Urteil vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 Bf 200/15

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2015 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen, soweit die Berufung im Hinblick auf den ersten Hilfsantrag, die Beklagte zu verpflichten, den Betrieb des Offshore-Windparks „...“ zu untersagen, zurückgewiesen worden ist.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt im Wesentlichen die Verpflichtung der Beklagten, der Beigeladenen den Betrieb eines Offshore-Windparks zu untersagen, sowie die Feststellung, dass die Ablehnung der Beklagten, die Errichtung dieses Windparks zu untersagen, rechtswidrig war.

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Die Beigeladene betreibt in der ausschließlichen Wirtschaftszone (im Folgenden: AWZ) der Bundesrepublik Deutschland vor der Insel Sylt den Offshore-Windpark „...“. Die Errichtung der insgesamt 80 Windenergieanlagen ist im August 2015 abgeschlossen und der Windpark in Betrieb genommen worden.

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1. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (im Folgenden: BSH) erteilte mit Bescheid vom 18. Dezember 2002 eine Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des Windparks mit 80 einzelnen Windenergieanlagen einschließlich Nebenanlagen auf einer Fläche von insgesamt 34 km². Die Genehmigung enthält unter Nr. 23 eine Nebenbestimmung, wonach die Genehmigung erlischt, wenn nicht bis zum 1. Juni 2005 mit den Bauarbeiten für die Installation der Anlagen begonnen wird bzw. soweit die gesamte Anlage oder einzelne Windenergieanlagen nicht zügig errichtet, dauerhaft nicht in Betrieb genommen oder dauerhaft außer Betrieb genommen oder einzelne Anlagen nur noch sporadisch betrieben werden. Die Genehmigungsbehörde setze in diesen Fällen nach Anhörung des Genehmigungsinhabers angemessene Fristen. Die Genehmigung für das beantragte Vorhaben sei zu erteilen, da keiner der in § 3 Satz 1 der Verordnung über Anlagen seewärts der Begrenzung des deutschen Küstenmeeres (Seeanlagenverordnung) in der zum Genehmigungszeitpunkt am 18. Dezember 2002 geltenden Fassung (im Folgenden: SeeAnlV a. F.) geregelten Versagungsgründe vorliege und deshalb ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung bestehe. Von dem Windpark sei insbesondere keine Gefä;hrdung der Meeresumwelt zu erwarten. Hinsichtlich der Rastvogelpopulation der Seetaucher (Gavia stellata/Gavia arctica) sei eine Prüfung am Maßstab des analog anzuwendenden § 34 Abs. 1 BNatSchG durchzuführen. Es werde aus Gründen der Rechtssicherheit eine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt, obwohl der Windpark in einem derzeit noch nicht abgegrenzten und formal gemeldeten Schutzgebiet geplant sei. Da es sich um ein etwaiges faktisches Schutzgebiet handele, seien Schutzzweck und daraus abgeleitete Erhaltungsziele bisher noch nicht definiert. Nach dem Ergebnis der Untersuchungen und des Anhörungstermins wanderten die Seetaucher im Verlauf der Wintermonate von küstennahen Bereichen im Frühling in küstenfernere Bereiche der nördlichen deutschen AWZ, wo sie im März/April die höchsten Dichten aufwiesen und sich Fettreserven für den ab April/Mai folgenden Zug in die arktischen Brutgebiete zulegten. Schutzzweck und Erhaltungsziele könnten mit den Stichworten „Erhalt und Entwicklung der ökologischen Funktionen des Gebiets sowie Vermeidung und Verminderung von negativen Auswirkungen menschlicher Aktivitäten“ in Bezug auf die Seetaucherpopulation beschrieben werden. Für diese Ziele ergäben sich als Umsetzungsgebote der Erhalt dauerhaft ausreichender Fischbestände als Nahrungsgrundlage und der Wasserqualität durch weitgehende Vermeidung von Schadstoffeinträgen sowie die Vermeidung und Verminderung von Scheuchwirkungen von Offshore-Installationen. Letzteres Umsetzungsgebot werde nach derzeitigem Wissensstand nachteilig beeinträchtigt. Aus Vorsorgegesichtspunkten sei von einem generellen Scheuchabstand der Seetaucher von 2 km zu den Anlagen auszugehen. Dies bedeute einen Lebensraumverlust von ca. 101 km². Ein solcher Flächenverlust führe jedoch nicht ohne weiteres zur Unverträglichkeit. Für die Beurteilung der Erheblichkeit seien verschiedene Kriterien zu bewerten, die jeweils und in der Gesamtschau dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen müssten. Sowohl nach einer funktional-artenspezifischen Betrachtung der voraussichtlich vertriebenen Seetaucherexemplare als auch nach einer Flächenbetrachtung, die den durch das Vorhaben voraussichtlich bewirkten Habitatverlust in Bezug zu dem maßgeblichen Schutzgebiet setze, sei das Vorhaben mit dem Schutzzweck und den Erhaltungszielen des etwaigen Schutzgebiets vereinbar und als verträglich zu bewerten. An dieser Bewertung ändere sich auch nichts, wenn man etwaige kumulative Auswirkungen bereits realisierter oder genehmigter Projekte berücksichtige. Wegen der Einzelheiten der von der Beklagten vorgenommenen Verträglichkeitsprüfung wird auf S. 48 bis 55 des Genehmigungsbescheids vom 18. Dezember 2002 Bezug genommen.

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Gegen diese Genehmigung erhob der Kläger zusammen mit dem .... am 6. Mai 2003 Klage beim VG Hamburg (19 VG 2474/2003). Das Verwaltungsgericht wies die Klage durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 1. Dezember 2003 ab, weil sie mangels Klagebefugnis unzulässig sei. Den dagegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung (1 Bf 113/04) nahm der Kläger am 3. Mai 2004 zurück. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht wies den Antrag des .... auf Zulassung der Berufung durch Beschluss vom 3. Dezember 2004 zurück.

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Auf Antrag der Beigeladenen verlängerte die Beklagte die Frist für den Beginn der Bauarbeiten für die Errichtung des Windparks mit Bescheiden vom 25. Mai 2005, 17. Oktober 2007 und 17. Februar 2011. Mit dem letzten Änderungsbescheid wurde der Termin für den spätesten Beginn der Bauarbeiten auf den 31. Dezember 2014 festgesetzt. Die Beklagte übersandte Abdrucke dieser Verlängerungsbescheide an den Kläger, der dagegen nicht vorging. Eine Klage des .... gegen den Bescheid vom 25. Mai 2005 (19 K 2169/06) wurde zurückgenommen.

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2. Durch Verordnung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 15. September 2005 (BGBl. I S. 2782) wurde das als Europäisches Vogelschutzgebiet registrierte Meeresgebiet „Östliche Deutsche Bucht“ (DE 1011-401), dessen Fläche auch den geplanten Windpark umfasst, zum Naturschutzgebiet erklärt. Die Unterschutzstellung dient nach § 3 der Verordnung der dauerhaften Erhaltung und Wiederherstellung des Meeresgebietes in seiner Funktion als Nahrungs-, Überwinterungs-, Mauser-, Durchzugs- und Rastgebiet für bestimmte dort vorkommende Arten, insbesondere für Sterntaucher (Gavia stellata) und Prachttaucher (Gavia arctica). Die Verordnung ist mittlerweile durch die Verordnung über die Festsetzung des Naturschutzgebietes „Sylter Außenriff – Östliche Deutsche Bucht“ vom 22. September 2017 (BGBl. I S. 3423) ersetzt worden (vgl. entsprechend zum Schutzzweck hinsichtlich der Stern- und Prachttaucher § 5 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) und b), Nr. 3 der Verordnung).

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3. Mit Schreiben vom 21. Februar 2014 an das Bundesamt für Naturschutz (im Folgenden: BfN) beantragte der Kläger, die Errichtung und den Betrieb des geplanten Windparks zu untersagen, da ein dauerhafter, nicht mehr umkehrbarer relevanter Lebensraumverlust für die Vogelarten Stern- und Prachttaucher in ihrem Hauptkonzentrationsgebiet drohe. Hilfsweise beantragte der Kläger, zum Schutz der Schweinswale im Bereich des geplanten Windparks während der Fortpflanzungszeit von Mai bis August ein Bauverbot auszusprechen, um die ansonsten zu erwartenden erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die dort vorhandene Schweinswalpopulation zu vermeiden. Das BfN werde als gemäß § 58 BNatSchG zuständige Behörde aufgefordert, entsprechende Gefahrenabwehrmaßnahmen auf der Grundlage des Umweltschadensgesetzes zu ergreifen.

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Mit Bescheid vom 5. März 2014 lehnte das BfN den Antrag ab. Zur Begründung führte es aus, für die Untersagung unzuständig zu sein. Das Umweltschadensrecht sei auf die Gefahrenabwehr bei Seeanlagen nicht anwendbar. Die Überwachung der Einhaltung naturschutzrechtlicher Vorschriften bei Errichtung und Betrieb von Seeanlagen im Bereich der deutschen AWZ und des Festlandsockels obliege nicht dem BfN, sondern allein dem BSH. § 58 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG weise dem BfN die Zuständigkeit zur Durchführung der Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Vorschriften nur zu, soweit nichts anderes bestimmt sei. Eine anderweitige Bestimmung im vorgenannten Sinne sei bei Seeanlagen die Spezialregelung des § 16 SeeAnlV. Diese weise dem BSH die Aufgabe zu, die Anlagen, ihre Errichtung und ihren Betrieb zu überwachen, und räume dem BSH entsprechende Befugnisse ein. Eine Zuständigkeit des BfN zur Anordnung von Maßnahmen zur Vermeidung von Umweltbeeinträchtigungen durch Seeanlagen ergebe sich auch nicht aus dem Umweltschadensgesetz.

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Den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies das BfN mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2014 zurück. Das BfN sei wie im Ausgangsbescheid ausgeführt nicht nach § 58 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG für die Gefahrenabwehr bei Seeanlagen zuständig. Fachrechtliche Bestimmungen gingen dem Umweltschadensgesetz immer vor, wenn sie dem Anspruchsniveau des Umweltschadensgesetzes entsprächen oder weitergehende Anforderungen stellten. Dies sei bei den Vorschriften des Seeanlagenrechts hinsichtlich der Pflicht zur Vermeidung von Biodiversitätsschäden und der entsprechenden Überwachung von Windparks der Fall.

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Am 23. April 2014 erhob der Kläger gegen die Beklagte, vertreten durch das BfN, Klage beim VG Köln (11 K 2359/14). Er beantragte, die Beklagte zu verpflichten, die weitere Errichtung und den Betrieb des geplanten Windparks zu untersagen, da ein dauerhafter, nicht mehr umkehrbarer relevanter Lebensraumverlust für die Vogelarten Stern- und Prachttaucher in ihrem Hauptkonzentrationsgebiet drohe. Außerdem begehrte er, wegen gegebenenfalls bereits eingetretener Umweltschäden am Lebensraum der vorgenannten Vogelarten die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen gegenüber dem Vorhabenträger anzuordnen, ferner die Beklagte zu verpflichten, zum Schutz der Schweinswale im Bereich des im Bau befindlichen Windparks während der Fortpflanzungszeit von Mai bis August ein Bauverbot auszusprechen, um den ansonsten zu erwartenden Umweltschaden im Hinblick auf die dort vorhandene Schweinswalpopulation zu vermeiden, sowie wegen gegebenenfalls bereits eingetretener Umweltschäden an der im Bereich des Windparkstandorts lebenden Schweinswalpopulation die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen gegenüber dem Vorhabenträger anzuordnen.

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Durch Hinweisschreiben vom 19. Mai 2014 teilte das VG Köln dem Kläger mit, die Überwachung der Einhaltung naturschutzrechtlicher Vorschriften bei Errichtung und Betrieb von Seeanlagen im Bereich der deutschen AWZ und des Festlandsockels obliege allein dem BSH. Die Klage habe daher keine Aussicht auf Erfolg.

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Mit Urteil vom 9. Juli 2014 wies das VG Köln die Klage im Verfahren 11 K 2359/14 als unzulässig ab. Soweit sie die begehrten Sanierungsmaßnahmen betreffe, folge dies bereits daraus, dass der Kläger sie bislang gegenüber der Beklagten noch nicht geltend gemacht habe. Soweit der Kläger mit den weiteren Anträgen das Begehren verfolge, „nur und ausschließlich das Bundesamt für Naturschutz zu verpflichten, die Errichtung und den Betrieb des geplanten Offshore-Windparks zu untersagen sowie [...] ebenfalls nur und ausschließlich das Bundesamt für Naturschutz zu verpflichten, ein zeitlich befristetes Bauverbot auszusprechen, folgt die Unzulässigkeit der Klage aus der fehlenden Passivlegitimation des Bundesamtes für Naturschutz. Denn dieses ist nach Auffassung des Gerichts für die begehrten Maßnahmen nicht zuständig.“ Zuständig sei vielmehr allein das BSH nach § 16 SeeAnlV, der eine andere Bestimmung i. S. v. § 58 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG sei.

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4. Als Reaktion auf das Hinweisschreiben des Verwaltungsgerichts Köln beantragte der Kläger am 26. Mai 2014 auch beim BSH, die weitere Errichtung und den Betrieb des geplanten Windparks zu untersagen, da ein dauerhafter, nicht mehr umkehrbarer relevanter Lebensraumverlust für die Vogelarten Stern- und Prachttaucher in ihrem Hauptkonzentrationsgebiet drohe. Außerdem begehrte er, wegen gegebenenfalls bereits eingetretener Umweltschäden am Lebensraum der vorgenannten Vogelarten die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen gegenüber dem Vorhabenträger anzuordnen, ferner die Beklagte zu verpflichten, zum Schutz der Schweinswale im Bereich des im Bau befindlichen Windparks während der Fortpflanzungszeit von Mai bis August ein Bauverbot auszusprechen, um den ansonsten zu erwartenden Umweltschaden im Hinblick auf die dort vorhandene Schweinswalpopulation zu vermeiden, sowie wegen gegebenenfalls bereits eingetretener Umweltschäden an der im Bereich des Windparkstandorts lebenden Schweinswalpopulation die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen gegenüber dem Vorhabenträger anzuordnen.

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5. Am 17. Juni 2014 hat der Kläger die vorliegende Klage beim VG Hamburg als Untätigkeitsklage erhoben. Mit Klageerhebung hat er beantragt, 1. die Beklagte zu verpflichten, die weitere Errichtung und den Betrieb des geplanten Offshore-Windparks ..... zu untersagen, da mit der Errichtung und dem Betrieb des Parks ein dauerhafter, nicht mehr umkehrbarer relevanter Lebensraumverlust für die Vogelarten Sterntaucher (Gavia stellata) und Prachttaucher (Gavia arctica) in ihrem Hauptkonzentrationsgebiet droht; 2. wegen gegebenenfalls bereits eingetretener Umweltschäden am Lebensraum der vorgenannten Vogelarten die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen gegenüber dem Vorhabenträger anzuordnen; 3. die Beklagte zu verpflichten, zum Schutz der Schweinswale (Phocoena phocoena) im Bereich des im Bau befindlichen Offshore-Windparks ... während der Fortpflanzungszeit von Mai bis August ein Bauverbot auszusprechen, um den ansonsten zu erwartenden Umweltschaden im Hinblick auf die dort vorhandene Schweinswalpopulation zu vermeiden; 4. wegen gegebenenfalls bereits eingetretener Umweltschäden an der im Bereich des Windparkstandortes lebenden Schweinswalpopulation die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen gegenüber dem Vorhabenträger anzuordnen,

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Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor: Bau und Betrieb des Windparks begründeten die Gefahr eines Umweltschadens. Die Windparkfläche liege innerhalb des FFH-Gebiets „Sylter Außenriff“ und des Vogelschutz- bzw. Naturschutzgebiets „Östliche Deutsche Bucht“. Der tatsächliche Umfang des drohenden Umweltschadens sei ihm, dem Kläger, erst aufgrund eines Gutachtens des...vom 30. Januar 2014 klar geworden. Er sei als anerkannter Umweltverband berechtigt, nach §§ 10, 11 USchadG die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr eines drohenden bzw. zur Sanierung eines eingetretenen Umweltschadens bei der zuständigen Behörde zu beantragen und die Ablehnung dieses Antrags gerichtlich überprüfen zu lassen. Die bestandskräftige Genehmigung stehe dem nicht entgegen, weil bei der Genehmigungserteilung die den Umweltschaden begründenden Gesichtspunkte weder zutreffend erkannt noch bewältigt worden seien. Es sei ein Umweltschaden im Sinne des § 19 BNatSchG und des Unionsumweltrechts zu befürchten. Denn durch den Windpark fielen relevante Habitatbereiche des Vogelschutzgebiets für die dort wertgebenden Arten Stern- und Prachttaucher weg und es komme zu einer Störung dieser Arten i. S. v. § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG.

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6. Mit Bescheid vom 1. August 2014 lehnte das BSH die Anträge ab. Maßgebliche Rechtsgrundlage sei § 16 SeeAnlV. Der Kläger sei jedoch als anerkannter Umweltverband nicht antragsbefugt. Soweit er sich auf das Umweltschadensgesetz berufe, sei nach § 58 Abs. 1 BNatSchG nicht das BSH, sondern das BfN zuständig. Die Antragsbefugnis lasse sich auch nicht auf eine analoge Anwendung von § 2 UmwRG i. V. m. § 11 USchadG stützen. Anerkannte Umweltverbände könnten einen Antrag auf Tätigwerden gemäß § 10 USchadG nur zur Durchsetzung von Sanierungspflichten stellen und danach gemäß § 11 Abs. 2 USchadG Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Ein solches Beteiligungsrecht bestehe bei der Gefahrenabwehr jedoch nicht. Die Anträge des Klägers seien außerdem unbegründet. Die Errichtung des Windparks führe zu keiner Gefahr für die Seetaucherpopulation in dem maßgeblichen Gebiet. Wegen der Feststellungswirkung der Genehmigung vom 18. Dezember 2002 dürfe dem Träger des Vorhabens nicht entgegengehalten werden, das Vorhaben sei nicht mit Rechtsvorschriften vereinbar, die im Genehmigungsverfahren zu prüfen gewesen seien, solange die Wirksamkeit der Genehmigung andauere. Eine Rücknahme der Genehmigung auf der Grundlage des § 48 VwVfG komme nicht in Betracht. Das BSH habe ohne Rechtsverstoß angenommen, dass der Windpark ... nicht zu einer rechtlich relevanten Beeinträchtigung der Populationen der Stern- und Prachttaucher führe. Auch ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG scheide aus. Zwar sei durch die nachträgliche Ausweisung des Naturschutzgebiets „Östliche Deutsche Bucht“ eine Rechtsvorschrift geändert worden, jedoch habe der Genehmigungsinhaber von der Genehmigung bereits Gebrauch gemacht, indem er mit dem Bau der Anlage begonnen habe. Außerdem würde ohne den Widerruf nicht das öffentliche Interesse gefährdet. Denn es sei nicht einmal davon auszugehen, dass das Schutzgebiet durch die Errichtung und den Betrieb des Windparks erheblich beeinträchtigt werde. Errichtung und Betrieb des Windparks verursachten keinen erheblichen Habitat verlust für die Seetaucher. Auch eine hilfsweise Vergleichsprüfung nach dem Umweltschadensgesetz führe zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr sei auch nach dem Umweltschadensgesetz zu berücksichtigen, dass der Vorhabenträger über eine Genehmigung verfüge, in der die Beeinträchtigung der Seetaucherpopulation eingehend untersucht worden sei, und dass er im berechtigten Vertrauen auf diese Genehmigung sein Vorhaben verwirkliche. Für die auf Sanierung gerichteten Anträge sei gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG i. V. m. dem Umweltschadensgesetz das BfN zuständig.

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Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 7. August 2014 Widerspruch, den er auf den Antrag auf Untersagung der weiteren Errichtung und des Betriebs des Windparks beschränkte. Er führte aus, ebenfalls von der fehlenden Zuständigkeit des BSH für die Sanierungsanträge auszugehen. Auch habe sich infolge der Beendigung der Rammarbeiten der Antrag auf Maßnahmen der Gefahrenabwehr hinsichtlich des drohenden Schadens an der Schweinswalpopulation erledigt. Mit Schriftsatz vom 8. August 2014 teilte der Kläger dem Verwaltungsgericht mit, seinen Widerspruch auf seinen ursprünglichen Antrag zu 1) beschränkt zu haben, so dass die Klageanträge zu 2) bis 4) nicht aufrechterhalten würden.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2014 wies das BSH den Widerspruch zurück. Der Widerspruch sei unzulässig. Der Kläger sei aus den bereits im Ausgangsbescheid ausgeführten Gründen nicht antragsbefugt. Zudem entfalte die Genehmigung nach der Seeanlagenverordnung grundsätzlich eine Legalisierungswirkung. Für die begehrte Anordnung wäre gleichzeitig eine zumindest teilweise Aufhebung der Genehmigung durch Widerruf oder Rücknahme erforderlich. Im Übrigen gelange man auch nach den Maßstäben des Umweltschadensgesetzes nicht zu einer erneuten Prüfung der von dem Kläger angeführten umweltschützenden Vorschriften. Denn nach § 2 Nr. 1 lit. a) USchadG i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG liege keine Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen vor. Das BSH habe im Genehmigungsbescheid den Habitatverlust für Seetaucher als mögliche Auswirkung des Windparks ermittelt, diese Auswirkungen analog § 34 BNatSchG überprüft und auf dieser Grundlage die Genehmigung nach der Seeanlagenverordnung erteilt. Ungeachtet der fehlenden Widerspruchsbefugnis sei der Widerspruch aufgrund der Legalisierungswirkung der Genehmigung auch unbegründet. Das Umweltschadensrecht sei insoweit schon deshalb nicht anzuwenden, weil die Genehmigungsinhaberin nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG verantwortlich sei.

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7. Zur Begründung seines verbleibenden Klageantrags trug der Kläger ergänzend insbesondere vor: Seine Klagebefugnis folge aus § 11 Abs. 2 USchadG. Die beschränkte Antragsbefugnis nach § 10 USchadG sei nicht an die Klagebefugnis gekoppelt, sondern schaffe lediglich die zusätzliche Möglichkeit einer auf Sanierungsmaßnahmen bezogenen Tätigkeitserzwingung. Die Einräumung einer Klagebefugnis sei auch durch die Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (ABl. L 143 v. 30.4.2004, S. 56 – Umwelthaftungsrichtlinie, im Folgenden: UHRL) geboten. Art. 12 Abs. 5 UHRL ermögliche nur, das Antragsrecht gegenüber der Behörde zu beschränken, nicht aber, auch die gerichtliche Prüfung auszuschließen. Außerdem gebiete das Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (BGBl. II 2006, S. 1252 – Aarhus-Konvention, im Folgenden: AK), sowohl Art. 12 und 13 UHRL als auch die Vorschriften des nationalen Verfahrensrechts so auszulegen, dass Umweltverbände verwaltungsbehördliche Entscheidungen anfechten könnten, die deutschem oder europäischem Umweltrecht widersprächen. Sollte Art. 12 Abs. 5 UHRL die Verbandsklagebefugnis einschränken, verstieße dies gegen eine die Europäische Union bindende völkerrechtliche Bestimmung. Die Klage sei auch begründet. Das Umweltschadensgesetz und die Seeanlagenverordnung ermächtigten insbesondere nicht nur zu vorübergehenden Maßnahmen oder solchen, die den weiteren Betrieb der Anlagen ermöglichten. Die Behörde dürfe auch die Beseitigung einer Anlage anordnen, wenn sich ein Umweltschaden nicht auf andere Weise abwenden lasse. Die Legalisierungswirkung der Genehmigung und ihrer Verlängerungen stehe dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegen. Eine Legalisierungswirkung nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG bestehe nicht. Hierfür genüge es nicht, einen möglichen Umweltschaden im Genehmigungsverfahren irgendwie zu behandeln. Die Beklagte habe den drohenden Umweltschaden nicht korrekt ermittelt. Die Auswirkungen auf die Seetaucher seien in völlig unzureichender Weise geprüft worden. Die Verträglichkeitsprüfung sei anhand eines falschen Maßstabs durchgeführt worden. Maßgeblich seien vor der formellen Schutzgebietsausweisung nicht Art. 6 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 vom 22.7.1992, S. 7 – FFH-Richtlinie, im Folgenden FFH-RL) und § 34 BNatSchG gewesen. Vielmehr habe der strengere Maßstab des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (jetzt Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.11.2009, kodifizierte Fassung, ABl. L 20 vom 26.1.2010, S. 7 – Vogelschutzrichtlinie, im Folgenden: VRL) gegolten. Das BSH hätte zudem vor jeder Verlängerung der Genehmigung erneut prüfen müssen, ob eine Gefahr für die Meeresumwelt drohe, und die Genehmigung nur verlängern dürfen, wenn dies nicht der Fall gewesen wäre. Für die Anwendbarkeit der Anordnungsbefugnisse nach dem Umweltschadensgesetz bzw. der Seeanlagenverordnung sei auch keine vorherige Aufhebung der Genehmigung nach §§ 48, 49 VwVfG erforderlich. Selbst wenn man dies anders sehen würde, sei das Ermessen auf Null reduziert und eine Aufhebung der Genehmigung zwingend geboten. Die in diesem Fall einschlägige Rücknahme nach § 48 VwVfG sei jedoch für die Anwendbarkeit des Umweltschadensgesetzes keine Voraussetzung.

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Zur inhaltlichen Begründung der Schadensgefahr für die Seetaucher hat der Kläger im vorliegenden Verfahren im Wesentlichen ausgeführt: Die unmittelbare Gefahr eines Umweltschadens bestehe hinsichtlich des Wegfalls relevanter Habitatbereiche für die Arten Stern- und Prachttaucher mit negativen Auswirkungen auf die Erhaltungsziele und der gleichzeitigen Störung dieser Arten nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG i. V. m. Art. 12 Abs. 1 lit. b) FFH-RL und Art. 5 lit. d) VRL. Das Vogelschutzgebiet Östliche Deutsche Bucht sei gemeinsam mit den westlich angrenzenden Bereichen das Hauptkonzentrationsgebiet der Seetaucher in der deutschen Nordsee. Erhaltungsziele dieses Gebietes seien die dauerhafte Erhaltung und Wiederherstellung des Meeresgebietes in seiner Funktion als Nahrungs-, Überwinterungs-, Mauser-, Durchzugs- und Rastgebiet für die Stern- und Prachttaucher. Diese zählten anerkanntermaßen zu den empfindlichsten Seevogelarten in Bezug auf Störungen durch jegliche Art menschlicher Nutzung. Offshore-Windparks übten auf Stern- und Prachttaucher eine starke Scheuchwirkung aus. Die Anlagen würden mit einem großen Abstand gemieden. In einem Zwei-Kilometer-Abstand um die Windparks kämen keine Stern- und Prachttaucher mehr vor und in einem Abstand von zwei bis vier Kilometern um den Windpark sei die Individuendichte um ca. 50 % reduziert. Die Errichtung von Windparks führe durch das ausgeprägte Meideverhalten der Seetaucher zu einem dauerhaften Habitatverlust. Der Bau des Windparks ... verkleinere deshalb die durch die Seetaucher nutzbare Schutzgebietsfläche des Vogelschutzgebietes erheblich. Die Beklagte habe die Verträglichkeit der Errichtung und des Betriebs des Windparks mit den Erhaltungszielen des von ihr zutreffend angenommenen faktischen Vogelschutzgebietes aufgrund einer grob fehlerhaften Prüfung der Beeinträchtigung des Habitatschutzes und unter Ausklammerung einer artenschutzrechtlichen Prüfung bejaht. Sie habe bei der Bestimmung der Erheblichkeit der Beeinträchtigung sowohl einen falschen Populations- als auch einen falschen Flächenmaßstab zugrunde gelegt. Die von ihr im betroffenen Gebiet angenommene Seetaucherdichte sei viel zu gering veranschlagt worden und sie habe nicht zwischen der Prachttaucher- und der Sterntaucherpopulation differenziert. Außerdem habe sie die durch den Windpark beeinträchtigte Habitatfläche zu gering bemessen. Gleichzeitig habe sie die Fläche des faktischen Vogelschutzgebietes, zu dem die beeinträchtigte Fläche in Relation gesetzt worden sei, viel zu groß veranschlagt und Kumulationswirkungen ausgeblendet. Eine artenschutzrechtliche Prüfung, insbesondere des hier offensichtlich verletzten Störungsverbots, sei vollständig unterblieben. Die Beigeladene habe hinsichtlich des drohenden Umweltschadens schließlich auch fahrlässig i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG gehandelt, da der Schaden für sie vorhersehbar gewesen sei.

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Ursprünglich hatte der Kläger seinen verbleibenden Antrag mit dem Inhalt angekündigt, den Bescheid der Beklagten vom 1. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die weitere Errichtung und den Betrieb des geplanten Offshore-Windparks ... zu untersagen, da mit Errichtung und Betrieb des Parks ein dauerhafter, relevanter, nicht mehr umkehrbarer Lebensraumverlust für die Vogelarten Sterntaucher (Gavia stellata) und Prachttaucher (Gavia arctica) in ihrem Hauptkonzentrationsgebiet drohe. In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts hat er ausgeführt, bisher keine Kenntnis von dem Abschluss der Errichtung des Windparks gehabt zu haben. Er stelle den Antrag auf Untersagung der Errichtung des Windparks nunmehr auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag um. Das notwendige Fortsetzungsfeststellungsinteresse folge aus der Wiederholungsgefahr, dass im Hauptkonzentrationsgebiet der beiden Seetaucherarten weitere Offshore-Windparks durch die Beklagte genehmigt und anschließend realisiert werden könnten. Zudem führte der Kläger aus, die vorliegende Klage richte sich im Übrigen nicht gegen die Genehmigung des Windparks sowie deren dreimalige Verlängerung.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 1.8.2014 – soweit dieser entgegensteht – und des Widerspruchsbescheids vom 1.10.2014 – soweit dieser entgegensteht – zu verpflichten, den Betrieb des Offshore-Windparks ... zu untersagen,

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sowie

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festzustellen, dass die mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 1.8.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.10.2014 ausgesprochene Ablehnung des weiter verfolgten Antrags des Klägers vom 26.5.2014 im Hinblick auf die Errichtung des Windparks rechtswidrig war.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Die Klage sei unzulässig, weil ihr zum einen die Rechtskraft des klageabweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts Köln entgegen stehe und der Kläger zum anderen nicht klagebefugt sei. Der verbliebene Antrag auf Untersagung der Errichtung und des Betriebs des Windparks betreffe allein die Durchsetzung einer vermeintlichen Gefahrenabwehrpflicht nach § 5 USchadG. Die Durchsetzung vermeintlicher Sanierungspflichten habe der Kläger mit einem gesonderten Antrag verfolgt. Nach § 11 Abs. 2 USchadG bestehe eine Verbandsklagebefugnis jedoch nur für die Anordnung von Sanierungsmaßnahmen, nicht zur Durchsetzung von Gefahrenabwehrpflichten.

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Die Beigeladene hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Die Klage sei bereits unzulässig, weil der Kläger weder nach der Seeanlagenverordnung noch nach dem Umweltschadensgesetz eine Klagebefugnis besitze. Der Sache nach gehe es dem Kläger um die Beseitigung der Zulassung der Anlage. Dem stehe die Bestandskraft der Genehmigung entgegen. Das Umweltschadensgesetz räume trotz seiner Einschränkungen des Bestandsschutzes keinen Anspruch ein, der die Legalisierungswirkung einer Zulassung beseitige. Im Übrigen habe der Kläger, der nach der Zulassung der Anlage und dem Ende des dagegen gerichteten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens fast zehn Jahre untätig geblieben sei, einen etwaigen Anspruch verwirkt. Das Klagerecht eines Umweltverbandes bestehe außerdem nur zur Durchsetzung von Sanierungspflichten. Die Klage sei im Übrigen auch unbegründet. Der sachliche Anwendungsbereich des Umweltschadensgesetzes nach § 3 Abs. 1 USchadG sei nicht eröffnet; insbesondere habe die Beigeladene nicht fahrlässig im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG gehandelt. Auch liege kein Umweltschaden i. S. v. § 19 Abs. 1 BNatSchG vor. Die Beklagte habe eine mögliche Beeinträchtigung der Seetaucher im Genehmigungsbescheid ausführlich geprüft und keine erheblichen Beeinträchtigungen festgestellt. Diese Prüfung habe nicht an schwerwiegenden Fehlern gelitten, so dass die Genehmigung nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG Legalisierungswirkung habe. Des Weiteren ermögliche § 16 Abs. 3 SeeAnlV nur eine vorübergehende, keine endgültige Untersagung des Betriebs eines Windparks. Auch das Umweltschadensgesetz ermögliche nur punktuelle nachträgliche Einschränkungen des Betriebsrechts einer genehmigten Anlage, die jedoch die Zulassung an sich nicht in Frage stellen dürften. Eine auf die Aufgabe des Betriebs gerichtete Verfügung sei im Übrigen ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte des Betreibers aus Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG. Außerdem fehle es an der Spruchreife, weil die zuständige Behörde bislang noch nicht die notwendigen Ermittlungen zur Feststellung eines Umweltschadens durchgeführt habe.

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8. Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. September 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage, soweit sie nicht zurückgenommen worden war, abgewiesen. Hinsichtlich der zunächst anhängig gemachten Anträge zu 2) – 4) sei das Prozessverhalten des Klägers – n28;mlich die Aufgabe der Anträge im Verwaltungsverfahren durch Beschränkung des Widerspruchs vom 7. August 2014 verbunden mit den Erklärungen im gerichtlichen Verfahren, insbesondere im Schriftsatz vom 8. August 2014 – als Klagerücknahme zu werten. Im Übrigen sei die Klage unzulässig. Zwar schließe die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. Juli 2014 weder das allgemeine Rechtsschutzinteresse des Klägers noch die Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichts Hamburg aus. Denn das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln treffe nur eine für das vorliegende Streitverhältnis zu der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BSH, unergiebige verbindliche Aussage dazu, dass der Kläger gegenüber dem BfN wegen dessen Unzuständigkeit keinen Anspruch auf Gefahrenabwehrmaßnahmen gegenüber der Beigeladenen geltend machen könne. Es habe lediglich über diesen eng gefassten Streitgegenstand der fehlenden Passivlegitimation des BfN, nicht dagegen der Bundesrepublik Deutschland, entschieden.

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Die Verpflichtungs- und die Fortsetzungsfeststellungsklage seien jedoch mangels Klagebefugnis unzul8;ssig. Der Kläger habe insbesondere kein Verbandsklagerecht. Ein solches ergebe sich weder aus dem Umweltschadensgesetz in Verbindung mit dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz noch aus anderen Gesetzen. Die Verbandsklagebefugnis folge nicht aus §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 UmwRG. Denn die Klage richte sich nicht gegen eine Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben, sondern sei ausschließlich auf eine Verpflichtung der Beklagten gerichtet, nach dem Umweltschadensgesetz tätig zu werden. Die der Beigeladenen erteilte Genehmigung aus dem Jahre 2002 sowie die Verlängerungsentscheidungen aus den Jahren 2005, 2007 und 2011 seien nicht Klagegegenstand. Eine Verbandsklagebefugnis des Klägers folge auch nicht aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 UmwRG i. V. m. § 11 Abs. 2 USchadG. Denn diese Verbandsklagebefugnis sei auf solche Fälle beschränkt, in denen ein anerkannter Naturschutzverband die Vornahme von Sanierungsmaßnahmen begehre. Sofern die Klage wie im vorliegenden Fall auf eine Verpflichtung staatlicher Behörden zur Vornahme von Gefahrenabwehrmaßnahmen gerichtet sei, scheide eine Verbandsklagebefugnis aus. Denn trotz des ohne Einschränkung formulierten Wortlauts von § 11 Abs. 2 USchadG beziehe sich die dort vorgesehene Verbandsklagebefugnis allein auf die Fälle, für die § 10 USchadG auch eine Antragsbefugnis des Verbandes gegenüber der zuständigen Behörde eröffne, mithin auf Sanierungsmaßnahmen im Gegensatz zu Maßnahmen der Gefahrenabwehr. Eine solche Auslegung der §§ 10, 11 USchadG ergebe sich aus Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck sowie Systematik der Vorschriften des Umweltschadensgesetzes. Das Unionsrecht stehe einer solchen Auslegung ebenso wenig wie die Aarhus-Konvention entgegen. Eine Verbandsklagebefugnis folge auch nicht aus § 11 Abs. 2 USchadG i. V. m. § 16 SeeAnlV bzw. aus § 16 SeeAnlV in analoger Anwendung der entsprechenden Vorschriften des Umweltschadensgesetzes. Abgesehen davon, dass § 11 Abs. 2 USchadG eine Verbandsklagebefugnis nur zur Durchsetzung von Sanierungsmaßnahmen vorsehe, regele die Vorschrift ihrem eindeutigen Wortlaut nach auch nur eine Verbandsklagebefugnis in Bezug auf behördliche Entscheidungen oder deren Unterlassung nach dem Umweltschadensgesetz selbst. Auch aus §§ 64, 63 BNatSchG ergebe sich keine Klagebefugnis des Klägers, da es im vorliegenden Fall nicht um eine Entscheidung in einem Planfeststellungsverfahren oder um eine Plangenehmigung und auch nicht um eine Befreiung von den Ge- oder Verboten einer Verordnung über geschützte Meeresgebiete oder gleichgestellte Gebiete gehe.

34

9. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hinsichtlich der Frage der Beschränkung der Verbandsklagebefugnis nach §§ 10, 11 Abs. 2 USchadG auf Fälle von Sanierungsmaßnahmen zugelassen. Nach Zustellung des Urteils an den Kläger am 29. Oktober 2015 hat dieser am 26. November 2015 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch den Senatsvorsitzenden bis zum 29. Januar 2016 – am 28. Januar 2016 begründet.

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Zur Begründung der Berufung führt der Kläger im Wesentlichen aus: Die Klage sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts zulässig. Zutreffend sei zwar die Feststellung des Verwaltungsgerichts, es gehe im vorliegenden Verfahren ausschließlich um den Erlass von Gefahrenabwehrmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz und nicht um Sanierungsmaßnahmen. Nach den europa- und völkerrechtlichen Vorgaben bestehe die Verbandsklagebefugnis nach § 11 Abs. 2 USchadG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 UmwRG jedoch auch für die Durchsetzung von Gefahrenabwehrmaßnahmen. Art. 13 UHRL weise bereits dem Wortlaut nach keinerlei Einschränkungen der Klagebefugnis auf. Ein direkter Bezug des Art. 13 Abs. 1 UHRL zu der in Art. 12 Abs. 5 UHRL geregelten Beschränkungsmöglichkeit sei nicht ersichtlich. Auch die Formulierung in Art. 12 Abs. 1 lit. a) UHRL, die auf wahrscheinlich von einem Umweltschaden betroffene Personen abstelle, zeige, dass Art. 13 Abs. 1 UHRL vorsehe, dass auch natürliche und juristische Personen, die von der unmittelbaren Gefahr eines Umweltschadens betroffen seien, ein Gericht anrufen könnten. Dieses Ergebnis werde durch die Gesetzgebungshistorie bestätigt. In Art. 15 Abs. 1 des Richtlinienentwurfs der Kommission sei die Befugnis zur Anrufung eines Gerichts nämlich noch an eine vorherige Aufforderung zum Tätigwerden gekoppelt gewesen; diese Anknüpfung enthalte jedoch die Neufassung der Vorschrift nach Einführung der Einschränkung des späteren Art. 12 Abs. 5 UHRL nicht mehr. Vielmehr sollten nunmehr alle Personen im Sinne des Art. 12 Abs. 1 UHRL einschließlich derjenigen, die von der unmittelbaren Gefahr eines Umweltschadens betroffen seien, zur Einlegung von Rechtsbehelfen befugt sein. Auch Sinn und Zweck der Regelung ergäben nichts anderes. Es leuchte nicht ein, dass der wahrscheinlich in naher Zukunft eintretende Schaden rechtsschutzlos gestellt werden solle, obwohl die Vermeidung und damit die Abwehr der unmittelbaren Gefahr von Umweltschäden in den Gründen der Richtlinie gleich-, wenn nicht sogar vorrangig neben der Sanierung entstandener Schäden genannt werde. Nach Nr. 26 der Erwägungsgründe sollten im Übrigen betroffene natürliche oder juristische Personen Zugang zu Verfahren haben, in deren Rahmen Entscheidungen, Handlungen oder die Untätigkeit der zuständigen Behörden überprüft würden. Dieses Auslegungsergebnis der UHRL folge auch aus Art. 9 Abs. 3 AK. Dessen Vorgaben würden nicht nur für das nationale Recht der Mitgliedstaaten gelten, sondern auch für prozessrechtliche Vorschriften des Gemeinschaftsrechtes selbst, weil die Europäische Union ebenfalls Vertragsstaat der Aarhus-Konvention sei. Der Inhalt der Umwelthaftungsrichtlinie sei deshalb ebenfalls völkerrechtskonform zur Aarhus-Konvention auszulegen. Aus Art. 9 Abs. 3 AK folge nach der Rechtsprechung des EuGH, dass die Vorschriften der Umwelthaftungsrichtlinie soweit wie möglich so zu interpretieren seien, dass es einer Umweltvereinigung ermöglicht werde, dem europ28;ischen Umweltrecht widersprechende Entscheidungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Sei dies nicht möglich, sei entgegenstehendes Recht nach der „Protect“-Entscheidung des EuGH außer Acht zu lassen. Auch § 11 Abs. 2 USchadG enthalte bereits nach seinem Wortlaut wie Art. 13 UHRL keine Einschränkung der Klagebefugnis. Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz enthalte hierfür ebenfalls keinen Hinweis. Zwar möge es zutreffend sein, dass der deutsche Gesetzgeber auch eine Einschränkung der Klagebefugnis im Auge gehabt habe. Dies sei jedoch angesichts der entgegenstehenden Vorgaben des Art. 13 Abs. 1 UHRL unbeachtlich. Auch Sinn und Zweck der Verbandsklagebefugnis sprächen nicht für eine Beschränkung auf Sanierungspflichten. Denn Art. 12 Abs. 5 UHRL und § 10 USchadG liege ausschließlich die Absicht zugrunde, eine Befassung der Behörden mit zahlreichen Eingaben der Umweltverbände in Fällen der Gefahrenabwehr zu reduzieren. Davon unberührt bleibe die vom Europarecht und Art. 9 Abs. 3 AK vorgezeichnete Möglichkeit der Umweltverbände, offensichtliche Amtspflichtverletzungen der zuständigen Behörde im Rahmen der gebotenen Vermeidung von Umweltschäden gerichtlich überprüfen zu lassen. Bereits hierdurch würde der Verwaltungsaufwand beachtlich reduziert, denn erfahrungsgemäß machten Umweltverbände von den Klagemöglichkeiten schon aus finanziellen Gründen nur äußerst zurückhaltend Gebrauch. Auch sei die Verbandsklagebefugnis keine zwingende oder logische Konsequenz aus einem vorherigen Verbandsantragsrecht. Die Antrags- bzw. Mitwirkungsbefugnis sei von dem formellen Antragserfordernis nach dem deutschen Verwaltungsverfahrensrecht zu trennen. Dieses unabhängig von einer Tätigkeitsaufforderung bestehende Antragserfordernis schließe es aus, dass es an einem Gegenstand der Rechtskontrolle fehlen könne. Im Übrigen seien Klagen ohne vorheriges Verwaltungsverfahren im Bereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes eine regelmäßig anzutreffende Konstellation. Aus der systematischen Auslegung der §§ 10, 11 Abs. 2 USchadG ergebe sich nichts anderes. Insbesondere enthalte § 11 Abs. 2 USchadG keinen Verweis auf § 10 USchadG. Auch könne nicht darauf verwiesen werden, dass der maßgebliche Rechtsschutz im Rahmen des vorgelagerten Genehmigungsverfahrens erfolge. Diese Sichtweise werde der Konzeption des Umwelthaftungsrechts nicht gerecht, die zwischen Genehmigungsverfahren und Verfahren zur Bewältigung von Umweltschäden strikt trenne. Nach § 13 USchadG sei das Gesetz nicht auf Schäden anzuwenden, die vor dem 30. April 2007 eingetreten seien oder vor diesem Zeitpunkt verursacht worden seien. Im vorliegenden Fall sei der Umweltschaden im Jahr 2015 verursacht worden. Genehmigungen eines Vorhabens seien nur insoweit relevant, als zu prüfen sei, ob sie die dem Umweltschutz dienenden Vorschriften korrekt abgearbeitet und die umweltrechtliche Problematik hinreichend berücksichtigt hätten. Sei dies nicht der Fall, komme der Genehmigung keine Legalisierungswirkung hinsichtlich des Umweltschadens zu.

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Im Übrigen folge die Klagebefugnis des Klägers nunmehr auch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG i. V. m. § 16 Abs. 3 SeeAnlV sowie aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL. Es bestehe eine Gefahr für die Meeresumwelt im Sinne von § 16 Abs. 3 SeeAnlV hinsichtlich der Funktionstüchtigkeit des Vogelschutzgebietes „Östliche Deutsche Bucht“, der Verkleinerung der dortigen Seetaucherpopulation und der Auswirkungen auf die Seetaucherpopulation in der Deutschen Bucht, der deutschen Nordsee und der betroffenen biogeografischen Region insgesamt. Mit Errichtung des Windparks sei der Schadenseintritt noch nicht vollumfänglich eingetreten. Die Entziehung der Frühjahrs-Nahrungsgründe der Seetaucher in dem Schutzgebiet führe nach gegenwärtigem Kenntnisstand zu einer Verschlechterung der Reproduktion und damit zu einer permanenten Reduktion des Bruterfolges beider Vogelarten. Der Bestand der ohnehin nicht in einem guten Erhaltungszustand befindlichen Vogelarten nehme ab. Es trete also nicht nur ein Umweltschaden an dem Vogelschutzgebiet und dem Bestand der Seetaucher im Schutzgebiet ein, sondern auch an der außerhalb des Schutzgebietes vorhandenen lokalen Population sowie voraussichtlich an der biogeografischen Population der Seetaucher insgesamt. Dieser Schaden einer fortlaufenden Verschlechterung des Populationserfolgs würde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit entstehen, wenn die Anlagen an Ort und Stelle stünden und betrieben würden. Bei der geltend gemachten Gefahrenabwehr gehe es anders als bei den Sanierungsmaßnahmen darum, die zukünftige, noch nicht eingetretene Verschlechterung des Erhaltungszustands der Seetaucherarten durch den Weiterbetrieb der Anlagen durch geeignete Maßnahmen zu unterbinden. Alternativen zur Betriebsuntersagung zur Abwendung der Gefahr seien nicht gegeben. Entschließungs- und Auswahlermessen der Beklagten nach § 16 Abs. 3 SeeAnlV seien auf Null reduziert. Vor dem Hintergrund der Bedrohung der Funktionen des Vogelschutzgebietes und der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 6 Abs. 2 FFH-RL komme eine Hinnahme der Gefahr nicht in Betracht. Für eine temporäre Betriebsuntersagung nach § 16 Abs. 3 SeeAnlV bedürfe es auch keiner Aufhebung der Betriebsgenehmigung. Im Übrigen könne der Kläger als Umweltverband die Aufhebung der Genehmigung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 6 UmwRG i. V. m. § 48 Abs. 1 oder § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder Nr. 5 VwVfG verlangen. Bei beiden Aufhebungsvorschriften sei das Ermessen wegen des Verstoßes gegen das europäische Naturschutzrecht und der Pflicht zur Schadensabwehr aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL auf Null reduziert. Vertrauensschutzgesichtspunkte müssten abgesehen von Entschädigungsregelungen hinter das europarechtlich determinierte öffentliche Interesse zurücktreten. Im Übrigen ergebe sich die gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG einklagbare Pflicht der Beklagten zur Untersagung des Betriebs und zur Aufhebung der Genehmigung auch direkt aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL, gegebenenfalls in Verbindung mit §§ 48, 49 VwVfG. Die Legalisierungswirkung einer Genehmigung stehe nach der Rechtsprechung des EuGH nicht der aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL folgenden Verpflichtung der Mitgliedstaaten entgegen, auch anlagenbezogene Maßnahmen zu ergreifen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und Habitate sowie Störungen von Arten abzuwehren. Die Aufhebung der Genehmigung der Beigeladenen sei, so sie denn notwendig sei, auch von dem Antrag auf Betriebsuntersagung implizit umfasst und deshalb Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Zwar habe der Kläger im bisherigen Prozess klargestellt, dass er sich nicht gegen die bestandskräftige Genehmigung wende. Damit sei jedoch nur die Klage gegen die bestandskräftige Genehmigung gemeint gewesen, nicht die implizite Aufhebung der Genehmigung auf der Grundlage von §§ 48, 49 VwVfG als Voraussetzung für die Betriebsuntersagung. Im Übrigen gelte für eine entsprechende Antragserweiterung § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 2 ZPO.

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Der Kläger beantragt,

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1. das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 18. September 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. August 2014 – soweit dieser entgegensteht – und des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2014 – soweit dieser entgegensteht – zu verpflichten, den Betrieb des Offshore-Windparks „...“ bis zur Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes zu untersagen,

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- hilfsweise zu verpflichten, den Betrieb des Offshore-Windparks „...“ zu untersagen,

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- hilfsweise zu verpflichten, den Betrieb des Offshore-Windparks „...“ bis zur Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes zu untersagen und die Genehmigung, soweit sie entgegensteht, ganz oder teilweise aufzuheben,

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- hilfsweise zu verpflichten, den Betrieb des Offshore-Windparks „...“ zu untersagen und die Genehmigung, soweit sie entgegensteht, ganz oder teilweise aufzuheben,

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- hilfsweise zu verpflichten, den Betrieb des Offshore-Windparks „...“ zu untersagen und die Beseitigung der Anlagen anzuordnen und die Genehmigung, soweit sie entgegensteht, ganz oder teilweise aufzuheben,

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sowie

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2. festzustellen, dass die mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 1. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2014 ausgesprochene Ablehnung des weiter verfolgten Antrags des Klägers vom

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26. Mai 2014 im Hinblick auf die Errichtung des Windparks rechtwidrig war.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung macht sie sich zunächst die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in der angefochtenen Entscheidung zu eigen und weist die dagegen mit der Berufungsbegründung vorgebrachten Einwände jeweils im Einzelnen zurück. Ergänzend hierzu führt sie insbesondere aus: Der Verpflichtungsantrag des Klägers habe sich mittlerweile erledigt. Die von dem Kläger geltend gemachte Gefahr eines Umweltschadens in Form des Habitatverlusts für Stern- und Prachttaucher habe sich nach seinem eigenen Vortrag mit Beginn des Regelbetriebs des Windparks verwirklicht. Mit Schadenseintritt könnten keine Gefahrenabwehrmaßnahmen, sondern nur noch Sanierungsmaßnahmen nach § 6 USchadG geltend gemacht werden. Des Weiteren begründe § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG kein Verbandsklagerecht für die Durchsetzung einer Betriebsuntersagung nach § 16 Abs. 3 SeeAnlV. Denn solche Überwachungsmaßnahmen seien nicht im Sinne dieser Vorschrift auf die „Umsetzung oder Durchführung von Entscheidungen“ nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 UmwRG gerichtet. Das durch die Vorschrift begründete Klagerecht beschränke sich vielmehr auf die Durchsetzung der aus der Genehmigung folgenden Pflichten. Umweltverbände könnten so sicherstellen, dass der Genehmigungsinhaber sich tatsächlich an den Umfang seiner Genehmigung halte, darin geregelte Schutzauflagen beachte und etwaige angeordnete Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durchführe.

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Die Beklagte hat einer Änderung des Streitgegenstands, insbesondere im Hinblick auf den zur Begründung des Anspruchs vorgetragenen Umweltschaden an der Population der Seetaucher (S. 3 des Protokolls der Sitzung vom 12.2.2019, Schriftsatz vom 1.4.2019) wie auch im Hinblick auf die Reichweite der beantragten Maßnahmen (Einbeziehung einer temporären Untersagung des Betriebs, von Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz und der Aufhebung der Genehmigung zum Betrieb des Windparks) widersprochen (S. 3 f. des Protokolls der Sitzung vom 8.4.2019).

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Die Beigeladene beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag, schließt sich den Ausführungen des Verwaltungsgerichts an und führt im Wesentlichen ergänzend aus: Mit dem Eintritt des von dem Kläger geltend gemachten Umweltschadens hätten sich Maßnahmen der Gefahrenabwehr nach § 5 USchadG erledigt und es kämen nur noch Sanierungsmaßnahmen nach § 6 USchadG, insbesondere Schadensbegrenzungsmaßnahmen, in Betracht. Im Übrigen folge die Klagebefugnis des Klägers auch nicht aus der „Protect“-Entscheidung des EuGH. Auch diese gehe – wie das Verwaltungsgericht – davon aus, dass Art. 9 Abs. 3 AK den Mitgliedstaaten einen Spielraum bei der Ausgestaltung von Rechtsschutzmöglichkeiten belasse, der nur dann eingeschränkt werde, wenn es – was hier nicht der Fall sei – praktisch unmöglich werde, entsprechende Handlungen oder Unterlassungen anzufechten. Die Klagebefugnis folge auch nicht aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG. Dem Kläger gehe es um die Beseitigung der Genehmigung; dies sei bereits vom Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst. § 16 Abs. 3 SeeAnlV ermögliche keine Eingriffe in den Anlagenbetrieb, die letztlich auf eine Aufhebung der Genehmigung hinausliefen. Ein solcher Anspruch ergebe sich auch nicht aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL, der keinerlei Eingriffsbefugnisse gebe, sondern materielle Rechtmäßigkeitsanforderungen für Veränderungen von bzw. Störungen in „Natura 2000“-Gebieten aufstelle.

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Die Beigeladene hat einer Änderung des Streitgegenstands, insbesondere im Hinblick auf den zur Begründung des Anspruchs vorgetragenen Umweltschaden an der Population der Seetaucher (S. 3 des Protokolls der Sitzung vom 12.2.2019) wie auch im Hinblick auf die Reichweite der beantragten Maßnahmen (Einbeziehung einer temporären Untersagung des Betriebs, von Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz und der Aufhebung der Genehmigung zum Betrieb des Windparks) widersprochen (S. 3 f. des Protokolls der Sitzung vom 8.4.2019).

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10. Parallel zu dem vorliegenden Verfahren hatte der Kläger bereits am 30. April 2014 seinen am 21. Februar 2014 gestellten Antrag beim BfN 222;ergänzt“ (zum Folgenden VG Köln, Urt. v. 29.11.2016, 2 K 6873/15, juris Rn. 9 ff.) und über den bereits gestellten Antrag hinaus beantragt, wegen gegebenenfalls bereits eingetretener Umweltschäden am Lebensraum der Vogelarten Stern- und Prachttaucher die erforderlichen Sanierungsarbeiten und wegen bereits eingetretener Umweltschäden an der im Bereich des Windpark-Standorts lebenden Schweinswalpopulation die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen gegenüber dem Vorhabenträger anzuordnen. Nach Ablehnung des Antrags durch Bescheid des BfN vom 26. März 2015 und Zurückweisung des Widerspruchs durch Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2015 erhob der Kläger am 30. November 2015 Klage beim VG Köln und beantragte dort, die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide zu verpflichten, die Beseitigung des durch den Windpark ... verursachten Umweltschadens für das Vogelschutzgebiet „Östliche Deutsche Bucht“ und die beiden Vogelarten Stern- und Prachttaucher durch geeignete Sanierungsmaßnahmen unter Beachtung der Auffassung des Gerichts anzuordnen.

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Das VG Köln wies die Klage durch Urteil vom 29. November 2016 (2 K 6873/15) ab und ließ die Berufung zu, die derzeit beim OVG Münster anhängig ist. Es führte aus, der Zulässigkeit der Klage stehe nicht die Rechtshängigkeit des vorliegenden Berufungsverfahrens vor dem OVG Hamburg entgegen. Denn dort greife der Kläger ein Urteil des VG Hamburg an, dessen Streitgegenstand das Begehren auf die Anordnung von Gefahrenabwehrmaßnahmen durch das BSH auf der Grundlage des Umweltschadensgesetzes sei. Im Verfahren vor dem VG Köln gehe es jedoch um eine Sanierungsmaßnahme nach dem Umweltschadensgesetz. Dies sei ein anderer Streitgegenstand als der des beim OVG Hamburg anhängigen Berufungsverfahrens. Die Klage sei jedoch unbegründet. Der Anwendungsbereich des Umweltschadensgesetzes nach § 3 USchadG sei nicht eröffnet. Die Beigeladene übe keine berufliche Tätigkeit i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Anlage 1 USchadG aus und sie habe im vorliegenden Fall einen Umweltschaden auch nicht schuldhaft, d. h. vorsätzlich oder fahrlässig, i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG verursacht.

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56

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2019 und 8. April 2019 wird ergänzend Bezug genommen. Die Sachakten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist unbegründet.

58

A. Der in der mündlichen Verhandlung neu formulierte Hauptantrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 18. September 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. August 2014 – soweit dieser entgegensteht – und des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2014 – soweit dieser entgegensteht – zu verpflichten, den Betrieb des Offshore-Windparks „...“ bis zur Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes zu untersagen, hat keinen Erfolg.

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Gegenüber dem bisherigen Antrag auf Untersagung des Betriebs des Windparks enthält der Antrag den Zusatz, die Untersagung „bis zur Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes220; anzuordnen. Darin liegt eine unzulässige Klageänderung. Das Gericht versteht den Antrag des Klägers primär dahingehend (§ 88 VwGO), dass der neue Hauptantrag wegen der Anknüpfung an die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustands sowie hinsichtlich des auf den gerichtlichen Hinweis vom 21. Dezember 2018 erfolgten Vortrags des Klägers zum zwischenzeitlichen Eintritt des Habitatschadens und der jährlichen Verschlechterung des Erhaltungszustands der Seetaucherpopulation darauf gerichtet ist, nunmehr mit der Untersagung des Betriebs auch eine (von mehreren denkbaren) Maßnahme zur Begrenzung oder Beseitigung bereits eingetretener Umweltschäden nach §§ 6, 7 Abs. 2 Nr. 3 USchadG zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens zu machen. Dies ist eine unzulässige Klageänderung gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 91 Abs. 1 VwGO. Der Streitgegenstand des Verfahrens bezog sich bisher ausschließlich auf Maßnahmen zur Abwehr eines noch bevorstehenden Umweltschadens, nicht dagegen auf die Durchsetzung von Sanierungspflichten nach §§ 6, 7 Abs. 2 Nr. 3 USchadG unter Anknüpfung an einen bereits eingetretenen Schaden (unten I.). Einer entsprechenden Klageänderung hat die Beklagte nicht zugestimmt und sie ist auch nicht sachdienlich (unten II.).

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I. Streitgegenstand ist der prozessuale Anspruch, der durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck gebrachte Rechtsfolge sowie durch den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet ist (BVerwG, Urt. v. 31.8.2011, 8 C 15/10, BVerwGE 140, 290 ff., juris Rn. 20 m. w. N.). Klagegrund ist der tatsächliche Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Dabei geht er zwar über die Tatsachen, welche unter die Tatbestandsmerkmale einer bestimmten Rechtsgrundlage zu subsumieren sind, hinaus. Er umfasst alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören. Zum selben Klagegrund gehören sie, wenn der Tatsachenstoff nicht sinnvoll auf verschiedene eigenständige, den Sachverhalt in seinem Kerngehalt verändernde Geschehensabläufe aufgeteilt werden kann. Erfasst werden dann alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung vorgetragenen Lebenssachverhalt herleiten lassen. Eine Mehrheit von Streitgegenständen bei gleichem Antrag liegt jedoch vor, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Beschl. v. 7.3.2016, 7 B 45/15, Buchholz 300 § 17 GVG Nr. 8, juris Rn. 6 m. w. N.).

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Der Klageantrag war bisher – wie nun der erste Hilfsantrag 211; auf die Verpflichtung der Beklagten zur Untersagung des laufenden Betriebs des Windparks ... gerichtet. Zur Begründung hat sich der Kläger bisher auch nach Aufnahme des Betriebs des Windparks auf einen Anspruch auf Gefahrenvermeidungsmaßnahmen nach §§ 5, 7 Abs. 2 Nr. 2 USchadG bzw. § 16 Abs. 3 der Verordnung über Anlagen seewärts der Begrenzung des deutschen Küstenmeeres (Seeanlagenverordnung in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung v. 2.6.2016 – im Folgenden: SeeAnlV) gestützt. In Übereinstimmung damit hat er auch im Berufungsverfahren die auf Gefahrenvermeidungsmaßnahmen begrenzende Bestimmung des Streitgegenstands im Urteil des Verwaltungsgerichts (UA S. 14) als zutreffend bezeichnet (Schriftsatz vom 28.1.2016, S. 3, Bl. 969 der Gerichtsakte). Auch der Sache nach ging es ihm im vorliegenden Verfahren bisher erkennbar allein um die Verhinderung bevorstehender Umweltschäden, und zwar auf der Grundlage von Rechtsvorschriften, die nicht voraussetzen, dass ein Schaden bereits eingetreten ist, nicht aber um die Begrenzung oder Beseitigung bereits eingetretener Schäden. Seine ursprünglichen weiteren Anträge, die auch auf Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung von Sanierungsmaßnahmen gerichtet waren, hat er dagegen zurückgenommen und diese in der Folge vor dem VG Köln (2 K 6873/15) und derzeit im Berufungsverfahren vor dem OVG Münster verfolgt.

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Der damit maßgebliche Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger eine Pflicht zum Ergreifen von Gefahrenvermeidungsmaßnahmen nach §§ 5, 7 Abs. 2 Nr. 2 USchadG und § 16 Abs. 3 SeeAnlV herleitet, ist nicht identisch mit dem für das Bestehen von Sanierungspflichten (§§ 6, 7 Abs. 2 Nr. 3 USchadG) maßgeblichen Lebenssachverhalt. Die jeweiligen materiell-rechtlichen Regelungen gestalten die Ansprüche im Hinblick auf die maßgeblichen Lebensvorgänge unterschiedlich aus: Voraussetzung für das Bestehen von Gefahrenvermeidungsmaßnahmen ist die Gefahr eines bevorstehenden Umweltschadens. Eine Vermeidungsmaßnahme ist nach § 2 Nr. 6 USchadG jede Maßnahme, um bei einer unmittelbaren Gefahr eines Umweltschadens diesen Schaden zu vermeiden oder zu minimieren. Vermeidungsmaßnahmen sind mithin solche, die auf eine Unterbrechung der Kausalkette gerichtet sind, die andernfalls zu einem Umweltschaden im Sinne des Gesetzes führen würde (Petersen, USchadG, 2013, § 2 Rn. 148). In vergleichbarer Weise setzt § 16 Abs. 3 SeeAnlV eine „Gefahr für die Meeresumwelt“ voraus. Der für einen solchen Anspruch maßgebliche Lebenssachverhalt bezieht sich mithin auf Umstände, die Anhaltspunkte für die hinreichende Wahrscheinlichkeit zukünftiger Schäden bieten. Nach dem jetzigen Vortrag des Klägers käme es daher darauf an, ob die Gefahr besteht, dass in Zukunft ein bisher noch nicht realisierter Schaden an der Population der Seetaucher eintritt. Demgegenüber geht es bei den Sanierungspflichten (§§ 6, 7 Abs. 2 Nr. 3 USchadG) darum, nach Eintritt eines Umweltschadens dessen Fortwirken zu begrenzen (§ 6 Nr. 1 USchadG) bzw. ihn im Wege der Sanierung (§ 6 Nr. 2 USchadG) soweit wie möglich wieder rückgängig zu machen. Schadensbegrenzungsma3;nahme ist nach § 2 Nr. 7 USchadG jede Maßnahme, um die betreffenden Schadstoffe oder sonstigen Schadfaktoren unverzüglich zu kontrollieren, einzudämmen, zu beseitigen oder auf sonstige Weise zu behandeln, um weitere Umweltschäden und nachteilige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder eine weitere Beeinträchtigung von Funktionen zu begrenzen oder zu vermeiden. Während Gefahrenvermeidungsmaßnahmen darauf gerichtet sind, den auf den Schadenseintritt zulaufenden Kausalverlauf zu unterbrechen, sind Schadensbegrenzungsmaßnahmen „nachlaufend“ darauf gerichtet, die Auswirkungen eines bereits realisierten Umweltschadens zu lindern, und setzen dabei in der Regel an dem Ort an, an dem sich die bereits in die Umwelt getretenen Schadfaktoren auswirken werden (vgl. Gassner/Schemel, Umweltschadensgesetz, 3. Aufl. 2016, S. 79). Noch weiter gehend sind Sanierungsmaßnahmen gemäß § 2 Nr. 8 USchadG darauf gerichtet, einen Umweltschaden nach Maßgabe der fachrechtlichen Vorschriften zu sanieren, d. h. soweit wie möglich den Ausgangszustand der Umwelt vor Eintritt des Schadens wiederherzustellen (vgl. Art. 2 Nr. 11, Anhang II UHRL). Für das Entstehen von Schadensbegrenzungs- und Sanierungspflichten ist demnach Grundvoraussetzung, dass ein Umweltschaden bereits eingetreten ist. Im vorliegenden Fall würde dies bedeuten, dass zum maßgeblichen Lebenssachverhalt auch die Feststellung eines durch den Betrieb des Windparks bereits eingetretenen Umweltschadens gehörte. Dies würde über den bisher maßgeblichen Lebenssachverhalt, der sich lediglich auf eine bevorstehende Gefahr bezieht, hinausgehen.

63

II. Die Klageänderung ist unzulässig.

64

Nach §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 91 Abs. 1 VwGO ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Einer solchen Erweiterung des Streitgegenstands haben die Beklagte und die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung am 8. April 2019 ausdrücklich widersprochen (Protokoll der m. V. S. 3 oben). Sie ist auch nicht sachdienlich. Eine Klageänderung ist in der Regel als sachdienlich anzusehen, wenn sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.12.2010, 4 B 35/10, juris Rn. 5). Zwar spricht allgemein nicht gegen die Sachdienlichkeit einer Klageänderung, dass der Prozess ihretwegen gegebenenfalls länger dauert. Etwas anderes gilt aber, wenn der Rechtsstreit ohne Berücksichtigung der Klageänderung entscheidungsreif wäre (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 14.10.1993, 2 S 2689/91, VBlBW 1994, 147, juris Rn. 29; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 91 Rn. 20; Bamberger, in: Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 91 Rn. 23). So liegt es hier. Das Gericht müsste bei Zulässigkeit der Klageänderung als Voraussetzung der Sanierungspflichten zunächst feststellen, dass durch den laufenden Betrieb des Windparks ein Umweltschaden eingetreten ist. Dies würde weitere Sachaufklärung erfordern, während der Rechtsstreit andernfalls entscheidungsreif ist (s. hierzu im Folgenden). Unabhängig davon bliebe vorliegend der Streitstoff auch wegen der Komplexität der Feststellung eines bestimmten Schadenseintritts nicht im Wesentlichen derselbe. Die Frage, ob ein Schaden eingetreten ist, ist zudem in dem Verfahren vor dem OVG Münster anderweitig rechtshängig. Sollte dort ein nach dem Umweltschadensgesetz relevanter Schaden festgestellt werden, so wäre die Beigeladene im Rahmen des Möglichen zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verpflichtet. Die Beklagte hätte dies dem Verantwortlichen aufzugeben.

</dl>
65

B. Der Hilfsantrag, mit dem der Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrt, der Beigeladenen den Betrieb des Windparks ... zu untersagen, ist als Verpflichtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig (unten I.). Er ist jedoch unbegründet (unten II.).

66

I. Die Klage ist zulässig.

67

1. Ihr fehlt nicht von vornherein das Rechtsschutzbedürfnis, weil die von dem Kläger mit der beantragten Betriebsuntersagung bezweckte Gefahrenabwehr nach Errichtung des Windparks und Betriebsaufnahme nicht mehr erreicht werden könnte.

68
>Das Rechtsschutzinteresse ist nur zu verneinen, wenn die Klage für den Kl28;ger offensichtlich nutzlos ist, weil sie ihm keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile mehr bringen kann (Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2018, Vor §§ 40-53 Rn. 16). Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Nutzlosigkeit muss eindeutig sein; im Zweifel ist das Rechtsschutzinteresse zu bejahen (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.4.2004, 3 C 25/03, BVerwGE 121, 1 ff., juris Rn. 19; Rennert, a. a. O., Rn. 11). Der Kläger begehrt seit der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht die Untersagung des bereits aufgenommenen Betriebs auf der Grundlage von §&#167; 10, 11 i.V.m. § 5 USchadG bzw. § 16 Abs. 3 SeeAnlV zum Zwecke der Abwehr einer bevorstehenden Gefahr eines durch den Betrieb drohenden Umweltschadens. Die begehrte Betriebsuntersagung kann nicht schon deshalb als sinnlos und das Klageziel damit der Sache nach als erledigt angesehen werden, weil – den Vortrag des Klägers zugrunde gelegt – nach Betriebsaufnahme deshalb keine Gefahr eines Umweltschadens mehr besteht, weil dieser bereits eingetreten ist. Auf den gerichtlichen Hinweis vom 21. Dezember 2018, der eine solche Sichtweise in Betracht gezogen hatte, hat der Kläger seinen bisherigen Vortrag mit Schriftsätzen vom 24. und 28. Januar 2019 klargestellt und pr28;zisiert. Er hat die Gefahr eines Umweltschadens dargelegt, der nach seiner Darstellung über den mit der Betriebsaufnahme bereits eingetretenen Schadens hinausgeht und dessen Abwendung die Betriebsuntersagung dienen soll: Zwar sei durch den Betrieb bereits ein Schaden bestimmten Umfangs in Form des Habitatverlustes und der artenschutzrechtlichen Störung eingetreten. Es drohe jedoch weiterer Schaden hinsichtlich des zu schützenden günstigen Erhaltungszustands der Gesamtpopulation der Seetaucher. Die Entziehung der Rast- und Nahrungsgründe in den Frühjahrsmonaten führe nach gegenwärtigem Kenntnisstand zu einer Verschlechterung der Reproduktion und damit zu einer permanenten Reduktion des Bruterfolges der Seetaucher. Dies führe nicht nur zu einem Umweltschaden an dem Schutzgebiet selbst und dem dortigen Seetaucherbestand, sondern auch an der biogeografischen Population der Seetaucher insgesamt. Dieser Schaden werde sich während der Betriebszeit der Anlage von Jahr zu Jahr vergrößern. Legt man den Vortrag des Klägers zugrunde, bewirkt die Inbetriebnahme des Windparks kein einmaliges vollendetes Schadensereignis, dessen Wirkfaktoren selbständig fortwirken. Vielmehr droht nach dem Vortrag des Klägers in der Zukunft ein Umweltschaden an der Seetaucherpopulation, der durch die Aufrechterhaltung des Betriebs einträte. Ob der Vortrag des Klägers zur Gefahr eines Schadens an der Population der Seetaucher naturschutzfachlich zutrifft, kann hier dahinstehen. Denn die Anforderungen an das Bestehen des Rechtsschutzbedürfnisses dürfen im Zusammenhang mit der Frage, ob das verfolgte Klageziel von vornherein nutzlos ist, wie ausgeführt nicht überspannt werden. Die Präzisierung hinsichtlich der in der Zukunft bef52;rchteten Schäden an der Population der Seetaucher stellt auch keine Änderung des Streitgegenstands, namentlich des durch den Kläger zur Entscheidung gestellten maßgeblichen Lebenssachverhaltes, und damit keine Klageänderung dar. Die bef&#252;rchtete zukünftige Verschlechterung des günstigen Erhaltungszustands der Arten Pracht- und Sterntaucher durch Errichtung und Betrieb des Windparks u. a. wegen der Beeinträchtigung des Reproduktionserfolgs war von dem Kläger auch bisher als Teil der Begründung für den von ihm in Anspruch genommenen Gefahrenvermeidungsanspruch vorgetragen worden (vgl. z. B. Schriftsatz des Klägers vom 15.1.2015: „Die Erheblichkeit dieser Störung [...] ergibt sich auch daraus, dass bei Seetaucherpopulationen, die durch Scheuchwirkungen einen Teil ihres Nahrungshabitats verlieren, so dass sich eine größere Dichte der Tiere und damit eine schlechtere Nahrungsverfügbarkeit ergibt, von einer erhöhten Mortalität und einem verminderten Bruterfolg auszugehen ist.“ [S. 33 des Schriftsatzes bzw. Bl. 491 f. der Gerichtsakte]; &#8222;Die Erhöhung der Mortalität durch eine Störung und die dadurch bedingte Reduzierung des Reproduktionserfolges ist ein maßgeblicher Beleg für die Erfüllung des artenschutzrechtlichen Störungsverbotes. [...] Eine Reduzierung des Bruterfolges oder eine erhöhte Mortalität kann bei Vogelarten, die sich ohnehin wie die Stern- und Prachttaucher in einem schlechten Erhaltungszustand befinden, nicht hingenommen werden.“ [S. 34 bzw. Bl. 492 der Gerichtsakte]).

69

2. Der Kläger besitzt auch die erforderliche Klagebefugnis, allerdings lediglich, soweit er die Untersagung des Betriebs der Windkraftanlagen auf § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV stützt, nicht hingegen, soweit er diesen Anspruch aus dem Umweltschadensgesetz herleitet.

70

Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage gemä;ß § 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein.

</dd>
71

Der Kläger ist durch Betrieb und Errichtung der Windenergieanlage nicht in eigenen materiellen Rechten betroffen und macht dies auch nicht geltend. Er kann sich jedoch darauf berufen, dass i. S. v. § 42 Abs. 2 Hs. 1 VwGO gesetzlich etwas „anderes bestimmt“ ist, weil ihm ein Verbandsklagerecht als anerkannter Umwelt- oder Naturschutzverband zusteht. Ein solches folgt zwar weder aus § 11 Abs. 2 USchadG i. V. m. §§ 2, 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG (unten a) noch aus §§ 2, 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG i. V. m. den Vorschriften des Umweltschadensgesetzes (unten b). Der Kläger besitzt aber ein Verbandsklagerecht aus §§ 2, 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG i. V. m. § 16 Abs. 3 SeeAnlV (unten c).

72

a) Aus § 11 Abs. 2 USchadG i. V. m. §§ 2, 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG folgt keine Verbandsklagebefugnis des Klägers zur Verpflichtung der Beklagten, den Betrieb des Windparks gegenüber der Beigeladenen zu untersagen.

73

Nach § 11 Abs. 2 USchadG gilt für Rechtsbehelfe von Vereinigungen gegen eine Entscheidung oder das Unterlassen einer Entscheidung der zuständigen Beh&#246;rde nach dem Umweltschadensgesetz das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, u. a. Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a bis 6 UmwRG oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a bis 6 UmwRG oder deren Unterlassen umweltbezogene Rechtsvorschriften verletzt (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG), und sie geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen berührt zu sein (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG). Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG ist das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anzuwenden auf Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen nach dem Umweltschadensgesetz. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG findet das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz auch Anwendung, wenn entgegen geltenden Rechtsvorschriften keine Entscheidung nach Satz 1 getroffen worden ist.

74

Die Verbandsklagebefugnis nach § 11 Abs. 2 USchadG i. V. m. §§ 2, 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG besteht jedoch nicht für Vermeidungsmaßnahmen gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 USchadG. Die in § 11 Abs. 2 USchadG vorgesehene Verbandsklagebefugnis bezieht sich, wie vom Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, allein auf Fälle, für die § 10 USchadG auch eine Antragsbefugnis des Verbandes gegenüber der zuständigen Behörde eröffnet, d. h. auf die Durchsetzung von Sanierungspflichten im Gegensatz zu Gefahrenvermeidungspflichten (vgl. auch VG Trier, Beschl. v. 3.3.2016, 6 L 720/16.TR, BeckRS 2016, 43152; Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, UmweltR, Loseblatt, Stand: September 2018, § 1 UmwRG Rn. 71; Schmidt/Schrader/Zschiesche, Die Verbandsklage im Umwelt- und Naturschutzrecht, 2014, Rn. 383; Schrader/Hellenbroich, ZUR 2007, 289, 291, 294; Kohler, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, Einl. zum Umwelthaftungsrecht, Rn. 437; wohl auch Cosack/Enders, DVBl. 2008, 405, 415; in der Tendenz ebenso VG Schleswig, Urt. v. 20.9.2012, 6 A 186/11, juris Rn. 74; Cuypers, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2. Aufl. 2016, § 19 Rn. 63; vgl. auch Franzius, in: Schink/Reidt/Mitschang, UVPG/UmwRG, 2018, § 1 UmwRG Rn. 20; unklar Petersen, Umweltschadensgesetz, 2013, § 10 Rn. 23 einerseits und § 11 Rn. 29 andererseits; a. A. OVG Saarlouis, Urt. v. 11.12.2014, 2 A 449/13, juris Rn. 54, das allerdings ohne weitere Problematisierung schon das Initiativrecht des § 10 USchadG entgegen dem Gesetzeswortlaut sowohl auf Vermeidungs- als auch auf Sanierungsmaßnahmen bezieht; Beckmann/Wittmann, UPR 2008, 421, 424; dies., in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Loseblatt, Stand: September 2018, § 11 Rn. 20 f., 29; wohl auch Becker, Das neue Umweltschadensgesetz, 2007, Rn. 125, 172; Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann/Kment, UVPG/UmwRG, 5. Aufl. 2018, § 1 UmwRG Rn. 57). Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind wie ausgeführt (s. o. A. I.) ausschließlich Vermeidungsmaßnahmen zur Abwehr einer unmittelbaren Gefahr eines Umweltschadens (§§ 5, 7 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 2 Nr. 6 USchadG), nicht dagegen solche zur Erfüllung von Sanierungspflichten nach §§ 6, 7 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. 67; 2 Nr. 7 und 8 USchadG.

75

aa) Der Wortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG und § 11 Abs. 2 USchadG ergibt eine Beschränkung der Verbandsklagebefugnis auf die Fälle der Durchsetzung von Sanierungspflichten zwar nicht. Denn nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG ist der Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes nicht auf bestimmte Entscheidungen nach dem Umweltschadensgesetz beschränkt, sondern umfasst alle Entscheidungen nach diesem Gesetz. Gleiches gilt für § 11 Abs. 2 USchadG, der von Rechtsbehelfen von Vereinigungen gegen eine Entscheidung oder das Unterlassen einer Entscheidung der zuständigen Behörde „nach diesem Gesetz“; spricht. Das Umweltschadensgesetz regelt verschiedene 222;Entscheidungen&#8220;, die die zuständige Behörde „nach diesem Gesetz“ treffen kann: Nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 USchadG kann sie dem Verantwortlichen aufgeben, alle erforderlichen Informationen und Daten über eine unmittelbare Gefahr von Umweltschäden, über den Verdacht einer solchen unmittelbaren Gefahr oder einen eingetretenen Schaden sowie eine eigene Bewertung vorzulegen (Informationspflicht, §; 4 USchadG). Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 USchadG kann sie dem Verantwortlichen aufgeben, die erforderlichen Vermeidungsmaßnahmen zu treffen (Gefahrenabwehrpflicht, § 5 USchadG). Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 USchadG kann sie dem Verantwortlichen aufgeben, die erforderlichen Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen (Sanierungspflicht, § 6 USchadG). Gemäß § 8 Abs. 2 USchadG entscheidet die zuständige Behörde nach Ma3;gabe der fachrechtlichen Vorschriften über Art und Umfang der durchzuführenden Sanierungsmaßnahmen. Nicht ausdrücklich, aber implizit ist zudem in § 10 USchadG die Entscheidung der zuständigen Behörde über einen Antrag eines Betroffenen oder einer Vereinigung auf Tätigwerden geregelt. Mangels einer Beschränkung der Geltung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes auf bestimmte Entscheidungen nach dem Umweltschadensgesetz deutet die Wortlautauslegung deshalb darauf hin, dass die Klagebefugnis einer Umweltvereinigung für alle Rechtsbehelfe besteht, die sich gegen irgendeine der oben genannten Entscheidungen der zuständigen Behörde oder deren Unterlassen richten. Damit wäre auch das Unterlassen der Anordnung von Vermeidungsmaßnahmen nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 USchadG erfasst.

76

Die systematische (unten bb), historische (unten cc) und teleologische (unten dd) Auslegung der maßgeblichen Vorschriften f&#252;hrt jedoch zu einer Beschr28;nkung der Verbandsklagebefugnis auf Fälle der Anordnung von Maßnahmen zur Durchsetzung der Sanierungspflicht (§§ 6, 7 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 2 Nr. 7 und 8 USchadG). Diese Auslegung ist auch mit der Umwelthaftungsrichtlinie vereinbar (unten ee) und verstößt nicht gegen die Vorgaben der Aarhus-Konvention (unten ff).

77

bb) § 10 USchadG sieht vor, dass die zuständige Behörde zur Durchsetzung der Sanierungspflichten nach dem Umweltschadensgesetz von Amts wegen tätig wird oder, wenn ein Betroffener oder eine Vereinigung, die nach § 11 Abs. 2 USchadG Rechtsbehelfe einlegen kann, dies beantragt und die zur Begründung des Antrags vorgebrachten Tatsachen den Eintritt eines Umweltschadens glaubhaft erscheinen lassen. Die in der ersten Alternative des § 10 USchadG geregelte Pflicht der Behörde, zur Durchsetzung der Sanierungspflichten von Amts wegen tätig zu werden, ergibt sich bereits aus § 7 Abs. 1 USchadG. Die Pflicht aus § 7 Abs. 1 USchadG ist auch nicht auf die Durchsetzung der Sanierungspflichten nach §§ 6, 7 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 2 Nr. 7 und 8 USchadG beschränkt, sondern bezieht sich auch auf Vermeidungsmaßnahmen nach §§ 5, 7 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 2 Nr. 6 USchadG (vgl. auch Petersen, USchadG, 2013, § 10 Rn. 9; Beckmann/Wittmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Loseblatt, Stand: September 2018, § 10 Rn. 3). Einen eigenen Regelungsgehalt besitzt dagegen die zweite Alternative des &#167; 10 USchadG, die der Umsetzung von Art. 12 Abs. 1 und Abs. 3 UHRL dient: Sie schafft ein Initiativrecht der dort genannten Betroffenen und Vereinigungen gegenüber der zuständigen Behörde. Verfahrensrechtlich wird sie durch die auf Art. 7 Abs. 4, 12 Abs. 1 UHRL zurückgehende (vgl. BT-Drs. 16/3806, S. 25) Unterrichtungspflicht nach § 8 Abs. 4 USchadG flankiert. Anders als im Fall eines „Betroffenen“, also einer Person, die durch den zu sanierenden Umweltschaden in ihren Rechten oder rechtlich geschützten Interessen betroffen sein kann (vgl. BT-Drs. 16/3806, S. 27; Beckmann/Wittmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Loseblatt, Stand: September 2018, § 10 Rn. 5; Petersen, Umweltschadensgesetz, 2013, § 10 Rn. 15), räumt 67; 10 USchadG einer Vereinigung, die nach § 11 Abs. 2 USchadG Rechtsbehelfe einlegen kann, aber sich nicht auf ein eigenes subjektives Recht berufen kann, ein eigenständiges „altruistisches“ Initiativrecht gegenüber der zuständigen Behörde ein. Dieses Recht geht weiter als die stets bestehende Möglichkeit einer Vereinigung, der zuständigen Behörde einen Umweltschaden anzuzeigen und ein Tätigwerden von Amts wegen anzuregen (vgl. auch BT-Drs. 16/3806, S. 27; Cosack/Enders, DVBl. 2008, 405, 414). Es begründet einen Anspruch auf Einleitung eines Verwaltungsverfahrens i. S. v. §§ 9, 22 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG (vgl. auch Schrader/Hellenbroich, ZUR 2007, 289, 291) und Bescheidung des Antrags unter Befassung mit den zur Glaubhaftmachung des Umweltschadens vorgetragenen Tatsachen (vgl. auch Beckmann/Wittmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Loseblatt, Stand: September 2018, § 10 Rn. 8), ohne dass der Antrag wegen fehlender Antragsbefugnis als unzulässig abgelehnt werden könnte.

78

Aus der Beschränkung dieses Initiativrechts in § 10 USchadG auf die Durchsetzung von Sanierungspflichten folgt systematisch eine entsprechende Beschränkung der Befugnis zur Erhebung von „Rechtsbehelfen“, insbesondere von gerichtlichen Klagen, im Sinne von § 11 Abs. 2 USchadG:

79

Die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage hängt im Regelfall von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsakts ab. Dies folgt aus § 68 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1, &#167; 75 Satz 1 VwGO ("Antrag auf Vornahme") und zusätzlich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, nach dem es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden. Diese Voraussetzung gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob der erstrebte Verwaltungsakt auf Antrag oder von Amts wegen zu erlassen ist (so zum Vorstehenden BVerwG, Urt. v. 28.11.2007, 6 C 42/06, BVerwGE 130, 39 ff., juris Rn. 23 m. w. N.). Danach ist auch vor einem gerichtlichen Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung oder das Unterlassen einer Entscheidung nach dem Umweltschadensgesetz zunächst ein Antrag bei der zuständigen Behörde zu stellen. Anschließend ist nach Maßgabe der §§ 68 ff. VwGO ein Vorverfahren durchzuführen. Der von einer Vereinigung gemäß § 70 VwGO erhobene Widerspruch ist auch als „Rechtsbehelf“ i. S. v. § 11 Abs. 2 USchadG zu qualifizieren (vgl. auch Gassner/Schemel, Umweltschadensgesetz, 3. Aufl. 2016, S. 104). Der Begriff des „Rechtsbehelfs“ im Sinne des durch § 11 Abs. 2 USchadG in Bezug genommenen Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ist weit auszulegen und erfasst jede Handlung, durch die ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren eingeleitet wird, das auf die Aufhebung, Einschränkung oder Überprüfung einer Entscheidung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG gerichtet ist; hierzu zählen behördliche und gerichtliche Überprüfungsverfahren (Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann/Kment, UVPG, UmwRG, 5. Aufl. 2018, § 1 UmwRG Rn. 26). Deshalb hat eine Umweltvereinigung vor Erhebung einer Verbandsklage gemäß § 11 Abs. 2 USchadG i. V. m. den Vorschriften des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes zunächst nach § 68 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO ein gegen die Ausgangsentscheidung gerichtetes Vorverfahren durchzuführen, soweit nicht die Voraussetzungen des § 75 VwGO vorliegen (vgl. auch Beckmann/Wittmann, UPR 2008, 421, 424; Schrader/Hellenbroich, ZUR 2007, 289, 291).

80

Ein solches behördliches Ausgangs- und Widerspruchsverfahren ist jedoch für die Erwirkung von Vermeidungsmaßnahmen zur Erfüllung der Gefahrenabwehrpflicht (vgl. §§ 5, 7 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 2 Nr. 6 USchadG) durch Umweltvereinigungen gerade ausgeschlossen: Eine Antragsbefugnis aus der Betroffenheit in einem eigenen subjektiven öffentlichen Recht kommt bei Umweltvereinigungen regelmäßig nicht in Betracht. Anders als im Fall des durch § 10 USchadG eingeräumten Initiativrechts für die Durchsetzung von Sanierungspflichten (vgl. § 6 USchadG) hat der Gesetzgeber den Umweltvereinigungen für die Durchsetzung von Vermeidungsmaßnahmen i. S. d. Umweltschadensgesetzes auch bewusst (hierzu sogleich) keine „altruistische“ Antragsberechtigung eingeräumt. Ein derartiger Antrag bei der Behörde würde deshalb auch keinen Anspruch auf Einleitung eines Verwaltungsverfahrens i. S. v. §§ 9, 22 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG und auf Bescheidung unter Befassung mit den zur Glaubhaftmachung des Umweltschadens vorgetragenen Tatsachen begründen. Er könnte vielmehr wegen Fehlens der Antragsbefugnis als unzulässig abgelehnt werden. Legte man § 11 Abs. 2 USchadG so aus, dass er ein Klagerecht zur Erwirkung von Vermeidungsmaßnahmen begründete, so würde mithin ein Recht auf sofortige Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes zur Verpflichtung der zuständigen Behörde bestehen. Dies ließe sich mit den soeben dargestellten verfahrensrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbaren.

81

cc) Zwar wäre eine Abweichung von diesen Grundsätzen des nationalen Verfahrensrechts nicht ausgeschlossen, wenn der nationale Gesetzgeber sie, etwa im Lichte unionsrechtlicher Vorschriften, ausdrücklich so vorsehen wollte. Insbesondere sieht auch § 68 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO („wenn ein Gesetz dies bestimmt“) ausdrücklich vor, dass durch Gesetz vom Erfordernis des Vorverfahrens abgewichen werden kann. Es wäre jedoch zu erwarten gewesen, dass der Gesetzgeber eine derartige Abweichung ausdrücklich regelt oder sich eine solche Regelungsabsicht zumindest eindeutig aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr ergibt auch die historische Auslegung, dass der Gesetzgeber sowohl das Antrags- als auch das Klagerecht auf Fälle der Sanierungspflicht in Bezug auf einen bereits eingetretenen Schaden beschränken wollte. Im Einzelnen ergibt sich dies aus Folgendem:

>82

§ 11 Abs. 2 USchadG lautete in seiner ursprünglichen Fassung:

me="rd_83">83

„Für Vereinigungen, die gemäß § 3 Abs. 1 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes vom 7. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2816) anerkannt sind oder als anerkannt gelten, gilt für Rechtsbehelfe gegen eine Entscheidung oder das Unterlassen einer Entscheidung der zuständigen Behörde nach diesem Gesetz § 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes entsprechend.“

84

Bei Inkrafttreten des Umweltschadensgesetzes am 14. November 2007 enthielt das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz noch keine ausdrückliche Regelung zu seiner Anwendbarkeit auf Entscheidungen nach dem Umweltschadensgesetz. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG wurde erst durch Art. 1 Nr. 1 a) cc) des Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl. I S. 95) eingefügt. Zugleich erhielt §; 11 Abs. 2 USchadG durch Art. 4 Nr. 2 desselben Gesetzes mit Wirkung vom 1. August 2013 seine heutige Fassung. Der Gesetzgeber sah darin lediglich eine „rechtstechnische Ergänzung“, die der Systematisierung diene. Die bisher in § 11 Abs. 2 USchadG getroffene Regelung zu Rechtsbehelfen von Vereinigungen sollte nunmehr in das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz überführt werden, dessen Bestimmungen nun unmittelbar gälten, während § 11 Abs. 2 USchadG bisher eine „entsprechende“ Anwendung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes angeordnet habe. Damit sei „im Vergleich zur bestehenden Rechtslage keine Erweiterung oder Beschränkung der Rechtsbehelfsmöglichkeiten von anerkannten Umweltvereinigungen verbunden“ (BT-Drs. 17/10957, S. 15). Deshalb sind für die Bestimmung der Regelungsabsicht des historischen Gesetzgebers im Zusammenhang mit der Reichweite der durch § 11 Abs. 2 USchadG i. V. m. den Vorschriften des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes eingeräumten Verbandsklagebefugnis nach wie vor die Gesetzgebungsmaterialien zum Erlass des Umweltschadensgesetzes maßgeblich.

85

Nach diesen Gesetzgebungsmaterialien (zum Folgenden BT-Drs. 16/3806, S. 27) beschränkt sich die Regelung des § 10 USchadG „[e]ntsprechend der durch Artikel 12 Abs. 5 der Umwelthaftungsrichtlinie eingeräumten Option, das Antrags- und Klagerecht [Hervorhebung hinzugefügt] auf Fälle der unmittelbaren Gefahr eines Schadens nicht anzuwenden“ auf die Durchsetzung der Sanierungspflichten nach § 6 USchadG. In Fällen, in denen eine unmittelbare Gefahr eines Umweltschadens abgewendet werden müsse, erscheine es im Hinblick auf eine effektive Gefahrenabwehr nicht zielführend, vor dem Ergreifen der notwendigen Maßnahmen ein gesondertes Verfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit durchführen zu müssen.

86

Daraus ergibt sich, dass der historische Gesetzgeber die Ausschlussklausel des Art. 12 Abs. 5 UHRL als Ermächtigung der Mitgliedstaaten verstanden hat, sowohl das Antragsrecht gegenüber der zuständigen Behörde als auch das gerichtliche Klagerecht in F&#228;llen der unmittelbaren Gefahr eines Schadens bei der Umsetzung der Umwelthaftungsrichtlinie in nationales Recht auszuschließen. Zwar erwähnen die Gesetzgebungsmaterialien diese Option explizit nur im Zusammenhang mit § 10 USchadG, der das Initiativrecht gegenüber der Behörde regelt. Diese Erwähnung dürfte jedoch nur dann Sinn ergeben, wenn der Gesetzgeber sowohl das Initiativrecht gegenüber der Behörde als auch die Verbandsklagebefugnis für ein gerichtliches Verfahren entsprechend der ihm aus Sicht des Richtliniengebers eingeräumten Möglichkeit ausschließen wollte. Hierfür spricht auch, dass die Gesetzgebungsmaterialien zu § 11 USchadG einleitend lediglich feststellen, dieser enthalte „ergänzende Regelungen zum Rechtsschutz gegenüber einem Handeln oder Unterlassen der zuständigen Behörde“, und zu dessen Abs. 2 ausfü;hren, dieser diene der Umsetzung von Art. 13 UHRL; es k6;nne daher auf die Regelungen des entsprechenden Umsetzungsgesetzes (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz) und die Begründung hierzu direkt verwiesen werden (BT-Drs. 16/3806, S. 27 f.). Hätte der Gesetzgeber dagegen tatsächlich die systematische Anomalie regeln wollen, das Antragsrecht gegenüber der Behörde für Fälle der unmittelbaren Gefahr eines Umweltschadens auszuschließen, hierfür aber zugleich ohne jegliches Vorverfahren einen Zugang zu einer gerichtlichen Klage zu eröffnen, obwohl er davon ausging, nach der Umwelthaftungsrichtlinie beides ausschließen zu können, so wären hierzu in der Gesetzesbegründung weitere Erläuterungen zu erwarten gewesen. Stattdessen legt die Entwurfsbegründung den Schluss nahe, dass der Gesetzgeber davon ausging, schon mit der Regelung in § 10 USchadG „Antrags- und Klagerecht“ im Hinblick auf Vermeidungsmaßnahmen ausgeschlossen zu haben, und die Verweisung auf das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz in § 11 Abs. 2 USchadG nur noch als „ergänzende“ Regelung zur Ausgestaltung sonstiger Rechtsbehelfe von Umweltvereinigungen unter den weiteren Voraussetzungen des § 2 UmwRG a. F. ansah.

87

dd) Zuletzt legen Sinn und Zweck der Einschränkung der Antragsbefugnis in § 10 USchadG ebenfalls nahe, diese Beschränkung auch auf die Klagebefugnis in § 11 Abs. 2 USchadG zu beziehen.

88

Zwar wird der vom historischen Gesetzgeber verfolgte Regelungszweck in den Gesetzgebungsmaterialien nicht ausdrücklich formuliert. Dem Gesetzgeber erschien es in „Fällen, in denen eine unmittelbare Gefahr eines Umweltschadens abgewendet werden muss, [...] im Hinblick auf eine effektive Gefahrenabwehr nicht zielführend, vor dem Ergreifen der notwendigen Maßnahmen ein gesondertes Verfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit durchführen zu müssen“ (BT-Drs. 16/3806, S. 27; ebenso Beckmann/Wittmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Loseblatt, Stand: September 2018, 7; 10 Rn. 2). Es ist allerdings nicht ersichtlich, inwieweit ein Initiativrecht von Betroffenen und Umweltvereinigungen die zuständige Behörde tatsächlich bei der effektiven „Gefahrabwehr“ behindern könnte. Die Behörde bliebe nach § 10 Alt. 1 USchadG stets von Amts wegen verpflichtet, im Falle einer unmittelbaren Gefahr eines Umweltschadens nach pflichtgemäßem Ermessen &#252;ber die notwendigen Vermeidungsmaßnahmen gemäß §§ 7 Abs. 2 Nr. 2, 2 Nr. 6 USchadG zu entscheiden und diese durchzusetzen, unabhängig von einem laufenden Antragsverfahren gemäß § 10 Alt. 2 USchadG. Das Beteiligungsverfahren nach § 8 Abs. 4 USchadG gilt außerdem nur in einem auf die Anordnung von Sanierungsmaßnahmen gerichteten Verwaltungsverfahren. Es wäre regelungstechnisch ohne weiteres möglich gewesen, es bei dieser Beschränkung der Beteiligung zu belassen, gleichzeitig aber das Initiativrecht in § 10 USchadG auch auf die Vermeidungsmaßnahmen bei bestehender Gefahrenabwehrpflicht (§§ 5, 7 Abs. 2 Nr. 2 USchadG) auszudehnen, ohne eine dem § 8 Abs. 4 USchadG entsprechende Beteiligungsmöglichkeit bei der Festsetzung von Vermeidungsmaßnahmen i. S. v. § 2 Nr. 6 USchadG einzuräumen. Auch aus sonstigen Rechtsvorschriften ergibt sich kein Erfordernis einer 4;ffentlichkeitsbeteiligung, die gebotene Vermeidungsmaßnahmen zur Erfüllung der Gefahrenabwehrpflicht (§; 5 USchadG) hinauszögern könnte. Insbesondere müsste die Behörde bei Gefahr im Verzug gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG eine Vereinigung auch nicht gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG zu einer geplanten Vermeidungsmaßnahme anhören, wenn nach deren Antragstellung bereits ein Verwaltungsverfahren eingeleitet worden wäre. Auch die Umwelthaftungsrichtlinie gibt – anders als für Sanierungsmaßnahmen in Art. 7 Abs. 4 UHRL – in Art. 5 UHRL nicht vor, dass bei der Anordnung von Vermeidungsmaßnahmen die in Art. 12 Abs. 1 UHRL genannten Personen zu beteiligen sind.

89

Eine objektiv-teleologische Auslegung ergibt jedoch, dass die Beschränkung in § 10 USchadG darauf gerichtet ist, die zuständige Behörde von der Bearbeitung entsprechender Anträge zu entlasten. Sie soll nicht über ein Initiativrecht gezwungen werden können, in jedem der potenziell zahlreichen und – auch bei der Behauptung einer „unmittelbaren“ Gefahr i. S. v. § 2 Nr. 5 USchadG – mit prognostischen Unsicherheiten befrachteten Fälle einer von Betroffenen oder Umweltvereinigungen geltend gemachten unmittelbaren Gefahr eines Umweltschadens gemä&#223; § 22 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG ein auf Sachbescheidung gerichtetes Verwaltungsverfahren einleiten zu müssen. Demgegenüber ist die Gefahr einer zahlreichen Belastung der Behörde mit Anträgen auf die Vornahme von Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen (§ 6 USchadG) deutlich geringer, weil hier ein konkreter, bereits eingetretener Umweltschaden glaubhaft gemacht werden muss. Dieses Ziel würde jedoch verfehlt, wenn eine Umweltvereinigung gegen die Behörde ohne weitere Vorbefassung ein auf Verpflichtung zur Anordnung von Vermeidungsmaßnahmen gerichtetes gerichtliches Verfahren initiieren könnte. Denn auch dort müsste sich die Behörde als Beklagte mit dem Vortrag der Umweltvereinigung zum Bestehen einer Gefahr, für den anders als nach § 10 USchadG nicht einmal das Erfordernis der Glaubhaftmachung gelten würde, auseinandersetzen. In noch weitergehendem Maße gilt dies für das Gericht, das gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO von Amts wegen aufklären müsste, ob die vorgetragene Gefahr eines Umweltschadens vorliegt. Auch wenn die zu erwartende Zahl gerichtlicher Verfahren geringer sein dürfte als die Zahl von Anträgen gegenüber der Behörde, wäre es kein schlüssiges Regelungskonzept, die mit der Vorschrift bezweckte Entlastung von der Bearbeitung solcher Anträge auf das behördliche Verfahren zu beschränken und den Rechtsstreit zwischen Behörde und Umweltvereinigung ohne filterndes Behördenverfahren auf die zur Amtsermittlung verpflichteten Verwaltungsgerichte zu verlagern.

90

Im Zusammenhang mit dem soeben dargestellten Entlastungszweck sind bei einer Rechtsfolgenbetrachtung vor allem auch die Fälle in den Blick zu nehmen, in denen die zugrunde liegende Tätigkeit – wie im vorliegenden Fall Errichtung und Betrieb des Windparks ... – zuvor behördlich genehmigt wurde. Der Ausschluss des Initiativrechts in der hier vertretenen Auslegung verhindert in diesen Fällen, dass sich die Behörde und das Gericht (erneut) mit dem Bestehen einer von der Tätigkeit ausgehenden behaupteten Schadensgefahr befassen müssen, die bereits Gegenstand eines Zulassungsverfahrens war. Einem solchen Antrag könnte nämlich nicht ohne weiteres schon die Erlaubniswirkung der Genehmigung entgegen gehalten werden. Das Regelungsregime des Umweltschadensrechts erkennt, wie insbesondere § 2 Nr. 3 USchadG zeigt, eine grundsätzliche Legalisierungswirkung von Zulassungen bzw. Genehmigungen nicht an (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.9.2017, 7 C 29/15, NVwZ 2018, 427 ff., juris Rn. 25; Petersen, NuR 2014, 525, 530; Fellenberg, in: Lütke/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl. 2018, § 19 Rn. 43 f. m. w. N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entlastet deshalb allein die Rechtmäßigkeit des Handelns in Ausübung einer Genehmigung auch nicht von der Verantwortlichkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG (BVerwG a. a. O.). Eine Genehmigung kann lediglich in begrenztem Umfang bei der Bestimmung des Vorliegens eines Umweltschadens Legalisierungswirkung entfalten: Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG ist eine Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen im Sinne des Umweltschadensgesetzes jeder Schaden, der erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands dieser Lebensräume oder Arten hat. Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG liegt allerdings abweichend von § 19 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG keine Schädigung vor bei zuvor ermittelten nachteiligen Auswirkungen von Tätigkeiten einer verantwortlichen Person, die von der zuständigen Behörde nach den §§ 34, 35, 45 Abs. 7 oder § 67 Abs. 2 BNatSchG oder, wenn eine solche Prüfung nicht erforderlich ist, nach § 15 BNatSchG oder auf Grund der Aufstellung eines Bebauungsplans nach § 30 oder § 33 BauGB genehmigt wurden oder zulässig sind. Die Reichweite dieser beschränkten Legalisierungswirkung ist im Einzelnen nicht abschließend geklärt (vgl. die Übersicht bei Petersen, NuR 2014, 525, 530 f.; Knopp/Lohmann/Schumacher, NuR 2017, 741, 744 f. m. w. N.; Fellenberg, in: Lütke/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl. 2018, § 19 Rn. 28 ff.; Cuypers, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2. Aufl. 2016, § 19 Rn. 29). Überwiegend wird sie mit der Formel umschrieben, das Vorhaben müsse in Kenntnis der zuvor ermittelten nachteiligen Auswirkungen „sehenden Auges“ zugelassen worden sein (Petersen, NuR 2014, 525, 531; Fellenberg, a. a. O., Rn. 29 m. w. N.). In Genehmigungsfällen müsste die Behörde deshalb aufgrund eines Initiativantrags einer Umweltvereinigung die Glaubhaftmachung der unmittelbaren Schadensgefahr prüfen, die entsprechenden Untersuchungen und ihre Ergebnisse im Genehmigungsverfahren nachvollziehen und feststellen, ob die nachteiligen Auswirkungen, auf die sich die geltend gemachte Gefahr bezieht, vor Genehmigungserteilung zutreffend ermittelt wurden und ihre rechtliche Bewertung nicht zumindest an schwerwiegenden Mängeln leidet (vgl. Fellenberg, a. a. O., Rn. 34 m. w. N.). Die Beschränkung des Initiativrechts entlastet die Behörde mithin insbesondere davon, auf der Grundlage einer geltend gemachten Schadensgefahr eine solche Überprüfung der Genehmigungsentscheidung leisten zu müssen. Gerade in diesen Fällen wäre es jedoch nicht schlüssig, einen direkten Zugang zu den Gerichten zu eröffnen, die nunmehr das Bestehen einer unmittelbaren Schadensgefahr ermitteln und ohne behördliches Verfahren die ursprüngliche Zulassungsentscheidung nach dem oben dargestellten Maßstab auch nach Eintritt der Bestandskraft überprüfen müssten.

91

ee) Diese Auslegung von § 11 Abs. 2 USchadG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG ist auch mit der Umwelthaftungsrichtlinie vereinbar. Diese gestattet den Mitgliedstaaten wie vom deutschen Gesetzgeber angenommen den Ausschluss sowohl des Antrags- als auch des Klagerechts in Bezug auf Vermeidungsmaßnahmen bei bestehender Gefahrenabwehrpflicht (§§ 5, 7 Abs. 2 Nr. 2 USchadG).

92

§ 10 USchadG dient der Umsetzung von Art. 12 UHRL. Nach Art. 12 Abs. 1 UHRL erhalten natürliche oder juristische Personen, die von einem Umweltschaden betroffen oder wahrscheinlich betroffen sind oder ein ausreichendes Interesse an einem umweltbezogenen Entscheidungsverfahren bezüglich des Schadens haben oder alternativ eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert, das Recht, der zuständigen Behörde Bemerkungen zu ihnen bekannten Umweltschäden oder zu einer ihnen bekannten unmittelbaren Gefahr solcher Schäden zu unterbreiten und die zuständige Behörde aufzufordern, gemäß dieser Richtlinie tätig zu werden. Nach Art. 12 Abs. 5 UHRL können die Mitgliedstaaten beschließen, Art. 12 Abs. 1 und 4 UHRL auf die Fälle der unmittelbaren Gefahr eines Schadens nicht anzuwenden. Hiervon hat die Bundesrepublik Deutschland Gebrauch gemacht und das Initiativrecht nach § 10 USchadG auf die Durchsetzung von Sanierungsmaßnahmen beschränkt (vgl. auch Petersen, Umweltschadensgesetz, 2013, § 10 Rn. 8). § 11 Abs. 2 USchadG geht demgegenüber auf Art. 13 Abs. 1 UHRL zurück. Danach können die in Art. 12 Abs. 1 UHRL genannten Personen ein Gericht oder eine andere unabhängige und unparteiische öffentliche Stelle anrufen, um Entscheidungen, Handlungen oder die Untätigkeit der nach dieser Richtlinie zuständigen Behörde auf formelle und materielle Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen.

93

Der Wortlaut dieser Regelungen ergibt nicht eindeutig, dass es den Mitgliedstaaten gestattet ist, auch den in Art. 13 Abs. 1 UHRL vorgeschriebenen Zugang zu einem Gericht in Fällen der unmittelbaren Gefahr eines Schadens auszuschließen: Die Bezugnahme auf die „in Art. 12 Abs. 1 genannten Personen“ könnte lediglich der Eingrenzung des klagebefugten Personenkreises in dem Sinne dienen, dass der Zugang zu einem Gericht nur solchen natürlichen oder juristischen Personen eröffnet werden muss, die die weiteren Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 UHRL erfüllen. Selbst wenn die Mitgliedstaaten gemäß Art. 12 Abs. 5 UHRL beschlossen haben, das Initiativrecht nach Art. 12 Abs. 1 UHRL auf die Fälle der unmittelbaren Gefahr eines Schadens nicht anzuwenden, so könnte diese Bezugnahme als lediglich definitorische Verweisung auch für den Zugang zu einem Vermeidungsmaßnahmen i. S. d. § 7 Abs. 2 Nr. 2 USchadG betreffenden gerichtlichen Verfahren ihre Geltung behalten.

94

Der Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 UHRL lässt sich jedoch auch so verstehen, dass eine Klagebefugnis der „in Artikel 12 Absatz 1 genannten Personen“ voraussetzt, dass Art. 12 Abs. 1 UHRL im jeweiligen Mitgliedstaat überhaupt Anwendung findet. In diesem Fall würde die vom Mitgliedstaat nach Art. 12 Abs. 5 UHRL beschlossene Nichtanwendung des Art. 12 Abs. 1 UHRL auch den Zugang zu einem gerichtlichen Verfahren nach Art. 13 Abs. 1 UHRL ausschließen. Die Entstehungsgeschichte der Umwelthaftungsrichtlinie führt zur letzteren Lesart des Verweises in Art. 13 Abs. 1 UHRL:

95

Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Umwelthaftung betreffend die Vermeidung von Umweltschäden und die Sanierung der Umwelt (2002/C 151 E/06) vom 21. Februar 2002 (ABl. C 151 E/132) sah in Art. 14 vor, dass „Personen, denen durch Umweltschäden nachteilige Auswirkungen entstehen oder wahrscheinlich entstehen, sowie qualifizierte Einrichtungen“ das Recht hätten, der zuständigen Behörde alle ihnen bekannten Beobachtungen von Umweltschäden mitzuteilen und die Behörde aufzufordern, im Rahmen dieser Richtlinie tätig zu werden. Gleichzeitig sah Art. 15 des Entwurfs vor, dass jede „Person oder qualifizierte Einrichtung, die im Rahmen dieser Richtlinie eine Aufforderung zum Tätigwerden eingereicht hat“, ein Gericht anrufen kann, um Entscheidungen, Maßnahmen oder ein Untätigbleiben der zuständigen Behörde auf formelle und materielle Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Die Formulierung „Beobachtungen von Umweltschäden“ legt nahe, dass nur bereits eingetretene Umweltschäden gemeint waren, der Entwurf also kein Initiativrecht gegenüber der zuständigen Behörde im Hinblick auf ein Tätigwerden bei unmittelbarer Gefahr eines Umweltschadens vorsah. Von diesem Verständnis des ursprünglichen Entwurfs gingen auch der Rat und die Kommission aus: Der Rat führt in der Begründung des späteren Gemeinsamen Standpunktes aus, in Art. 12 des Gemeinsamen Standpunkts sei „jetzt vorgesehen, dass auch die Fälle unmittelbarer Schadensgefahr erfasst werden“ (ABl. C 277 E/30). In der darauf folgenden Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament betreffend den vom Rat angenommenen gemeinsamen Standpunkt vom 19. September 2003 (SEK [2003] 1027 endgültig) führt die Kommission zu dem neugefassten Art. 12 Abs. 1 UHRL aus, das Verfahren ermögliche „nun auch Anträge auf Maßnahmen, wenn eine unmittelbare Gefahr eines Schadens besteht“. Da die Möglichkeit des Zugangs zu einem gerichtlichen Verfahren in Art. 15 des Entwurfs an eine vorherige Aufforderung zum Tätigwerden gekoppelt war, bestand mithin nach dem Entwurf der Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz im Falle einer unmittelbaren Gefahr nicht.

96

Ihre heutige Fassung erlangte die Richtlinie durch den Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 58/2003, vom Rat festgelegt am 18. September 2003 (ABl. C 277 E/10). Ein zwischenzeitiger Vorschlag des Europäischen Parlaments, in Art. 14 Abs. 1 des Entwurfs ohne Beschränkungsmöglichkeit eine Erweiterung aufzunehmen, wonach qualifizierte Einrichtungen in Fällen, in denen die unmittelbare Gefahr eines Schadens für die Umwelt besteht, das Recht haben, unmittelbare rechtliche Schritte gegen den Betreiber (nicht die Behö;rde) zu unternehmen, konnte sich nicht durchsetzen (vgl. Art. 15 Abs. 1 lit. c) des Standpunkts des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 14. Mai 2003 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2003/.../EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Umwelthaftung betreffend die Vermeidung von Umweltschäden und die Sanierung der Umwelt, ABl. 2004/C 67 E/186; vgl. auch Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Umwelthaftung betreffend die Vermeidung von Umweltschäden vom 2. Mai 2003, A5-0145/2003, S. 122). Neben der neugefassten Umschreibung des initiativberechtigten Personenkreises wurde im Gemeinsamen Standpunkt im neuen Art. 12 Abs. 1 UHRL das Initiativrecht auf die unmittelbare Gefahr von Umweltschäden erweitert. Zugleich wurde in Art. 12 Abs. 5 UHRL aufgenommen, dass die Mitgliedstaaten beschließen können, die Absätze 1 und 4 auf die Fälle der unmittelbaren Gefahr eines Schadens nicht anzuwenden. Die bisherige ausdrückliche Koppelung des Rechts auf Zugang zu einem gerichtlichen Verfahren wurde in dem neugefassten Art. 13 Abs. 1 UHRL zwar aufgegeben und durch die Bezugnahme auf die „in Artikel 12 Absatz 1 genannten Personen“ ersetzt. Aus der Begründung des Gemeinsamen Standpunkts ergibt sich jedoch, dass mit dieser neuen Verweisung in Art. 13 Abs. 1 UHRL keine Änderung des Zugangs zu gerichtlichem Rechtsschutz im Vergleich zu dem vorhergehenden Kommissionsvorschlag beabsichtigt war. In der Begründung des Rates wird bei der Beschreibung der wesentlichen vom Rat eingeführten neuen Elemente lediglich ausgeführt, dass Art. 12 des Gemeinsamen Standpunkts jetzt vorsehe, dass auch die Fälle unmittelbarer Schadensgefahr erfasst würden, „wobei Anpassungen möglich sind“ (ABl. C 277 E/30). In der darauf folgenden Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament betreffend den vom Rat angenommenen gemeinsamen Standpunkt vom 19. September 2003 (SEK [2003] 1027 endgültig) führt die Kommission aus, Art. 12 Abs. 5 UHRL sei neu und ermögliche es den Mitgliedstaaten, „die Verfahren gemäß den Absätzen 1 bis 4 an Fälle einer unmittelbaren Gefahr eines Schadens anzupassen“. Zu Art. 13 Abs. 1 UHRL führt die Kommission lediglich aus, dieser entspreche Art. 15 Abs. 1 des Kommissionsvorschlags.

97

Zusammengefasst ergibt sich aus dieser Entstehungsgeschichte, dass zunächst eine Beschränkung des Initiativrechts und des Zugangs zu einem gerichtlichen Verfahren auf Fälle eines bereits eingetretenen Umweltschadens beabsichtigt war. Auf Betreiben des Rates wurde das gegenüber der Behörde bestehende Initiativrecht auf die Fälle der unmittelbaren Gefahr eines Umweltschadens erweitert, jedoch zugleich eine Klausel eingeführt, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen sollte, diese Erweiterung bei der Umsetzung in nationales Recht wieder auszuschließen. Eine eindeutige Regelung dieser Ausschlussmöglichkeit im Zusammenhang mit dem Zugang zum gerichtlichen Verfahren wurde nicht in die Richtlinie aufgenommen. Die Begründungen des Rates und der Kommission zu dem Gemeinsamen Standpunkt lassen jedoch erkennen, dass eine über das Initiativrecht hinausgehende Eröffnung des Zugangs zu gerichtlichem Rechtsschutz nicht beabsichtigt war, sondern beide davon ausgingen, dass sich bei der Regelung des gerichtlichen Rechtsschutzes im Vergleich zum ersten Entwurf nichts Wesentliches ändere. Es wäre auch zu erwarten gewesen, dass eine derart gravierende Änderung des dem Kommissionsvorschlag zugrunde liegenden Rechtsschutzmodells wie die Einführung eines von den Mitgliedstaaten nicht abdingbaren und von der Durchführung einer vorherigen behördlichen Befassung losgelösten gerichtlichen Klagerechts in Fällen der unmittelbaren Gefahr eines Umweltschadens in den Gesetzgebungsmaterialien Erwähnung gefunden hätte. Die fehlende eindeutige Regelung der Möglichkeit des Ausschlusses des gerichtlichen Rechtsschutzes in Fällen einer unmittelbaren Schadensgefahr ist deshalb als redaktionelle Ungenauigkeit einzuordnen. Art. 13 Abs. 1 UHRL ist daher so zu auszulegen, dass die „in Artikel 12 Absatz 1 genannten Personen“ ein Gericht nur dann anrufen können, soweit Art. 12 Abs. 1 UHRL in dem jeweiligen Mitgliedstaat überhaupt anwendbar und seine Geltung für Fälle der unmittelbaren Gefahr eines Schadens nicht nach Art. 12 Abs. 5 UHRL ausgeschlossen worden ist.

98

Zuletzt legen Sinn und Zweck der durch Art. 12 Abs. 5 UHRL eingeräumten Einschränkungsmöglichkeit ebenfalls nahe, diese auch auf die Klagebefugnis zu beziehen. Zwar formulieren die Materialien nicht deutlich, welchen Regelungszweck der historische Richtliniengeber mit Art. 12 Abs. 5 UHRL verfolgte: Wie oben dargestellt f52;hrt die Begr2;ndung des Rates zu Art. 12 des Gemeinsamen Standpunkts aus, dieser erfasse jetzt auch Fälle unmittelbarer Schadensgefahr, es seien jedoch „Anpassungen möglich“ (ABl. C 277 E/30). Die Kommission stellt zu dem neugefassten Art. 12 Abs. 1 UHRL in ähnlicher Weise fest, Art. 12 Abs. 5 UHRL sei neu und ermögliche es den Mitgliedstaaten, „die Verfahren gemäß den Absätzen 1 bis 4 an Fälle einer unmittelbaren Gefahr eines Schadens anzupassen“ (SEK [2003] 1027 endgültig). In beiden Stellungnahmen wird von einer „Anpassungsmö;glichkeit“ gesprochen, obwohl es sich um die Möglichkeit eines vollst&#228;ndigen Ausschlusses der gerade neu in den Entwurf aufgenommenen Ausdehnung des Initiativrechts auf Fälle der unmittelbaren Schadensgefahr handelt. Wie schon oben zum nationalen Recht festgestellt, dient eine solche Möglichkeit der Entlastung der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats. Aus den bereits oben ausgeführten Gründen würde dieses Ziel jedoch verfehlt, wenn eine Umweltvereinigung befugt wäre, gegen die Behörde direkt gerichtlich vorzugehen. Es wäre insbesondere nicht plausibel, dass den Mitgliedstaaten mit Art. 12 Abs. 5 UHRL nur die Möglichkeit gegeben werden sollte, ihre zuständigen Behörden von derartigen Anträgen zu entlasten, sie aber gleichzeitig eine Belastung ihrer Gerichte mit entsprechenden Rechtsstreitigkeiten hinnehmen müssten.

99

Aus dem von dem Kläger angeführten Erwägungsgrund Nr. 26 UHRL, der vorsieht, dass die betroffenen natürlichen oder juristischen Personen Zugang zu Verfahren haben sollten, in deren Rahmen Entscheidungen, Handlungen oder die Untätigkeit der zust8;ndigen Behörden überprü;ft werden, ergibt sich kein anderes Auslegungsergebnis. Die konkrete Regelung des Art. 12 Abs. 5 UHRL geht diesem Programmsatz vor. Seine allgemeine Formulierung lässt im Übrigen ohne weiteres zu, dass die Richtlinie den Zugang zu entsprechenden Überprüfungsmöglichkeiten nicht ausnahmslos für jede Entscheidung, Handlung oder Untätigkeit eröffnet.

100

ff) Das nach dem Vorstehenden gewonnene Auslegungsergebnis ist auch nicht aufgrund der Vorgaben der Aarhus-Konvention dahingehend zu korrigieren, dass die Verbandsklagebefugnis gemäß § 11 Abs. 2 USchadG auf die Durchsetzung von Gefahrenvermeidungspflichten auszuweiten wäre.

101

(1) Art. 9 Abs. 2 AK gebietet es nicht, eine derartige Verbandsklagebefugnis zu schaffen. Nach Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 AK stellt jede Vertragspartei im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsprozessrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Art. 6 AK und – sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Art. 9 Abs. 3 AK – sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.

102

Der Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 2 AK ist hier nicht eröffnet. Es geht im vorliegenden Fall nicht um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen, für die Art. 6 AK gilt. Nach Art. 6 Abs. 1 AK wendet jede Vertragspartei diesen Artikel bei Entscheidungen darüber an, ob die in Anhang I AK aufgeführten geplanten Tätigkeiten zugelassen werden (lit. a), und wendet diesen Artikel in Übereinstimmung mit ihrem innerstaatlichen Recht auch bei Entscheidungen über nicht in Anhang I AK aufgeführte geplante Tätigkeiten an, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können (lit. b). Art. 6 Abs. 1 AK bezieht sich damit allgemein auf „Entscheidungen“ über die genannten Tätigkeiten, mit denen festgestellt wird, dass diese ausgeführt werden dürfen, d.h. auf Zulassungs- bzw. Genehmigungsentscheidungen (Epiney/Diezig/Pirker/Reitemeyer, Aarhus-Konvention, 2018, Art. 6 Rn. 3 ff.). Um eine solche Zulassungsentscheidung geht es hier nicht.

103

(2) Auch aus Art. 9 Abs. 3 AK folgt keine völkervertragsrechtliche Pflicht, im Rahmen des Umweltschadensgesetzes eine Verbandsklagebefugnis zur Durchsetzung von Vermeidungsmaßnahmen i. S. d. § 7 Abs. 2 Nr. 2 USchadG einzuräumen.

104

Nach Art. 9 Abs. 3 AK stellt jede Vertragspartei zusätzlich und unbeschadet der in Art. 9 Abs. 1 und 2 AK genannten Überprüfungsverfahren sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen. Die Aarhus-Konvention bindet als völkerrechtlicher Vertrag nicht nur die Bundesrepublik Deutschland (vgl. BGBl. II 2007, S. 1392), sondern ist wegen ihrer Unterzeichnung durch die Gemeinschaft auch Bestandteil der Unionsrechtsordnung (vgl. EuGH, Urt. v. 8.3.2011, C-240/09, NVwZ 2011, 673 ff., juris Rn. 30 m. w. N. – „Slowakischer Braunbär“).

105

Nach der Rechtsprechung des EuGH entfaltet Art. 9 Abs. 3 AK allerdings keine unmittelbare Wirkung, weil er keine klare und präzise Verpflichtung enthält. Da die Vorschrift jedoch auf die Gewährleistung eines effektiven Umweltschutzes abzielt, gebietet es nach der Auffassung des EuGH der Grundsatz der Effektivität, dass ein nationales Gericht das Verfahrensrecht in Bezug auf die Voraussetzungen, die für die Einleitung eines verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Überprüfungsverfahrens vorliegen müssen, so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 AK als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte auszulegen hat, um es einer Umweltschutzorganisation zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten (EuGH, Urt. v. 8.3.2011, a. a. O., Rn. 45 ff.; so auch Urt. v. 20.12.2017, C-664/15, NVwZ 2018, 225 ff., juris Rn. 54 – „Protect“).

106

In der „Protect“-Entscheidung (zum Folgenden EuGH, Urt. v. 20.12.2017, C-664/15, NVwZ 2018, 225 ff., juris Rn. 45 ff. – „Protect“) hat der EuGH festgestellt, die Rechte aus Art. 9 Abs. 3 AK hätten als solche zwar keine unmittelbare Wirkung. In Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: GRCh) verpflichte Art. 9 Abs. 3 AK die Mitgliedstaaten aber dazu, einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte, insbesondere der Vorschriften des Umweltrechts zu gewährleisten. Das in Art. 9 Abs. 3 AK vorgesehene Recht, einen Rechtsbehelf einzulegen, hätte keine praktische Wirksamkeit, wenn durch Kriterien des innerstaatlichen Rechts bestimmten Kategorien der „Mitglieder der Öffentlichkeit“, erst recht der „betroffenen Öffentlichkeit“ wie Umweltorganisationen, die die Voraussetzungen von Art. 2 Nr. 5 AK erfüllten, der Zugang zu den Gerichten gänzlich verwehrt würde. Umweltorganisationen dürfe durch im innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien insbesondere nicht die Möglichkeit genommen werden, die Beachtung der aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangen Rechtsvorschriften überprüfen zu lassen, zumal solche Rechtsvorschriften in den meisten Fällen auf das allgemeine Interesse und nicht auf den alleinigen Schutz der Rechtsgüter Einzelner gerichtet seien und Aufgabe besagter Umweltorganisationen der Schutz des allgemeinen Interesses sei. Dies bedeute zwar, dass die Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum behielten. Kriterien, die derart streng seien, dass es für Umweltorganisationen praktisch unmöglich sei, Handlungen und Unterlassungen im Sinne von Art. 9 Abs. 3 AK anzufechten, seien aber nicht zulässig. Sollte deshalb eine den Zielen von Art. 9 Abs. 3 AK und der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte so weit wie möglich Rechnung tragende Auslegung nationaler Vorschriften im Sinne der Entscheidung „Slowakischer Braunbär“ nicht möglich sein, müsse das nationale Gericht die in Rede stehende nationale Verfahrensvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lassen (EuGH, Urt. v. 20.12.2017, a. a. O., Rn. 55; dem folgend BVerwG, Urt. v. 27.2.2018, 7 C 30/17, BVerwGE 161, 201 ff., juris Rn. 36). Damit geht der EuGH über das noch in der „Braunbär&#8220;-Entscheidung postulierte Gebot einer bloßen unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts hinaus (vgl. Wegener, ZUR 2018, 217, 219; Sobotta, EuZW 2018, 165; Klinger, NVwZ 2018, 231 f.). Aus der Entscheidung wird teilweise abgeleitet, alle hinreichend bestimmten und damit unmittelbar wirksamen Umweltschutznormen des Unionsrechts müssten durch anerkannte Umweltvereinigungen ohne weiteres gerichtlich einklagbar sein (VG Berlin, Urt. v. 18.4.2018, 11 K 216.17, ZUR 2018, 497 ff., juris Rn. 27; Wegener, ZUR 2018, 217, 221; enger VG Düsseldorf, Urt. v. 24.1.2018, 6 K 12341/17, juris Rn. 226 ff.). Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus jedoch nicht, dass eine Ausweitung der Verbandsklagebefugnis nach § 11 Abs. 2 USchadG zur Durchsetzung von Gefahrenabwehrpflichten nach §§ 5, 7 Abs. 2 Nr. 2 USchadG geboten ist.

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107

(a) Dabei ist allerdings nicht davon auszugehen, dass die vom EuGH entwickelten Vorgaben aus Art. 9 Abs. 3 AK für die Anwendung des nationalen Rechts schon deshalb nicht einschlägig seien, weil diese sich lediglich auf Entscheidungen bezögen, mit denen Projekte, die mö;glicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, genehmigt werden, also auf behördliche Zulassungsentscheidungen (so etwa OVG Lüneburg, Urt. v. 3.3.2015, 4 LC 39/13, NordÖR 2015, 270 ff., juris Rn. 68; Beschl. v. 30.7.2013, 12 MN 300/12, NordÖR 2013, 431 ff., juris Rn. 18). Eine derartige Einschränkung ergibt sich aus den zitierten Entscheidungen des EuGH nicht. Zwar geht es in den dort zugrunde liegenden Sachverhalten um behördliche Entscheidungen am Ende eines Genehmigungsverfahrens. Die allgemeinen Ausführungen des EuGH lassen aber nicht den Schluss zu, die Anwendbarkeit der dort entwickelten Grundsätze beschränkten sich auf derartige behördliche Genehmigungen (weniger eng auch BVerwG, Urt. v. 1.4.2015, 4 C 6/14, BVerwGE 152, 10 ff., juris Rn. 36: die in „Slowakischer Braunbär“ konstatierte Auslegungsmaxime knüpfe an eine „Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist“, an). Auch der Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 AK, der sehr allgemein von „Handlungen und begangenen Unterlassungen“ spricht, lässt eine solche enge Auslegung nicht zu (vgl. auch „Findings and recommendations with regard to communication ACCC/C/2008/31 concerning compliance by Germany“ v. 20.12.2013, Rn. 92; ferner Klinger, NVwZ 2018, 231; Schlacke, NVwZ 2017, 905, 908).

108

(b) Die Beschränkung der Verbandsklagebefugnis nach § 11 Abs. 2 USchadG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG auf die Durchsetzung von Sanierungspflichten führt jedoch nicht dazu, dass die deutsche Rechtsordnung in ihrem System des umweltrechtlichen Rechtsschutzes Kriterien aufstellt, die Umweltorganisationen die Möglichkeit nehmen, die Beachtung der im vorliegenden Fall in Rede stehenden Vorschriften des Unionsumweltrechts im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb von Offshore-Windenergieanlagen überprüfen zu lassen.

109

(aa) Die nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 USchadG bestehende Pflicht der zuständigen Behörde, im Falle einer unmittelbaren Gefahr von Amts wegen tätig zu werden, stellt bereits keine „aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangene Rechtsvorschrift“ dar, zu deren Durchsetzung es nach Art. 9 Abs. 3 AK i. V. m. Art. 47 GRCh geboten wäre, eine Verbandsklagebefugnis nach § 11 Abs. 2 USchadG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG einzuräumen. Zwar beruht sie auf den Vorgaben der Umwelthaftungsrichtlinie, die in Art. 5 Abs. 1, Abs. 3 lit. b), Abs. 4 UHRL ein entsprechendes Tätigwerden der nationalen Behörden zur Gefahrenvermeidung regelt. Diese materiellen Richtlinienvorgaben dürfen jedoch nicht isoliert von der Ausgestaltung der Klagebefugnisse in der Umwelthafthaftungsrichtlinie betrachtet werden. Denn das Unionsrecht selbst ermöglicht in Art. 12 Abs. 5 UHRL den Ausschluss des Klagerechts von Umweltorganisationen zur Durchsetzung der Anordnung von Gefahrenabwehrmaßnahmen. Diese Möglichkeit hat das nationale Recht im vorliegenden Fall (§§ 11 Abs. 2, 10 USchadG) nach dem ausdrücklichen Willen des deutschen Gesetzgebers genutzt (s. o.). Deshalb handelt es sich nicht um Ausschlusskriterien des innerstaatlichen Rechts, durch die den Umweltverbänden die Möglichkeit genommen wird, die Beachtung der aus dem Umweltrecht der Union hervorgegangenen Rechtsvorschriften überprüfen zu lassen. Der Richtliniengeber hat mit der Umwelthaftungsrichtlinie vielmehr &#8211; zusätzlich zu dem sonstigen materiellen Unionsumweltrecht – einen „gemeinsamen Ordnungsrahmen zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden“ (vgl. Erwägungsgrund Nr. 3 UHRL) geschaffen, der von vornherein vorsieht, dass die dadurch geschaffenen Gefahrenvermeidungspflichten nach dem mitgliedstaatlichen Recht nicht mit der Verbandsklage durchsetzbar sein müssen. Damit bestehen nach dem Gesamtregelungskonzept der Umwelthaftungsrichlinie im Bereich der Gefahrenabwehr keine „durch das Recht der Union garantierten Rechte“ (Art. 47 UAbs. 1 GRCh) von Umweltverbänden, in Bezug auf die Art. 9 Abs. 3 AK i. V. m. Art. 47 GRCh und dem Grundsatz der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts die Einräumung effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes gebieten.

110

Die durch den Richtliniengeber in Art. 12 Abs. 5 UHRL vorgesehene Ausschlussmöglichkeit kann auch nicht ihrerseits wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 3 AK als rechtswidriges oder gar unwirksames Sekundärrecht der Union angesehen werden. Der EuGH hat im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (Aarhus-Verordnung) entschieden, dass die Bestimmungen eines internationalen Vertrags, dessen Vertragspartei die Union ist, zur Begründung einer Klage auf Nichtigerklärung einer Handlung des Sekundärrechts der Union oder einer Einrede der Rechtswidrigkeit einer solchen Handlung nur unter der Voraussetzung geltend gemacht werden kann, dass zum einen Art und Struktur des betreffenden Vertrags dem nicht entgegenstehen und zum anderen diese Bestimmungen inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheinen. Art. 9 Abs. 3 AK enthält nach der Entscheidung des EuGH keine solche unbedingte und hinreichend genaue Verpflichtung, die die rechtliche Situation Einzelner unmittelbar regeln könnte, so dass er diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Da nur „Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige [im] innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen“, Inhaber der in Art. 9 Abs. 3 AK vorgesehenen Rechte sind, hängen die Durchführung und die Wirkungen dieser Vorschrift vom Erlass eines weiteren Rechtsakts ab (zum Vorstehenden EuGH, Urteil vom 13.1.2015, C-401/12 P bis C-403/12 P, NuR 2015, 107 ff., juris Rn. 54 ff. – Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht). Zwar weist der EuGH darauf hin, dass er in anderen Entscheidungen im spezifischen Kontext der Umsetzung von WTO-Übereinkommen ausnahmsweise die Rechtmäßigkeit von Unionsrechtsakten an der jeweils umgesetzten völkerrechtlichen Verpflichtung gemessen habe. Dort habe die Union aber bestimmte Verpflichtungen umsetzen wollen, die sie im Rahmen der mit der WTO geschlossenen Verträge übernommen habe, bzw. die unionsrechtliche Verordnung habe ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen der WTO-Übereinkünfte verwiesen, die für die Betroffenen das Recht begründeten, sich im Rahmen eines Antrags nach dieser Verordnung auf die WTO-Bestimmungen zu berufen. Eine solche Ausnahme hat der EuGH jedoch für das Verhältnis von Art. 9 Abs. 3 AK und Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 verneint (zum Vorstehenden EuGH, a. a. O., Rn. 56 ff.). Auch Art. 12, 13 UHRL verweisen nicht auf Art. 9 Abs. 3 AK. Sie dienen auch nicht der Durchführung bestimmter Vorgaben aus Art. 9 Abs. 3 AK, da die Vertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 AK bei der Ausgestaltung der Durchführungsmodalitäten der „verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren“ über ein weites Ermessen verfügen (vgl. zu diesem letzten Aspekt EuGH, a. a. O., Rn. 59 a. E.).

111

(bb) Art. 9 Abs. 3 AK i. V. m. Art. 47 GRCh gebieten die Ausdehnung der Verbandsklagebefugnis auf Vermeidungsmaßnahmen i. S. d. § 7 Abs. 2 Nr. 2 USchadG auch nicht, um die gerichtliche Durchsetzbarkeit der von dem Kläger in der Sache angeführten Vorschriften des Art. 6 Abs. 2, 3 FFH-RL und des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL durch anerkannte Umweltvereinigungen zu gewährleisten. Der Kläger macht insoweit geltend, die der Genehmigungserteilung zugrunde liegende Verträglichkeitsprüfung sei unzureichend gewesen und der Betrieb des Windparks auf der Grundlage einer solchen fehlerhaften Verträglichkeitsprüfung verstoße gegen die Schutzpflicht der Beklagten aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL. Das geltende deutsche Recht macht es anerkannten Umweltvereinigungen jedoch auch ohne die Einräumung einer Verbandsklagebefugnis nach dem Umweltschadensgesetz zur Durchsetzung von Vermeidungspflichten nicht praktisch unmöglich, die Einhaltung dieser materiellen Vorschriften des Unionsumweltrechts gerichtlich überprüfen zu lassen:

112

So haben Umweltverbände die Möglichkeit, die Verletzung der genannten Vorschriften der FFH-RL und der VRL mit einer Verbandsklage gegen die Zulassung des Vorhabens (die bereits in den Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 2 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 lit. b) AK fällt) zu rügen. Entscheidungen 2;ber die Zulassung von Windenergieanlagen auf See im Bereich der AWZ der Bundesrepublik Deutschland richten sich nach §§ 44 ff. WindSeeG (bzw. nach Maßgabe der Übergangsvorschrift des § 77 Abs. 1 WindSeeG nach §§ 2 ff. SeeAnlV). Gemäß § 45 Abs. 1 WindSeeG (§ 2 Abs. 1 SeeAnlV) bedürfen die Errichtung und der Betrieb von Einrichtungen sowie die wesentliche Änderung solcher Einrichtungen oder ihres Betriebs der Planfeststellung. Die Errichtung und der Betrieb von Windfarmen mit – wie im vorliegenden Fall – Anlagen mit einer Gesamthöhe von jeweils mehr als 50 m mit 20 oder mehr Windkraftanlagen ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UVPG i. V. m. Anlage 1, Ziff. 1.6.1 zum UVPG UVP-pflichtig (vgl. auch Spieth, in: Spieth/Lutz-Bachmann, Offshore-Windenergierecht, 2018, § 47 WindSeeG Rn. 9). Gegen die Zulassung besitzt eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung dementsprechend einen Rechtsbehelf nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a), 2 Abs. 1 UmwRG. Mit diesem Rechtsbehelf kann sie nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG geltend machen, dass die Zulassungsentscheidung Rechtsvorschriften, die f&#252;r die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht. Darunter fallen auch die Vorschriften der FFH-RL, der VRL und des Bundesnaturschutzgesetzes (vgl. § 48 Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 8 WindSeeG bzw. § 5 Abs. 6 Nr. 2 und Nr. 3 SeeAnlV).

113

Soweit bereits Umweltschäden eingetreten sind, besteht überdies eine Verbandsklagebefugnis nach § 11 Abs. 2 USchadG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG zur Durchsetzung der Sanierungspflichten nach §§ 6, 7 Abs. 2 Nr. 3 USchadG. Auf dieser Grundlage betreibt der Kläger derzeit auch ein Verfahren vor dem OVG Münster, mit dem die Beklagte zur Anordnung geeigneter Sanierungsmaßnahmen verpflichtet werden soll. Für den Fall nachträglich eintretender Gefahren für die Meeresumwelt, die nicht durch die Genehmigung legalisiert wurden, existieren zudem die Eingriffsbefugnisse des § 16 Abs. 3 SeeAnlV bzw. § 57 Abs. 3 WindSeeG, die ein Umweltverband nunmehr mit dem Verbandsklagerecht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG durchsetzen kann (s. hierzu i. E. unten B.I.2.c).

>114

Die dargestellten Rechtsschutzmöglichkeiten genügen den aus Art. 9 Abs. 3 AK i. V. m. Art. 47 GRCh und dem Grundsatz der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts folgenden Vorgaben für die Rechtsschutzgewährung der Mitgliedstaaten. Sie machen die maßgeblichen Vorschriften des Unionsumweltrechts, insbesondere der FFH-RL, für anerkannte Umweltvereinigungen in hinreichender Weise einklagbar. Weder Art. 9 Abs. 3 AK noch Art. 47 GRCh noch dem Grundsatz der Effektivität des Unionsrechts lässt sich das Gebot entnehmen, über bereits bestehende effektive Verbandsklagemöglichkeiten hinaus weitere Rechtsschutzebenen – hier zur Durchsetzung von Vermeidungspflichten nach dem Umweltschadensgesetz – zu eröffnen, um die in Rede stehende Verletzung der FFH-RL oder der VRL durch den zugelassenen Betrieb eines Vorhabens auch auf anderem Wege geltend machen zu können. Eine korrigierende Auslegung von § 11 Abs. 2 USchadG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG ist deshalb bei einer Gesamtbetrachtung der deutschen Rechtsordnung nicht geboten.

115

Auch der Umstand, dass anerkannte Umweltvereinigungen nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Genehmigungsbescheids vom 18. Dezember 2002 (noch) keine Verbandsklagebefugnis besaßen, um die Zulassung des Windparks ... anzufechten (vgl. zur damals fehlenden Verbandsklagebefugnis VG Hamburg, Urt. v. 1.12.2003, 19 K 2474/2003, NordÖR 2004, 161 ff., juris Rn. 39 ff. sowie den Beschluss des OVG Hamburg v. 3.12.2004, 1 Bf 113/04, ZUR 2005, 206 ff., juris), f&#252;hrt für die Bestimmung der Reichweite der Klagebefugnisse nach dem Umweltschadensgesetz zu keinem anderen Ergebnis:

116

Zum einen ist die Zulassungsentscheidung vom 18. Dezember 2002 zu einem Zeitpunkt bestandskräftig geworden, zu dem die Bundesrepublik Deutschland weder völker- noch europarechtlich verpflichtet war, einer Umweltvereinigung eine Verbandsklagebefugnis zur Anfechtung einer solchen Zulassung einzuräumen. Die Bundesrepublik Deutschland hat die Aarhus-Konvention am 15. Januar 2007 mit völkerrechtlicher Wirkung ratifiziert und sie ist gemäß Art. 20 Abs. 3 AK erst am 15. April 2007 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten (BGBl. II 2007, S. 1392), d. h. mehrere Jahre nach Eintritt der Bestandskraft der Genehmigung des Windparks. Auch die Europäische Union hat die Aarhus-Konvention erst mit Beschluss des Rates vom 17. Februar 2005 über den Abschluss des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten im Namen der Europäischen Gemeinschaft (2005/370/EG) angenommen, so dass sie erst ab diesem Zeitpunkt Bestandteil der Unionsrechtsordnung geworden ist (EuGH, Urt. v. 8.3.2011, C-240/09, NVwZ 2011, 673 ff., juris Rn. 30 – „Slowakischer Braunbär“). Die Genehmigung wurde auch vor dem 25. Juni 2005 bestandskr8;ftig, den der EuGH in seiner „Altrip“- Entscheidung (Urt. v. 7.11.2013, C-72/12, NVwZ 2014, 49 ff., juris Rn. 24, 31) aufgrund der Vorgaben der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme als Stichtag für die Einführung von Rechtsbehelfen gegen Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG festgestellt hat (vgl. entsprechend § 8 Abs. 1 UmwRG).

117

Selbst wenn zum anderen eine nationale Rechtsordnung unter Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 bzw. Abs. 3 AK keine effektive Rechtsschutzmöglichkeit für anerkannte Umweltverbände vorsähe, um die Verletzung der FFH-RL und der VRL durch die Zulassung eines Vorhabens wie des streitgegenständlichen Windparks gerichtlich rügen zu können, so geböte auch dies keine erweiternde Auslegung der Verbandsklagebefugnisse gerade im spezifischen Regime des Umweltschadensrechts zur Durchsetzung von Vermeidungsmaßnahmen. Konsequenz der „Protect“-Entscheidung wäre es in einem solchen Fall vielmehr, diesen konventions- und unionsrechtswidrigen Zustand dadurch zu korrigieren, dass Umweltvereinigungen ein Klagerecht gegen die Zulassungsentscheidung selbst eingeräumt wird und dabei die entgegen stehenden Beschränkungen des nationalen Rechts unangewendet bleiben.

118

(c) Etwas anderes folgt zuletzt auch nicht aus den Dokumenten des Compliance Committee zur Aarhus-Konvention, auf die sich der Kläger im vorliegenden Verfahren bezieht. Diese enthalten keine Aussage zu dem hier in Rede stehenden Problem der Reichweite der Verbandsklagebefugnis nach dem Umweltschadensgesetz:

119

Die „Findings and recommendations with regard to communication ACCC/C/2008/31 concerning compliance by Germany“ vom 20. Dezember 2013 (Rn. 92, Bl. 807 ff. der Gerichtsakte), auf denen der Beschluss V/9h der 5. Vertragsstaatenkonferenz zur Aarhus-Konvention vom 2. Juli 2014 („Report of the fifth session of the Meeting of the Parties – Addendum – Decisions adopted by the Meeting of the Parties“, ECE/MP.PP/2014/2/Add. 1) beruht, stellen ausdrücklich fest, dass Art. 9 Abs. 3 AK die Mitgliedstaaten gerade nicht verpflichtet, ein System von Popularklagen einzuführen, die es jedermann ermöglichen, jede denkbare Entscheidung, Handlung oder Unterlassung, die Bezug zur Umwelt hat, anzufechten. Ihnen sei lediglich verwehrt, den durch Art. 9 Abs. 3 AK gewährten Gestaltungsspielraum als Vorwand zu nutzen, derart strenge Kriterien im nationalen Recht vorzusehen, dass nahezu alle Mitglieder der Öffentlichkeit, insbesondere Umweltvereinigungen, daran gehindert werden, gegen Handlungen oder Unterlassungen vorzugehen, die gegen nationale Bestimmungen zum Schutz der Umwelt verstoßen. Diese Sichtweise hat wie ausgeführt auch das Bundesverwaltungsgericht übernommen (BVerwG, Urt. v. 5.9.2013, 7 C 21/12, BVerwGE 147, 312 ff., juris Rn. 34 f.). Des Weiteren stellt das Compliance Committee fest, dass die Bundesrepublik Deutschland einen solchen effektiven Zugang zu gerichtlicher Kontrolle im Hinblick auf Handlungen und Unterlassungen von Privatpersonen und öffentlichen Behörden „jenseits des Anwendungsbereichs des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes, des Bundesnaturschutzgesetzes und des Umweltschadensgesetzes“ nicht hinreichend garantiere (a. a. O. Rn. 99: “However, in the absence of legislative guarantees for members of the public, including environmental NGOs, to have access to review procedures to challenge acts and omissions of private persons and public authorities in areas of national environmental law beyond the scope of the EAA, the Federal Nature Conservation Act and the Environmental Damage Act the Committee concludes that the conditions laid down by the Party concerned do not ensure standing to environmental NGOs to challenge acts or omissions that contravene national laws relating to the environment.”). Insoweit müssten Kriterien für erweiterte Verbandsklagebefugnisse eingeführt werden, und zwar „zusätzlich“ zu bereits existierenden Klagemöglichkeiten nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, Bundesnaturschutzgesetz und Umweltschadensgesetz (a. a. O. Rn. 103: „in addition to any existing criteria for NGO standing in the EAA, the Federal Nature Conservation Act and the Environmental Damage Act”). Der deutsche Gesetzgeber hat auf diese Kritik unter anderem mit der Einführung von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG reagiert (vgl. BT-Drs. 18/9526, S. 36 f.). Eine Aussage über die Vereinbarkeit des Umweltschadensgesetzes mit Art. 9 Abs. 3 AK, insbesondere der Beschränkung der darin geregelten Verbandsklagebefugnis auf die Durchsetzung von Sanierungspflichten, hat das Compliance Committee mit diesen Feststellungen jedoch nicht getroffen.

120

Aus den von dem Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Ausführungen in den „Draft findings and recommendations of the Compliance Committee with regard to communication ACCC/C/2008/32 (Part II) concerning compliance by the European Union“ (Rn. 77 ff., Bl. 1216 ff. der Gerichtsakte) ergibt sich auch nicht, dass das Compliance Committee die Regelungen der Art. 12 Abs. 5, 13 UHRL im Lichte des Art. 9 Abs. 3 AK für problematisch hält. Vielmehr werden dort lediglich Auszüge aus dem Urteil „Slowakischer Braunbär“ wiedergegeben; es folgt die Feststellung, dass die EU selbst die in diesem Urteil aufgestellte Auslegungsmaxime nicht anwende (Rn. 78). Ein konkreter Bezug zur Umwelthaftungsrichtlinie ist nicht ersichtlich. Im Übrigen gilt hierzu das oben zu den etwaigen Folgen eines Verstoßes von Unionssekundärrecht gegen Art. 9 Abs. 3 AK Ausgeführte.

121

b) Eine Verbandsklagebefugnis des Klägers folgt auch nicht aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG i. V. m. den Vorschriften des Umweltschadensgesetzes.

>
122

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG ist dieses Gesetz anzuwenden auf Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte über Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahmen zur Umsetzung oder Durchführung von Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 UmwRG, die der Einhaltung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union dienen. Zwar ließe sich das Unterlassen einer von Amts wegen ergehenden Anordnung von Ma3;nahmen nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 USchadG zur Vermeidung eines Umweltschadens unter den Begriff der Überwachungsmaßnahme subsumieren. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Regelungen des §§ 11 Abs. 2, 10 USchadG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG dem § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG als lex specialis vorgehen. Dieser Spezialitätsgrundsatz ergibt sich zum einen daraus, dass §§ 11 Abs. 2, 10 USchadG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG den Fall einer Verbandsklagebefugnis nach dem Umweltschadensgesetz besonders regeln und die vom Kläger in Anspruch genommene Verbandsklagebefugnis zur Durchsetzung von Vermeidungsmaßnahmen gerade nicht vorsehen. Zum anderen ergibt sich der Spezialitätsgrundsatz auch aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG. Dieser spricht von Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahmen „zur Umsetzung oder Durchführung von Entscheidungen nach den Nummern 1 bis 5“. Die Regelung bezieht sich damit auf (erlassene oder unterlassene) Verwaltungsakte, die an Entscheidungen nach dem Umweltschadensgesetz erst anknüpfen und diese umsetzen oder durchführen (vgl. auch Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, UmweltR, Loseblatt, Stand: September 2018, § 1 UmwRG Rn. 120: erforderlich ist Zusammenhang „zu einer Entscheidung über die Sanierung von Umweltschäden“). Die Vorschrift erfasst dagegen keine selbstständigen Überwachungsmaßnahmen, deren rechtliche Voraussetzungen unabhängig von einer vorangegangenen Entscheidung sind (Fellenberg/Schiller, a. a. O., Rn. 121). Die Anordnung von Maßnahmen nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 USchadG ist jedoch eine solche unmittelbar nach dem Umweltschadensgesetz getroffene Entscheidung, nicht erst eine daran anknüpfende oder diese umsetzende Entscheidung.

123

c) Die Klagebefugnis des Klägers folgt jedoch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG i. V. m. § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV.

124

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG ist das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz wie ausgeführt auch anzuwenden auf Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte über Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahmen zur Umsetzung oder Durchführung von Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 UmwRG, die der Einhaltung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union dienen. Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV kann das BSH, wenn eine Anlage, ihre Errichtung oder ihr Betrieb zu einer Gefahr für die Meeresumwelt führt, die Errichtung oder den Betrieb ganz oder teilweise bis zur Herstellung des ordnungsgemäßen Zustands untersagen, soweit sich die Beeinträchtigung oder die Gefahr auf andere Weise nicht abwenden lässt oder die Einstellung der Errichtung oder des Betriebs zur Aufklärung der Ursachen der Beeinträchtigung oder der Gefahr unerlässlich ist.

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125

aa) Im vorliegenden Fall ist § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung, nicht hingegen § 14 Abs. 3 des Seeanlagengesetzes vom 13. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2258, 2348 – SeeAnlG) anwendbar.

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Das Seeanlagengesetz gilt gemäß seinem &#167; 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 (in der Fassung vom 17.12.2018, BGBl. I S. 2549, 2568) nur für Anlagen, die der Erzeugung von Energie aus Wasser oder Strömung oder anderen wirtschaftlichen Zwecken, insbesondere der Gewinnung von Energie aus Windenergieanlagen auf See ohne Netzanschluss und sonstigen Energiegewinnungsanlagen, dienen. Außerdem sind nach § 18 Abs. 1 SeeAnlG auf Anlagen im Sinne des § 1 Abs. 2 SeeAnlG, die nach den Vorschriften der Seeanlagenverordnung vom 23. Januar 1997 (BGBl. I S. 57), die zuletzt durch Art. 55 der Verordnung vom 2. Juni 2016 (BGBl. I S. 1257) geändert worden ist, errichtet worden sind, die bisherigen Vorschriften weiter anzuwenden. Für die Zulassung, die Errichtung, die Inbetriebnahme und den Betrieb von Windenergieanlagen auf See ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See vom 13. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2258, 2310, „Windenergie-auf-See-Gesetz“ – WindSeeG) das WindseeG einschlägig, allerdings nur soweit die Anlagen nach dem 31. Dezember 2020 in Betrieb genommen werden. Nach § 77 Abs. 1 WindSeeG (in der Fassung des Gesetzes vom 22.12.2016, BGBl. I S. 3106, 3144) sind auf Windenergieanlagen auf See sowie Anlagen zur Übertragung von Strom aus Windenergieanlagen auf See einschließlich der jeweils zur Errichtung und zum Betrieb der Anlagen erforderlichen technischen und baulichen Nebeneinrichtungen (Einrichtungen) im Bereich der AWZ der Bundesrepublik Deutschland (§ 44 Abs. 1 WindSeeG), die nach den Bestimmungen der Seeanlagenverordnung errichtet und vor dem 1. Januar 2017 in Betrieb genommen worden sind, die bisherigen Bestimmungen der Seeanlagenverordnung so lange weiter anzuwenden, bis wegen einer wesentlichen Änderung der Einrichtung ein Antrag auf Planfeststellung gestellt wird. Bei dem Windpark ... handelt es sich um eine Anlage im Sinne von § 44 Abs. 1 WindSeeG, die vor dem 1. Januar 2017 errichtet und in Betrieb genommen worden ist. Für das Verpflichtungsbegehren des Klägers ist deshalb die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltende letzte Fassung der Seeanlagenverordnung heranzuziehen.

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§ 16 SeeAnlV in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung ist auch auf die vorliegende Anlage anwendbar, für die eine Genehmigung noch nach den im Zeitpunkt des Bescheids vom 18. Dezember 2002 geltenden Vorschriften des §§ 2 ff. SeeAnlV a. F. erteilt wurde und für die noch nicht die Regelungen über das Planfeststellungsverfahren nach §§ 2 ff. i. V. m. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SeeAnlV galten. Aus der Überleitungsvorschrift des § 17 SeeAnlV ergibt sich für die nachträgliche Überwachung einer Anlage nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens nicht die Geltung einer früheren Version der Seeanlagenverordnung.

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bb) Des Weiteren ist auch die erst am 2. Juni 2017 in Kraft getretene Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG anwendbar.

129

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 UmwRG gilt das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz u. a. für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG (oder wie hier deren Unterlassen, § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG), die am 2. Juni 2017 noch keine Bestandskraft erlangt haben. Die Ablehnung der Untersagung des Betriebs des Windparks durch Bescheid des BSH vom 1. August 2014 und Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2014 hat wegen der anhängigen Klage bisher noch keine Bestandskraft erlangt. Zwar hat der Kläger gegen die Ablehnung des Einschreitens Klage erhoben, ohne vor dem 2. Juni 2017 eine Klagebefugnis nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG i. V. m. § 11 Abs. 2 USchadG zu besitzen. Dennoch hat diese Klage den Eintritt der Bestandskraft der Bescheide gehindert. Zwar geht die herrschende Ansicht davon aus, dass ein Rechtsbehelf bei offensichtlicher Unzulässigkeit, namentlich bei Verfristung oder Fehlen der Widerspruchs- oder Klagebefugnis, keine aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO entfaltet (vgl. z. B. Saurenhaus/Buchheister, in: Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 80 Rn. 7). Dennoch hindert eine wie im vorliegenden Fall zunächst ohne Klagebefugnis erhobene Klage im Rahmen von § 8 Abs. 2 Nr. 1 UmwRG den Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsakts (ausführlich zu § 8 Abs. 2 Nr. 1 UmwRG BayVGH, Beschl. v. 1.8.2018, 22 BV 17.1059, NVwZ-RR 2019, 205 ff., juris Rn. 27 ff. m. w. N.; ebenso zur Eröffnung einer rückwirkenden Klagebefugnis für anerkannte Naturschutzverbände nach dem BNatSchG bereits BVerwG, Zwischenurt. v. 28.6.2002, 4 A 59/01, NVwZ 2002, 1234 f., juris). &#167; 8 Abs. 2 UmwRG soll verschiedene Fallgruppen noch nicht abgeschlossener Verfahren erfassen, für die das neue Recht anwendbar sein soll. Für diese;lle noch nicht abgeschlossener Verfahren wollte der Gesetzgeber die Klagebefugnis rückwirkend erweitern. Der Anwendungsbereich von § 8 Abs. 2 Nr. 1 UmwRG wäre jedoch kaum relevant, wenn der Eintritt der Bestandskraft einer Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG nur durch einen Rechtsbehelf gehindert worden wäre, der mit einer bereits bestehenden (Verbands-)Klagebefugnis erhoben worden ist. Das Merkmal der Bestandskraft soll vielmehr ausschließen, dass bisher nicht fristgemäß angefochtene Verwaltungsakte nachträglich einem Rechtsbehelfsverfahren unterzogen werden können, nachdem bisher davon abgesehen worden ist, innerhalb der geltenden Fristen überhaupt einen Rechtsbehelf zu erheben. Diese Auslegung legen auch die Gesetzgebungsmaterialien nahe (vgl. hierzu eingehend BayVGH, a. a. O., Rn. 33 f.). Eine Lösung, die sich bei der Bestimmung der Bestandkraft danach richtet, ob die Klage „offensichtlich unzulässig“ war, wäre auch unpraktisch und nicht hinreichend abgrenzungsscharf zu handhaben.

130

cc) Die begehrte Untersagung des Betriebs nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV betrifft auch einen Verwaltungsakt (bzw. sein Unterlassen, §; 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG) über eine Überwachungsmaßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG. Zwischen Überwachungs- und Aufsichtsmaßnahmen ist kein wesentlicher Unterschied erkennbar. Jedenfalls der Begriff der Überwachungsmaßnahmen erfasst in einem weiten Sinne Maßnahmen des Gesetzesvollzugs (vgl. Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann/Kment, UVPG, UmwRG, 5. Aufl. 2018, § 1 UmwRG Rn. 79). Eine solche Maßnahme stellt das Einschreiten nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV dar.

131

dd) Die begehrte Maßnahme nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV würde auch „zur Umsetzung oder Durchführung von Entscheidungen nach den Nummern 1 bis 5“ erfolgen.

132

(1) Die Genehmigung des Windparks ist eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) UmwRG. Dieser erfasst Zulassungsentscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 6 UVPG über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bestehen kann. Die Genehmigung vom 18. Dezember 2002 nach §§ 2 ff. SeeAnlV a. F. war eine Zulassungsentscheidung über ein Vorhaben, für die nach dem im Genehmigungszeitpunkt geltenden Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (in der Gültigkeit vom 25.6.2002 bis 19.7.2004 – im Folgenden UVPG a. F.) gemäß §§ 3b Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. a, Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. Anlage 1 Ziff. 1.6.1 UVPG a. F. eine UVP-Pflicht bestand (Errichtung und Betrieb einer Windfarm mit Anlagen in einer Höhe von jeweils mehr als 35 Metern mit 20 oder mehr Windkraftanlagen; heute ist die Errichtung und der Betrieb von Windfarmen mit Anlagen mit einer Gesamthöhe von jeweils mehr als 50 m mit 20 oder mehr Windkraftanlagen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UVPG i. V. m. Anlage 1, Ziff. 1.6.1 zum UVPG UVP-pflichtig).

133

(2) Die Untersagung des Betriebs nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV wäre auch eine Maßnahme „zur Umsetzung oder Durchführung“ der Genehmigung des Windparks vom 18. Dezember 2002. Diese Tatbestandsvoraussetzung umfasst alle Maßnahmen des Gesetzesvollzugs, die im Zusammenhang mit einer Zulassungsentscheidung i. S. v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG stehen. Sie nimmt allenfalls selbstständige Überwachungsmaßnahmen aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift aus, deren rechtliche Voraussetzungen unabhängig von einer solchen Entscheidung sind, z. B. bei einem Einschreiten gegen nicht zulassungspflichtige Tätigkeiten (vgl. Schiller, in: Landmann/Rohmer, UmweltR, Loseblatt, Stand: September 2018, § 1 UmwRG Rn. 121). Letzteres ist bei der Untersagung eines genehmigten Anlagenbetriebs nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV nicht der Fall. Die Vorschrift bildet als behördliche Überwachungs- und Eingriffsbefugnis zusammen mit § 16 Abs. 2 SeeAnlV das Gegenstück zu den dynamischen Pflichten des Genehmigungsinhabers aus §§ 14 Abs. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 Nr. 2 SeeAnlV. Dieser hat u. a. sicherzustellen, dass von der Anlage während des Betriebs keine Gefahren f52;r die Meeresumwelt ausgehen. Das Einschreiten nach § 16 Abs. 3 SeeAnlV ist in seinen rechtlichen Voraussetzungen auch insoweit nicht unabhängig von der vorangegangenen Genehmigung des Windparks, als deren Legalisierungswirkung ihrerseits die Reichweite der Eingriffsbefugnis nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV einschränkt (s. hierzu unten B.II.1.).

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Eine engere Auslegung des Tatbestandsmerkmals „zur Umsetzung oder Durchführung von Entscheidungen nach den Nummern 1 bis 5“ dahingehend, dass die Vorschrift nur Maßnahmen erfasst, die auf die Durchsetzung der aus der Genehmigung selbst folgenden Vorgaben gerichtet sind, kommt nicht in Betracht. Sie ist durch den weiten Wortlaut der Vorschrift nicht geboten und würde deren Sinn und Zweck widersprechen. Mit § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG wollte der Gesetzgeber ausdr52;cklich die Vorgaben von Art. 9 Abs. 3 AK umsetzen, wonach auch bei der Anwendung umweltbezogener Bestimmungen durch Behörden oder Private eine gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit eröffnet werden müsse, damit ein umweltrechtskonformer Zustand sichergestellt bzw. sofern notwendig erreicht werden könne. Nach dem traditionellen Verständnis des deutschen Verwaltungsrechts kämen insoweit nur Rechtsbehelfe gegen eine Behörde in Betracht, „die zu einer Überwachung oder zu einer sonstigen aufsichtlichen Maßnahme veranlasst werden soll, damit ein umweltrechtskonformer Zustand sichergestellt bzw. sofern notwendig erreicht werden kann“ (BT-Drs. 18/9526, S. 36 f.). Die Gesetzgebungsmaterialien enthalten im Übrigen keine weitere Erläuterung der Wendung „zur Umsetzung oder Durchführung“. Stattdessen beschränken sie sich auf die Feststellung, „inhaltlich bezieh[e] sich die neue Nummer 6 auf Überwachungs- und Aufsichtsmaßnahmen, die der Durchsetzung von umweltbezogenen Rechtsvorschriften bei der Umsetzung bzw. der Durchführung von Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 5 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes dienen“ (BT-Drs. 18/9526, S. 37). Mit der Regelungsabsicht des Gesetzgebers, die Vorgaben von Art. 9 Abs. 3 AK umzusetzen, wäre eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf Fälle, in denen es lediglich um die Durchsetzung der Einhaltung eines bestimmten Genehmigungsumfangs geht, nicht vereinbar. Art. 9 Abs. 3 AK verpflichtet die Mitgliedstaaten, anerkannten Umweltvereinigungen Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren zu gewähren, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen „umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts“ verstoßen. Eine Einschränkung auf behördliche Aufsichtsmaßnahmen zur Durchsetzung von Pflichten Privater, die unmittelbar aus einer bestimmten Genehmigung folgen, ergibt sich aus dieser Bestimmung nicht.

135

ee) Eine Betriebsuntersagung nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV dient auch der Durchsetzung von „umweltbezogenen Rechtsvorschriften“ beim Vollzug der Genehmigung. Nach § 1 Abs. 4 UmwRG sind umweltbezogene Rechtsvorschriften im Sinne des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG oder Faktoren im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG beziehen. Umweltbestandteile sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG u. a. natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen. § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV dient u. a. der Abwehr einer „Gefahr für die Meeresumwelt“, die von einer genehmigten Anlage oder ihrem Betrieb ausgeht.

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II. Die Klage ist jedoch unbegründet.

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Ein Anspruch des Klägers aus § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV auf eine zeitlich unbeschränkte Untersagung des Betriebs des Windparks ... besteht nicht (unten 1.). Ein solcher Anspruch folgt auch nicht aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL (unten 2.). Der auf die Untersagung des Betriebs des Windparks gerichtete Klagantrag umfasst nicht „implizit“ auch den Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung der erteilten Genehmigung (unten 3.). Soweit das Vorbringen des Klägers dahingehend verstanden wird, dass er hilfsweise zusätzlich – als Minus zur zeitlich unbeschränkten Untersagung – die Untersagung des Betriebs bis zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands begehrt, so besteht auch ein solcher Anspruch nicht (unten 4.).

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1. Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV kann das BSH, wenn eine Anlage, ihre Errichtung oder ihr Betrieb zu einer Gefahr für die Meeresumwelt führt, die Errichtung oder den Betrieb ganz oder teilweise bis zur Herstellung des ordnungsgemäßen Zustands untersagen, soweit sich die Beeinträchtigung oder die Gefahr auf andere Weise nicht abwenden lässt oder die Einstellung der Errichtung oder des Betriebs zur Aufklärung der Ursachen der Beeinträchtigung oder der Gefahr unerlässlich ist.

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§ 16 Abs. 3 SeeAnlV ermächtigt jedoch weder zu einer dauerhaften noch zu einer (von dem Kläger mit seinem Antrag ebenfalls begehrten – s. unten 4.) „bis zur Herstellung des ordnungsgemäßen Zustands“ vorübergehenden Untersagung des Betriebs zur Abwehr von Gefahren, deren Prüfung bereits Gegenstand der Planfeststellung nach §§ 2 ff. SeeAnlV bzw. – wie hier – der Genehmigung nach § 2 SeeAnlV a. F. war. Der Planfeststellungsbeschluss bzw. die Genehmigung nach § 2 SeeAnlV a. F. entfalten eine Legalisierungswirkung, die sich auf die nach den gesetzlichen Genehmigungsvoraussetzungen zu treffenden Feststellungen erstreckt (vgl. allgemein zur Genehmigungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG; zur Bindungs- bzw. Legalisierungswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung z. B. Seibert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Loseblatt, Stand: September 2018, § 13 BImSchG Rn. 119; BVerwG, Urt. v. 2.12.1977, IV C 75.75, BVerwGE 55, 118 ff., juris). Maßgeblich für die Reichweite der Legalisierungswirkung im Einzelfall sind Gegenstand und Inhalt der Zulassung sowie der behördliche Prüfungsumfang (vgl. OVG Magdeburg, Urt. v. 22.4.2015, 2 L 47/13, juris Rn. 63, 72 m. w. N.). War mithin die Prüfung einer bestimmten Gefahr Gegenstand der Genehmigung, so ist der Betrieb der Anlage gerade auch im Hinblick auf diese durch ihn verursachte Gefahr legalisiert worden.

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Zwar kann das maßgebliche Fachrecht die Genehmigungsbehörde zu nachträglichen Anordnungen und Nutzungsuntersagungen ermächtigen und so die Bindungswirkung einer bestandskräftigen Genehmigung spezialgesetzlich einschränken (vgl. OVG Magdeburg, a. a. O.; zum BImSchG Seibert, a. a. O.). So sehen z. B. §§ 17, 20, 21 BImSchG ein abgestuftes Instrumentarium nachträglicher Eingriffsbefugnisse (nachträgliche Anordnungen, Untersagung, Stilllegung, Beseitigung, Widerruf) nach Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vor. Für die seeanlagenrechtliche Planfeststellung bzw. Genehmigung enthalten die Regelungen in § 16 Abs. 2, 3, 5 und 6 SeeAnlV derartige Befugnisse für ein nachträgliches Einschreiten gegen die genehmigte Anlage. Dabei trägt § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV, dessen Wortlaut davon spricht, dass der Betrieb einer Anlage zu einer Gefahr für die Meeresumwelt „führt“, dem Umstand Rechnung, dass sich die tatsächlichen Gegebenheiten während des Anlagenbetriebs ändern können oder eine Beeinträchtigung oder Gefahr zum Genehmigungszeitpunkt nicht vorhersehbar war (vgl. Beckmann, NordÖR 2001, 273, 280; Brandt/Gaßner, Seeanlagenverordnung, Kommentar, 2002, § 15 Rn. 12; Spieth, in: Spieth/Lutz-Bachmann, Offshore-Windenergierecht, Kommentar, 2018, § 57 WindSeeG, Rn. 13). Dementsprechend muss es sich bei der abzuwehrenden Gefahr für die Meeresumwelt um eine solche handeln, die bei der Genehmigung von der Behörde nicht vorhergesehen werden konnte (vgl. Schmälter, in: Danner/Theobald, Energierecht, Kommentar, Stand: Juni 2018, § 16 SeeAnlV Rn. 4). Die Eingriffsbefugnisse des BSH nach § 16 Abs. 2 und 3 SeeAnlV korrespondieren insoweit mit den dynamischen Pflichten des Anlagenbetreibers und des Genehmigungsinhabers nach §§ 14, 15 Abs. 1 SeeAnlV. Nach § 14 Nr. 1 SeeAnlV haben die verantwortlichen Personen sicherzustellen, dass von der Anlage während des Betriebs keine Gefahren für die Meeresumwelt ausgehen. Auch diese Pflicht ist so auszulegen, dass grundsätzlich die Genehmigung die Einzelheiten regelt, die zur Vermeidung von Gefahren und Beeinträchtigungen erforderlich sind, und der Anlagenbetreiber darüber hinaus verpflichtet ist, keine der genannten Gefahren und Beeinträchtigungen zu verursachen und sich laufend an sich ändernde Anforderungen anzupassen. Er soll mithin sicherstellen, dass nicht nachträglich Gründe eintreten, die die Versagung der Genehmigung rechtfertigen würden (vgl. Schmälter, in: Danner/Theobald, Energierecht, Kommentar, Stand: Juni 2018, § 14 SeeAnlV Rn. 2; Beckmann, NordÖR 2001, 273, 278).

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§ 16 Abs. 3 SeeAnlV ist dagegen nicht so auszulegen, dass er der Genehmigungsbehörde jederzeit die erneute Prüfung einer bestimmten bereits in der Genehmigung behandelten Gefahr für die Meeresumwelt eröffnet und auf dieser Grundlage eine Untersagung des genehmigten Betriebs (Satz 1) oder sogar die Anordnung der Beseitigung der Anlage (Satz 2) ermöglicht. Bei einer solchen Auslegung würden der Planfeststellungsbeschluss bzw. die Genehmigung nach § 2 SeeAnlV a. F. im Hinblick auf die Bestandsschutzinteressen des Genehmigungsinhabers, der bei Errichtung und Betrieb in der Regel erhebliche Investitionen vornimmt, ihren Sinn weitgehend verfehlen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Vorschrift eine derart weitgehende Aushöhlung der Legalisierungswirkung bewirken soll. Vielmehr verweist § 16 Abs. 6 SeeAnlV darauf, dass die Vorschriften über Rücknahme und Widerruf unberührt bleiben. Stellt sich die Genehmigung im Hinblick auf einen bestimmten zur Legalisierung führenden Prüfungspunkt im Nachhinein als von Anfang an rechtswidrig oder aufgrund nachträglich eingetretener Umstände fehlerhaft dar, so kann die Genehmigung bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen nach §§ 48, 49 VwVfG zurückgenommen oder widerrufen werden. Eine besondere Möglichkeit der Beseitigung der Legalisierungswirkung der ursprünglichen Zulassungsentscheidung regelt nunmehr auch ausdrücklich der – im vorliegenden Fall noch nicht anwendbare – § 57 Abs. 3 Satz 2 WindSeeG. Danach kann die Planfeststellungsbehörde, wenn die Beeinträchtigung oder Gefahr nicht auf andere Weise abgewendet werden kann, einen zuvor ergangenen Planfeststellungsbeschluss oder die Plangenehmigung aufheben und die Beseitigung der Anlage anordnen.

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Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus Folgendes: Die der Beigeladenen nach § 2 SeeAnlV a. F. erteilte und bisher nicht aufgehobene Genehmigung vom 18. Dezember 2002 (zusammen mit den nachfolgenden Verlängerungsbescheiden) legalisiert die durch den Betrieb der Anlage verursachten Beeinträchtigungen der Seetaucher. Sie erlaubt die Errichtung und den Betrieb des Windparks aufgrund der Feststellung, dass Errichtung und Betrieb mit den zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar sind und insbesondere kein Versagungsgrund nach § 3 SeeAnlV a. F. vorliegt. Nach § 3 Satz 1 SeeAnlV a. F. war die Gefährdung der Meeresumwelt ein zwingender Grund für die Versagung der Genehmigung (vgl. entsprechend zur später eingeführten und hier nicht einschlägigen Planfeststellung § 5 Abs. 6 Nr. 2 SeeAnlV). Wegen dieser Genehmigungsvoraussetzung war die von dem Windpark „...“ ausgehende Beeinträchtigung der Stern- und Prachttaucher ein wesentlicher Gegenstand des Genehmigungsverfahrens (vgl. z. B. Umweltverträglichkeitsstudie der Firma ..... im Genehmigungsverfahren, Juni 2002, Bl. 1272 ff., 1390 f. der Sachakte; Stellungnahme des BfN vom 2.9.2002, Bl. 2253 ff., 2283 f. der Sachakte; Anhörungstermin v. 4.9.2002, Bl. 2222 ff. der Sachakte) und wurde im Genehmigungsbescheid ausführlich gewürdigt (S. 43 bis 55 des Bescheids vom 18.12.2002). Die Beklagte hat im Ergebnis trotz der durch den Windpark eintretenden Beeinträchtigungen der Seetaucher festgestellt, dass keine Gefährdung der Meeresumwelt i. S. v. § 3 Satz 1 SeeAnlV a. F. vorliegt (S. 22, 29 f., 43 ff., 62 f. des Genehmigungsbescheids v. 18.12.2002). Der Verlängerungsbescheid vom 25. Mai 2005 hält fest, dass keine tatsächlichen Umstände bekannt geworden sind, die eine Änderung der im Ausgangsbescheid abgegebenen Bewertungen und Prognosen zur Gefährdung der Meeresumwelt nahelegen würden. Die Verlängerungsbescheide vom 17. Oktober 2007 und 17. Februar 2011 gehen hierauf nicht mehr ausdrücklich ein, sondern prüfen nur die Voraussetzungen für die Verlängerung der in der Nebenbestimmung Nr. 23 des Ausgangsbescheids geregelten Frist nach § 4 Abs. 3 SeeAnlV in der damals geltenden Fassung, ohne die ursprünglichen Feststellungen zu dem Versagungsgrund nach § 3 Satz 1 SeeAnlV a. F. zu modifizieren.

143

Demgegenüber macht der Kläger keine – für ein Einschreiten nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV erforderliche – nachträglich eingetretene bzw. zum Zeitpunkt der Genehmigung als solche nicht vorhersehbare Gefahr für die Meeresumwelt geltend. Er wendet sich vielmehr der Sache nach gegen die damalige Bewertung der Beklagten, die Auswirkungen des Windparks auf die Seetaucher stellten keine Gefährdung der Meeresumwelt i. S. v. § 3 Satz 1 SeeAnlV a. F. dar. Zusammengefasst sieht er die Gefahr für die Meeresumwelt in dem durch Errichtung und Betrieb des Windparks verursachten Wegfall relevanter Habitatbereiche für die Arten Stern- und Prachttaucher sowie der damit einhergehenden Störung dieser Arten nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG i. V. m. Art. 12 Abs. 1 lit. b) FFH-RL und Art. 5 lit. d) VRL. Die Beklagte habe die Verträglichkeit der Errichtung und des Betriebs des Windparks mit den Erhaltungszielen des von ihr zutreffend angenommenen faktischen Vogelschutzgebietes aufgrund einer grob fehlerhaften Prüfung der Beeinträchtigung des Habitatschutzes und unter Ausklammerung einer artenschutzrechtlichen Prüfung bejaht. Die Einwände des Klägers richten sich sowohl gegen den rechtlichen Maßstab der Verträglichkeitsprüfung als auch gegen die von der Beklagten gewählte Methodik der Ermittlung der Auswirkungen des Windparks auf die Seetaucher und ihren Lebensraum. Der Berücksichtigung dieser rechtlichen Einwände und insbesondere einer nochmaligen Prüfung der Verträglichkeit steht jedoch die Legalisierungswirkung der bestandskräftigen Genehmigung vom 18. Dezember 2002 in Verbindung mit den Verlängerungsbescheiden entgegen, solange diese nicht aufgehoben worden sind. Die Seeanlagenverordnung sieht anders als § 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 BNatSchG für den Bereich des Umweltschadensrechts auch keinen „qualitativen Maßstab“ für die Reichweite der Legalisierungswirkung der Genehmigung vor (vgl. zu deren Reichweite oben B.I.2.a)dd). Die sachliche Begrenzung der Legalisierungswirkung nach § 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 BNatSchG gilt nur für die Pflichten nach dem Umweltschadensgesetz, das sonstige Handlungspflichten und behördliche Eingriffsbefugnisse auf anderen Rechtsgrundlagen unberührt lässt und ergänzend zu diesen gilt (vgl. zu Letzterem auch Fellenberg, a. a. O., Rn. 5). Die Beschränkung der Legalisierungswirkung ist im Regime des Umwelthaftungsrechts durch Art. 2 Nr. 1 lit. a) UAbs. 2 UHRL vorgegeben. Da entsprechende Regelungen in der Seeanlagenverordnung jedoch fehlen, ist die Legalisierungswirkung einer bestandskräftigen Genehmigung nach § 2 SeeAnlV a. F. gerade nicht davon abhängig, dass die von der Genehmigungsbehörde als solche gesehene und im Genehmigungsbescheid behandelte Gefahr für die Meeresumwelt auch im Einzelnen zutreffend ermittelt wurde und ihre Bewertung zumindest nicht an schwerwiegenden Mängeln leidet. Stattdessen müsste die Genehmigung im Falle einer nachträglichen Neubeurteilung der schon im Ausgangsbescheid bewerteten Gefahren wie ausgeführt zunächst unter den einschränkenden Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG zurückgenommen oder widerrufen werden, bevor der erlaubte Betrieb untersagt werden kann.

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2. Die Möglichkeit einer Untersagung des Betriebs gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV unter Durchbrechung der Legalisierungswirkung der fortbestehenden Genehmigung des Windparks folgt auch nicht aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL. Aus dieser Vorschrift folgt auch kein unmittelbarer Anspruch des Klägers auf Untersagung des Betriebs des Windparks.

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Nach Art. 6 Abs. 2 FFH-RL treffen die Mitgliedstaaten die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie St46;rungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.

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Der Betrieb des streitgegenständlichen Windparks unterfällt auch nach seiner Genehmigung dem Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 2 FFH-RL. Aus der Vorschrift ergibt sich eine Pflicht der Mitgliedstaaten zu gewährleisten, dass die Verwirklichung eines Projekts keine Störung verursacht, welche die Ziele der FFH-RL erheblich beeinträchtigen kann. Dies gilt nach der Rechtsprechung des EuGH auch für Vorhaben, für die bereits eine Betriebserlaubnis nach einer Prüfung gemäß Art. 6 Abs. 3 FFH-RL ergangen ist. Ist ein Projekt nach dem Verfahren des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL genehmigt worden, so wird damit zwar grundsätzlich eine gleichzeitige Anwendung der allgemeinen Schutznorm des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL überflüssig, soweit es um den Einfluss des Projekts auf das Schutzgebiet geht. Art. 6 Abs. 2 FFH-RL bleibt aber anwendbar, wenn sich ein solches Projekt später als geeignet erweist, Verschlechterungen oder erhebliche Störungen im Sinne dieser Vorschrift zu verursachen (EuGH, Urt. v. 7.9.2004, C-127/02, NuR 2004, 788 ff., juris Rn. 35 ff. – Herzmuschelfischerei). Die Anwendung von Art. 6 Abs. 2 FFH-RL ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Erteilung erfolgte, bevor die nach der FFH-RL vorgesehene Schutzregelung durch Ausweisung des Schutzgebiets anwendbar wurde. In diesem Fall unterliegt das Projekt zwar nicht den Vorgaben der FFH-RL über eine ex-ante-Prüfung seiner Auswirkungen auf das betroffene Gebiet gemäß Art. 6 Abs. 3 FFH-RL. Durch die Ausführung des genehmigten Projekts werden jedoch die Schutzpflichten des Mitgliedstaats aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL ausgelöst (EuGH, Urt. v. 14.1.2010, C-226/08, NVwZ 2010, 310 ff., juris Rn. 48 f. – Papenburg; Urt. v. 24.11.2011, C-404/09, NuR 2012, 42 ff., juris Rn. 124 ff. – Alto Sil; Urt. v. 14.1.2016, C-141/14, NuR 2016, 112 ff., juris Rn. 52 – KOM ./. Bulgarien; Urt. v. 14.1.2016, C-399/14, NVwZ 2016, 595 ff., juris Rn. 33 – Waldschlösschenbrücke). Dieser Schutzpflicht muss der Mitgliedstaat sogar in dem – hier nicht gegebenen – Fall nachkommen, dass die Genehmigungen für das noch durchzuführende Vorhaben vor dem Beitritt des jeweiligen Mitgliedstaates zur EU und vor dem Zeitpunkt der Anwendbarkeit der FFH-RL und der VRL erteilt wurden (EuGH, Urt. v. 14.1.2016, C-141/14, NuR 2016, 112 ff., juris Rn. 51 f., 55 – KOM ./. Bulgarien). Zwar verf52;gen die Mitgliedstaaten in Bezug auf die nach Art. 6 Abs. 2 FFH-RL zu treffenden geeigneten Maßnahmen über ein Ermessen. Die Ausführung des Projekts darf jedoch nur begonnen oder fortgesetzt werden, wenn die Wahrscheinlichkeit oder Gefahr der Verschlechterung der Lebensräume oder der Störung der Arten ausgeschlossen ist. Für den Nachweis eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 2 FFH-RL genügt damit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit oder Gefahr, dass der Betrieb der Anlage eine derartige Verschlechterung bzw. Störung verursacht; der Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs ist nicht erforderlich (vgl. EuGH, Urt. v. 14.1.2016, C-399/14, NVwZ 2016, 595 ff., juris Rn. 43 ff. – Waldschlösschenbrücke; Urt. v. 14.1.2016, C-141/14, NuR 2016, 112 ff., juris Rn. 51 ff. – KOM ./. Bulgarien; BVerwG, Urt. v. 15.7.2016, 9 C 3/16, NVwZ 2016, 1631 ff., juris Rn. 37 f. – Waldschlösschenbrücke; vgl. ferner bereits EuGH, Urt. v. 7.9.2004, C-127/02, NuR 2004, 788 ff., juris Rn. 37 f. – Herzmuschelfischerei; Urt. v. 13.1.2005, C-117/03, NVwZ 2005, 311 f., juris Rn. 25 ff. – Dragaggi; Urt. v. 14.9.2006, C-244/05, NVwZ 2007, 61 ff., juris Rn. 36 ff. – Bund Naturschutz in Bayern). In Fällen, in denen vor der Genehmigung keine oder eine nicht den Anforderungen von Art. 6 Abs. 3 FFH-RL entsprechende Verträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist, verdichtet sich das Ermessen des Mitgliedstaates hinsichtlich der zur Erfüllung der Schutzpflicht nach Art. 6 Abs. 2 FFH-RL zu ergreifenden angemessenen Maßnahmen bei Bestehen einer entsprechenden Gefahr darauf, eine solche Verträglichkeitsprüfung durchzuführen. Fällt diese Prüfung negativ aus, so kann auch nachträglich über eine Ausnahmegenehmigung auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 4 FFH-RL entschieden werden (vgl. EuGH, Urt. v. 14.1.2016, C-399/14, NVwZ 2016, 595 ff., juris Rn. 44 ff., 55 ff., 71 ff. – Waldschl6;sschenbrücke; BVerwG, Urt. v. 15.7.2016, 9 C 3/16, NVwZ 2016, 1631 ff., juris Rn. 38 – Waldschlösschenbrücke; Storost, UPR 2016, 147, 148). Die Bestandskraft einer Genehmigungsentscheidung und ein damit verbundener Vertrauensschutz schließen eine derartige nachträgliche Prüfung nicht aus (vgl. EuGH, Urt. v. 14.1.2010, C-226/08, NVwZ 2010, 310 ff., juris Rn. 44 ff. – Papenburg; Storost, UPR 2016, 147, 148).

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Die Entscheidungen des EuGH leiten aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL allerdings lediglich eine den Mitgliedstaat treffende Pflicht ab. Sie lassen offen, welche weiteren „angemessenen Maßnahmen“ der Mitgliedstaat zur Erfü;llung dieser Schutzpflicht im jeweiligen Einzelfall gegenüber dem Vorhabenträger zu ergreifen hat, wenn ein bestandskräftig genehmigtes Vorhaben gegen das Verschlechterungs- bzw. Störungsverbot verstößt. Aus der Handlungspflicht des Mitgliedstaats gemäß Art. 6 Abs. 2 FFH-RL folgt jedenfalls nicht, dass bestandskräftige Erlaubnisse ohne weiteres unbeachtlich werden (vgl. Glaser, EuZW 2010, 225, 227). Auch ist den Entscheidungen des EuGH nicht zu entnehmen, dass Art. 6 Abs. 2 FFH-RL durch den Mitgliedstaat als unmittelbare Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden kann, um zur Erfüllung seiner Schutzpflicht belastende Maßnahmen gegen den Betreiber einer bestandskräftig genehmigten Anlage zu erlassen. Im deutschen Rechtssystem sind verschiedene „geeignete Maßnahmen“ gegenüber dem Vorhabenträger denkbar, mit denen der Mitgliedstaat seiner Pflicht aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL nachkommen kann. Sie können je nach einschlägigem Fachrecht von der Auferlegung nachträglicher Schutzmaßnahmen über die Einschränkung des Genehmigungsumfangs bis hin zur Aufhebung der Genehmigung als unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ultima ratio reichen (vgl. Würtenberger, NuR 2010, 316, 319; vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston v. 24.9.2015, C-399/14, Rn. 49: „Unter solchen Umständen dürfte eine Nachprüfung der ursprünglichen Untersuchung eine geeignete Maßnahme darstellen, wenngleich auch Alternativen hierzu in Betracht gezogen werden müssen. So könnte z. B. eine ganz konkrete Gefährdung durch eine geeignete, aber klar umrissene Präventivmaßnahme ausgeräumt werden, oder der Fall mag so gelagert sein, dass die einzige geeignete Maßnahme im Widerruf der ursprünglichen Genehmigung und in der Anordnung eines vollständig neuen Prüfungsverfahrens besteht.“; vgl. ferner BVerwG, Urt. v. 15.7.2016, 9 C 3/16, NVwZ 2016, 1631 ff., juris Rn. 37 a. E. – Waldschlösschenbrücke; EuGH, Urt. v. 20.10.2005, C-6/04, Slg. 2005, I-9017 ff., juris Rn. 57 f. – KOM ./. Großbritannien – sowie Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 9.6.2005, C-6/04, Rn. 51, 54 f.: Pflicht zur nachträglichen Prüfung bestehender Baugenehmigungen). Eine vollständige Untersagung der Ausführung eines bestandskräftig erlaubten Vorhabens würde nach der deutschen Rechtsordnung – wie bereits ausgeführt – voraussetzen, dass die entgegenstehende Genehmigung zunächst in einem gesonderten Verwaltungsverfahren auf der Grundlage von §§; 48, 49 VwVfG oder vorrangiger Spezialvorschriften aufgehoben würde (vgl. Gärditz, DVBl. 2010, 247, 249; Glaser, a. a. O.; Kahl, NVwZ 2011, 449, 453; Suerbaum, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2014, § 49 Rn. 31; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 49 Rn. 82, § 72 Rn. 116; Beier, NVwZ 2016, 575, 580). Über diese Vorschriften können nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles auch die hinter der Bestandskraft der Genehmigung stehenden Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes berücksichtigt werden. Diese Grundsätze sind auch Bestandteil der Unionsrechtsordnung (vgl. EuGH, Urt. v. 21.9.1983, 205-215/82, NJW 1984, 2024 ff., juris Rn. 30 – Deutsche Milchkontor GmbH; Urt. v. 13.1.2004, C-453/00, NVwZ 2004, 459 f., juris Rn. 24 – Kühne & Heitz; vgl. im Kontext von Art. 6 Abs. 2 FFH-RL auch Sobotta, ZUR 2006, 353, 357). Zwar ist bei der Anwendung der jeweiligen Aufhebungsvorschriften dem Effektivitätsgebot hinsichtlich der praktischen Wirksamkeit von Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL Rechnung zu tragen. Der Schutz des Vertrauens in eine bestandskräftige Genehmigung darf nicht dazu führen, dass die Beachtung der Vorgaben der FFH-RL schlechthin ausgeschlossen ist (vgl. zu Letzterem EuGH, Urt. v. 14.1.2010, C-226/08, juris Rn. 46 – Papenburg; ferner Kastner, in: Fehling/Kastner/St6;rmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 49 Rn. 57; Suerbaum, a. a. O., Rn. 32). Es ist jedoch auch umgekehrt nicht ersichtlich, dass dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes bei der Aufhebung der Genehmigung – zumindest bei der Frage, ob dem Genehmigungsinhaber als Ausgleich für die Aufhebung der Genehmigung ein Entschädigungsanspruch nach § 48 Abs. 3 oder § 49 Abs. 6 VwVfG zusteht – keinerlei Gewicht zukommt (vgl. Glaser, a. a. O.; Sobotta, a. a. O.; Stelkens/Bonk/Sachs, a. a. O., § 48 Rn. 277; Suerbaum, a. a. O.).

148

3. Der auf die Untersagung des Betriebs des Windparks gerichtete Klagantrag, der nicht auf den Erlass eines entsprechenden Rücknahme- oder Widerrufsbescheids gegenüber der Beigeladenen gerichtet ist, umfasst entgegen der Auffassung des Klägers nicht „implizit“ auch den Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung der Genehmigung des Windparks. Der Kläger hat den Klagantrag auf Ermächtigungsgrundlagen zur Gefahrenabwehr nach den Vorschriften des Umweltschadensgesetzes und nach § 16 Abs. 3 SeeAnlV gestützt. Ausweislich des Tatbestands des verwaltungsgerichtlichen Urteils hat er auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht klargestellt, dass sich seine Klage nicht gegen die Genehmigung des Windparks sowie deren dreimalige Verlängerung richte. Soweit sich der Kläger des Weiteren auf seine Ausführungen im Schriftsatz vom 15. Januar 2015 beruft und vorträgt, dort „in Erläuterung des vorgetragenen Lebenssachverhalts“ deutlich gemacht zu haben, dass der Antrag auf Betriebsuntersagung implizit die Aufhebung der Genehmigung umfasse, so gebietet dies keine andere Sichtweise. Der Kläger hat in der von ihm zitierten Passage ausdrücklich ausgeführt, die Legalisierungswirkung der Genehmigung könne dem geltend gemachten Anspruch auf Betriebsuntersagung nicht entgegengehalten werden und eine vorherige Aufhebung der Genehmigung sei deshalb nicht erforderlich (dort S. 7 f., Bl. 465 der Gerichtsakte). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem kurzen Einschub, im Übrigen sei im Hinblick auf eine Aufhebung der Genehmigung, wenn man sie für erforderlich hielte, eine Ermessensreduzierung auf Null gegeben. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang klar zu erkennen gegeben, dass er eine vorherige Aufhebung gerade nicht für notwendig erachtet, und er hat eine solche erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 8. April 2019 als zweiten bis vierten Hilfsantrag (s. dazu C. bis E.) in seine Klaganträge aufgenommen.

149

4. Das Gericht versteht den ersten Hilfsantrag des Klägers in Anlehnung an den Wortlaut des § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV und den nunmehr gestellten Hauptantrag ergänzend dahingehend (§ 88 VwGO), dass der Kläger damit auch – als Minus zur zeitlich unbeschränkten Untersagung – die Untersagung des Betriebs bis zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands begehrt. Das Klagebegehren ist insoweit in Anlehnung an den Wortlaut des § 16 Abs. 3 SeeAnlV darauf gerichtet, die Dauer der begehrten Untersagung an die auflösende Bedingung zu knüpfen, dass die von dem Betrieb nach dem Vortrag des Klägers ausgehende Gefahr künftiger Umweltschäden beseitigt ist. Darin liegt zwar keine Klageänderung. Denn das damit verfolgte Begehren auf eine Anordnung einer in dieser Weise beschränkten Betriebsuntersagung war bereits im bisherigen Hauptantrag, dem u. a. auf § 16 Abs. 3 SeeAnlV gestützten Antrag auf Untersagung des Betriebs des Windparks ..., enthalten. Zur Zulässigkeit gilt im Übrigen das oben Ausgeführte (s. o. B. I. 2. c).

150

Die Klage ist jedoch auch insoweit unbegründet. Wie dargelegt (s. o. B. II. 1. und 2.) ermächtigt § 16 Abs. 3 SeeAnlV auch unter Berücksichtigung der Vorgaben von Art. 6 Abs. 2 FFH-RL vorliegend weder zu einer dauerhaften noch zu einer „bis zur Herstellung des ordnungsgemäßen Zustands“ vorübergehenden Untersagung des Betriebs zur Abwehr von Gefahren, deren Prüfung bereits Gegenstand der Genehmigung nach § 2 SeeAnlV a.F. war. Auch für eine in dem genannten Sinne nur „vorläufige“ Betriebsuntersagung wäre vielmehr die der Beigeladenen erteilte Genehmigung aufzuheben. Eine derartige Aufhebung ist in dem auf eine nur vorläufige Betriebsuntersagung gerichteten Klagantrag nicht impliziert; insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen unter B. II. 3. Bezug genommen.

151

C. Soweit der Kläger weiter hilfsweise begehrt, die Beklagte zu verpflichten den Betrieb des Offshore-Windparks „...“ bis zur Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes zu untersagen und die Genehmigung, soweit sie entgegensteht, ganz oder teilweise aufzuheben, so hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg.

152

Zur Auslegung dieses Antrags im Hinblick auf die Einschränkung „bis zur Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes“ gilt das oben unter A. Ausgeführte; die Änderung des Antrags ist eine unzulässige Klageänderung. Auch das weitere Begehren, die Genehmigung des Windparks ganz oder teilweise aufzuheben, stellt eine Klageänderung dar, die nicht gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 91 Abs. 1 VwGO zulässig ist.

153

Der Kläger kann sich zunächst nicht auf die Privilegierung des § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 2 ZPO berufen. Nach § 264 Nr. 2 ZPO ist es nicht als eine Änderung der Klage anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird. Durch den Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung der Genehmigung des Windparks würde jedoch nicht nur der Klageantrag, sondern auch der Klagegrund verändert. Zu dem für die Rücknahme oder den Widerruf der Genehmigung nach §§ 48, 49 VwVfG maßgeblichen Lebenssachverhalt gehören nicht nur die für die Prüfung der Rechtswidrigkeit der Genehmigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG bzw. für das Vorliegen von Widerrufsgründen (insbesondere nach § 49 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 VwVfG) erheblichen Tatsachen. Zusätzlich wären alle Umstände relevant, die für die Feststellung eines schutzwürdigen Vertrauens der Beigeladenen in den Bestand ihrer Genehmigung und gegebenenfalls die Gewichtung und Abwägung dieses Vertrauens im Rücknahme- oder Widerrufsermessen gegenüber der für die Rücknahme oder den Widerruf streitenden Gründe, z. B. der Schutzpflicht der Beklagten aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL, erheblich sind. Jedenfalls diese Umstände gehören nicht zu dem für den bisherigen Rechtsstreit maßgeblichen Tatsachenkomplex.

154

Der danach vorliegenden Klageänderung haben weder die Beklagte noch die Beigeladene gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 91 Abs. 1, 1. Alt. VwGO zugestimmt. Sie ist auch nicht i. S. v. §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 91 Abs. 1, 2. Alt. VwGO als sachdienlich anzusehen. Eine Klageänderung ist in der Regel als sachdienlich anzusehen, wenn sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (zum Begriff der Sachdienlichkeit s. o. A. II.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Streitstoff bliebe aus den soeben genannten Gründen nicht im Wesentlichen derselbe.

155

D. Soweit der Kläger weiter hilfsweise begehrt, die Beklagte zu verpflichten, den Betrieb des Offshore-Windparks „...“ zu untersagen und die Genehmigung, soweit sie entgegensteht, ganz oder teilweise aufzuheben, so hat der Antrag aus den unter C. dargelegten Gründen ebenfalls keinen Erfolg.

156

E. Soweit der Kläger weiter hilfsweise begehrt, die Beklagte zu verpflichten, den Betrieb des Offshore-Windparks „...“ zu untersagen und die Beseitigung der Anlagen anzuordnen und die Genehmigung, soweit sie entgegensteht, ganz oder teilweise aufzuheben, so hat auch dieser Hilfsantrag keinen Erfolg.

157

Hinsichtlich der Untersagung des Betriebs und der Aufhebung der Genehmigung des Windparks gilt das oben unter B. und C. Ausgeführte. Hinsichtlich der Beseitigung der Anlagen stellt der Antrag eine unzulässige Klageänderung (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 91 Abs. 1 VwGO) dar. Streitgegenstand war bisher die Untersagung des Windparkbetriebs zur Abwehr zukünftiger Umweltschäden, nicht die Beseitigung der Anlagen. Die Voraussetzungen des § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Das neue Begehren, die Anlagen zu beseitigen, stellt nicht lediglich eine „Erweiterung“ des bisherigen Antrags dar. Maßgeblich für das Vorliegen eines Falles nach § 264 Nr. 2 ZPO ist, dass der Kläger nach Klageerhebung „mehr“ oder „weniger“ begehrt, nicht aber etwas anderes (Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 91 Rn. 26). Die Beseitigung des Windparks ist gegenüber der Betriebsuntersagung jedoch keine quantitative Erweiterung, sondern ein qualitatives Aliud. Der damit vorliegenden Klageänderung haben weder die Beklagte noch die Beigeladene gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 91 Abs. 1, 1. Alt. VwGO zugestimmt. Sie ist auch nicht i. S. v. § 91 Abs. 1, 2. Alt. VwGO als sachdienlich anzusehen (zum Begriff der Sachdienlichkeit s. o. A. II.). Die Beseitigung des Windparks, die bis zur Antragsänderung weder im verwaltungsbehördlichen noch im gerichtlichen Verfahren in Rede stand, betrifft nicht mehr im Wesentlichen denselben Streitstoff wie die Untersagung seines Betriebs. Mit ihr sind zudem – ebenso wie mit dem Bau des Windparks – eine Vielzahl von Auswirkungen auf die Meeresumwelt verbunden.

158

F. Soweit der Kläger mit dem Antrag zu 2) die Feststellung begehrt, dass die mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 1. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2014 ausgesprochene Ablehnung seines weiter verfolgten Antrags vom 26. Mai 2014 im Hinblick auf die Errichtung des Windparks rechtswidrig war, so ist die Klage bereits unzulässig. Dem Kläger fehlt für die analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage sowohl die Klagebefugnis als auch das notwendige Fortsetzungsfeststellungsinteresse.

159

I. Dem Kläger fehlt für die Fortsetzungsfeststellungsklage die gemäß § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis. Hinsichtlich der Klagebefugnis aus § 11 Abs. 2 USchadG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG folgt dies aus den bereits oben dargelegten Gründen. Der Kläger kann im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage auch kein Klagerecht aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG i. V. m. § 16 Abs. 3 SeeAnlV geltend machen. Denn der die Klagebefugnis begründende § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG war zum Zeitpunkt der Erledigung des ursprünglichen Antrags auf Untersagung der bevorstehenden Errichtung des Windparks durch den Abschluss der Errichtung im Sommer 2015 noch nicht in Kraft. Die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO setzt jedoch voraus, dass zum Zeitpunkt der Erledigung sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen der zunächst erhobenen Klage vorlagen (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.3.1982, 1 C 157/79, BVerwGE 65, 167 ff., juris Rn. 23; Wolff, in: Sodan/Ziekow, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 286 m. w. N.). Die im Zeitpunkt der Erledigung fehlende Klagebefugnis wird für die Fortsetzungsfeststellungsklage auch nicht nach der Überleitungsvorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 1 UmwRG nachträglich rückwirkend begründet. Danach gilt die neue Fassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes u. a. für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG (oder deren Unterlassen, § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG), die am 2. Juni 2017 noch keine Bestandskraft erlangt haben. Die Ablehnung der Untersagung der Errichtung des Windparks durch Bescheid des BSH vom 1. August 2014 und Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2014 erlangte zwar wegen der anhängigen Klage zunächst keine Bestandskraft, auch wenn bei Klageerhebung die Klagebefugnis fehlte (s. o.). Mit dem Abschluss der Errichtung des Windparks fiel jedoch der Regelungsgegenstand der Ablehnung des Einschreitens weg. Diese hat sich damit gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG „auf andere Weise erledigt“. § 8 Abs. 2 Nr. 1 UmwRG setzt jedoch neben der fehlenden Bestandskraft eine aktuell noch bestehende, wirksame „Entscheidung“ voraus.

160

II. Dem Kläger fehlt unabhängig davon auch das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein solches kann er insbesondere nicht aus einer Wiederholungsgefahr im Hinblick auf die Errichtung weiterer in der AWZ in der Nordsee geplanter Windparks herleiten. Eine Wiederholungsgefahr liegt in einer Verpflichtungskonstellation vor, wenn der Kläger damit rechnen muss, dass in absehbarer Zeit bei im Wesentlichen gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen mit einer gleichartigen negativen Entscheidung der Beklagten zu rechnen ist. Im vorliegenden Fall kann offenbleiben, ob absehbar ist, dass in dem hier maßgeblichen Gebiet der AWZ weitere Windparks unter im Wesentlichen mit der vorliegenden Fallkonstellation vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen errichtet werden. Denn es ist bereits nicht erkennbar, dass für diese Fälle eine gerichtliche Entscheidung über den Fortsetzungsfeststellungsantrag geboten ist, um dem Kläger seinen bis zur Erledigung erlangten Prozessertrag zu erhalten und eine Richtschnur für die künftige Entscheidungspraxis der Behörde zu geben (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 266, 271 m. w. N.). Es ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass in dem Fortsetzungsfeststellungsrechtsstreit Fragen des prozessualen (insbesondere die Reichweite der Verbandsklagebefugnis nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und dem Umweltschadensgesetz) oder materiellen Rechts (insbesondere die Möglichkeit eines Einschreitens nach § 16 Abs. 3 SeeAnlV) geklärt werden würden, die nicht bereits durch die Entscheidung über den ersten Hilfsantrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Untersagung des Betriebs des Windparks beantwortet worden sind.

161

Im Übrigen wird es dem Kläger aufgrund der geänderten Rechtslage möglich sein, seine naturschutzfachlichen Einwendungen gegen künftige Zulassungsentscheidungen bereits im Genehmigungsverfahren, das nunmehr als Planfeststellungsverfahren ausgestaltet ist (vgl. §§ 44 ff. WindSeeG bzw. nach Maßgabe der Übergangsvorschrift des § 77 Abs. 1 WindSeeG §§ 2 ff. SeeAnlV sowie §§ 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 3, 2 SeeAnlG für die dort genannten Anlagen), geltend zu machen und gegebenenfalls auch gerichtlich gegen die Zulassung vorzugehen (vgl. §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) UmwRG).

162

G. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da die Beigeladene einen Antrag gestellt, sich damit am Kostenrisiko beteiligt und auch in der Sache Stellung genommen hat.

163

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

164

Die Revision war gemäß § 132 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur zuzulassen, soweit die Berufung im Hinblick auf den ersten Hilfsantrag zurückgewiesen worden ist. Die Rechtssache hat jedenfalls insoweit grundsätzliche Bedeutung, als zu klären ist, ob die Verbandsklagebefugnis nach § 11 Abs. 2 USchadG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG nicht für die Durchsetzung von Vermeidungsmaßnahmen nach §§ 5, 7 Abs. 2 Nr. 2, 2 Nr. 6 USchadG besteht. Bezüglich der anderen Klageanträge liegen keine Zulassungsgründe vor.

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