Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 16a U 200/19

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 06.11.2018, Az. 7 O 40/18 wird

z u r ü c k g e w i e s e n.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 44.990,00 EUR.

Gründe

 
I.
Der Kläger macht im Zusammenhang mit dem Kauf eines Kraftfahrzeugs der Marke Audi gegen die Beklagte zu 1 Schadensersatzansprüche im Rahmen des sog. Dieselskandals geltend.
Der Kläger erwarb am 26.06.2012 beim Autohaus B. GmbH & Co. KG für 44.990,00 EUR einen Audi A5 Cabrio 3.0 TDI, quattro, Euronorm 5, Erstzulassung 11.01.2011 mit einem Kilometerstand von 4.575 km.
Unstreitig ist die Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs die Beklage zu 2. Sie hat auch die Übereinstimmungsbescheinigung für das streitgegenständliche Fahrzeug ausgestellt.
Als Indiz für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung beruft sich der Kläger auf Emissionsmessungen des Bundesumweltministeriums und des Bundesverkehrsministeriums verschiedener Audi-Modelle und Fahrzeugmodelle von Porsche, bei denen eine Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte gemessen wurde. Außerdem beruft er sich auf einen Rückruf des KBA vom 23.01.2018.
Um eine Verantwortlichkeit der Beklagten zu 1 auch für die Motoren in den Audi-Fahrzeugen zu begründen, beruft sich der Kläger auf das sog. „Statement of Facts“ (einen Teil des Vergleichs zwischen der Beklagten zu 1 und dem United States Department of Justice, vorgelegt als Anlage BB 4). In diesem Zusammenhang zitiert die Klägerseite einen von ihr übersetzten Ausschnitt aus dem Statement of facts (Rdnr. 31) wie folgt:
„Von etwa Mai 2006 bis etwa November 2015 wurden durch die in Ziff. A bis F genannten Vorgesetzten und anderen Angestellten von VW eingestanden, dass sie die U.S.-Behörden und die U.S.-Kunden darüber täuschten, dass die streitgegenständlichen Fahrzeuge von VW und Audi den U.S.-Emissionsstandards entsprachen. Während der Entfaltung ihrer Tätigkeit bezüglich Design und Vermarktung der streitgegenständlichen Fahrzeuge (a) wussten die Führungskräfte und andere VW-Angestellte, dass die streitgegenständlichen Fahrzeuge nicht den U.S.-Emissionsstandards entsprachen; (b) sie wussten, dass VW eine Software nutzt, um während der Testverfahren vorzutäuschen, dass die streitgegenständlichen Fahrzeuge und die Audi-Fahrzeuge den U.S.-Emissionsstandards entsprachen, während sie es in Wahrheit nicht taten; und (c) versuchten, diesen Umstand gegen den U.S.-Behörden und den U.S.-Kunden zu verschleiern.“
Der Kläger trägt vor, der 3.0-Liter-Diesel werde bei der Beklagten zu 2 mit zwei Abschalteinrichtungen versehen. Die erste Abschalteinrichtung diene dazu, das Emissionskontrollsystem in Bezug auf Stickoxide rollenstandsoptimiert darzustellen. Das weitere Abschaltsystem sei darauf gerichtet, die Leistung und damit den Verbrauch zu drosseln, damit auf dem Rollenprüfstand weniger Emissionen im Hinblick auf CO2 und weitere Schadstoffe verzeichnet werden könnten. Neben der üblichen Systemsteuerung der Robert Bosch GmbH werde ein weiteres Steuergerät eingesetzt, nämlich die Auxiliary Emission Control Device (AECD).
Für die weiteren Einzelheiten bezüglich der behaupteten Abschalteinrichtungen sowie die vorgetragenen Indizien für das Vorliegen einer solchen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Tübingen verwiesen.
Zur Passivlegitimation der Beklagten zu 1 trägt der Kläger weiter vor, Herr Dr. M. W. und der Vorstandsvorsitzende der Beklagten zu 2, Herr M. hätten sich dahingehend abgesprochen, dass für die Fahrzeuge mit dem 3.0-Liter-Motor die kleinen AdBlue-Tanks verwendet würden. Daher habe man sich dazu entschieden, zu einer Betrugssoftware zu greifen und im 3,0l-Motor über die Abgasrückführungsquote den geringeren Verbrauch an Harnstoff über die viel zu kleinen AdBlue-Tanks gleich mitzusteuern.
10 
Weiter trägt der Kläger unter Bezugnahme auf die amerikanische Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft von New York (Anlage K2) vor:
11 
„Auch Audi wollte im Jahre 2010 Fahrzeuge mit Dieselmotor auf den Markt bringen und hat deshalb selbstständig das Schwesterunternehmen, die Volkswagen AG und die Audi AG angesprochen, um in Bezug auf Dieselmotoren zu kooperieren. Die Gespräche wurden zwischen Herrn M. G. von der Audi AG, Herrn U. H. von der Volkswagen AG sowie dem Entwicklungschef bei Audi Herrn C. Sch. geführt. Herr G. erläuterte gegenüber dem Audi-Entwickler die Problematik mit dem viel zu kleinen AdBlue-Tank und welche Strategien Audi und Volkswagen dafür entwickelt hatten. Trotz der ganz klaren Weiterleitung der Informationen wie die Betrugssoftware beim 3.0-Liter-Fahrzeug funktioniert, übernahm Audi mit der Erläuterung der beiden Entwickler auch für das Haus Audi die Betrugssoftware.“
12 
Die Entscheidung auf Seiten der Beklagten zu 2 habe Herr W. Ha. getroffen, der damals dort die Entwicklungsabteilung geführt habe. Von Anfang an sei bekannt gewesen, dass alle 3.0-Liter-Aggregate mindestens um das 9-fache die gesetzlich bestimmten Grenzwerte überschritten.
13 
Betroffen von der Betrugssoftware seien nicht nur sämtliche Fahrzeuge mit dem EA189-Motor, sondern auch die Fahrzeuge mit dem 3.0-Liter-Dieselaggregat wie das streitgegenständliche, die seit 2009 auf den Markt gebracht worden seien.
14 
Die Beklagte zu 1 und die Beklagte zu 2 seien durch einen gemeinsamen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag miteinander verbunden, so dass sie gesamtschuldnerisch gemäß §§ 15, 322 AktG hafteten. Die Beklagte zu 1 könne folglich auf Zahlung der gesamten Schadensersatzsumme in Anspruch genommen werden. Des Weiteren würden die Motoren der Beklagten zu 2 im Werk der Beklagten zu 1 in Salzgitter hergestellt, so dass die Beklagte zu 1 allein als Muttergesellschaft Motorenherstellerin und Anspruchsgegnerin sei.
15 
Der streitgegenständliche Motor VW EA897 sei von der Beklagten zu 1 konstruiert und der Beklagten zu 2 zum Verbau u. a. in ihrem Audi A5, Euro 5 übergeben worden. „VW“ stehe für die Volkswagen AG.
16 
Bei dem Audi A5 handele es sich um eine Gemeinschaftsentwicklung der Beklagten zu 1 mit der Beklagten zu 2. Wie im gesamten Konzern üblich, würden Plattformen mit Antriebseinheiten einheitlich entwickelt, um diese dann in unterschiedlichen Karosserieformen zu verbauen. Die Entscheidung darüber, welche Plattformen und Motoren mit welchen Derivaten bei den unterschiedlichen Marken aufgelegt, entwickelt und gebaut würden, treffe ausschließlich der Vorstand der Beklagten zu 1. Die Plattformen würden wie ein Baukasten mit immer der gleichen Technik bestückt.
17 
Der Kläger ist der Ansicht ihm stünden quasivertragliche (§ 311 BGB) wie auch deliktische Ansprüche (§§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB, §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV, §§ 826, 31 BGB) zu.
18 
Mit Klage vom 25.01.2018 machte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zu 1 zur Zahlung von 44.990,00 EUR zzgl. Zinsen ab 19.01.2017, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs der Marke Audi A5 3.0 TDI geltend. Darüber hinaus hat er die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zu 1 sich in Annahmeverzug befinde, sowie beantragt, die Beklagte zu 1 zur Zahlung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten i. H. v. 1.965,80 EUR zu verurteilen.
19 
Die Beklagte zu 1 ist der Klage entgegengetreten. Sie habe den Motor des Fahrzeugs nicht entwickelt. Sie habe das Fahrzeug nicht beworben und keine Kenntnis von dem Kauf des Fahrzeugs durch den Kläger gehabt.
20 
Der Kläger stütze seine Ansprüche offensichtlich auf die Annahme, das streitgegenständliche Fahrzeug enthalte den von der VW AG hergestellten Motor EA189. Dies sei aber nicht zutreffend. Deswegen sei das streitgegenständliche Fahrzeug auch nicht Gegenstand des Rückrufs, der den EA189-Motor betreffe.
21 
Der Vortrag zu den Vorgängen in den USA sei unerheblich, da die in Europa eingesetzten Dieselmotoren sich von den Dieselmotoren auf dem USA-Markt im Hinblick auf ihre technische Ausführung unterschieden.
22 
Soweit der Kläger auf die angebliche Involvierung und Beteiligung wahllos aufgestellter Personen abstelle, um damit angebliche Parallelentwicklungen für den 3.0 Diesel begründen zu wollen, seien die dahingehenden Ausführungen des Klägers so unverständlich, unzusammenhängend und unsubstantiiert, dass sie für die Beklagte zu 1 bereits weit überwiegend nicht einlassungsfähig seien. Die Behauptungen des Klägers seien zum Teil schlicht falsch und bedürften der Richtigstellung. Der Kläger behaupte unzutreffend, dass sich hinsichtlich des VW Touareg 3.0 TDI und des Audi Q7 angeblich „Dr. W. und der Vorsitzende der Audi AG, der heutige Vorstandsvorsitzende Herr M., dahingehend abgesprochen“ hätten, dass für die Fahrzeuge mit dem 3.0-Liter-Motor die kleinen AdBlue-Tanks belassen würden. Hier sei richtigzustellen, dass Herr M. niemals Vorstandsvorsitzender der Beklagten zu 2 gewesen sei. Insoweit sei der klägerische Vortrag schon in dieser behaupteten Konstellation völlig unplausibel.
23 
Weiter behaupte der Kläger, die Beklagte zu 2 habe „im Jahr 2010 Fahrzeuge mit Dieselmotoren auf den Markt bringen“ wollen und „deshalb selbstständig das Schwesterunternehmen, die Volkswagen AG angesprochen“. Hier erscheine schon das genannte Jahr völlig wahllos - die Beklagte zu 2 habe sowohl vor dem Jahr 2010 als auch danach bereits Fahrzeuge mit Diesel-Motoren auf den Markt gebracht. Völlig unsubstantiiert sei auch die Aussage des Klägers, zwischen „Herrn M. G. von der Audi AG, Herrn U. H. von der Volkswagen AG sowie dem Entwicklungschef bei Audi Herrn C. Sch.“ habe es Gespräche über eine Kooperation in Bezug auf Diesel-Motoren gegeben, ebenso wie die Behauptung, „Herr G.“ habe die „Strategien“ von „Volkswagen“ für die „Problematik mit dem viel zu kleinen AdBlue-Tank“ erläutert. Es bleibe hier ohne weitere Erläuterungen seitens des Klägers offen, wie er auf diese Behauptungen komme. Soweit er vortrage „Audi“ habe „auch für das Haus Audi die Betrugssoftware übernommen“ bleibe der Kläger ebenfalls Ausführungen dazu schuldig, welche Personen genau bei „Audi“ die angebliche „Betrugssoftware“ (welche?) übernommen haben sollten. Die Behauptung sei insgesamt unschlüssig, da der Kläger ja keinen VW, sondern ein Fahrzeug von der Beklagten zu 2 erworben habe.
24 
Soweit der Kläger sich diesbezüglich konkretisieren wolle, indem er behaupte, die „Entscheidung“ habe „auf Seiten Audi Herr W. Ha.“ getroffen, lasse der Kläger bereits offen, wie die Informationen überhaupt an Herrn Ha. weitergetragen worden sein sollten, da dieser nach Behauptung des Klägers an den vorangegangenen Gesprächen ja offenbar nicht beteiligt gewesen sei. Auch hier sei der Vortrag des Klägers erneut unsubstantiiert und unzusammenhängend. Es fehle an der Darlegung konkreter Tatsachen.
25 
Die Beklagte zu 1 hafte entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 2 gemäß §§ 15, 18, 322 Abs. 1 S. 2 AktG. Soweit der Kläger meine, eine solche Haftung der Beklagten zu 1 mit der Beklagten zu 2 ergebe sich aus §§ 15, 18, 322 Abs. 1 S. 2 AktG, weil ein Gewinnabführungs- und Beherrschungssystem bestehe, sei dies rechtlich verfehlt. Diese Argumentation gehe schon deswegen fehl, weil diese Unternehmensverträge i. S. d. § 291 Abs. 1 S. 1 AktG lediglich auf die Binnenorganisation der konzernierten Gesellschaften einwirkten.
26 
Eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 322 Abs. 1 S. 2 AktG setze eine Eingliederung der Beklagten zu 2 voraus. Die Beklagte zu 2 sei jedoch nicht in die Beklagte zu 1 eingegliedert. Dies sei gemäß § 319 AktG auch nicht möglich, da die Beklagte zu 1 nicht alle, sondern nur 99,55 % der Anteile an der Beklagten zu 2 halte. Es liege auch keine Eingliederung nach § 320 AktG vor. Eine Eintragung der Eingliederung (§ 319 Abs. 7 AktG) sei nicht erfolgt.
27 
Das Landgericht Tübingen hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger stünden unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatzansprüche zu, für welche die Beklagte zu 1 gemäß §§ 15, 18, 322 Abs. 1 AktG neben der Beklagten zu 2 hafte. Ansprüche aus Vertrag kämen nicht in Betracht, da weder die Beklagte zu 2 noch die Beklagte zu 1 an den Vertragsverhandlungen beteiligt gewesen seien und die Beklagte zu 1 auch nicht die EG-Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt habe. Deliktische Ansprüche werden verneint, weil seitens der Beklagten zu 1 schon keine Täuschungshandlung gegenüber dem Kläger vorliege. Ein Anspruch aus § 826 BGB wird außerdem verneint, weil der Verstoß gegen das Verbot unzulässiger Abschalteinrichtungen aus Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Ziff. 10 der Verordnung (EG) 715/2007 allein keinen Schadensersatzanspruch des Klägers begründen könne, weil die Verordnung nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen diene.
28 
Wegen des Sachverhalts wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).
29 
Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers, der unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Das Urteil des Landgerichts Tübingen beruhe im Kern auf der unrichtigen und bewusst ergebnisorientierten unvollständigen Erfassung der Tatsachen und einer Missachtung des rechtlichen Gehörs.
30 
Zur Passivlegitimation der Beklagten zu 1 trägt der Kläger weiter vor, die Entscheidungsträger für die Implementierung illegaler Abschalteinrichtungen beim EA897 seien Herr Ha., Herr Dr. W. und Herr H. gewesen. Herr Dr. W. persönlich habe den Auftrag zur Softwaremanipulation auch beim EA897 erteilt. In Wolfsburg bei der Beklagten zu 1 dürfte nach derzeitigem Stand der Ermittlungen die Entscheidung darüber getroffen worden sein, die illegalen Abschalteinrichtungen, die auch schon bei dem Abgasrückführungsmodell zum EA189 (Euro 5) zum Einsatz gekommen seien, auch in den EA897 zu implementieren. Die Beklagte zu 1 habe den streitgegenständlichen 3.0-TDI-Motor und die Abschalteinrichtungen zusammen mit der Robert Bosch GmbH unter Führung von Herrn Ha. entwickelt. Die Robert Bosch GmbH zeichne für die gesamte Hardware und Software der Abgasreinigung verantwortlich.
31 
Bei der Beklagten zu 1 gebe es nur einen Zentraleinkauf. Daher bestelle die Beklagte zu 2 auch nicht in Eigenverantwortung die zentralen Einbauteile, die für eine Vielzahl von 6-Zylinder-Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns bestellt würden. Aus dem elektronischen Katalog der Robert Bosch GmbH sei ersichtlich, dass es sich jedenfalls immer um VW-Teile-Nummern handele. Zwischen Fahrzeugen der Marken VW und Audi werde nicht unterschieden. Die Vorstände der Beklagten zu 1 und zu 2 hätten vereinbart, dass die 6-Zylinder-Motorenblöcke durch die Beklagte zu 1 in Salzgitter gegossen würden und die Common-Rail-Einspritzung, die Motorsteuerung, deren Software sowie die Abgasreinigung von der Robert Bosch GmbH geordert würden. Diesen Sachverhalt habe der Kläger erst neu entdeckt am 12.12.2019 durch Recherchen im Online-Katalog der Robert Bosch GmbH.
32 
Ob nun das Assembling in Ungarn bei der Beklagten zu 2 stattfinde oder nicht, sei ohne Belang. Maßgeblich sei allein die einmal erteilte Vorgabe und die Bestimmung der Beklagten zu 1 gewesen, in welches Fahrzeug welcher Motor verbaut werde.
33 
Die Schädigungshandlung könne bereits in der Veranlassung des Inverkehrbringens des mangelhaften Motors mit der den Mangel beinhaltenden Systemsteuerungssoftware gesehen werden. Es komme deshalb nicht darauf an, dass die Beklagte zu 1 selbst Herstellerin sei.
34 
In der mündlichen Verhandlung vom 12.05.2020 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 12.05.2020 die Klage gegen die Beklagte zu 2 erweitert. Mit Schriftsatz vom 20.07.2020 hat der Kläger die Klage gegen die Beklagte zu 2 wieder zurückgenommen.
35 
Der Kläger beantragt:
36 
1. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerpartei 44.990,00 EUR nebst Zinsen i. H. v. 4 % seit dem 27.06.2012 bis zum 18.04.2017 und seither 5 %-Punkte über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2017 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs der Marke Audi A5 3.0 TDI mit der Fahrgestellnummer ... zu zahlen.
37 
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklage zu 1 seit dem 11.04.2017 mit der Rücknahme des im Klagantrag zu 1 bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
38 
3. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i. H. v. 1.965,80 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2017 zu zahlen.
39 
Hilfsweise:
40 
4. Das Urteil des Landgerichts Tübingen, verkündet am 06.11.2018 und zugestellt am 12.11.2018, Az.: 7 O 40/18, wird aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Beweisaufnahme an das Landgericht Heidelberg zurückverwiesen.
41 
Hilfsweise:
42 
5. Die Revision wird zugelassen.
43 
Die Beklagte zu 1 beantragt:
44 
die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
45 
Hilfsweise,
46 
die Berufung zurückzuweisen.
47 
Die Beklagte zu 1 hat in der Berufungsinstanz vorgetragen, sie hafte nicht, weil sie weder das streitgegenständliche Fahrzeug noch dessen Motor hergestellt habe. Darüber hinaus hafte sie nicht, weil kein Bescheid des KBA bezüglich des Emissionsverhaltens des streitgegenständlichen Fahrzeugs vorliege. Es gebe keinen behördlichen Rückruf.
48 
§ 322 AktG greife nicht, da die Beklagte zu 2 keine in die Beklagte zu 1 im gesellschaftsrechtlichen / aktienrechtlichen Sinne eingegliederte Gesellschaft sei. Auch das Bestehen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages könne nicht zu einer Haftung der Beklagten zu 1 führen.
49 
Der Vortrag der Klägerseite zur Passivlegitimation gehe schon deswegen fehl, weil er zum Motor des Typs EA897 erfolge. Der Motortyp EA897 sei im streitgegenständlichen Fahrzeug jedoch nicht verbaut. Im streitgegenständlichen Fahrzeug werde vielmehr ein Motor des Typs EA896 eingesetzt.
50 
Auch der unverständliche und unsubstantiierte Vortrag des Klägers zu einer Bodengruppe oder gleicher Motorenaggregate verhelfe dem Kläger nicht dazu, eine illegale Abschalteinrichtung in seinem Fahrzeug zu begründen. Im Übrigen sei es unzutreffend, dass die Motorenblöcke im VW-Werk in Salzgitter gegossen würden. Die Motorenblöcke würden vielmehr von einem Zulieferer gefertigt. Die Motorenherstellung als solche finde in Györ statt.
51 
Nach dem im Konzernrecht zentralen Trennungsprinzip hafte eine Muttergesellschaft grundsätzlich nicht für ihre Tochtergesellschaften.
52 
Die Marken Porsche und Audi nähmen im VW-Konzern eine Sonderstellung insoweit ein, als sie als Modulentwickler tätig seien. Diese beiden Marken stellten in eigener Verantwortung Motoren und Motorenplattformen her. Die Beklage zu 1 habe den streitgegenständlichen Motor oder die hier applizierte Motorsteuerungssoftware nicht entwickelt oder hergestellt. Der Motor und die Motorsteuerungssoftware sei von der Beklagten zu 1 auch nicht entwickelt worden. Sowohl der Motor als auch die Motorsteuerungssoftware sei durch die Beklagte zu 2 eigenständig und unabhängig entwickelt worden. Ob in der Vergangenheit von der Beklagten zu 1 ein Anstoß dahingehend gegeben worden sei, dass eine bestimmte Motorenklasse entwickelt werde, könne derzeit nicht gesagt werden. Die Beklagte zu 1 habe der Beklagten zu 2 keine Vorgaben gemacht, wie sie die Motoren zu entwickeln habe und in welche Fahrzeuge diese Motoren verbaut würden. Die Beklage zu 1 habe für den Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Auftrag gegeben.
53 
Unzutreffend sei auch die klägerische Behauptung, „alle wesentlichen Entscheidungen“ bei der Beklagten zu 2 träfe die Beklagte zu 1. Die VW-Konzerngesellschaften würden vielmehr grundsätzlich von ihrer jeweiligen Geschäftsleitung in eigener Verantwortung geführt. Es treffe insbesondere nicht zu, dass ausschließlich der Vorstand der Beklagten zu 1 darüber befinde, welcher Motor in welchem Fahrzeug zum Einsatz gelange oder welcher Motor mit welcher Abgasreinigungstechnik versehen werde.
54 
Der Versuch des Klägers eine deliktische Haftung der Beklagten zu 1 über die Äußerungen im sog. Statement of Facts herzuleiten, gelinge nicht. Zunächst gebe es Unterschiede in der Sach- und Rechtslage in den USA und in Europa. Darüber hinaus gehe aus dem Statement of Facts deutlich hervor, dass nicht die Beklagte zu 1, sondern die Beklagte zu 2 für die Entwicklung und Herstellung der 3.0-Liter-Motoren verantwortlich gewesen sei.
55 
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
II.
56 
Die Berufung ist zulässig. Die Tatsache, dass die Berufungsbegründung teilweise aus Textbausteinen besteht, macht sie nicht unzulässig, da sie die tragenden Gründe des landgerichtlichen Urteils angreift.
57 
Die Berufung ist aber nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).
58 
Das erstinstanzliche Gericht hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte zu 1 weder selbst aus deliktsrechtlichen oder vertraglichen Ansprüchen haftet noch gemäß §§ 15, 18, 322 Abs. 1 AktG bzw. § 309 AktG für Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 2.
59 
Bezüglich der mit Klagantrag Ziff. 1 geltend gemachten Ansprüche ist die Beklagte zu 1 nicht passivlegitimiert. Weder hat der Kläger bewiesen, dass die Beklagte zu 1 Herstellerin des Motors im streitgegenständlichen Fahrzeug ist, noch dass die Beklagte zu 1 den streitgegenständlichen Motor gemeinsam mit der Beklagten zu 2 entwickelt hätte oder Einfluss auf die Entwicklung des Motors, insbesondere auf die im streitgegenständlichen Motor verwendete Motorsteuerungssoftware genommen hätte. Die Beklagte zu 1 ist auch nicht Vertragspartnerin des Klägers und hat auch nicht auf die Vertragsverhandlungen Einfluss genommen, so dass auch vertragliche Ansprüche nicht in Betracht kommen.
1.
60 
Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1 kein Anspruch aus § 311 Abs. 3 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB bezüglich der in Klagantrag Ziff. 1 geltend gemachten Ansprüche zu.
61 
Gemäß § 311 Abs. 3 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB kann ausnahmsweise eine persönliche Haftung eines Dritten wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten in Betracht kommen, wenn der Dritte zwar nicht selbst Vertragspartner ist, aber in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat und dadurch die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hat. Um ein solches Vertrauen in besonderem Maße für sich in Anspruch zu nehmen, muss der Dritte unmittelbar oder mittelbar durch eine für ihn handelnde Person an den Vertragsverhandlungen teilgenommen haben (Grüneberg in Palandt, Kommentar zum BGB, 79. Aufl., 2020, § 311 Rz. 63).
62 
Im vorliegenden Fall hat der Kläger das Fahrzeug nicht bei der Beklagten zu 1, sondern im Autohaus B. GmbH & Co. KG erworben. Dass bei Abschluss des Kaufvertrages ein Vertreter der Beklagten zu 1 zugegen gewesen wäre, hat der Kläger nicht behauptet.
2.
63 
Die Beklagte zu 1 hat auch nicht dadurch besonderes Vertrauen für sich in Anspruch genommen, dass sie für das streitgegenständliche Fahrzeug eine Übereinstimmungserklärung i. S. d. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV ausgestellt hätte. Nach eigenem Vortrag des Klägers wurde diese Übereinstimmungserklärung von der Beklagten zu 2 ausgestellt. Es kann daher dahinstehen bleiben, ob mit der Übergabe der Übereinstimmungserklärung eine besondere vertragliche Garantie für die Konformität des Fahrzeugs mit der EG-Typgenehmigung abgegeben wurde. Da die Beklagte zu 1 diese Übereinstimmungserklärung weder ausgestellt noch übergeben hat, hat sie eine solche Garantieerklärung gegenüber dem Kläger jedenfalls nicht abgegeben.
3.
64 
Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1 auch keinen Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 i. V. m. § 263 Abs. 1 StGB. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte zu 1 - selbst, mittelbar oder als Teilnehmerin - das Tatbestandsmerkmal einer Täuschung erfüllt hat.
65 
Da der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug als Gebrauchtwagen und damit als Zweiterwerber gekauft hat, scheidet im vorliegenden Fall ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 Abs. 1 StGB schon deswegen aus, weil es am Merkmal der sog. „Stoffgleichheit“ fehlt. Der Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB erfordert, dass zwischen Vermögensschaden und Vermögensvorteil Stoffgleichheit besteht. Der Täter muss den Vorteil unmittelbar aus dem Vermögen des Geschädigten in der Weise anstreben, dass der Vorteil die Kehrseite des Schadens ist (Perron in Schönke/Schröder, Kommentar zum StGB, 30. Aufl. 2019, § 263 Rz. 168). Selbst wenn der Kläger aufgrund einer Täuschung der Beklagten zu 1 den Kaufvertrag abgeschlossen und den Kaufpreis hingegeben hätte, wäre dieser Kaufpreis nicht in das Vermögen der Beklagten zu 1 gelangt, sondern in das Vermögen des Fahrzeugverkäufers. Dass die Beklagte zu 1, die nicht Herstellerin des Fahrzeugs ist, mit Drittbereicherungsabsicht gehandelt hat, also, dass sie eine Bereicherung des Zweitverkäufers anstrebte, kann bei der vorliegenden Fallkonstellation nicht angenommen werden.
4.
66 
Dem Kläger stehen gegen die Beklagte zu 1 auch keine Ansprüche aus § 823 Abs. 2 i. V. m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV zu. Wie erörtert, ist die Beklagte zu 1 nicht Ausstellerin der Übereinstimmungsbescheinigung. Dies ist nach eigenem Vortrag des Klägers die Beklagte zu 2. Die Beklagte zu 1 kann deswegen die Vorschriften der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV nicht verletzt haben. Im Übrigen stellen die §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV keine Schutzgesetze dar, welche die Vermögensinteressen des Fahrzeugerwerbers schützen (s. dazu BGH, Urteil v. 25.05.2020, - VI ZR 252/19 - Juris-Rz. 73 ff.).
5.
67 
Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1 auch kein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB zu.
a)
68 
Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die Beklagte zu 1 Herstellerin des Fahrzeugs ist und nicht bewiesen, dass sie Herstellerin des im Fahrzeug verbauten streitgegenständlichen Motors ist.
69 
Dabei kann dahinstehen bleiben, ob in dem Fahrzeug Audi A5 Cabrio 3.0 TDI eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. d. Art. 5 Abs. 1 u. 2 VO (EG) 715/2007 eingebaut ist. Selbst wenn dies der Fall wäre, lägen die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten zu 1 gegenüber dem Kläger nicht vor.
(1)
70 
Eine Haftung nach § 826 BGB setzt eine sittenwidrige Schädigung des Klägers durch die Beklagte zu 1 voraus. In den sog. „Dieselskandalfällen“ liegt eine solche sittenwidrige Schädigung des Fahrzeugerwerbers durch die Herstellerin des Fahrzeugs bzw. die Herstellerin des Motors vor, wenn der Erwerber aufgrund einer Täuschung der Fahrzeug- bzw. Motorenherstellerin über das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zum Abschluss des Kaufvertrages veranlasst wurde und dadurch einen Schaden erlitten hat. Der Schaden des Erwerbers liegt dabei bereits im Abschluss des ungewollten Kaufvertrages, d. h. in der Eingehung einer ungewollten Verpflichtung (OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019 - Az. 13 U 37/19; OLG Karlsruhe, Urteil v. 19.11.2019 - Az. 17 U 146/19, BGH-Urteil v. 25.05.2020 - Az. VI ZR 252/19).
(2)
71 
Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Beklagte zu 1 nicht die Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges ist. Die Herstellerin des Fahrzeuges, die dieses auch in den Verkehr gebracht hat, ist die Beklage zu 2.
(3)
72 
Der Kläger hat auch nicht bewiesen, dass die Beklagte zu 1 Herstellerin des streitgegenständlichen Motors ist. Dabei kann dahinstehen bleiben, ob es sich bei dem Motor um einen solchen mit der internen Bezeichnung EA897 oder EA896 handelt.
73 
Zwar hat der Kläger in zweiter Instanz vorgetragen, die streitgegenständlichen Motoren würden im Werk Salzgitter der Beklagten zu 1 hergestellt, weshalb diese Herstellerin der Motoren sei. Der streitgegenständliche Motor VW EA897 sei von der Beklagten zu 1 konstruiert und der Beklagten zu 2 zum Verbau u. a. in ihren Audi A5 Euro 5 übergeben worden. Die Beklagte zu 1 hat diesen Vortrag jedoch bestritten. Sie hat vorgetragen, es sei unzutreffend, dass die Motorenblöcke im VW-Werk in Salzgitter gegossen würden. Die Motorenblöcke würden vielmehr von einem Zulieferer gefertigt. Die Motorenherstellung selbst finde in Györ, einem Audi-Werk statt.
74 
Der Kläger hat auf dieses Bestreiten für seine Behauptung keinen Beweis angetreten und ist beweisfällig geblieben.
b)
75 
Auch eine Haftung gemäß §§ 826, 830 Abs. 1 und Abs. 2 BGB kommt nicht in Betracht. Der Kläger hat nicht bewiesen, dass die Beklagte zu 1 und die Beklagte zu 2 gemeinsam den streitgegenständlichen Motor entwickelt hätten bzw. die Beklagte zu 1 der Beklagten zu 2 konkrete Anweisungen für die Entwicklung des Motors oder gar für den Einbau einer bestimmten Abschalteinrichtung gegeben hätte. Daran ändern auch die vorgelegten Urkunden und die Benennung des Zeugen Prof. Dr. Ho. nichts. Teilweise ist der konkretisierende Vortrag, aus welchem sich die Beteiligung der Beklagten zu 1 ergeben soll, noch nicht einmal schlüssig.
(1)
76 
Der Kläger hat zwar behauptet, im Konzern würden Plattformen und Antriebseinheiten einheitlich entwickelt. Es sei allein die Vorgabe der Beklagten zu 1, in welches Fahrzeug und auf welcher Plattform welcher Motor verbaut werde. Die gesamte Abgasreinigung sei von der Robert Bosch AG gemeinsam mit der Beklagten zu 1 entwickelt und getestet worden.
77 
Diese Behauptungen hat die Beklagte zu 1 bestritten, indem sie vorgetragen hat, die Beklagte zu 2 habe im VW-Konzern insofern eine Sonderstellung, als sie als Modulentwickler tätig sei. Sie stelle in eigener Verantwortung Motoren und Motorenplattformen her. Auch die Motorsteuerungssoftware im streitgegenständlichen Motor sei nicht durch die Beklagte zu 1, sondern durch die Beklagte zu 2 eigenständig und unabhängig entwickelt worden. Die Beklagte zu 1 habe der Beklagten zu 2 auch keine Vorgaben zu deren Entwicklung gemacht oder einen Auftrag gegeben, in den Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs eine unzulässige Abschalteinrichtung einzubauen.
(2)
78 
Der Kläger hat seinen mehrfach wiederholten Vortrag, dass die Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Motor gemeinsam von der Beklagten zu 1 mit der Robert Bosch GmbH entwickelt worden sei und von der Beklagten zu 1 bzw. von Herrn W. persönlich in Auftrag gegeben worden sei, nicht bewiesen.
79 
Der von der Klägerseite in diesem Zusammenhang erstmals in der Berufungsbegründung benannte Zeuge Prof. Dr. Ho. war nicht zu hören. Die Zeugenbenennung ist gemäß § 531 Abs. 2 ZPO verspätet.
80 
Der Kläger hat nicht gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3, 520 Abs. 3 Nr. 4 ZPO vorgetragen, warum der Zeuge nicht bereits in erster Instanz genannt werden konnte, bzw. dass die nunmehr erst erfolgte Zeugenbenennung nicht auf Nachlässigkeit der Partei beruht. Auch ist die Frage, wer Hersteller des Motors oder des Fahrzeugs ist, kein Gesichtspunkt, der vom Gericht des ersten Rechtszugs erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden wäre (§ 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Der Kläger macht auch nicht geltend, dass infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug der Zeuge nicht benannt worden wäre (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).
(3)
81 
Soweit der Kläger vorträgt, die Robert Bosch GmbH liefere alles rund um die Motorsteuerung einschließlich der Motorsystemsteuerungshardware und der Motorsystemsteuerungssoftware, im elektronischen Katalog der Robert Bosch GmbH werde nicht zwischen Fahrzeugen der Beklagten zu 2 und der Beklagten zu 1 unterschieden, rechtfertigt dies keine andere Entscheidung. Die im Katalog der Robert Bosch GmbH vergebenen Nummern und Teilebezeichnungen vermögen keinen Beweis dafür zu erbringen, wer diese ursprünglich entwickelt hat und wer für die Implementierung einer möglicherweise vorhandenen Abschalteinrichtung in der Motorsteuerungssoftware verantwortlich ist.
(4)
82 
Soweit sich der Kläger auf einen Artikel des Handelsblattes vom 19.03.2019 (Anlage BB 21) für seine Behauptung beruft, die Beklagte zu 1 habe die Entwicklungsaufträge durch ihren Vorstand erteilt, sie übernehme die Überwachung der Entwicklung und entscheide, welche Abschaltvorrichtungen in den entsprechenden Fahrzeugen verbaut würden, ergibt sich diese Tatsache aus dem vorgelegten Artikel nicht. Dieser Artikel berichtet über ein Telefonat zwischen Herrn Ha., zu diesem Zeitpunkt Entwicklungsvorstand bei Porsche und Herrn M., zu diesem Zeitpunkt Vorstand der Beklagten zu 1. Dem Artikel ist zu entnehmen, dass Herr Ha. sich bei einem heimlich aufgezeichneten Gespräch mit Herr M. dahingehend zu rechtfertigen versucht, dass „die Bescheiß-Software, mit der die Reinigung der Abgase bei Dieselmotoren abgestellt“ worden sei, „doch auf dem Mist der Konzernmutter gewachsen“ sei.
83 
Aus dieser Äußerung ergibt sich eine persönliche Ansicht des Herrn Ha., nicht aber ein Beweis dafür, dass diese „Bescheiß-Software“ tatsächlich von der Konzernmutter entwickelt wurde oder deren Einbau angewiesen wurde.
(5)
84 
Soweit der Kläger vorträgt, Herr Dr. W. und der Vorstandsvorsitzende der Beklagten zu 2, der heutige Vorstandsvorsitzende Herr M., hätten sich dahingehend abgesprochen, dass für die Fahrzeuge mit dem 3.0-Liter-Motor, die kleinen AdBlue-Tanks belassen würden und stattdessen die bereits entwickelte Betrugssoftware verwendet würde, um einen geringeren Verbrauch an Harnstoff über die viel zu kleinen AdBlue-Tanks mitzusteuern, ist dieser Sachverhalt für den vorliegenden Fall nicht relevant. Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug handelt es sich unstreitig um ein Fahrzeug der Emissionsklasse EU 5, in welches - ebenfalls unstreitig - kein SCR-Katalysator verbaut ist.
(6)
85 
Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die amerikanische Anklageschrift (Anlage K2) vorträgt, die Beklagte zu 2 habe im Jahr 2010 Fahrzeuge mit Dieselmotor auf den Markt bringen wollen und deshalb die Beklagte zu 1 angesprochen und sich schließlich für die Verwendung der 3.0-Liter-Motoren entschieden, obwohl die Beklagte zu 2 über den zu kleinen AdBlue-Tank aufgeklärt worden sei, hat die Beklagte zu 1 diesen Vortrag zutreffend als unsubstantiiert gerügt. Zudem ergibt ein Blick in die amerikanische Anklageschrift, dass die entscheidenden Punkte von Klägerseite falsch zitiert werden. Der Vortrag zur Übernahme der Dieselmotoren im Jahr 2010 findet sich in den Randnummern 95 ff. der amerikanischen Anklageschrift. Den Rn. 95 - 99 ist zu entnehmen, dass es nicht die Beklagte zu 2 war, welche auf die Beklagte zu 1 wegen eines Dieselmotors angesprochen haben soll, sondern es sei die Porsche AG gewesen, welche die Beklagte zu 2 wegen ihres 3.0-Liter-V6-Dieselmotors zugegangen sein soll, weil jene den Motor in dem Fahrzeug Porsche Cayenne nutzen wollte. Dem weiteren Text ist zu entnehmen, dass es nicht die Beklagte zu 1 war, welche die Beklagte zu 2 über die Strategie mit dem zu kleinen AdBlue-Tank aufgeklärt haben soll, sondern, dass es die Beklagte zu 2 gewesen sein soll, welche die Porsche AG bezüglich des zu kleinen AdBlue-Tanks informiert haben soll.
86 
Der Vortrag des Klägers ist daher nicht nur ungenau, sondern falsch und in sich widersprüchlich. Er vermag deswegen kein Indiz für die Verantwortlichkeit der Beklagten zu 1 für mögliche Abschalteinrichtungen in den Audi-Motoren zu erbringen.
87 
Der Senat ist an der Verwendung der nur auf Englisch vorliegenden Anklageschrift auch nicht gemäß § 184 GVG gehindert. Für die Urkundenvorlegung und -verwendung fremdsprachiger Urkunden ist nicht § 184 GVG, sondern § 142 Abs. 3 ZPO maßgeblich. Gemäß § 142 Abs. 3 ZPO kann das Gericht anordnen, dass von in fremder Sprache abgefassten Urkunden eine Übersetzung beigebracht wird. Das Gericht darf aber auch, wenn alle erkennenden Richter die Sprache verstehen, ohne Rücksicht auf den Gegner von der Anordnung einer Übersetzung absehen (Greger in Zöller, Kommentar zur ZPO, 33. Aufl. 2020, § 142 Rn. 17; vgl. auch BGH Beschluss vom 02.03.1988 - IVb ZB 10/88 - juris Rn 8; BGH Beschuss vom 16.01.2007 - VIII ZR 82/06- juris Rn 19). Im vorliegenden Fall sind alle Senatsmitglieder der englischen Sprache mächtig und in der Lage zu beurteilen, dass bezüglich des klägerischen Vortrags eine Fehlzitierung vorliegt.
(7)
88 
Soweit der Kläger das Plea Agreement (= Statement of Facts (Rn. 31)) dafür anführt, dass der Beklagten zu 1 bekannt gewesen sei, dass in die Motoren der Beklagte zu 2 Abschalteinrichtungen eingebaut worden seien und sie trotzdem im Zulassungsverfahren die US-Behörden betrügerisch über diese Abschalteinrichtungen getäuscht habe, ergibt sich daraus nicht, dass die Beklagte zu 1 diese Abschalteinrichtungen in den Audi-Motoren auch entwickelt hätte oder deren Entwicklung angewiesen hätte. Daraus ergibt sich allenfalls ein Indiz für eine Kenntnis der Beklagten zu 1 vom Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Motoren der Beklagten zu 2, soweit diese in den USA verkauft wurden.
89 
Selbst eine solche Kenntnis unterstellt, ergibt sich aber kein Beweis dafür, dass eine solche Kenntnis der Beklagten zu 1 auch in Bezug auf den streitgegenständlichen Motor vorlag. Zum einen beziehen sich die Aussagen der Beklagten zu 1 im Statements of facts nur auf den amerikanischen Markt und die dort verkauften Motoren. Zum anderen ist dem Statment of facts zu entnehmen, dass die Manipulation am 3,0l-Motor, welche die Beklagte zu 1 in diesem Dokument eingesteht, eine Manipulation des SCR-Katalysators betrifft (siehe dazu Anlage BB 4, Rdnr. 39ff.), die im konkreten Fall nicht relevant sein kann, da vorliegend Schadenersatz für ein Fahrzeug der Emissionsklasse EU 5 verlangt wird.
6.
90 
Die Beklagte haftet im vorliegenden Fall gegenüber dem Kläger aber auch nicht aus aktienrechtlichen Vorschriften für eventuell gegen die Beklage zu 2 bestehende Schadensersatzansprüche des Klägers.
a)
91 
Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1 kein aktienrechtlicher Anspruch gemäß §§ 15, 18, 322, 319, 320 AktG zu. Ein solcher Anspruch würde gemäß §§ 319 Abs. 1 und 7, § 320 Abs. 1 AktG voraussetzen, dass die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft einen Eingliederungsbeschluss gefasst hat und dass dieser ins Handelsregister eingetragen wurde. Zu beiden Punkten fehlt jeder Vortrag des Klägers.
92 
Eine Eingliederung lässt sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht damit begründen, dass zwischen der Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 2 unstreitig ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag besteht. Dies ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger zitierten Urteil des Bundesfinanzhofs (Urteil v. 10.05.2017, Az.: V R 7/16). Dieses Urteil behandelt nur die Frage, wann eine organisatorische Eingliederung der Gesellschaft i. S. d. Umsatzsteuerrechts vorliegt und eine juristische Person keine selbstständige Tätigkeit mehr i. S. d. § 2 Abs. 2 UStG ausübt. Hier an eine Haftung gemäß § 322 AktG anzuknüpfen, ohne dass dessen ausdrückliche Voraussetzungen vorliegen, ist nicht gerechtfertigt. Für die Eingliederung der Tochtergesellschaft in die Muttergesellschaft gemäß §§ 319, 320 AktG, und damit für die Haftung nach § 322 AktG ist, ist die Eintragung ins Handelsregister gemäß § 319 Abs. 7 AktG konstitutiv. Außerdem führt im Aktienrecht eine wirksame Eingliederung nach § 319 gerade dazu, dass ein evtl. bestehender Beherrschungsvertrag von selbst endet (s. dazu Ziemons in Schmidt/Lutter, Aktiengesetz, 3. Aufl. 2015, § 319 AktG Rz. 42 und 43). Diese Rechtsfolge der Eingliederung ist mit der von Klägerseite zitierten steuerrechtlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht vereinbar.
b)
93 
Auch ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte gemäß § 309 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 S. 3 AktG besteht nicht. Hierzu fehlt jeder Vortrag von Klägerseite.
94 
Zwar besteht nach unbestrittenem Vortrag des Klägers ein Beherrschungsvertrag zwischen der Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 2 (§ 309 Abs. 1 AktG). Der Kläger hat aber nicht bewiesen, dass die Beklagten zu 1 gegenüber der Beklagten zu 2 eine Pflicht durch Erteilung einer rechtswidrigen Weisung verletzt hat (§ 309 Abs. 2 AktG). Insbesondere hat sie - wie oben erörtert - nicht bewiesen, dass die Beklagte zu 1 der Beklagten zu 2 Weisungen zur Entwicklung des streitgegenständlichen Motors oder einer darin verbauten Abschalteinrichtung erteilt hätte.
95 
Ob eine Haftung wegen einer unterlassenen Weisung in Betracht kommt (z.B. aufgrund der Kenntnis vom Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung), kann im vorliegenden Fall offen bleiben (eine Weisungspflicht grundsätzlich verneinend Langenbucher in Schmidt/Lutter, Aktiengesetz, Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2015, § 309 Rndr. 17; Altmeppen in Müko zum AktG, 5. Aufl 2020 § 309 Rdnr. 54).
96 
Eine Haftung nach § 309 Abs. 4 Nr. 3 AktG würde nämlich auch voraussetzen, dass der Kläger bei der Tochtergesellschaft, der Beklagten zu 2, keine Befriedigung erlangen kann. Hierzu fehlt aber jeder Vortrag des Klägers.
97 
Da eine Haftung der Muttergesellschaft für Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft, somit im vorliegenden Fall weder gemäß §§ 322 AktG noch gemäß § 309 AktG in Betracht kommt, ist auch nicht zu prüfen, ob ein möglicher Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2 besteht.
7.
98 
Da der Hauptanspruch nicht gegeben ist, sind auch die geltend gemachten Nebenansprüche (vorgerichtliche Anwaltsgebühren, Zinsen) nicht begründet. Das Gleiche gilt für den Klagantrag Ziff. 2, welcher inhaltlich vom Hauptanspruch abhängt.
III.
99 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Soweit die Klage gegenüber der Beklagten zu 2 zurückgenommen wurde, sind dem Kläger die Kosten gemäß § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO aufzuerlegen.
100 
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
101 
Die Revision wird nicht zugelassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Fall hat keine grundsätzliche Bedeutung, die Entscheidung beruht vielmehr auf der Bewertung des konkreten Klägervortrags im Einzelfall.
102 
Gemäß § 63 Abs. 2 GKG war der Streitwert des Berufungsverfahrens festzusetzen.

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