Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 5 U 166/10

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 25. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 01.07/02.07.2010 - Geschäftsnummer: 25 O 573/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens je zur Hälfte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 651.652, 88 EUR

Gründe

 
I.
Die Klägerin beansprucht von den beiden in China ansässigen Beklagten aus einem Kooperationsvertrag vom 15.07.2005 (K 1), mit dem die Produkte der Beklagten Ziff. 1, eines Maschinenbauunternehmens, das u.a. Drehmaschinen produziert, auf dem deutschen Markt vertrieben werden sollten, Ersatz entgangenen Gewinns wegen Nichtbelieferung nach erfolgter Bestellung in Höhe von 423.634,36 EUR. Daneben werden Mängelbeseitigungskosten bzgl. gelieferter Maschinen in Höhe von 190.940 EUR geltend gemacht. Weiter verlangt die Klägerin Erstattung der Aufwendungen für die Beseitigung von Mängeln bei Endkunden in Höhe von 37.078, 52 EUR (s. Rechnung vom 15.03.2006, K 28). Die Auslandsgeschäfte werden durch die Beklagte Ziff. 2 als Tochter bzw. Abteilung der Beklagten Ziff. 1 abgewickelt. Unstreitig ist die Zusammenarbeit im Mai 2006 beendet worden.
Der entsprechenden Klage ist ein Leitzordner mit den Anlagen K 1 - 29 beigefügt. K 2 bis K 20 betreffen Maschinenbestellungen („intention of order“) aus dem Zeitraum April 2005 bis Dezember 2005 in einem Gesamtwert von 1.566.430 US-Dollar. Mit K 21 legt die Klägerin beispielhaft ein Gutachten der D... zu einer gelieferten Spitzendrehmaschine vor, in dem der Sachverständige Mängel an den Gussflächen und an der Lackierung bestätigt. Mit K 22 bis K 27 legt die Klägerin Rechnungen aus dem Zeitraum 20.12.2005 bis 15.04.2006 vor, mit denen sie gegenüber der Beklagten Ziff. 1 Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 190.940 EUR abgerechnet haben will. In den Rechnungen erscheint jeweils der Hinweis: „The charges for repairing of the machines incl. painting are calculated according to an Expert“. K 29 betrifft eine Rechnung vom 31.05.2006, in der die Klägerin den entgangenen Gewinn - abweichend von der in der Klage aufgestellten Berechnung - auf 197.034 EUR beziffert hat.
Der Richter in 1. Instanz hat ursprünglich verfügt (Bl. 41 d. A.), dass alle Anlagen zu übersetzen und zuzustellen seien. Auf die Anforderung der Kosten von 8.640 EUR für die Übersetzung von 108 Seiten teilte die Klägerin mit, dass aus ihrer Sicht ein Großteil der Anlagen nicht zu übersetzen sei, da diese entweder den Beklagten bekannt seien oder ohnehin in englischer Sprache abgefasst seien. Mit Verfügung vom 24. Februar 2009 (Bl. 44 d.A.) forderte der Einzelrichter die Klägerin unter Hinweis auf die Rechtshilfeordnung für Zivilsachen (ZRHO) auf, klarzustellen, welche Anlagen zur Klageschrift den Beklagten zugestellt werden sollen; diese müssten auch übersetzt werden. Daraufhin verzichtete die Klägerin am 03.03.2009, Bl. 46 d. A., auf die Zustellung der Anlagen zur Klageschrift; diese sollten zunächst nicht zugestellt werden, da noch nicht ersichtlich sei, ob und in welchem Umfang die Gegenseite überhaupt bestreiten werde.
Laut Zustellungszeugnissen vom 01.09.2009, Bl. 55 und Bl. 56 d. A., ist die Klage neben den Vordrucken ZP 642 und 643, mit denen das Landgericht die Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens angeordnet und die Beklagten aufgefordert hat, binnen 4 Wochen nach Zustellung einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen oder einen Prozessbevollmächtigten zu bestellen, andernfalls spätere Zustellungen durch Aufgabe zur Post bewirkt werden könnten, beiden Beklagten am 17.06.2009 durch einfache Übergabe an den „personal service“ zugestellt worden.
Nach Reduzierung des Klageantrags von 684.277,88 EUR auf 651.653, 88 EUR (Bl. 58, 58a, b d.A.) hat das Landgericht auf Antrag der Klägerin, der bereits in der Klageschrift gestellt worden war, ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren erlassen, das laut Aktenvermerk der Urkundsbeamtin (Bl. 64f d. A.) am 10.11.2009 in Bezug auf die Beklagten zur Post gegeben wurde. Nach Bekanntwerden erster Vollstreckungsmaßnahmen der Klägerin Ende 2009 in Vermögen der Beklagten in Deutschland sind die Beklagten am 31.12.2009 - unter kurzer Schilderung der bisherigen Prozessgeschichte - mit einigen Fragen zur Rechtslage an ihre damaligen Prozessbevollmächtigten mit e-mail (B 13, Bl. 140 d.A.), vollständig vorgelegt mit B 15 (Bl. 142 d.A.), herangetreten. Am 21. Januar 2010 haben die Beklagten, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist beantragt. Frühestens am 07.01.2010 sei erkennbar gewesen, dass die Frist versäumt worden sein könnte. Die des deutschen Rechts unkundige ausländische Partei sei bis dahin nicht anwaltlich vertreten gewesen und dadurch vermehrt schutzbedürftig. Die Beklagte Ziff. 2 habe das Versäumnisurteil tatsächlich nicht erhalten. Die Beklagte Ziff. 1 habe zwar das Versäumnisurteil erhalten, allerdings lasse sich das genaue Datum der tatsächlichen Zustellung nicht nachvollziehen. Zum Nachweis des durch Aufgabe per Post zugestellten Versäumnisurteils gegenüber der Beklagten Ziff. 1 fehle es an einem ordnungsgemäßen und unterschriebenen Aktenvermerk auf dem Versäumnisurteil. Auch sei die Beklagte Ziff. 1 auf dem Einlieferungsbeleg unzutreffend als „D...“ statt als „D...“ (Buchstabendreher) bezeichnet worden. Auch habe das Gericht - entgegen der Vorschrift des § 339 Abs. 2 ZPO, die analog Anwendung finde -, die Einspruchsfrist nicht bestimmt. Auch sei unter Verstoß gegen § 338 S. 2 ZPO die Beklagte Ziff. 1 nicht auf die Möglichkeit, Einspruch einzulegen, hingewiesen worden.
Die Beklagte Ziff. 1 habe - anders als die Beklagte Ziff. 2 - die Klageschrift mit Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens und der Aufforderung, einen Zustellbevollmächtigten zu benennen, nicht erhalten.
Die Zustellung der Klage sei im übrigen gegenüber beiden Beklagten unwirksam, da die Anlagen zur Klageschrift nicht beigefügt gewesen seien. Auch sei das Versäumnisurteil nicht ins Chinesische übersetzt worden.
Das Landgericht, das ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, hat den Einspruch der Beklagten vom 21. Januar 2010 als unzulässig, da verfristet, verworfen. Da die Beklagten trotz Aufforderung keinen inländischen Zustellungsbevollmächtigten benannt hätten, gelte das Versäumnisurteil gem. § 184 Abs. 2 S. 1 ZPO zwei Wochen nach Aufgabe zur Post, demnach mit Ablauf des 24.11.2009, als zugestellt. Die Einspruchsfrist habe daher am 09.12.2009 geendet. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist komme nicht in Betracht.
Die Beklagten machen mit ihrer Berufung - unter Vertiefung und Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Vortrags - weiter geltend, dass es hinsichtlich der Beklagten Ziff. 2 an einer wirksamen Zustellung der Klage fehle, da sie von Anfang an in der Klageschrift falsch bezeichnet sei. Es sei nicht nachvollziehbar, von welcher Behörde das Zustellungszeugnis über die Klage abgestempelt sei, da ohne Übersetzung der Stempel nicht leserlich sei. Auch sei das Zeugnis nicht unterschrieben. Weiter weise der im Zustellungszeugnis genannte Ort „Beijing“ keinen Bezug zu den Beklagten oder zum hiesigen Verfahren auf. Aus der Eintragung „personal service“ ergebe sich auch nicht, welcher konkreten Person die Klageschrift, so sie überhaupt übergeben wurde, ausgehändigt worden sei. In zeitlicher Hinsicht erscheine es weiter als fragwürdig, dass erst am 1. September 2009 eine knapp zweieinhalb Monate zuvor erfolgte Zustellung offiziell dokumentiert worden sein solle. Auch habe das Landgericht seine internationale und örtliche Zuständigkeit nicht näher überprüft. Weiter verstoße der Erlass des Versäumnisurteils ohne vorherige Zustellung des aktuellen, ermäßigten Klageantrags gegen § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Vor allem sei die Zustellung mangels Zustellung der Anlagen unwirksam. Eine Heilung anfänglicher Zustellungsmängel komme nicht in Betracht. Auch sei das Verfahren gem. § 15 HZÜ auszusetzen, bis über die Wirksamkeit der Zustellung Klarheit bestehe.
10 
Die Beklagten beantragen,
11 
unter Abänderung des Urteils des Einzelrichters der 25. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 01./02.7.2010 - Geschäftsnummer: 25 O 573/08 - das Versäumnisurteil vom 13.11.09/25.11.09 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
12 
hilfsweise,
13 
das Verfahren an das Landgericht Stuttgart zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen.
14 
Die Klägerin beantragt,
15 
Zurückweisung der Berufung.
16 
Beide Parteien haben - nach Hinweis des Senats vor dem Hintergrund der Nichtzustellung der Anlagen - vor allem ausführlich zur Frage vorgetragen, ob den Beklagten die Anlagen K 21 bis K 29 schon vor Klageerhebung bekannt waren. Insoweit wird auf Bl. 412 - 510 d.A., Bl. 520ff d.A. Bezug genommen.
17 
Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt.
II.
18 
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
A.
19 
Das Landgericht hat den Einspruch der Beklagten zu Recht nach § 341 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen.
20 
Das Versäumnisurteil ist den Beklagten wirksam nach § 184 ZPO zugestellt worden, mit der Folge, dass die Einspruchsfrist in Lauf gesetzt worden ist (1.).
21 
Der Einspruch der Beklagten vom 21.01.2010 gegen das Versäumnisurteil ist nicht rechtzeitig erfolgt (2).
22 
Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist war nicht zu gewähren (3.).
1.
23 
Die Voraussetzungen für eine Zustellung des Versäumnisurteils auf der Grundlage der - verfassungsrechtlich unbedenklichen (BVerfG NJW 1997, 1772) - Vorschriften der §§ 183 Abs. 1 S. 1, § 184 Abs. 1 S. 1 ZPO sind eingehalten.
a)
24 
Sowohl die Klage (wenn auch ohne Anlagen) als auch die Aufforderung zur Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten sind beiden Beklagten zugestellt worden. Dies ist für die Beklagte Ziff. 2 unstreitig. Hiervon ist jedoch auch für die Beklagte Ziff. 1 aufgrund der entsprechenden Zustellzeugnisse der für internationale Rechtshilfe zuständigen Zentralstelle in Peking (Bl. 55, 56 d.A.) auszugehen.
25 
Das Zustellungsersuchen des Landgerichts stützt sich auf § 183 Abs. 1 S.1, § 183 Abs. 1 S. 2 2. Alt. ZPO in Verbindung mit dem Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15. November 1965 (sog. Haager Zustellungsübereinkommen - HZÜ, BGBl. 1977 II S. 1452). Sowohl China als auch die Bundesrepublik Deutschland sind Vertragsparteien dieses völkerrechtlichen Abkommens.
26 
Mit dem Zustellungszeugnis der Zentralen Behörde (§ 183 Abs. 1 ZPO, Art. 2 Abs. 1 HZÜ) ist die Zustellung der Klageschrift mit der Beweiskraft des § 418 Abs. 1 ZPO nachgewiesen; das Zeugnis beweist die Übergabe der Schriftstücke. Wer die Beweiskraft dieser Urkunde bestreitet, muss gem. § 418 Abs. 2 ZPO den Gegenbeweis der Unrichtigkeit führen (BGH NJW 2002, 521). Erforderlich ist hierbei ein Vollbeweis; der Beweisantritt muss mithin substantiiert sein, bloßes Bestreiten ist unzureichend (Huber in Musielak, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 418 Rdn. 4).
27 
Hier beschränken sich die Beklagten, die selbst der chinesischen Sprache mächtig sind, auf bloße Gemeinplätze. Ihnen müsste es unschwer möglich sein, den Stempel und auch die daran angehefteten, chinesischen Schriftstücke zu entziffern, um dann ggf. substantiiert darzulegen, dass es sich nicht um behördliche Stempel oder Schriftstücke der Zentralstelle in Peking für Auslandszustellungen handelt. Der Bezug zu Beijing (Peking) besteht dabei. Zentrale Behörde gem. Art. 2 HZÜ für die Volksrepublik China ist entsprechend der Bekanntmachung vom 30.10.1996, BGBl. II 1996/S. 2531, das Bureau of International Judicial Assistance, angesiedelt beim Justizministerium in Peking. Eine Unterzeichnung des Zustellungszeugnisses ist dabei nicht notwendig. Der Vordruck (siehe Anlage zu Art. 6 Abs.1 HZÜ, als Anhang zu ZRHO unter www.datenbanken.justiz.nrw.de/ir_htm/mustervordrucke_in_zivilsachen-1.htm abrufbar)sieht insoweit ausdrücklich kumulativ und alternativ „Unterschrift und/oder Stempel“ vor. Das Formular darf auch in der Sprache des ersuchten Staats ausgefüllt werden.
28 
Im übrigen haben die Beklagten, die unter derselben Geschäftsadresse ansässig sind, von sich aus im Schriftsatz vom 22.03.2010 (Bl. 131 d.A.) eingeräumt, dass sie dieselbe Posteingangsstelle haben und dort für beide Beklagte der Mitarbeiter Z...S... für die eingehende und ausgehende Post zuständig ist. Auch wenn im Zustellzeugnis als Empfangsperson nur der „personal service“ eingesetzt wurde, so ist den Beklagten klar, welche konkrete Person die Schriftstücke entgegen genommen hat. Eine entsprechende tatsächliche Entgegennahme durch ihn ist für die Beklagte Ziff. 2 auch unstreitig. Daher ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte, die von der Beklagten Ziff. 1 nicht vorgetragen wurden, davon auszugehen, dass auch die Zustellung für die Beklagte Ziff. 1 in gleicher Weise erfolgt sein muss, zumal sie am gleichen Tag erfolgt ist.
b)
29 
Die Wirksamkeit der Zustellung der Klage scheitert nicht an der fehlerhaften Parteibezeichnung der Beklagten Ziff. 2, § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Bei der Bezeichnung fehlt lediglich der haftungsbeschränkende Zusatz „Ltd.“. Auch ist die Schreibweise ((„Import and Export“ statt „Import&Export“) nicht ganz korrekt und die Bezeichnung „Corporation“ nicht abgekürzt („Co.“), sondern ausgeschrieben. Diese Ungenauigkeiten hindern aber die Individualisierung der Beklagten Ziff. 2 nicht, weshalb diese der Erlangung der Parteistellung der Beklagten Ziff. 2 nicht entgegenstehen (vgl. BGH NJW-RR 2001, 1361; BGH NJW 1999, 1187).
c)
30 
Die Verfahrensvoraussetzungen für eine vereinfachte Zustellung nach § 184 Abs. 1 S. 2, 1 ZPO sind gewahrt.
31 
Eine Zustellung nach § 184 ZPO setzt voraus, dass die im Ausland wohnende Partei keinen Zustellungsbevollmächtigten bestellt hat, obwohl sie dazu verpflichtet war. Eine solche Prozessförderungspflicht, wie sie § 184 ZPO begründet, besteht allerdings erst nach Rechtshängigkeit, also nach rechtswirksamer Zustellung der Klageschrift (vgl. BGH NJW 2002, 521, BGHZ 58, 177 m. Anm. Geimer NJW 1972, 1624; BGH VersR 1999, 510).
32 
Obgleich die Anlagen auf ausdrücklichen Wunsch der Klägerin der zugestellten Klageschrift nicht beigefügt waren, ist hier von einer wirksamen Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses gegenüber beiden Beklagten mit der entsprechenden Verpflichtung zur Bestellung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten auszugehen.
aa)
33 
Die Frage, welche Schriftstücke für eine wirksame Zustellung der Klageschrift übersandt werden müssen, richtet sich, nachdem das HZÜ hierzu keine Bestimmung enthält, nach nationalem Recht.
34 
Der durch § 253 Abs. 2 ZPO festgelegte notwendige Inhalt der Klage muss sich aus der Klageschrift selbst ergeben. Mängel im notwendigen Inhalt der Klageschrift hindern die ordnungsgemäße Klageerhebung mit der Folge, dass dann, wenn der Kläger nach richterlichem Hinweis den Mangel nicht beseitigt, die Klage auch bei Säumnis des Beklagten als unzulässig abzuweisen ist (§ 331 Abs. 2 ZPO). Wird der Mangel dabei erst durch Vortrag in der mündlichen Verhandlung behoben, bei der der Beklagte nicht anwesend ist, steht § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dem Erlass eines Versäumnisurteils entgegen. Die Nichteinhaltung der Vorschriften des §§ 253 Abs. 3 bis 5, die den nicht notwendigen Inhalt der Klageschrift betreffen, berühren hingegen die Zulässigkeit der Klageerhebung nicht (vgl. Lüke in Münchener Kommentar, ZPO, 2000, § 253 Rdn. 183). Hinsichtlich der einer Klageschrift beizufügenden Anlagen verweist § 253 Abs. 4 ZPO dabei auf § 131 Abs. 1 ZPO. Gem. § 131 Abs. 1 ZPO sind dem vorbereitenden Schriftsatz die Urkunden, auf die in dem Schriftsatz Bezug genommen wird, beizufügen; lediglich dann, wenn die Urkunden dem Gegner bereits bekannt sind oder aber von bedeutendem Umfang sind, brauchen diese nicht beigefügt zu werden; dann genügt ihre genaue Bezeichnung mit dem Erbieten, Einsicht zu gewähren (§ 131 Abs. 3 ZPO). Fehlende Anlagen können nach § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dem Erlass eines Versäumnisurteils entgegenstehen (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 131 Rdn. 1, 129 Rdn. 2a), die Zulässigkeit der Klageerhebung als solche ist durch die Nichtbeifügung der Anlagen jedoch nicht tangiert. Auch hindert eine mangelhafte Zustellung grundsätzlich nicht die Rechtskraft eines ordnungsgemäß zugestellten, nicht rechtzeitig angefochtenen Versäumnisurteils.
35 
Allerdings hat die Nichtbeifügung der Anlagen Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Zustellung. Nach der Rechtsprechung des BGH in NJW 2007, 775 (m. krit. Anm. Gärtner/Mark MDR 2009, 421; Anm. Thode ZfBR 2007, 307) gehören Anlagen, auf die der Kläger im Klageschriftsatz Bezug nimmt, grundsätzlich zu der dem Beklagten zuzustellenden Klageschrift i.S.d. § 253 Abs. 1 ZPO. Wird die Klageschrift ohne die in Bezug genommenen Anlagen zugestellt, entspricht die Zustellung nicht den gesetzlichen Anforderungen und ist damit grundsätzlich unwirksam. Die Zustellung dient einerseits der Sicherung des Nachweises von Zeit und Art der Übergabe des Schriftstückes. Durch sie soll aber auch gewährleistet werden, dass der Zustellungsempfänger verlässlich von dem Inhalt des Schriftstücks Kenntnis nehmen und seine Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung darauf einrichten kann. Insoweit dient sie der Verwirklichung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG. Der Beklagte muss zur Wahrung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör mit der Klagezustellung diejenigen Informationen erhalten, die er für seine Entscheidung benötigt, ob und wie er sich gegen die Klage verteidigt. Dazu gehören grundsätzlich alle Informationen, die in der Klageschrift enthalten sind. Unerheblich ist, ob diese Informationen in dem Schriftsatz selbst oder durch Bezugnahme auf Anlagen (§ 131 Abs. 1 ZPO) vorgetragen sind, die der Klageschrift beigefügt sind. Die nach § 253 Abs. 1 ZPO zuzustellende Klageschrift bildet, soweit sie auf beigefügte Anlagen Bezug nimmt, mit diesen eine Einheit. Die Wirksamkeit der Zustellung einer Klageschrift kann nicht unabhängig von der Zustellung der Anlagen beurteilt werden, etwa weil die wesentlichen Informationen sich bereits aus der Klageschrift ergeben oder der Beklagte sich im Laufe des Verfahrens noch ausreichend verteidigen könne, soweit es um den Inhalt der Anlagen gehe. Denn eine beklagte Partei hat Anspruch darauf, bereits bei Einleitung des Verfahrens so vollständig informiert zu sein, dass sie die von ihr erwarteten prozessual bedeutsamen Stellungnahmen auf der Grundlage des gesamten Vorbringens abgeben kann, das die klagende Partei zum Gegenstand ihres Vortrages macht (BGH a.a.O).
36 
Dieser Grundsatz gilt jedoch auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht uneingeschränkt. Die Nichtzustellung von Anlagen zusammen mit der Klageschrift ist jedenfalls dann unschädlich und berührt die Wirksamkeit der Zustellung nicht, wenn das Informationsbedürfnis des Beklagten hierdurch nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt ist.
37 
In diesem Fall begründet dann auch eine wegen der Nichtübersendung der Anlagen fehlerhafte Zustellung ein Prozessrechtsverhältnis (so in der Tendenz auch Geimer NJW 1972, 1624).
38 
Der Bundesgerichtshof hat es etwa unter Heranziehung des dem § 131 Abs. 3 ZPO zugrunde liegenden Rechtsgedankens für unbedenklich gehalten, dass eine den Streitgegenstand bestimmende Anlage der Klageschrift nicht beigefügt war, wenn sie der beklagten Partei nahezu zeitgleich mit der Klageerhebung übersandt worden ist (BGH, NJW 2001, 445, 447). Ebenso ist die Übersendung von Anlagen schon mit der Klageschrift zur Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses und zur Wahrung des rechtlichen Gehörs des Beklagten dann nicht erforderlich, wenn die fehlenden Anlagen der Gegenseite ohnehin schon bekannt sind (BGH a.a.O).
bb)
39 
Im Streitfall ist für die Würdigung vorab anzunehmen, dass eine H...ung eines evtl. Zustellungsmangels durch tatsächliche Kenntnisnahme der Anlagen nach Akteneinsicht nicht in Frage käme, da das HZÜ eine entsprechende Vorschrift nicht kennt (vgl. BGHZ 120, 305). Eine Heilung von Zustellungsmängeln nach § 189 ZPO würde im übrigen nur ex nunc wirken; die Voraussetzungen für das vereinfachte Zustellverfahren nach § 184 ZPO müssen jedoch bei der Ausführung der Zustellung vorliegen (Zöller-Stöber, a.a.O. § 184 Rdn. 13). Da die Akteneinsicht erst nach Einlegung des Einspruchs erfolgt ist, steht auch eine denkbare Heilung der Nichteinhaltung der Verfahrensvoraussetzungen nach § 184 ZPO durch die Möglichkeit, gegen die auf der Grundlage dieser Vorschrift zugestellte Entscheidung Einspruch einzulegen, wodurch nicht gewährtes rechtliches Gehör grundsätzlich nachgeholt werden könnte, nicht in Frage.
cc)
40 
Hier war die Übersendung der Klageschrift auch ohne Anlagen jedenfalls geeignet, das für die Anwendung der Vorschrift des § 184 ZPO erforderliche Prozessrechtsverhältnis zu begründen. Daher ist - unabhängig von der ordnungsgemäßen Zustellung der Klageschrift - jedenfalls von einer wirksamen Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses auszugehen, das die Obliegenheit nach § 184 ZPO, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, begründet hat, mit der Folge, dass das Versäumnisurteil durch Aufgabe zur Post zugestellt werden konnte.
41 
Die Beklagten waren daher gehalten, einen Zustellungsbevollmächtigen zu benennen. Da dies nicht geschehen ist, durfte das Versäumnisurteil durch Aufgabe zur Post zugestellt werden.
42 
Unabhängig von der Kenntnis der konkret mit der Klageschrift vorgelegten Anlagen K 1 bis K 29 ist vorliegend das Informationsbedürfnis der Beklagten durch die Nichtzustellung dieser Anlagen im einzelnen nicht tangiert. Einer Beweiserhebung über die konkrete, teilweise bestrittene Kenntnis der Beklagtenseite von einzelnen Anlagen bedarf es deshalb nicht.
43 
Die Anlagen K 1 bis K 20 sind den Beklagten bekannt; K 1 betrifft den Kooperationsvertrag, mit K 2 bis K 20 hat die Klägerin von Beklagtenseite jeweils unterzeichnete Auftragsbestätigungen vorgelegt.
44 
Mit Anlage K 21 legt die Klägerin exemplarisch ein privates Sachverständigengutachten der D... vor, in dem Mängel einer einzelnen aus der Vielzahl der von den Beklagten gelieferten Maschinen bestätigt werden. Mit den Anlagen K 22 bis K 27 rechnet die Klägerin eigene Mängelbeseitigungskosten gegenüber der Beklagten ab, jeweils unter Verweis auf - ihr vorliegende, jedoch den Rechnungen und der Klage nicht beigefügte - weitere Sachverständigengutachten. Anlage K 28 betrifft Reparaturkosten der Klägerin, die bei ihr aufgrund von Reklamationen einzelner Kunden entstanden sind. In Anlage K 29 stellt die Klägerin der Beklagten pauschal 15 % als entgangenen Gewinn aus verschiedenen Verträgen in Rechnung.
45 
Für die Wahrung der Verteidigungsrechte der beklagten Partei genügt in Anlehnung an die obigen Ausführungen die bloße Zustellung einer Klageschrift, die den Anforderungen des § 253 Abs. 1, 2 ZPO entspricht, auch ohne Zustellung der in Bezug genommenen Anlagen für die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses jedenfalls dann aus, wenn die streitigen Punkte bereits vorprozessual zwischen den Parteien ausführlich erörtert wurden und der Beklagte nicht aus „heiterem Himmel“ mit einer Klage überzogen wird. Ist die beklagte Partei durch die vorprozessuale Erörterung dermaßen gewarnt und muss sie mit einer entsprechenden Klage rechnen, wäre es Förmelei, für die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses auf der Übersendung einzelner Unterlagen zu bestehen, wenn diese den schon vorprozessual erhobenen Anspruch lediglich erneut belegen und keine weitergehenden, über die schon vorprozessual diskutierten Ansprüche hinausgehenden Informationen enthalten. In einem solchen Fall stehen der beklagten Partei auch bei Übersendung der Anlagen faktisch keine gegenüber der vorprozessualen Erörterung weitergehenden Verteidigungsmöglichkeiten zu.
46 
Nach entsprechendem Hinweis durch den Senat haben die Parteien zu den vorprozessualen Verhandlungen der Parteien über die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche wegen Mängelbeseitigung und auf entgangenen Gewinn ausführlich vorgetragen. Der von beiden Parteien vorgelegte Schriftverkehr kann vom Senat berücksichtigt werden, da dieser im Kern unstreitig ist.
47 
Bereits in einem Gespräch am 28. März 2006 in der Kanzlei von RA Dr. K..., der damals der einzige anwaltliche Vertreter der Beklagten war, wurden von Klägerseite Probleme im Zusammenhang mit den Lieferungen aufgrund des Kooperationsvertrags - neben den gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen der Parteien - thematisiert. Der Geschäftsführer der Klägerin selbst hat mit Schreiben vom 1. Mai 2006 (B 28, Bl. 445) an RA Dr. K... unter Verweis auf Gutachten von Sachverständigen Schäden an defekten Maschinen in Höhe von 237.000 EUR beklagt. Der bis 31.03.2006 entstandene Schaden wegen der nicht gelieferten Maschinen - von einem Bestellwert über 1.630.210 US-Dollar seien bislang lediglich Waren im Wert von 210.800 EUR geliefert worden - wird auf 212.911,50 EUR beziffert, mit dem Hinweis, monatlich kämen 35.000 EUR hinzu. Weiter haben die Beklagten ein Schreiben des früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin, RA Dr. H..., vom 6. Mai 2006, gerichtet an Dr. K..., vorgelegt (B 32, Bl. 451). Dort wird darauf abgehoben, dass die Beklagtenseite nachweislich nicht in der Lage sei, mangelfreie Maschinen zu liefern und die Bestellungen der Klägerin kapazitätsmäßig zu bewältigen. Der durch Nacharbeit und wegen Lieferverzugs stornierter Aufträge aufgelaufene Schaden der Klägerin (Mängelbeseitigungskosten/entgangener Gewinn) wird in diesem Schreiben auf rund 275.000 EUR beziffert. Klage wird angedroht. Mit e-mail vom 10. Mai 2006 (B 30, Bl. 448) hat Rechtsanwalt Dr. K... die Beklagtenseite, dort Herrn C..., darüber unterrichtet, dass die Anwälte der Klägerin die Schadensersatzforderung von 275.000 EUR wegen Nacharbeiten und Lieferausfällen aufrechterhalten und dabei angemerkt, die Forderung sei aus seiner Sicht unsubstantiiert. In einem weiteren Schreiben vom 21. August 2006 (B 34, Bl. 457), gerichtet an Rechtsanwalt Dr. K..., beziffert RA Dr. H... für die Klägerin den entgangenen Gewinn für den Zeitraum 7/05 bis 7/06 auf 197.034 EUR. An Reparaturkosten wegen der Mängel an den tatsächlich ausgelieferten Maschinen - diese Mängel seien sämtlich begutachtet und dokumentiert - seien von Klägerseite bis dato 263.173,42 EUR verauslagt worden. Bereits zu diesem Zeitpunkt standen also Ansprüche der Klägerin in Höhe von rund 460.000 EUR im Raum.
48 
Hieraus folgt für den Senat, dass die Beklagtenseite über die von Klägerseite erhobenen Ansprüche schon vorprozessual - auch ohne genaue Kenntnis einzelner Rechnungen und Sachverständigengutachten - ausreichend unterrichtet war. Schon vorprozessual haben die Beklagten hierbei die erhobenen Ansprüche als unsubstantiiert abgelehnt. Dieser entscheidende Einwand wäre den Beklagten unabhängig davon, ob im einzelnen die vorgelegten Unterlagen und Rechnungen K 22 - K 29 konkret bekannt waren, bei Zustellung der Klageschrift auch ohne Anlagen möglich gewesen. Die vorprozessual von der Klägerin vorgelegten Rechnungen waren von der gleichen Art und ebenso pauschal gehalten wie die eingereichten Anlagen zur Klageschrift, auch wenn sie im einzelnen - bei der Vielzahl der gelieferten Maschinen und der Komplexität der Vertragsbeziehung - nicht identisch sind. Angesichts der vorprozessualen Korrespondenz und der Klageschrift konnten die Beklagten davon ausgehen, dass die nicht übersandten, aber in Bezug genommenen Anlagen nicht aussagekräftiger sein würden. Nachdem die Klägerin dieselben Ansprüche bereits vorprozessual in den Raum gestellt hatte, war das rechtliche Gehör der Beklagten durch Zustellung einer Klageschrift auch ohne Rechnungen über Reparaturen und entgangenen Gewinn gewahrt. Dasselbe gilt für das nicht zugestellte, von der Klägerin lediglich exemplarisch vorlegte Sachverständigengutachten K 21, zumal Mängel an den Maschinen letztlich von Beklagtenseite sogar eingeräumt werden. In einem Gespräch vom 28.03.2006 hat Herr C... allgemein darauf hingewiesen, dass der chinesische Maschinenbau noch nicht die Qualitätsstandards des europäischen Werkzeugmaschinenbaus erreicht habe. Dafür seien aber auch die Preise für europäische Verhältnisse sehr niedrig. Herr C... schloss daher Mängel nicht aus, beharrte aber auf der Vorlage konkreter Nachweise über bei der Klägerin angefallenem Mängelbeseitigungsaufwand. Die Beklagten durften in diesem Fall nicht darauf vertrauen, dass das Verfahren nach § 184 ZPO mit der Möglichkeit einer fiktiven Zustellung einer Entscheidung gar nicht eingeschlagen werden dürfe, weil ggf. durch das Fehlen von Anlagen zur zugestellten Klageschrift nur der „Anschein“ eines Prozessrechtsverhältnisses geschaffen worden sei. Ebenso wie eine unzulässige Klage ein Prozessrechtsverhältnis zu begründen vermag (vgl. BGH NJW 1992, 2575; Brehm in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. Einleitung Rdn. 205), vermag dies erst recht eine zulässige Klage, bei der allein Anlagen nicht beigefügt waren. Die Formvorschriften für die Zustellung sind nicht Selbstzweck, sie sollen vielmehr die Voraussetzungen für die Gewährung rechtlichen Gehörs schaffen. Ist der Beklagte vorprozessual ausreichend informiert, so erscheinen seine Verteidigungsmöglichkeiten gegen eine Klage, in der die Anlagen lediglich erneut einen vorprozessual inhaltlich bereits verfolgten Anspruch belegen sollen oder die bei einem umfangreichen Geschäftsverkehr lediglich exemplarisch vorgelegt werden - so das Gutachten K 21 -, nicht entscheidend eingeschränkt. Da es einem Kläger freisteht - ohne dass dies zur Unschlüssigkeit der Klage führen muss -, überhaupt Anlagen einer Klage beizufügen, erscheint der Einwand eines solchermaßen auf eine klageweise Inanspruchnahme vorbereiteten Beklagten, einzelne Anlagen seien ihm nicht bekannt, weshalb er auch den zugestellten Hinweis auf die Folgen der Nichtbestellung eines Empfangsbevollmächtigten ignorieren könne und auch keinen Rechtsbehelf gegen ein Versäumnisurteil einlegen müsse, als rechtsmissbräuchlich und läuft dem gesetzgeberischen Anliegen, das den Zustellvorschriften zugrundeliegt, zuwider. Wer einen Prozess nicht betreibt, obwohl er weiß, um was es geht, trägt den Nachteil seiner eigenen Untätigkeit.
49 
Daher muss über die Frage, ob die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen K 22-29, insbes. das exemplarische D...-Gutachten K 21, den Beklagten im einzelnen bekannt waren, etwa weil genau diese Unterlagen an die Beklagten vorprozessual ausgehändigt worden sind, kein Beweis erhoben zu werden.
50 
Daher ist - unabhängig von der ordnungsgemäßen Zustellung der Klageschrift - jedenfalls von einer wirksamen Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses auszugehen, das die Obliegenheit nach § 184 ZPO, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, begründet hat, mit der Folge, dass das Versäumnisurteil durch Aufgabe zur Post zugestellt werden konnte. Ob die Anforderungen an die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses und die an die Wirksamkeit der Zustellung einer Klage dabei in vollem Umfang identisch sind, kann bei dieser Sachlage dahinstehen. Nachdem ein Versäumnisurteil ergangen war und dieses ordnungsgemäß zugestellt wurde, hätten die Beklagten rechtzeitig Einspruch einlegen müssen.
2.
51 
Gem. § 339 Abs. 1 ZPO beträgt die Einspruchsfrist 2 Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils. Da es sich um ein im schriftlichen Vorverfahren erlassenes Versäumnisurteil handelt, begann die Einspruchsfrist grundsätzlich mit der letzten der von Amts wegen zu bewirkenden Zustellungen an die Parteien (§§ 310 Abs. 3, 331 Abs. 3, 339 Abs. 1 ZPO), d.h. hier mit der Urteilszustellung an die Beklagten am 24.11.2009, zu laufen.
52 
Die Einspruchsfrist lief damit am 08.12.2009 ab (§§ 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB, § 188 Abs. 2 BGB), so dass der Einspruch der Beklagten vom 21.01.2010 nicht rechtzeitig erfolgt ist.
a)
53 
Das lt. Aktenvermerk der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle am 10.11.2009 (Bl. 64 d.A.) zur Post gegebene Versäumnisurteil des Landgerichts gilt gem. § 184 Abs. 2 S. 1 ZPO, nachdem das Gericht keine längere Frist nach § 184 Abs. 2 S. 2 ZPO bestimmt hat und die Beklagten trotz entsprechenden Hinweises keinen Zustellungsbevollmächtigten bestellt hatten (§ 184 Abs. 1 S. 1 ZPO), zwei Wochen danach, also mit Ablauf des 24.11.2009, als zugestellt (§ 184 Abs. 2 S. 1 ZPO).
54 
Die Aktenvermerke der Urkundsbeamtin ( Bl. 64/65 d.A.) sind hier geeignet, den notwendigen Nachweis der Zustellung des Versäumnisurteils an beide Beklagten zu führen. Entgegen der Auffassung der Beklagten müssen diese Aktenvermerke nicht auf der Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks angebracht werden; auch die Verwendung eines Vordrucks ist möglich. Die beiden Vordrucke finden sich, wie anhand der Blattzahl unschwer nachvollzogen werden kann, unmittelbar nach dem Versäumnisurteil (Bl. 60) in den Akten und können daher eindeutig dem Urteil zugeordnet werden. Im übrigen dient der Aktenvermerk des Urkundsbeamten lediglich dem Nachweis der Zustellung. Er ist nicht notwendiger (konstitutiver) Bestandteil der Zustellung. Die Zustellung wäre somit auch ohne Aktenvermerk wirksam; der Nachweis müsste dann jedoch mit anderen Beweismitteln geführt werden (was i.d.R. aber nicht gelingen dürfte, so Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl. 2009, § 184 Rdn. 9ff, anders aber wohl BGH NJW 1979, 218). Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat dabei gem. § 184 Abs. 2 S. 4 ZPO den Tag und die richtig geschriebene Adresse vermerkt, unter der sie der Postanstalt das Versäumnisurteil übergeben hat. Unerheblich ist, dass auf dem nicht für die Beklagten, sondern für die Akten bestimmten Einlieferungsbeleg der Post die Firma der Beklagten aufgrund eines Schreibfehlers handschriftlich unzutreffend mit „D...“ vermerkt ist. Das Landgericht weist zutreffend darauf hin, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es auf dem maschinellen Adressaufkleber auf der für die Beklagten bestimmten Sendung ebenfalls zu einem derartigen Schreibfehler gekommen ist. Allein durch den handschriftlichen Schreibfehler auf dem Einlieferungsbeleg ist die Identität der Zustellungsadressaten nicht in Frage gestellt worden; eine Verwechslungsgefahr (vgl. hierzu BGH NJW 1999, 1187) bestand angesichts der Geringfügig- und Offensichtlichkeit des Fehlers zu keiner Zeit, selbst wenn er sich auch auf dem Adressaufkleber befunden hätte.
b)
55 
Entgegen der Auffassung der Beklagten hätte es hier - bei Einhaltung der Voraussetzungen im übrigen - auch keiner Fristbestimmung nach § 339 Abs. 2 ZPO bedurft; die Zustellung durch Aufgabe zur Post wird in ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 98, 263, BGH MDR 1992, 515, BGH NJW 2002, 521), vom Bundesverfassungsgericht gebilligt (NJW 1997, 1772), entgegen vereinzelter Kritik in der Literatur (vgl. Hausmann, IPRax 1988, 140; Roth, IPrax 1990, 90) auch dann als Inlandszustellung angesehen, wenn der Adressat im Ausland wohnt. Daher war auch von vornherein unschädlich, dass das Versäumnisurteil nicht übersetzt war. Im übrigen entschuldigt unzureichende Rechtskenntnis nach der insoweit strengen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH FamRZ 1989, 1287) auch eine ausländische Partei grundsätzlich nicht; denn auch Ausländern ist es zumutbar, Anstrengungen zu unternehmen, um sich über den Inhalt ihnen zugestellter, amtlicher Schriftstücke Gewissheit zu verschaffen. Dies gilt vor allem auch angesichts dessen, dass die Klage und die gerichtliche Verfügung zum Verfahrensgang vom 03.02.2009 mit den Aufforderungen zur Verteidigung und Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten förmlich mit Übersetzung zugestellt worden waren. Dementsprechend muss ein im Ausland lebender Rechtsmittelführer selbst für die Einhaltung der Einlegungs- oder Begründungsfristen sorgen.
c)
56 
Für die Ingangsetzung der Einspruchsfrist unerheblich wäre dabei, wenn das Versäumnisurteil möglicherweise ohne den seit 2005 vorgeschriebenen Hinweis auf die Einspruchsmöglichkeit, das zuständige Gericht und die einzuhaltende Frist und Form (§ 338 S. 2 ZPO) übersandt worden wäre. Eine unterbliebene Belehrung hindert nur die Ingangsetzung der Einspruchsbegründungsfrist, nicht jedoch die der Einspruchsfrist (ganz h.M., vgl. OLG Hamm OLGR Hamm 2008, 157 m.w.N.). Im übrigen ist eine Belehrung über die Rechtsbehelfsmöglichkeiten gegen die Versäumnisurteile ausweislich des Aktenvermerks der Urkundsbeamtin vom 10.11.2009 auf dem Versäumnisurteil (Bl. 60 d.A.) - „Ausf. an Bekl. + RMB - Aufgabe zur Post“ - der Sendung beigefügt worden.
d)
57 
Dem Erlass eines Versäumnisurteils stand hier auch die Antragsermäßigung im Schriftsatz vom 05.10.2009 nicht entgegen, da hierauf § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO keine Anwendung findet (vgl. BGH MDR 2010, 1340).
3.
58 
Eine Wiedereinsetzung nach Art. 16 Abs. 1 HZÜ in die versäumte Einspruchsfrist kommt nicht in Betracht. Die Beklagten haben - unabhängig von einem Wiedereinsetzungsgrund - bereits die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist nach § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO versäumt. Gem. § 234 Abs. 2 ZPO beginnt die Frist mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist. Die Frist beginnt, sobald die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter erkannt hat, dass die fristgebundene Prozesshandlung versäumt ist oder dies bei gehöriger Sorgfalt hätte erkennen müssen (BGH NJW-RR 2005, 76, Hüßtege in Thomas/Putzo, 29. Aufl., § 234 Rdn. 5). Hier sind beide Beklagten unstreitig mit e-mail (B 13/B 15) bereits am 31.12.2009 an ihre früheren Prozessbevollmächtigten herangetreten. Beigefügt waren dieser ersten Kontaktaufnahme einige Fragen der Beklagten und eine Schilderung der bisherigen Prozessgeschichte (s. vollständig vorgelegte e-mail B 15 mit Übersetzung des chinesischen Textes ins englische). Dort haben die Beklagten ausdrücklich geschildert, dass das Gericht in Stuttgart ein „default judgment“ (= Versäumnisurteil) erließ, wonach die Beklagte Ziff. 1 an die Klägerin 684.277,88 EUR (richtig: 651.653,88 EUR) sowie Kosten in Höhe von 2.197, 60 EUR (richtig: 18.240, 80 EUR, s. Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.12.2009 , Bl. 70 d.A.) zu bezahlen habe. Die Beklagten haben das Versäumnisurteil damit tatsächlich erhalten und spätestens am 31.12.2009 Kenntnis davon erlangt, dass gegen sie ein Titel ergangen war, aus dem gegen sie vollstreckt wurde, und gegen den ggf. fristgebundene Rechtsmittel einzulegen bzw. offensichtlich bereits versäumt waren. Auf den Zeitpunkt der vollständigen Unterrichtung der Anwälte am 07.01.2009 (unter Übersendung des erhaltenen Versäumnisurteils) kommt es daher nicht an: Nachdem die damaligen Anwälte jedenfalls bereits am 31.12.2009 von den Beklagten um Rechtsrat gebeten wurden, durfte bei der zu erwartenden Sorgfalt für den gebotenen Wiedereinsetzungsantrag der Beginn der Zweiwochenfrist nicht erst ab dem 07.01.2010 berechnet werden. Den Beklagten hatte es sich, wie sich aus der Anlage zur e-mail B 15 ergibt, ohne weiteres spätestens am 31.12.2009 selbst erschlossen, dass gegen sie ein Versäumnisurteil in Höhe von über 600.000 EUR ergangen war.
B.
59 
Eine Aussetzung des Verfahrens nach Art. 15 Abs. 1 Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15.11.1965 (BGBl. 1977 II, S. 1453) (HZÜ) zur Feststellung ordnungsgemäßer Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks kommt entgegen der Ansicht der Beklagten in der Berufungsbegründung nicht in Betracht, weil die Beklagten sich in 1. Instanz insbes. mit den Schriftsätzen vom 21. Januar 2010 und vom 22. März 2010 auf das Verfahren auch sachlich eingelassen haben (vgl. BGHZ 98, 263).
60 
Daher wurde den Beklagten rechtliches Gehör, das Art. 15 Abs. 1 HZÜ sicherstellen will, in vollem Umfang gewährt. Auch bedürfen - wie dargelegt - die Zustellungsfragen keiner weiteren Aufklärung.
III.
61 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
62 
Die Revision wird zugelassen.
63 
Der Bundesgerichtshof hat sich noch nicht mit der Frage von grundsätzlicher Bedeutung befasst, ob die Nichtzustellung von Anlagen neben der Klageschrift der Anwendung von § 184 ZPO entgegensteht, weil dann kein Prozessrechtsverhältnis begründet wird, des weiteren nicht mit der ebenfalls grundsätzlichen Frage, ob die Anlagen im einzelnen dann nicht zugestellt werden müssen, wenn diese gegenüber dem vorprozessualen Schriftverkehr der Parteien keine wesentlichen neuen Informationen enthalten und sich daher bei Übersendung der Anlagen die Verteidigungsmöglichkeiten der Beklagtenseite nicht verbessert hätten. Die vom Bundesgerichtshof zu verwandten Fragen in der Entscheidung vom 21.12.2006 (VII ZR 164/05, NJW 2007, 775) vertretene Ansicht wird in der Literatur teilweise kritisch gesehen.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen