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| Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Zusammenhang mit dem Erwerb eines von der Beklagten hergestellten Kraftfahrzeugs. |
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| Er kaufte am 19.11.2010 als Gebrauchtfahrzeug einen am 13.11.2009 erstmals zugelassenen VW Golf VI TDI zu einem Kaufpreis von 16.300 EUR und mit einer Laufleistung von 17.800 km. Das Fahrzeug wurde übergeben, der Kaufpreis bezahlt. Es ist mit einem Dieselmotor vom Typ EA 189 (EU 5), der vom sogenannten „Abgasskandal“ betroffen ist, ausgestattet. Der Kläger verlangt von der Beklagten, der Herstellerin des Fahrzeugs und des Motors, Schadensersatz. |
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| Für das Fahrzeugmodell lag zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die Beklagte wie auch zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger eine EG-Typgenehmigung vor. Die Motorsteuergerätesoftware verfügte über eine Fahrzykluserkennung; diese erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. Die Software weist zwei unterschiedliche Betriebsmodi auf. Im NEFZ schaltet sie in den Modus 1, in dem es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zu einem verminderten Ausstoß von Stickoxiden (NOx) kommt. Außerhalb des NEFZ wird das Fahrzeug im Modus 0 betrieben. |
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| Mitte Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gegenüber der Beklagten den Rückruf von 2,4 Millionen betroffenen Fahrzeugen an und vertrat die Auffassung, dass es sich bei der in den Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Es ordnete an, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. |
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| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie der Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. |
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| Das Landgericht hat dem Kläger 3.535,18 EUR Schadensatz Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs und vorgerichtliche Anwaltskosten zugesprochen sowie die Feststellung ausgesprochen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde. |
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| Die Beklagte hafte dem Grunde nach gem. §§ 826, 31 BGB mit der Folge, dass der Kläger so zu stellen sei, als ob er den Kaufvertrag nicht geschlossen hätte. Der Kläger habe daher einen Anspruch auf Ersatz des Kaufpreises abzüglich des dem Kläger zugeflossenen Nutzungsvorteils. Auf Basis einer vom Gericht geschätzten Gesamtlaufleistung von 250.000 km ergebe sich ein Nutzungsvorteil von 12.764,82 EUR mit der Folge, dass ein Anspruch des Klägers von 3.535,18 EUR verbleibe. |
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| Der Anspruch sei nicht verjährt. Die Voraussetzungen für den Beginn der Verjährung seien im Jahr 2015 noch nicht erfüllt gewesen. |
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| Der Kläger begehrt mit seiner Berufung die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 2.261,66 EUR. Die vom Landgericht bei der Ermittlung des Nutzungsvorteils angenommene Gesamtlaufleistung von 250.000 EUR sei zu niedrig, es sei mindestens eine Laufleistung von 300.000 km anzunehmen. |
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| das am 29.05.2020 verkündete Urteils des Landgerichts Stuttgart, Aktenzeichen: 29 O 486/19, teilweise zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 2.261,66 EUR zu zahlen. |
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| die Berufung des Klägers zurückzuweisen |
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| das am 29. Mai 2020 verkündete Urteil des Landgerichts Stuttgart, Az. 29 O 486/19 im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen. |
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| Das Landgericht habe eine Haftung der Beklagten zu Unrecht angenommen. Der zugesprochene Schadensersatzanspruch des Klägers scheide insbesondere deshalb aus, weil kein durch ein Verhalten der Beklagten kausal hervorgerufener Schaden entstanden sei. Denn der Kläger habe nicht substantiiert dargelegt und bewiesen, dass er vom Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs Abstand genommen hätte, wenn er im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses von der streitgegenständlichen Umschaltlogik gewusst hätte. |
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| Die Annahme, das Abstandnehmen vom Kauf des Fahrzeugs in Kenntnis der vorhandenen Umschaltlogik entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, genüge nicht zur Erbringung des Kausalitätsnachweises, was das Landgericht verkannt habe. Dagegen spreche auch das nachvertragliche Verhalten des Klägers. Das Landgericht hätte dem Antrag der Beklagten auf Parteivernehmung des Klägers nachkommen müssen. |
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| Im Übrigen habe es fälschlicherweise Annahmeverzug bejaht und verkannt, dass eventuelle klägerische Ansprüche verjährt seien. |
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| die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. |
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| Das Landgericht habe zutreffend einen Anspruch dem Grunde nach bejaht. Dieser Anspruch sei nicht verjährt, der Kläger habe erst im Jahr 2016 durch das Rückruf-Schreiben der Beklagten davon erfahren, dass sein Fahrzeug betroffen sei. Subjektive Voraussetzung für den Verjährungsbeginn sei insbesondere die Kenntnis des Käufers davon, dass das Fahrzeug aufgrund der unerlaubten Abschalteinrichtung mit einem Stilllegungsrisiko behaftet sei. Die Vorschrift sei auf den dem Kläger zustehenden Anspruch anwendbar. |
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| Falls das Gericht den Anspruch als verjährt ansehen sollte, habe der Kläger jedenfalls einen Anspruch aus § 852 BGB. Die Vorschrift setze nach der BGH-Rechtsprechung gerade keine Vermögensverschiebung zwischen Schädiger und Geschädigtem voraus. Die Beklagte habe aufgrund des Inverkehrbringens des Fahrzeugs den vom weiterverkaufenden Vertragshändler gezahlten Verkaufspreis erlangt, der den klägerischen Anspruch aus § 826 BGB überschreite. |
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| Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes 2. Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen. |
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| Die Berufung der Beklagten ist begründet, weil die klägerischen Ansprüche verjährt sind und die Beklagte daher berechtigt ist, gem. § 214 Abs. 1 BGB die Leistung zu verweigern. |
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| Zwar steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen die Beklagte zu. Denn das mit dem Motor EA 189 ausgestattete streitgegenständliche Fahrzeug war bei seinem Inverkehrbringen durch die Beklagte mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung („Umschaltlogik“) i.S.d. Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 171 vom 29.06.2007) versehen. Aufgrund dieser unzulässigen Abschalteinrichtung drohte der Widerruf der erteilten, aber lediglich formal wirksamen EG-Typgenehmigung und in der Folge die Betriebsuntersagung oder -beschränkung auf öffentlichen Straßen gem. § 5 Abs. 1 FZV (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020, VI ZR 252/19, Rn. 17 ff., juris). Das Verhalten der Beklagten – das Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit dem Dieselmotor EA 189 mit der unzulässigen Abschalteinrichtung – stellt in objektiver und subjektiver Hinsicht eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB dar (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020, VI ZR 252/19, Rn. 16 ff., juris). |
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| Dem Anspruch steht jedoch gemäß § 214 BGB die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Die Beklagte ist daher berechtigt, die Leistung von Schadensersatz zu verweigern. |
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| Die Beklagte hat in erster Instanz die Einrede der Verjährung erhoben (vgl. S. 4 des angefochtenen Urteils) und sich auch in der Berufungserwiderung hierauf berufen (Bl. 116 eAkte). |
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| Die Verjährung des Anspruchs aus § 826 BGB richtet sich ebenso wie die Verjährung eines Anspruchs aus § 823 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB nach §§ 195, 199 BGB. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Verjährungseinrede ist derjenige darlegungs- und beweisbelastet, der sich auf Verjährung beruft, hier also die Beklagte. |
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| Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die auf der Rechtsprechung zu § 852 BGB a.F. aufbaut, liegt die erforderliche Kenntnis im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Es ist weder notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – VI ZR 739/20 –, juris Rn. 8; BGH, Urteil vom 3. Juni 2008, XI ZR 319/06, Rn. 27 m.w.N., juris; BGH, Urteil vom 12. Mai 2009, VI ZR 294/08 Rn. 17, juris; BGH, Urteil vom 8. Mai 2014, I ZR 217/12, Rn. 38, juris; BGH, Versäumnisurteil vom 17. Juni 2016, V ZR 134/15 Rn. 10, juris). Die Erhebung einer Klage muss bei verständiger Würdigung in einem Maße Erfolgsaussicht haben, dass sie zumutbar ist (BGH, Urteil vom 11. September 2014, III ZR 217/13, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014, XI ZR 348/13, Rn. 49, juris; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014, XI ZR 17/14, Rn. 46, juris; BGH, Urteil vom 7. November 2014, V ZR 309/12, Rn. 14, juris; BGH, Urteil vom 8. November 2016, VI ZR 594/15 Rn. 11, juris). Nicht ausreichend ist die Kenntnis von Anknüpfungstatsachen. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Geschädigte aus den Anknüpfungstatsachen den Schluss auf eine Pflichtverletzung durch eine bestimmte Person zieht oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gezogen hat (BGH, Versäumnisurteil vom 17. Juni 2016, V ZR 134/15, Rn. 10, juris). |
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| Der Verjährungsbeginn setzt grundsätzlich nicht voraus, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – VI ZR 739/20 –, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 8. Mai 2014, I ZR 217/12, Rn. 38, juris; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014, XI ZR 348/13, Rn. 49, juris; BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2015, XII ZB 516/14, Rn. 26, juris; BGH, Urteil vom 4. Juli 2017, XI ZR 562/15, Rn. 86, juris; BGH, Urteil vom 4. Juli 2017, XI ZR 233/16, Rn. 94, juris). Der Gläubiger muss zumindest aufgrund der Tatsachenlage beurteilen können, ob eine rechtserhebliche Handlung von dem üblichen Vorgehen abweicht (Spindler in BeckOK BGB, Stand: 1.5.2020, § 199 Rn. 26). In eng begrenzten, besonders begründeten Ausnahmefällen kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. Das gilt erst recht, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – VI ZR 739/20 –, juris Rn. 10; BGH, Urteil vom 1. Juni 2011 - VIII ZR 91/10, Rn. 23 m.w.N., juris; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014, XI ZR 348/13, Rn. 35, juris; BGH, Urteil vom 4. Juli 2017, XI ZR 562/15, Rn. 86, juris). |
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| Ausgehend von diesen Grundsätzen lagen die Voraussetzungen für eine Klageerhebung bereits im Jahr 2015 vor und begann die Verjährung Ende des Jahres 2015 zu laufen. Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist mit dem Erwerb des Fahrzeugs im Jahr 2015 entstanden (vgl. Senat, Urteil vom 26. November 2019, 10 U 154/19, Rn. 43 ff., juris.). Ob der Kläger zu diesem Zeitpunkt positive Kenntnis vom Bestehen des Anspruchs und der Person des Schuldners hatte, ist nicht entscheidend. Denn der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass auf Seiten der Käufer von Fahrzeugen, in die der streitgegenständliche Motor (EA 189) eingebaut war, bereits Ende September 2015 mindestens grob fahrlässige Unkenntnis von den gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für den Beginn der Verjährung erforderlichen Tatsachen vorlag. Zur Überzeugung des Senats ist ferner im Einklang mit der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – VI ZR 739/20 –, juris Rn. 10 ff.) nicht davon auszugehen, dass einem Verjährungsbeginn im Jahr 2015 die fehlende Zumutbarkeit der Klageerhebung entgegenstand, und dass vielmehr die Voraussetzungen für eine Klageerhebung bereits im Jahr 2015 vorlagen (Senat, Urteil vom 14. April 2020, 10 U 466/19; Senat, Urteil vom 07. April 2020, 10 U 455/19). |
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| Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis i.S. des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (Palandt/Ellenberger, BGB, 80. Auflage 2021, § 199 Rn. 39 m.w.N.). Dem Gläubiger muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung, mithin ein besonders schwerwiegendes Verschulden gegen sich selbst vorgeworfen werden könne (BGH, NJW-RR 2010, 681, 683). Grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen liegt hierbei dann vor, wenn sich dem Gläubiger die Kenntnis der relevanten Tatsachen förmlich aufdrängen musste, er jedoch davor die Augen verschloss (BGH, NJW 2010, 3292, 3295). |
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| Die Parteien haben zum Vorliegen von positiver Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen wie auch zu einer etwaigen grob fahrlässigen Unkenntnis streitig vorgetragen. Dass der Sachverhalt des sog. „Dieselskandals“ bereits ab September 2015 in der Medienberichterstattung omnipräsent war, bestreitet hierbei auch der Kläger nicht. Er bringt vor, er habe im Jahr 2015 weder erfahren, dass sein Fahrzeug mit einer Abschalteinrichtung ausgestattet sei, noch, dass hierdurch das Risiko der Stilllegung bestanden habe, zumal die Beklagte bis heute die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Abrede stelle. Der Kläger als Käufer sei nicht Adressat der Ad-hoc-Mitteilung der Beklagten aus dem Jahr 2015 gewesen; diese Mitteilung habe sich nicht an betroffene Verbraucher gerichtet und überdies auch keine Rückschlüsse auf den konkreten Sachverhalt zugelassen; ferner sei die Mitteilung selbst äußerst unklar gehalten gewesen. |
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| Der Kläger beruft sich darauf, dass sich weder aus der Ad-hoc-Mitteilung noch aus der allgemeinen Berichterstattung zum sog. „Abgasskandal“ eine Kenntnis über das Vorhandensein einer der dort genannten Abschalteinrichtungen im eigenen Fahrzeug und damit die Kenntnis der eigenen Schadensbetroffenheit ergeben habe. Hiervon habe er erst durch ein Informationsschreiben der Beklagten im Jahr 2016 erfahren. Ihm seien weder die subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB bekannt gewesen noch welche Mitarbeiter der Beklagten verantwortlich seien. |
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| Dass der allgemeinen Berichterstattung nicht ohne Weiteres die Betroffenheit des eigenen Kraftfahrzeugs zu entnehmen war, ist indes nicht entscheidend. Die Ad-hoc Mitteilung und eine gleichlautende Pressemitteilung der Beklagten vom 22. September 2015 waren objektiv geeignet, das Vertrauen potenzieller Käufer von Gebrauchtwagen mit VW-Dieselmotoren in eine vorschriftsgemäße Abgastechnik zu zerstören. Aufgrund der Verlautbarung und ihrer als sicher vorherzusehenden medialen Verbreitung war typischerweise nicht mehr damit zu rechnen, dass Käufer von gebrauchten VW-Fahrzeugen mit Dieselmotoren die Erfüllung der hier maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben noch als selbstverständlich voraussetzen würden. Aus der Mitteilung vom 22. September 2015 ging weiter hervor, dass „die zuständigen Behörden" und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) bereits involviert waren. Die anschließende Berichterstattung über die Anordnungen des KBA gegenüber der Beklagten ließ erwarten, dass ein Misslingen der behördlicherseits geforderten Herstellung eines vorschriftsmäßigen Zustandes – auch für die Fahrzeughalter – nicht folgenlos bleiben würde. Das Verhalten der Beklagten war ersichtlich darauf gerichtet, an die Öffentlichkeit zu treten, Unregelmäßigkeiten einzuräumen und in Zusammenarbeit mit dem KBA Maßnahmen zur Beseitigung des gesetzwidrigen Zustandes zu erarbeiten, um die Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung zu bannen. Ferner räumte die Beklagte jedem, der Kenntnis von der Fahrzeugidentifizierungsnummer des jeweiligen Fahrzeugs hatte, die Möglichkeit ein, sich selbst im Internet Klarheit zu verschaffen, ob das Fahrzeug der Nachrüstung bedurfte (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020, VI ZR 5/20, Rn. 37, juris). |
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| Jedenfalls aber mit der Information einer breiten Öffentlichkeit durch die Beklagte mussten sich ab Ende September 2015 auch dem Kläger als Eigentümer eines bereits zuvor erworbenen und mit dem Dieselmotor EA 189 ausgestatteten Kraftfahrzeugs die für den Beginn der Verjährung erforderlichen Tatsachen aufdrängen. Der Kläger weiß, welches Fahrzeug er erworben hat und fährt, dass es mit einem Dieselmotor ausgestattet ist und wer dessen Hersteller ist. Durch die auch in der Medienberichterstattung kommunizierte Möglichkeit einer Abfrage auf der Herstellerwebseite vermochte der Kläger unter Eingabe der Fahrzeugidentifikationsnummer des eigenen Fahrzeugs zu überprüfen, ob dieses Fahrzeug mit der streitgegenständlichen Software zur Abgasmanipulation ausgestattet war (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juli 2020, VI ZR 5/20, Rn. 37, juris). Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt durften Fahrzeugbesitzer, die bereits in der Vergangenheit (ohne es aufgrund fehlender Informationen überhaupt wissen zu können) ein mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenes Dieselfahrzeug erworben hatten, nicht mehr auf eine den maßgeblichen Vorschriften entsprechende Abgastechnik ihres eigenen Fahrzeugs und damit auch nicht mehr auf das Fehlen der für den Beginn der Verjährung erforderlichen Tatsachen vertrauen. |
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| Zwar trifft den Gläubiger im Grundsatz keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiativen zur Klärung des Schadensverlaufs oder des Umfangs der Schadensausbreitung zu entfalten (vgl. BGH, NJW-RR 2010, 681, 683; Palandt/Ellenberger, a.a.O. § 199 Rn. 39). Im vorliegenden Fall den Weg zur Ermittlung der eigenen Schadensbetroffenheit jedoch nicht beschritten und die Internetabfrage nicht in Anspruch genommen zu haben, erscheint nach Lage des Falles geradezu unverständlich, da der Kläger naheliegende und unschwer zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat. Umstände, weshalb ihm in seiner konkreten Situation die Benutzung des Abfrageportals nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sein soll, trägt der Kläger nicht vor. Solche sind auch nicht erkennbar. |
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| Auch ohne von den Behörden oder der Herstellerin des Motors individuell und unmittelbar durch direktes Anschreiben darauf aufmerksam gemacht worden zu sein, war es vor diesem Hintergrund und den leicht zugänglichen Informationsquellen grob fahrlässig, sich die Information der eigenen Schadensbetroffenheit über die allgemein zugänglichen und bekanntgemachten Quellen nicht schon Ende September 2015 beschafft zu haben, obwohl die Nachforschungen zum Erfolg geführt hätten (OLG Koblenz, Urteil vom 30. Juni 2020 – 3 U 1785/19 –, juris Rn. 28). |
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| Naturgemäß war dem Kläger weiter bekannt, ob er beim Kauf des Fahrzeugs die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben als selbstverständlich vorausgesetzt hatte und ob er das Fahrzeug auch gekauft hätte, wenn er von dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung und den damit möglicherweise verbundenen (rechtlichen) Konsequenzen gewusst hätte. Kenntnis von der abstrakten Gefahr der Betriebsbeschränkung oder -untersagung (Urteil des BGH vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 52), die aufgrund der dem Kläger im Jahr 2015 bekannten Funktionsweise der Software bestand, war nicht erforderlich, weil es sich insoweit nicht um einen tatsächlichen Umstand im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, sondern um eine rechtliche Schlussfolgerung handelt (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – VI ZR 739/20 –, juris Rn. 21). |
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| Die aufgrund der breiten medialen Berichterstattung über den „Abgas-Skandal“ allgemein und auch dem Kläger bekannten Tatsachen reichten aus, den Schluss nahe zu legen, dass der Einbau der Motorsteuerungssoftware, die nach ihrer Funktionsweise ersichtlich auf Täuschung der zuständigen Genehmigungsbehörde abzielte, auf einer am Kosten- und Gewinninteresse ausgerichteten Strategieentscheidung beruhte. Denn die Entscheidung über den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung betraf die grundlegende strategische Frage, mit Hilfe welcher technischen Lösung die Beklagte die Einhaltung der - im Verhältnis zu dem zuvor geltenden Recht strengeren - Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm sicherstellen wollte. Sie wirkte sich auf die Produktion von mehreren Millionen Fahrzeugen aus und war mit weitreichenden Konsequenzen, nicht zuletzt enormen Risiken, verbunden. Aus denselben Gründen war es weiter naheliegend, dass eine solche Strategieentscheidung nicht etwa von einem untergeordneten Mitarbeiter im Alleingang, sondern von einem Vorstand oder einem sonstigen verfassungsmäßig berufenen Vertreter, dessen Verhalten der Beklagten gemäß § 31 BGB zuzurechnen ist, getroffen oder jedenfalls gebilligt worden war. Da sich die Unzulässigkeit der verwendeten Motorsteuerungssoftware aufdrängt, konnte daraus ohne Weiteres der Schluss auf ein diesbezügliches Bewusstsein des verfassungsmäßig berufenen Vertreters gezogen werden, ferner auf dessen Bewusstsein, dass angesichts der mit der Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung verbundenen, die volle Brauchbarkeit des Fahrzeugs einschränkenden Risiken niemand ein solches Fahrzeug − zumindest nicht ohne einen erheblichen Abschlag vom Kaufpreis − erwerben würde (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – VI ZR 739/20 –, juris Rn. 22). |
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| Da die erforderliche Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bereits vorhanden ist, wenn die dem Geschädigten bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners − bzw. seines verfassungsmäßig berufenen Vertreters im Sinne von § 31 BGB − als naheliegend erscheinen zu lassen, bedurfte es nicht näherer Kenntnis des Klägers von den „internen Verantwortlichkeiten“ im Hause der Beklagten (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – VI ZR 739/20 –, juris Rn. 23). Nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der sekundären Darlegungslast kann das Gericht in einem Fall wie dem vorliegenden vom Kläger keinen näheren Vortrag dazu verlangen, welche konkrete bei der Beklagten tätige Person das sittenwidrige Verhalten an den Tag gelegt hat (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – VI ZR 739/20 –, juris Rn.23; BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 367/19, ZIP 2020, 1763 Rn. 14 ff.; BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 34 ff.). |
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| Unerheblich ist vor diesem Hintergrund der Vortrag des Klägers, die Beklagte habe insoweit auch nach Bekanntwerden der Abgasproblematik nicht hinreichend informiert und insbesondere die Betroffenen nicht unmittelbar kontaktiert und hierdurch auf das Problem aufmerksam gemacht. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte damals wie heute bestreitet, dass verfassungsmäßig berufene Vertreter der Beklagten von der Verwendung der Abschalteinrichtung Kenntnis hatten und deshalb der subjektive Tatbestand der deliktischen Anspruchsnormen erfüllt sei. In dieser Hinsicht haben sich seit dem Jahr 2015 bis zur Klageerhebung keine neuen Erkenntnisse ergeben. Angesichts des unsubstantiierten Bestreitens der Beklagten unter Berücksichtigung ihrer sekundären Darlegungslast stand und steht die fehlende Detailkenntnis der Klägerseite vom Wissen der Repräsentanten der Beklagten um die Abschalteinrichtung einer Klage nicht entgegen (vgl. etwa Senat, Urteil vom 24. September 2019, 10 U 11/19, Rn. 67 ff., juris; Senat, Urteil vom 26. November 2019, 10 U 154/19, Rn. 66 ff., juris). |
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| Auch die Kriterien, nach welchen ein Verhalten als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB zu bewerten ist, sind aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ersichtlich (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – VI ZR 739/20 –, juris Rn. 28; Urteil des BGH vom 15. Oktober 2013 - VI ZR 124/12, ZIP 2013, 2466 Rn. 8 mwN; BGH, Urteil vom 3. Dezember 2013 - XI ZR 295/12, ZIP 2014, 65 Rn. 23 BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 - II ZR 217/03, NJW 2004, 2668, 2670, juris Rn. 49). |
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| Dem Verjährungsbeginn stand auch nicht die fehlende Zumutbarkeit einer Klageerhebung im Jahr 2015 entgegen. Die Beklagte hat die breite Öffentlichkeit und damit nicht nur die potentiellen Erwerber von Kraftfahrzeugen, die mit dem Motor EA 189 ausgestattet sind, sondern auch die Eigentümer solcher Fahrzeuge, in Form von Pressemitteilungen ab Ende September 2015 bis Mitte Oktober 2015 darüber informiert, dass dieser Motor mit einer Abschalteinrichtung versehen ist, die vom KBA als nicht ordnungsgemäß angesehen wird und daher zu entfernen ist (vgl. Senat, Urteil vom 26. November 2019, 10 U 199/19, Rn. 54, juris; Senat, Urteil vom 26. November 2019, 10 U 338/19, Rn. 52, juris). Zeitgleich war der sog. Diesel- oder Abgasskandal Gegenstand einer sehr umfassenden Presseberichterstattung. Die Öffentlichkeit wurde ferner durch das KBA über das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA 189 informiert. Die Beklagte schaltete – wie bereits ausgeführt – Anfang Oktober 2015 eine Website frei, auf der durch Eingabe der FIN überprüft werden kann, ob ein konkretes Fahrzeug mit der Abschalteinrichtung versehen ist, also von dem sog. Dieselskandal betroffen ist. Dies wurde ebenfalls in einer Pressemitteilung bekannt gegeben und war, wie allgemein bekannt ist, Gegenstand einer umfangreichen Presseberichterstattung (vgl. Senat, Urteil vom 7. April 2020, 10 U 455/19, Rn. 51, juris; Senat, Urteil vom 14. April 2020, 10 U 466/19, Rn. 43, juris). |
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| Im Jahr 2015 stand zudem keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage, ob die Beklagte den Erwerbern von Kraftfahrzeugen mit dem Motor EA 186 deliktisch haftet, der klageweisen Geltendmachung eines solchen Anspruchs entgegen. Vielmehr gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Entscheidungen zu dieser Frage. Alleine der Umstand, dass offene, bislang höchstrichterlich nicht entschiedene Rechtsfragen maßgeblich sind, macht eine Klageerhebung nicht unzumutbar. Der Rechtsweg dient gerade dazu, solche Fragen zu klären (Piekenbrock in BeckOGK, Stand: 1.5.2020, § 199 BGB Rn. 133). Ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Klärung einer entscheidungserheblichen Frage ist stets zumutbar. Zuwarten allein lässt keine Klärung der Rechtslage erwarten (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – VI ZR 739/20 –, juris Rn.14; BAG, Urteil vom 13. März 2013, 5 AZR 424/12, Rn. 27, juris; Senat, Urteil vom 7. April 2020, 10 U 455/19, Rn. 52, juris; Senat, Urteil vom 14. April 2020, 10 U 466/19, Rn. 49, juris). |
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| Eine unsichere oder zweifelhafte Rechtslage besteht nicht schon dann, wenn noch keine höchstrichterliche Entscheidung einer bestimmten Frage vorliegt. Verlangt wird vielmehr ein „ernsthafter Meinungsstreit in Rechtsprechung und Schrifttum“ (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – VI ZR 739/20 –, juris Rn. 13; BGH, Urteil vom 7. Dezember 2010, XI ZR 348/09, Rn. 21, juris; BGH, Urteil vom 24. September 2013, I ZR 187/12, Rn. 41, juris). Es gab im Jahr 2015 aber auch keinen derartigen „ernsthaften“ Meinungsstreit in Rechtsprechung und Schrifttum bezüglich der Frage einer Haftung der Beklagten wegen des Motors EA 189. Unerheblich ist, ob die Rechtslage möglicherweise nach 2015 unsicher oder zweifelhaft geworden ist. Die Verjährungsfrist wird nicht verlängert, wenn die Rechtslage erst unsicher wird, nachdem die Verjährung zu laufen begonnen hat (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – VI ZR 739/20 –, juris Rn.15; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014, XI ZR 348/13, Rn. 45, juris; Senat, Urteil vom 7. April 2020, 10 U 455/19, Rn. 53, juris; Senat, Urteil vom 14. April 2020, 10 U 466/19, Rn. 50, juris). |
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| Eine Unzumutbarkeit der Klageerhebung kann nicht aus den „sehr hohen Hürden“ abgeleitet werden, die an eine Haftung gemäß § 826 BGB gestellt werden. Die Vorschrift ergänzt als dritte „kleine Generalklausel“ neben den Tatbeständen des § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB das Deliktsrecht um einen unmittelbaren Schutz von Vermögensschäden (Förster in BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, § 826 vor Rn. 1; vgl. auch Wagner in MünchKomm-BGB, 7. Aufl., § 826 Rn. 4). Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich ein abstrakt schwer zu fassender Tatbestand (so Förster in BeckOK, Stand: 1.11.2020, § 826 BGB vor Rn. 1), der durch eine Vielzahl von Fallgruppen in der Rechtsprechung konkretisiert wird. Die sich daraus ergebenden Herausforderungen bei der Rechtsanwendung führen indes nicht zur Unzumutbarkeit einer Klageerhebung im Jahr 2015. Es gibt keinen Grundsatz dahingehend, dass die Verjährung eines auf eine Generalklausel gestützten Anspruchs erst beginnt, wenn sich in der Rechtsprechung eine entsprechende Fallgruppe herausgebildet hat. Vielmehr bleibt es auch in solchen Fällen bei dem Grundsatz, dass der Beginn der Verjährungsfrist nur ausnahmsweise herausgeschoben ist, wenn die Rechtslage unsicher oder zweifelhaft ist. Dies ist nicht bereits der Fall, wenn es um die Anwendung einer „schwierigen“, weil generalklauselartig gefassten Norm auf einen Sachverhalt geht, und Rechtsprechung hierzu noch nicht ergangen ist. Die Verjährung beruht auf den Gedanken des Schuldnerschutzes und des Rechtsfriedens. Zum einen soll der Schuldner davor bewahrt werden, nach längerer Zeit mit von ihm nicht mehr erwarteten Ansprüchen überzogen zu werden. Zum anderen soll die Verjährung den Gläubiger dazu veranlassen, rechtzeitig gegen den Schuldner vorzugehen, wobei es dem Gläubiger auch möglich sein muss, den Anspruch durchzusetzen (BGH, Urteil vom 15. März 2011, VI ZR 162/10, Rn. 16, juris; s.a. BGH, Urteil vom 30. September 2003, XI ZR 426/01, Rn. 53, juris; BGH, Versäumnisurteil vom 18. Juni 2009, VII ZR 167/08, Rn. 15, juris). Es widerspräche der dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit dienenden Funktion des Verjährungsrechts, wenn es für die Frage des Verjährungsbeginns darauf ankäme, ob der geltend gemachte Anspruch auf eine „einfache“ oder eine „schwierige“ Norm gestützt wird (Senat, Urteil vom 7. April 2020, 10 U 455/19, Rn. 54, juris; Senat, Urteil vom 14. April 2020, 10 U 466/19, Rn. 51, juris). |
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| Auch der Umstand, dass – wie sich im vorliegenden sowie einer Vielzahl weiterer sogenannter „Dieselverfahren“ gegen die hiesige Beklagte oder andere Konzerngesellschaften des Volkswagen-Konzerns eindrücklich zeigt – das Vorliegen der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen für eine deliktische Haftung der Beklagten aus § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz im Streit steht, genügt nicht, um das Vorliegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage zu bejahen. Andernfalls ergäbe sich alleine daraus, dass eine beklagte Partei das Vorliegen der Voraussetzungen eines gegen sie geltend gemachten Anspruchs umfassend bestreitet oder dass sie über einen längeren Zeitraum das Ergehen rechtskräftiger ober- und höchstrichterlicher Entscheidungen gegen sie verhindert, ein Hinausschieben des Verjährungsbeginns. Hierfür besteht aber keine Veranlassung (Senat, Urteil vom 7. April 2020, 10 U 455/19, Rn. 55, juris; Senat, Urteil vom 14. April 2020 - 10 U 466/19, juris Rn. 52). |
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| Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass dem Kläger bereits im Jahr 2015 die Erhebung einer Klage zumutbar war. Die Verjährungsfrist begann daher mit dem Schluss des Jahres 2015 zu laufen und endete mit dem Schluss des Jahres 2018. Bei der Frage des Verjährungsbeginns kommt es – wie ausgeführt – gerade nicht auf die positive Kenntnis des Klägers, sondern vielmehr auf dessen grob fahrlässige Unkenntnis an. |
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| Eine Hemmung der Verjährung vor Ablauf der Verjährungsfrist ist nicht erfolgt: |
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| Die Klage wurde erst im Jahr 2019 erhoben und zugestellt. Zu bereits im Jahr 2018 eingetretenen Hemmungs-Tatbeständen – insbesondere einem Beitritt zum Musterfeststellungsverfahren − wurde nichts vorgetragen. |
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| Dem Kläger steht kein Anspruch nach § 852 BGB auf Herausgabe dessen zu, was die Beklagte durch die unerlaubte Handlung hat. |
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| Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Anspruch aus § 852 BGB kein anderer Streitgegenstand als der primär geltend gemachte und verjährte deliktische Anspruch, der dem „Restschadensersatzanspruch“ aus § 852 BGB zu Grunde liegt. Vielmehr genüge es, dass die Voraussetzungen eines deliktischen Anspruchs vorliegen, „um die Prüfung des Bereicherungsanspruchs [aus § 852 BGB] zu veranlassen“ (BGH, Urteil vom 14. Februar 1978 – X ZR 19/76 –, BGHZ 71, 86-101 – Fahrradgepäckträger II, juris Rn. 58). Eine solche Prüfung setzt allerdings Vortrag des Klägers dazu voraus, dass und in welcher Höhe die Beklagte, die vorliegend nicht diejenige war, die das Fahrzeug an den Kläger verkauft hat, etwas aus dem Fahrzeugverkauf erlangt hat (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – VI ZR 739/20 –, juris Rn. 29). |
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| Dem Anspruch aus § 852 BGB steht im vorliegenden Fall schon entgegen, dass der Kläger das Fahrzeug nicht von der Beklagten erworben hat und auch nicht als Neuwagen von einem Vertragshändler der Beklagten, sondern als Gebrauchtwagen. Die Beklagte hat daher aufgrund der von ihr durch Inverkehrbringen des Fahrzeugs begangenen unerlaubten Handlung nichts auf Kosten des Klägers erlangt. |
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| Der Anspruch aus § 852 S. 1 BGB setzt voraus, dass der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung etwas auf Kosten des Verletzten erlangt hat. |
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| Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Formulierung „auf Kosten“ in § 852 S. 1 BGB (der § 852 Abs. 3 BGB in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung entspricht) nicht so zu verstehen wie in § 812 Abs. 1 S. 1 BGB: „Der Bereicherungsanspruch des § 852 Abs. 3 BGB behält die Rechtsnatur als Schadensersatzanspruch und erfordert dieselben Voraussetzungen wie der weitergehende verjährte Schadensersatzanspruch[...]. Er hat den Charakter einer Rechtsverteidigung gegenüber der Einrede der Verjährung. Der verjährte Deliktsanspruch bleibt als solcher bestehen. Er wird nur in seinem Umfang auf das durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Geschädigten Erlangte beschränkt. § 852 Abs. 3 BGB enthält somit eine Regelung des Umfangs der deliktischen Verschuldenshaftung. [...] Aus dem Wesen des Anspruchs nach § 852 Abs. 3 BGB als Schadensersatzanspruch, der über den Zeitpunkt der Verjährung hinaus bestehen bleibt, folgt, daß der Schadensersatzanspruch von da ab in seinem Umfang auf die Bereicherung beschränkt sein soll. Aus der Verwendung der Worte "auf Kosten ... erlangt" kann nicht hergeleitet werden, daß die Voraussetzungen der Bereicherungshaftung den §§ 812 ff. BGB zu entnehmen sind. Nach dem mit § 852 Abs. 3 BGB verfolgten Zweck soll derjenige, der durch eine unerlaubte Handlung einen anderen geschädigt und dadurch sein eigenes Vermögen vermehrt hat, nicht im Genuß dieses unrechtmäßig erlangten Vorteils bleiben. [...] Die Vermögensverschiebung muß sich nicht zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten vollziehen. Die Forderung nach ihrer Unmittelbarkeit könnte dazu führen, daß der Geschädigte in vielen Fällen den Vermögensausgleich nicht mehr erlangen könnte. [... Es] ist kein Grund dafür zu erkennen, daß dennoch die Voraussetzungen der §§ 812ff BGB vorliegen müßten. Dieses Zugeständnis verträgt sich mit diesen Vorschriften nicht, wonach die Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung unabdingbare Anspruchsvoraussetzung ist. Der Begriff ´auf Kosten ... erlangt´ ist in § 852 Abs. 3 BGB auf die Handlung abgestellt, durch die die Vermögensverschiebung bewirkt worden ist. Da es eine unerlaubte war, kommt es nicht darauf an, auf welchem Wege sich die dadurch veranlaßte Vermögensverschiebung vollzogen hat“ (BGH, Urteil vom 14. Februar 1978 – X ZR 19/76 –, BGHZ 71, 86 – Fahrradgepäckträger II, juris Rn. 61 f; siehe auch BGH, Urteil vom 26. März 2019 – X ZR 109/16 –, BGHZ 221, 342, juris Rn. 21). |
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| In dem der Entscheidung BGHZ 71, 86 zu Grunde liegenden Sachverhalt führte die deliktische Handlung der Beklagten dazu, dass die Kunden der dortigen Klägerin Gepäckträger nicht mehr über diese bezogen, sondern durch die dortige Beklagte, wodurch letztere Lizenzgebühren erhielt. Das Berufungsgericht hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Beklagte die Lizenzgebühren nicht von der Klägerin und daher nicht auf deren Kosten erlangt habe. Der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil auf, da sich die Vermögensverschiebung gerade nicht zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten vollziehen müsse; in einer späteren Entscheidung wurde dies darauf gestützt, dass sich die Vermögensverschiebung gerade nicht zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten vollziehen müsse, sondern auch auf andere Weise erfolgen könne. Entscheidend ist, dass der Vermögensverlust beim Geschädigten einen entsprechenden Vermögenszuwachs zur Folge gehabt hat (BGH, Urteil vom 14. Februar 1978 – X ZR 19/76 –, BGHZ 71, 86, juris Rn. 63; siehe BGH, Urteil vom 26. März 2019 – X ZR 109/16 –, BGHZ 221, 342-352, juris Rn. 21 zu § 141 S. 2 PatG, der auf § 852 BGB verweist). |
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| Der Unterschied zur hier vorliegenden Konstellation des Gebrauchtwagenkaufs liegt jedoch darin, dass bereits der Ersterwerber des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs Geschädigter i.S.d. § 826 BGB ist, da auch für ihn bereits der Abschluss des Kaufvertrags einen Schaden darstellte. Die Vermögensverschiebung, auf die in der oben zitierten BGH-Rechtsprechung abgestellt wird, erfolgte daher im Verhältnis Ersterwerber zur Beklagten (wenn der dazwischengeschaltete (Vertrags-)Handler außen vor gelassen wird). Der wirtschaftliche Vorteil, den die Beklagte aus dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs erlangte, beruht auf dem erstmaligen Verkauf. Ob das Fahrzeug beim Ersterwerber jahrelang verbleibt, dort nach wenigen Tagen verunfallt / gestohlen oder später an einen Gebrauchtwagenkäufer weiterverkauft wird, ist für den der Beklagten zufließenden Vorteil unerheblich. Der Kläger als Gebrauchtwagenkäufer ist zwar Geschädigter i.S.d. § 826 BGB (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 –, BGHZ 225, 316), der ihm durch Abschluss des aufgrund falscher Vorstellungen über die Eigenschaften des Fahrzeugs unerwünschten Kaufvertrags entstandene Schaden steht aber außerhalb der durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs zugunsten der Beklagten in Gang gesetzten Vermögensverschiebung, auf die im Rahmen des § 852 BGB abzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 1978 – X ZR 19/76 –, BGHZ 71, 86 −, juris Rn. 62). |
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| Zwar betont der BGH auch, dass eine „wirtschaftliche Betrachtung maßgebend“ sei, führt jedoch weiter aus, dass die Vermittlung der Vermögensverschiebung durch einen Vertragspartner voraussetzt, dass der Vermögensverlust beim Geschädigten einen entsprechenden Vermögenszuwachs beim Schädiger zur Folge gehabt hat (BGH, Urteil vom 14. Februar 1978 – X ZR 19/76 –, BGHZ 71, 86 –, juris Rn. 63; BGH, Urteil vom 26. März 2019 – X ZR 109/16 –, BGHZ 221, 342, juris Rn. 16). Der wirtschaftliche Vorteil der Beklagten durch den Verkauf des Fahrzeugs ist jedoch bereits durch die Erstveräußerung des Fahrzeugs vollumfänglich eingetreten und damit keine Folge des Erwerbs durch den Kläger und damit des bei ihm entstandenen Schadens. |
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| Der erforderliche Zusammenhang zwischen Vorteil und Schaden kann auch nicht mit dem Argument begründet werden, dass der Schaden durch den Weiterverkauf an den Zweiterwerber „weitergereicht“ wird (so LG Hildesheim, Beschluss vom 29. November 2020 – 5 O 183/20 –, juris Rn. 4). Denn der Verkauf des Fahrzeugs durch den Ersterwerber ändert nichts daran, dass dem Ersterwerber ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB zusteht, er muss sich lediglich im Rahmen der Schadensberechnung den erzielten Kaufpreis anrechnen lassen, da er das Fahrzeug nicht mehr zurückgeben kann. Die Beklagte könnte daher im Grundsatz von sämtlichen Erwerbern gem. § 852 BGB in Anspruch genommen werden mit der Folge, dass sie das „Erlangte“ i.S.d. § 852 BGB mehrfach gem. § 852 BGB auszahlen müsste. Hier käme zwar Entreicherung in Betracht, die Beklagte könnte sie sich jedoch nach den auch auf den Anspruch aus § 852 BGB anwendbaren §§ 818 Abs. 4, 819 BGB (BeckOGK/Eichelberger, 1.12.2020, § 852 BGB Rn. 24) hierauf nicht berufen, da bei Vorliegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung Bösgläubigkeit anzunehmen wäre. |
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| Damit hat jedenfalls ein Käufer, der ein mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung („Umschaltlogik“) versehenes Fahrzeug als Gebrauchtwagen erworben hat, nach Verjährung des Anspruchs aus § 826 BGB keinen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten nach § 852 BGB (ebenso: LG Osnabrück, Urteil vom 03.07.2020 – 6 O 842/20, BeckRS 2020, 17605 Martinek, jM 2021, 9, 14/15). |
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| Ob dies auch für den Erstverkäufer gilt, der ein Fahrzeug der Beklagten (wie in den meisten Fällen) nicht direkt von der Beklagten erworben hat, sondern von einem Vertragshändler, der das Fahrzeug seinerseits von der Beklagten erworben hat, kann vorliegend dahinstehen. |
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| Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO – beschränkt auf die beiden folgenden Problemkreise – zugelassen: Die Frage, ob es aufgrund der allgemeinen Bekanntheit und der breiten medialen Berichterstattung über den „Abgasskandal“ als grob fahrlässig i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB anzusehen ist, wenn ein Erwerber eines hiervon betroffenen Fahrzeugs im Jahr 2015 keine Erkundungen bezüglich der Betroffenheit seines Fahrzeugs einholt, ist für zahlreiche andere rechtshängige Verfahren relevant und hat grundsätzliche Bedeutung. Dies gilt auch für die vom Bundesgerichtshof ebenfalls bisher nicht entschiedene Frage, ob ein Anspruch aus § 852 BGB im Falle des Gebrauchtwagenkaufs ausgeschlossen ist. |
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