändern.

62

Die Vereinbarung dieses Rechts ist dem Kläger auch nicht zuzumuten. Zumutbarkeit setzt voraus, dass Voraussetzungen und Umfang der Änderungen möglichst konkretisiert und kalkulierbar sind, und zwar umso konkreter, je einschneidender die Änderung ist (Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 308 Rn. 25). Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 teilt Voraussetzungen und Umfang der Änderung nur höchst rudimentär mit. Die Wiederherstellung der Deckungsrelation ist das Ergebnis einer mathematischen Rechenoperation. Sowohl die der Rechenoperation zugrundeliegende Formel als auch die die Variablen ausfüllenden Werte muss der Kunde selbst ermitteln. Das ist weder hinreichend konkretisiert noch kalkulierbar. Überdies ist die Folge, der Kunde realisiert Verluste, höchst einschneidend. Dem trägt Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 keine Rechnung.

(3)

63

Auch das mit Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 einhergehende Recht der Beklagten, den aus der Veräußerung der Aktien erzielten Erlös zu vereinnahmen, ist unwirksam.

64

Diese Regelung ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Die Regelung ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren.

65

Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 BGB weicht, soweit das Recht in Rede steht, den erzielten Erlös zu vereinnahmen, von § 387 BGB ab. Nach § 387 BGB setzt eine Aufrechnung voraus, dass zwei Personen einander gleichartige Leistungen schulden. Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung muss wirksam und fällig sei. Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 setzt nach ihrem Wortlaut und dem Verständnis der Beklagten aber gerade keine Kündigung voraus, sondern will deren Notwendigkeit umgehen. Ist der Darlehensvertrag aber nicht - teilweise - gekündigt, steht der Beklagten gegen ihren Kunden kein Anspruch zu, mit dem sie gegen dessen Anspruch auf Auskehr des Erlöses (§ 816 Abs. 1 Satz 1 BGB) aufrechnen könnte. Eine Aufrechnung ohne Gegenforderung ist mit dem Grundgedanken des § 387 BGB nicht zu vereinbaren.

(4)

66

Ob Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 auch deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist, weil die Regelung bei kundenfeindlichster Auslegung weder Fristsetzung noch Ankündigung erfordert, kann dahinstehen. Gleiches gilt für die Frage, ob die Klausel möglicherweise kein Vertragsbestandteil geworden ist (§ 305c Abs. 1 BGB), weil der Kläger angesichts der umfangreichen Regelungen zur Verpfändung nicht damit rechnen konnte, dass sich unter der Überschrift „Deckungsrelation“ eine Klausel verbirgt, die die Regeln zur Verpfändung zu Makulatur werden lässt.

cc)

67

Die Pflichtverletzung geschah auch schuldhaft (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Durch die unberechtigte Veräußerung der Miteigentumsanteile an den Aktien ist dem Kläger der mit dem angefochtenen Urteil im Tenor zu 1. zugesprochene Schaden entstanden.

b)

68

Ein Mitverschulden trifft den Kläger nicht. Überdies träte ein etwaiges Mitverschulden hinter das grobe Verschulden der Beklagten zurück.

aa)

69

Den Kläger trifft kein Mitverschulden an der Entstehung des Schadens (§ 254 Abs. 1 BGB).

70

Der Kläger wies die Beklagte nicht darauf hin, dass er zeitnah € 23.000,00 überweisen werde. Hierin liegt von vornherein keine Mitverursachung der Entstehung des Schadens. Die Beklagte hat die ihr obliegenden Pflichten verletzt, weil sie Miteigentumsanteile veräußert hat, obwohl sie hierzu nicht berechtigt war. Zu einer etwaigen Ankündigung, zeitnah Gelder überweisen zu wollen, besteht kein kausaler Zusammenhang. Rechtswidriges Handeln des Schädigers nicht zu verhindern, verursacht den Schaden nur dann, wenn der Geschädigte seinerseits verpflichtet gewesen wäre, zu handeln. Woraus sich eine derartige Handlungspflicht des Beklagten ergeben könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Kläger war mit der Situation ersichtlich völlig überfordert. Überdies hat die Beklagte nicht behauptet, dass sie aufgrund der Ankündigung einer Überweisung bereit gewesen wäre, die Veräußerung hinauszuschieben. In der Berufungsinstanz trägt sie vielmehr ausdrücklich vor, sie habe sich auf die vage Ankündigung eines nicht näher bezeichneten Geldbetrages nicht verlassen können (Blatt 198 Abs. 2 der Akte).

71

Der Kläger war nicht gehalten, die € 23.000,00 vor Ablauf der ihm rechtswidrig gesetzten Frist zu überweisen. Zum einen hat der Kläger behauptet, die € 23.000,00 sofort überwiesen zu haben, nachdem er sie sich geliehen hatte (Blatt 105 Abs. 3 a.E. der Akte). Für ihre gegenteilige Behauptung hat die Beklagte keinen Beweis angeboten. Zum anderen liegt das rechtswidrige Handeln der Beklagten in der Veräußerung selbst; ob darüber hinaus auch die Frist zu kurz gesetzt war, bedarf keiner Entscheidung. Der Kläger war nicht verpflichtet, die Pflichtwidrigkeit zu beseitigen, indem er sie akzeptierte.

bb)

72

Den Kläger trifft auch kein Mitverschulden, weil er gehalten gewesen wäre, den Schaden abzuwenden oder zu mindern (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB).

73

Der Kläger war nicht verpflichtet, der Veräußerung der Aktien sofort zu widersprechen. Insoweit hat die Beklagte weder in erster noch in zweiter Instanz behauptet, sie hätte die Veräußerung in diesem Fall rückgängig gemacht. Das steht auch zur Überzeugung des Senats fest (§ 286 ZPO). Der Kläger hat, insoweit unstreitig, nach der Veräußerung bei der Beklagten angerufen und die Veräußerung beanstandet. Die Beklagte wies die Beanstandung zurück. Dass sie anders reagiert hätte, wenn der Kläger seine Beanstandung anders begründet hätte, nämlich mit der Rechtswidrigkeit der Veräußerung der Aktien, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Senat hält es für ausgeschlossen. Die Beklagte hat sich hartnäckig geweigert, die Veräußerung rückgängig zu machen, es handele sich um einen automatischen Prozess. Der Kläger hat überdies bestritten, dass die Beklagte bei anderer Begründung bereit gewesen wäre, die Veräußerung rückgängig zu machen, Beweis hat die Beklagte nicht angeboten.

74

Der Kläger war nicht verpflichtet, nach Einzahlung der € 23.000,00 Aktien nachzukaufen. Gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB ist der Geschädigte im Interesse des Schädigers gehalten, den entstehenden Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Schadensminderungsobliegenheit des § 254 Abs. 2 BGB ist ein Anwendungsfall des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben, der dann eingreift, wenn der Geschädigte Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder Minderung ergreifen würde (BGH, Urteil vom 17. März 2011 - IX ZR 162/08, Rn. 17). Handelt es sich dagegen um Maßnahmen, die dem Geschädigten zur Schadensminderung nicht zugemutet werden können, führt ihr Unterlassen nicht zum Mitverschulden. Ein eigenes Verhalten des Geschädigten, zu dem er nicht aufgrund seiner Schadensabwendungs- und -minderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) verpflichtet ist, darf wegen des Grundsatzes, dass überpflichtmäßige Anstrengungen des Geschädigten den Schädiger nicht entlasten sollen, weder in die Schadensberechnungsbilanz eingestellt werden, noch braucht der Geschädigte es sich im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen zu lassen (BGH, Urteil vom 16. Februar 1971 - VI ZR 147/69, Rn. 17; Urteil vom 11. Januar 2005 - X ZR 118/03, Rn. 25; Urteil vom 17. März 2011 - IX ZR 162/08, Rn. 17). Der danach gebotene Abgrenzungsmaßstab ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (BGH, Urteil vom 17. März 2011 - IX ZR 162/08, Rn. 17). Der Geschädigte ist danach regelmäßig nicht gehalten, den entstandenen Schaden durch ein teures, mit neuen Risiken ausgestattetes Kompensationsgeschäft auszugleichen (BGH, Urteil vom 17. März 2011 - IX ZR 162/08, Rn. 18; Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 254 Rn. 47). So liegt es hier. Ein Nachkauf von Aktien wäre mit erheblichen Risiken verbunden gewesen. Der Kläger musste angesichts der Situation auf den Aktienmärkten damit rechnen, dass die Kurse, auch der Kurs der Aktien der Deutsche Bank AG, weiter fallen könnten. Durch die rechtswidrige Veräußerung seiner Miteigentumsanteile hatte er bereits Verluste realisiert. Kaufte er nach Einzahlung der € 23.000,00 Aktien nach, musste er damit rechnen, bei weiter fallenden Kursen keine Liquidität mehr nachschießen zu können und damit ein erneutes Vorgehen der Beklagten nach Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 hinnehmen und weitergehende Verluste realisieren zu müssen.

cc)

75

Und schließlich träte ein etwaiges Mitverschulden des Klägers hinter die ganz erhebliche Pflichtverletzung der Beklagten zurück.

76

Die Beklagte veräußerte die Miteigentumsanteile, ohne dazu berechtigt gewesen zu sein. Dies geschah grob schuldhaft, weil die Voraussetzungen einer Pfandverwertung ersichtlich nicht vorlagen und Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 offensichtlich aus einer Vielzahl von Gründen unwirksam war. Hinter dieses grobe Verschulden träte ein etwaiges Mitverschulden des Klägers zurück.

77

2. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten

78

Der Kläger kann von der Beklagten auch die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangen. Nach dem Vorstehenden steht dem Kläger gegen die Beklagte wegen der rechtswidrigen Veräußerung seiner Miteigentumsanteile nicht nur ein vertraglicher Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu, sondern auch ein deliktischer gemäß § 823 Abs. 1 BGB.

79

Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch gemäß § 249 Abs. 1 BGB die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, ist zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 22. Juni 2021 - VI ZR 353/20, Rn. 6; Urteil vom 24. Januar 2022 - VIa ZR 100/21, Rn. 12).

80

Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung im Innenverhältnis des Mandanten zum Rechtsanwalt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, bestimmt sich nach Art und Umfang des im Einzelfall erteilten Mandats. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 1 Satz 1 VV RVG), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist dann kein Raum mehr. Anders liegt es, wenn sich der Auftrag auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Ein lediglich (aufschiebend) bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen (BGH, Urteil vom 22. Juni 2021 - VI ZR 353/20, Rn. 7; Urteil vom 24. Februar 2022 - VII ZR 320/21, Rn. 24). Vorliegend hat der Kläger seinem Prozessbevollmächtigten keinen unbedingten Klageauftrag erteilt. So schreibt dieser am 1. Februar 2021 (Anlage K 8, Blatt 15 f. der Akte) und am 21. März 2021 (Anlage K 10, Blatt 18 f. der Akte), er werde dem Kläger anraten, Klage zu erheben.

81

Die vorgerichtliche Anwaltstätigkeit war im Außenverhältnis des Klägers zur Beklagten erforderlich und zweckmäßig. Maßgeblich ist an dieser Stelle die ex-ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person in der Situation des Geschädigten, wobei keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19, Rn. 21, Urteil vom 24. Februar 2022 - VII ZR 320/21, Rn. 18). Da es sich vorliegend nicht um einen einfach gelagerten Schadensfall handelte, bei dem die Haftung der Beklagten nach Grund und Höhe von vornherein unzweifelhaft gewesen wäre, durfte sich der Kläger schon für die erstmalige Geltendmachung ihres Schadens gegenüber der Beklagten anwaltlicher Hilfe bedienen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19, Rn. 21).

III.

82

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

83

Die Revision wird zugelassen. Die Frage der Wirksamkeit der Klausel Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 ist von grundsätzlicher Bedeutung, weil nicht nur die Beklagte sie verwendet, sondern nach den Recherchen des Senats auch andere depotführende Banken ähnliche Klauseln verwenden.


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